Verwaltungsgericht des Saarlandes:
Urteil vom 3. November 2005
Aktenzeichen: 1 K 41/05

(VG des Saarlandes: Urteil v. 03.11.2005, Az.: 1 K 41/05)

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.420,72 Euro nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 01.01.2000 sowie 17,78 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Soweit die Klage hinsichtlich eingeforderter Zinsen (4 % aus 1.420,72 Euro) für den Zeitraum vom 03.01.1998 bis 31.12.1999 zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der von der Klägerin zu tragenden Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind - tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200,- Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer (Rest-)Forderung der Klägerin gegen die Beklagten aus der Überziehung eines früheren Postgirokontos, welche die Deutsche Postbank AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost an die Klägerin abgetreten hat.

Die Beklagten unterhielten bei der Deutschen Bundespost -Postgiroamt F-Stadt- gemeinsam das Postgirokonto mit der Nr.. Mit gleich lautenden Leistungsbescheiden vom 31.01.1989 forderte die Deutsche Bundespost die Beklagten auf, den auf dem genannten Konto aufgelaufenen Minusbetrag in Höhe von 6.664,18 DM ( = 3.407,34 Euro) nebst Zinsen und sonstigen Kosten unverzüglich auszugleichen. Für den Fall, dass dieser Aufforderung nicht Folge geleistet werde, drohte sie die zwangsweise Beitreibung des Betrages an. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagten hätten den Minusbetrag zuzüglich Zinsen trotz mehrmaliger Aufforderung noch nicht ausgeglichen; die Zinsforderung beruhe auf § 12 Abs. 1 der Postgiroordnung. Die Beklagten ergriffen gegen diese Leistungsbescheide, die ihnen ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Postzustellungsurkunden am 02.02.1989 jeweils persönlich übergeben wurden, keinen Rechtsbehelf. Mit Schreiben vom 04.04.1989 teilten sie der Deutschen Bundespost mit, sie seien durch einen Krankheitsfall bisher außer Stande gewesen, der Zahlungsaufforderung nachzukommen, und baten darum, ihnen Ratenzahlung zu gewähren. Am 03.10.1989 wurde der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Schuldsaldo in Höhe von 5.715,98 DM ( = 2.922,53 Euro) postintern ausgeglichen und das Konto der Beklagten nach vorangegangener Ankündigung von Amts wegen gelöscht. Vollstreckungsversuche aus den Leistungsbescheiden blieben in der Folgezeit ohne Erfolg. Allerdings wurden im Zeitraum vom 14.11.1989 bis zum 02.01.1998 Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 2.147,44 Euro auf die Forderung geleistet, sodass sich die Hauptforderung schließlich auf 1.420,72 Euro verringerte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in der Klageschrift vom 26.11.2004 (Seiten 4–6) befindliche Kontoaufstellung verwiesen.

Am 29.11.2004 hat die Klägerin – an welche die bestandskräftige Forderung gegen die Beklagten zwischenzeitlich von der Deutschen Postbank AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost nebst sämtlicher Nebenforderungen abgetreten worden war (vgl. die in den Gerichtsakten befindliche Zessionsurkunde vom 16.01.2003) - beim Amtsgericht Merzig Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 1.420,72 Euro nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 03.01.1998 sowie 17,78 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 30.12.2004 hat sie erklärt, dass sie die Klage hinsichtlich bereits verjährter Zinsforderungen zurücknehme und Zinsen nunmehr ab dem 01.01.2000 geltend mache.

Nachdem das Amtsgericht die am 20.12.2004 bzw. am 01.03.2005 gestellten Anträge der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 09.03.2005 -3 C 1354/04- zurückgewiesen und mit weiterem Beschluss vom 04.04.2005 den beschrittenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17 a Abs. 1 GVG für zulässig erklärt hat, sodann den jeweils hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen, sondern diese dem Landgericht F-Stadt zur Entscheidung vorgelegt hat, hat das Landgericht F-Stadt –Beschwerdekammer- mit Beschluss vom 27.04.2005 -5 T 192/05- unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 04.04.2005 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis verwiesen.

Die sofortigen Beschwerden gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe, über die das Landgericht F-Stadt auf Grund der Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht nicht mehr entschieden hat, sind sodann dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in Saarlouis zur Entscheidung vorgelegt worden. Dieses hat die Beschwerden mit Beschluss vom 16.08.2005 -1 Y 7/05- zurückgewiesen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, zwar sei die Forderung gegen die Beklagen durch die Leistungsbescheide vom 31.01.1989 bestandskräftig festgestellt worden, diese Leistungsbescheide könnten nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost jedoch nicht mehr im Wege der Verwaltungsvollstreckung vollzogen werden. Daher benötige sie einen gerichtlichen Titel. Nach § 12 Abs. 1 der Postgiroordnung hätten die Beklagten unverzüglich das Konto ausgleichen müssen, sodass die Forderung sofort fällig gewesen sei und die Beklagten spätestens durch den Leistungsbescheid in Verzug gesetzt worden seien. Für eigene Mahnungen seien der Deutschen Postbank AG Kosten in Höhe von pauschal 2,56 Euro für Porto und Papier entstanden. Die weiteren vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 17,58 Euro beträfen die auf die 7,5/10-Geschäftsgebühr entfallende Auslagenpauschale gemäß §§ 118 Abs. 1 Ziffer 1, 26 BRAGO inklusive Mehrwertsteuer für die vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen ihrer Prozessbevollmächtigten sowie 21,36 Euro für fünf Einwohnermeldeamtsauskünfte. Diese vorgerichtlichen Kosten hätten die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 284, 286, 288 BGB a.F.) zu ersetzen. Hinzu kämen Verzugszinsen von 4 % gemäß § 288 BGB a.F.. Die Forderung sei noch nicht verjährt, denn die Verjährung richte sich nach § 195 BGB a.F. und den Darlehensvorschriften der §§ 607 ff. BGB. Abgesehen davon folge eine 30-jährige Verjährungsfrist zumindest aus § 53 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 218 BGB a.F., weil die Forderung durch die Leistungsbescheide vom 31.01.1989 bestandskräftig festgestellt worden sei. Außerdem hätten die Beklagten sowohl durch die widerspruchslose Hinnahme der Leistungsbescheide als auch ihr Schreiben vom 04.04.1989 ein Schuldanerkenntnis abgegeben, für das ebenfalls die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Die Forderung sei schließlich nicht verwirkt. Dem stehe entgegen, dass die Beklagten anlässlich der Löschung ihres Kontos und danach mehrmals zur Leistung aufgefordert worden seien. Ein Vollstreckungsversuch im Jahr 1990 habe ergeben, dass die Beklagten zahlungsunfähig gewesen seien; daher seien weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus Gründen derKostenersparnis zu Gunsten der Beklagten zunächst unterblieben. Auch hätten die häufigen Wohnortwechsel der Beklagten die Forderungsbeitreibung erschwert. Die Beklagten hätten schließlich nicht darauf vertrauen können, dass sie –die Klägerin- oder ihre Rechtsvorgängerin den Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand sei zu keiner Zeit geschaffen worden. Hierzu hätte es auch einer deutlichen Erklärung ihrerseits bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bedurft, da ein bestandskräftiger Titel über die Forderung existiere.

Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.420,72 Euro nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 01.01.2000 sowie 17,78 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Beklagten haben jeweils beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1. bestreitet sowohl das Rechtsschutzinteresse der Klägerin als auch die Wirksamkeit der Forderungsabtretung. Ferner beruft sie sich auf Verwirkung und erhebtdie Einrede der Verjährung.

Der Beklagte zu 2. bestreitet ebenfalls die Wirksamkeit der Forderungsabtretung, da sich aus der vorgelegten Urkunde nicht ergebe, dass die dort geregelte Abtretung die streitgegenständliche Forderung erfasse. Ferner bestreitet er das Rechtsschutzinteresse der Klägerin, beruft sich auf Verwirkung und erhebt die Einrede der Verjährung. Hinsichtlich der Forderung selbst macht er geltend, dass es sich bei dem fraglichen Postgirokonto um ein Geschäftskonto gehandelt habe, welches seiner Erinnerung nach nur auf den Namen der Beklagten zu 1. gelaufen sei.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte 1 K 41/05 verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Gründe

Über die Klage ist nach dem bindenden Verweisungsbeschluss des Landgerichts F-Stadt vom 27.04.2005 gemäß § 17 b Abs. 1 GVG vom Verwaltungsgericht des Saarlandes auch ohne Anwesenheit der Klägerin, die ordnungsgemäß und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 102 Abs. 2 VwGO geladen wurde, aber nicht erschienen ist, zu entscheiden. Eine eigenständigeÜberprüfung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO entfällt. Eventuelle Zweifel, die das Verwaltungsgericht am Verwaltungsrechtsweg hat (so wie OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.12.1997 -9 W 62/97-, OLGR Stuttgart 1998, 282, sowie LG Köln, Beschluss vom 24.07.1998 -9 T 146/98-, zitiert nach JURIS; a.A.: OVG Hamburg, Urteil vom 23.01.1992 -Bf VII 23/91-, NJW 1993, 277), bleiben somit unberücksichtigt.

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, und zwar hinsichtlich einer Zinsforderung von 4 % aus 1.420,72 Euro für den Zeitraum vom 03.01.1998 bis 31.12.1999, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Insbesondere fehlt der Klägerin nicht das Rechtsschutzinteresse, denn ihr steht kein einfacherer Weg offen, die Forderung auf andere Weise ohne gerichtliche Hilfe -etwa im Wege der Verwaltungsvollstreckung- geltend zu machen. Zwar werden bestandskräftige Verwaltungsakte wie die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin, dem Postgiroamt F-Stadt, am 31.01.1989 erlassenen Leistungsbescheide in der Regel nach den Normen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze ohne die Notwendigkeit eines gerichtlichen Titels vollstreckt. Hier besteht aberdie Besonderheit, dass das öffentlich-rechtliche Postgiroverhältnis mit der Möglichkeit, Verwaltungsakte zu erlassen (VGH Kassel, Urteil vom 26.11.1991 -11 UE 1850/87-, CR 1992, 690, zitiert nach JURIS), mit Wirkung zum 01.07.1991 in ein privatrechtliches umgewandelt wurde und dass durch das Postumwandlungsgesetz vom 14.09.1994 (BGBl. S. 2325, 2339 - PostUmwG) die Deutsche Postbank AG, die weitere Rechtsvorgängerin der Klägerin, als privatrechtliche Aktiengesellschaft entstanden ist (§§ 1,2 PostUmwG), der keine hoheitlichen Befugnisse mehr zustehen und die somit auch nicht als Behörde im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes handeln durfte. Somit hat die Klägerin als Zessionsnachfolgerin der Postbank AG nur die Möglichkeit, die bereits durch Verwaltungsakt festgestellte Forderung mittels Leistungsklage geltend zu machen und auf diese Weise einen gerichtlichen Vollstreckungstitel zu erstreiten (so die ständige Rechtsprechung der Kammer; vgl. nur Urteile vom 21.01.1999 -1 K 354/98-; vom 22.01.2001 -1 K 188/99-; vom 30.08.2001 -1 K 153/99-).

Die somit zulässige Klage hat auch Erfolg.

Der Klägerin steht der an sie abgetretene Zahlungsanspruch gegen die Beklagten in Höhe von 1.420,72 Euro zuzüglich hierauf zu entrichtender Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 01.01.2000 zu. Daneben kann sie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 17,78 Euro verlangen.

Gegen die Wirksamkeit der Forderungsabtretung an die Klägerin bestehen – entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Bedenken. Ausweislich der zu den Gerichtsakten gereichten notariellen Urkunde (Nummer 24 der Urkundenrolle für das Jahr 2003) ist die aus dem Tenor ersichtliche Forderung am 16.01.2003 von der Deutschen Postbank AG an die Klägerin abgetreten worden. Danach betrifft die Zession alle Forderungen – einschließlich Mahnkosten, Zinsen sowie Kosten der Rechtsverfolgung -, die ab dem 01.01.1991 u.a. durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter den Aktennummern 1290 01 00000190 bis 1597 97 00001750 im Namen der Deutschen Postbank AG oder ihrer Rechtsvorgängerinnen, Deutsche Bundespost, Deutsche Bundespost Postbank, geltend gemacht wurden. Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2. genügt die Abtretungserklärung dem so genannten Bestimmtheitserfordernis. Hierfür reicht es aus, dass die abgetretene Forderung aufgrund des Textes der Zessionserklärung bestimmbar ist. Es genügtz.B. eine Abtretung aller Forderungen aus einem bestimmten Zeitraum (vgl. dazu Heinrichs in Palandt, BGB-Kommentar, 62. Aufl. 2003, § 398 Rdnr. 14 ff., 15). Diesen Anforderungen entspricht die hier maßgebliche Forderungsabtretung, denn sie ermöglicht die einwandfreie Feststellung, dass die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach dem 01.01.1991 unter der Aktennummer 1414 10 01642830 geltend gemachte Forderung (einschließlich Nebenforderungen) von der Abtretung erfasst ist. Dass die Deutsche Postbank AG die streitgegenständliche Forderung bereits im Jahr 2001 an die Stiftung Nehemia abgetreten hatte, steht der Wirksamkeit der –erneuten- Forderungsabtretung an die Klägerin nicht entgegen, da die Stiftung Nehemia (als Berechtigte) die Abtretung vom 16.01.2003 an die Klägerin gemäß § 185 Abs. 2 BGB genehmigt hat (vgl. die zu den Gerichtsakten gereichte notarielle Urkunde vom 29.04.2003, Nummer 99 der Urkundenrolle für das Jahr 2003).

Im Hinblick auf die Hauptforderung kann es unentschieden bleiben, ob diese aus einem Darlehen -ein solches dürfte gegeben sein (vgl. das bereits zitierte Urteil der Kammer vom 22.01.2001)- herrührt und ob das Darlehen wirksam gekündigt worden ist. Denn die Forderung ist Gegenstand der gleich lautenden Leistungsbescheide vom 31.01.1989, die den Beklagten wirksam zugestellt wurden und die in der Folgezeit bestandskräftig geworden sind, weil die Beklagten hiergegen keinen Widerspruch erhoben haben. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Aufgrund dieser Bescheide stand somit fest, dass die Beklagten der Klägerin -als Rechtsnachfolgerin des Postgiroamtes F-Stadt und der Postbank AG- ursprünglich 3.407,34 Euro ( = 6.664,18 DM) (als Hauptforderung ohne Zinsen) zahlen mussten. Der Umstand, dass die Hauptforderung sich durch Teilzahlungen zwischenzeitlich verringert hat, ändert an dem Fortbestand des entsprechend verminderten Zahlungsanspruchs aus diesen Bescheiden nichts. Die Beklagten haben auch nicht eingewandt, dass die eingeklagte Forderung nicht mit der in den Leistungsbescheiden geltend gemachten identisch sei, sondern vielmehr Zweifel am Rechtsschutzinteresse der Klägerin geltend gemacht, weil die Forderung durch die Bescheide bereits tituliert sei.

Die mit ihrer Bestandskraft rechtsverbindlich gewordenen, insbesondere nicht nichtigen (vgl. § 44 VwVfG) Bescheide sind auch nicht nachträglich unwirksam geworden, denn sie sind weder zurückgenommen oder widerrufen noch anderweitig aufgehoben worden oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Auch durch die dargelegten Veränderungen, d.h. die Umwandlung der Deutschen Bundespost -Postdienst- in die Deutsche Postbank als privatrechtliche Aktiengesellschaft haben sich die Verwaltungsakte nicht auf andere Weise erledigt. Die Aufhebung eines Gesetzes, aufgrund dessen ein Verwaltungsakt ergangen ist, lässt die Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts unberührt, es sei denn, in dem neuen oder geänderten Gesetz wäre ausdrücklich etwas anderes geregelt worden (Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG des Bundes, 5. Aufl. 1998, § 43 Rdnr. 190 mit Hinweis auf das Urteil des BVerwG vom 07.12.1995 -3 C 15.94-, NVwZ-RR 1997, 321, zitiert nach NVwZ auf CD-Rom). In den Rechtssetzungsakten zur Umwandlung der Deutschen Bundespost u.a. in die Postbank AG lässt sich ein solcher Wille des Gesetz- oder Verordnungsgebers nicht finden. Im Gegenteil deutet die Gesamtrechtsnachfolgeregelung des § 2 PostUmwG darauf hin, dass alle Rechtspositionen des oder der Rechtsvorgänger auf den Nachfolger übergehen sollten. Zu solchen Rechtspositionen gehören auch bestandskräftige, den Nachfolger begünstigende öffentlich-rechtliche Vermögenswerte des Vorgängers wie Verwaltungsakte, allerdings mit der aufgrund der Änderung der Handlungsform notwendigen Einschränkung, dass eine Verwaltungsvollstreckung durch die privatrechtlich organisierte Postbank AG und damit auch die Klägerin als deren (privatrechtliche) Rechtsnachfolgerin ohne Verleihung entsprechender hoheitlicher Befugnisse nicht möglich ist.

Hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung in Höhe von 1.420,72 Euro besteht somit der gegenüber den Beklagten geltend gemachte Leistungsanspruch der Klägerin. Soweit der Beklagte zu 2. in seiner Klageerwiderung geltend gemacht hat, dass es sich bei dem fraglichen Postgirokonto um ein Geschäftskonto gehandelt habe, welches seiner Erinnerung nach nur auf den Namen der Beklagten zu 1. gelaufen sei, ist dieser Einwand angesichts der Bestandskraft des gegen ihn ergangenen Leistungsbescheides ohne rechtliche Relevanz. Im Übrigen hat die Klägerin anhand des zu den Gerichtsakten gereichten Kontoeröffnungsantrags der Beklagten vom 20.04.1988 nachgewiesen, dass das Konto von beiden Beklagten gemeinsam eröffnet worden war. Aus der mit der Klageschrift zu den Gerichtsakten gereichten Kontoaufstellung der Klägerin, die für den Zeitraum vom 14.11.1989 bis zum 02.01.1998 Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 2.147,44 Euro berücksichtigt, ergibt sich ferner, dass die Teilzahlungen vorab auf die jeweils angefallenen Kostenund Zinsen verrechnet wurden, so dass in der nunmehr geltend gemachten Hauptforderung über den bestandskräftig festgestellten – ursprünglich weit höheren - Forderungsbetrag hinaus keine Kosten und Zinsen enthalten sind (so auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.08.2005 -1 Y 7/05).

Der Anspruch gegen die Beklagten ist auch nicht durch Verjährung erloschen. Ob zum Zeitpunkt des Erlasses der wirksamen Leistungsbescheide die diesen Bescheiden zugrundeliegende (schuldrechtliche) Forderung verjährt war, kann schon deshalb dahinstehen, weil durch die Bestandskraft der Leistungsbescheide dieser Frage keinerlei Bedeutung mehr beizumessen ist. Die Beklagten hätten, wenn sie sich auf Verjährung hätten berufen wollen, gegen diese Bescheide Widerspruch einlegen müssen. § 53 Abs. 1 VwVfG und die dort geregelte Unterbrechung der Verjährung sind insoweit wegen der sofortigen Bestandskraft der Verwaltungsakte nicht einschlägig. Eine Nichtigkeit der Leistungsbescheide wegen Verjährung liegt offenkundig nicht vor (§ 44 VwVfG).

Eine Verjährung ist aber auch nicht deshalb eingetreten, weil die Klägerin und deren Rechtsvorgänger seit Erlass der Leistungsbescheide bis zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Rest(Forderung) ca. 15 Jahre zugewartet haben. Aus § 53 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 218 BGB a.F. (für das vorliegende Rechtsverhältnis ist hinsichtlich der schuldrechtlichen und der verjährungsrechtlichen Komponenten das BGB in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung anwendbar, Art. 229 §§ 5, 6 EGBGB) folgt, dass eine Forderung, die mit einem unanfechtbaren Verwaltungsakt geltend gemacht wurde, erst in dreißig Jahren verjährt und diese Frist ist noch nicht abgelaufen.

Eine Verwirkung des Anspruchs kommt ebenso wenig in Betracht. Dabei kann dahinstehen, ob bezüglich des hierfür erforderlichen Zeitmoments eine kürzere Zeitspanne als diejenige der Verjährung genügen könnte. Jedenfalls reicht allein die Zeitdauer von ca. 15 Jahren ab Erlass der Verwaltungsakte für eine Verwirkung nicht aus. Zum Zeitmoment muss nämlich ein Umstandsmoment hinzukommen, d.h. das Verhalten der Klägerin müsste rechtsmissbräuchlich sein und es müssten neben dem Zeitmoment von ihr Umstände geschaffen worden sein, welche ein Vertrauen der Beklagten darauf, dass sie von ihrem Recht keinen Gebrauch mehr machen werde, hätten entstehen lassen können. Solche Umstände sind nach Aktenlage auch nicht ansatzweise zu erkennen. Insoweit kann auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 29.03.2005 (Seiten 4 bis 8) Bezug genommen werden (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.08.2005 –1 Y 7/05). Soweit die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, dass gegen sie im Jahr 1999 kein Mahnbescheid ergangen sei und sie erst durch die Klageerhebung im Jahr 2004 wieder von der Sache gehört habe, ist auch dieser Vortrag nicht geeignet, eine Verwirkung des Anspruchs ihr gegenüber zu begründen. Selbst wenn ein Mahnbescheid nur gegenüber dem Beklagten zu 2. ergangen sein sollte – was zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr aufklärbar ist, da die Unterlagen nicht mehr existieren -, stünde einer Verwirkung des Anspruchs gegenüber der Beklagten zu 1. entgegen, dass bis zum Jahr 1998 noch regelmäßige Teilzahlungen auf die Forderung eingegangen sind, sodass die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerinnen bis zur Einstellung dieser Zahlungen überhaupt keine Veranlassung hatten, gegen einen der Gesamtschuldner im Vollstreckungswege vorzugehen. Welcher der Gesamtschuldner die Teilzahlungen geleistet hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Da die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerinnen nach Einstellung der Teilzahlungen gegenüber keinem der Gesamtschuldner zu erkennen gegeben haben, dass sie die Restforderung nicht mehr geltend machen würden, haben sie keinen Umstand gesetzt, der eine Verwirkung hätte auslösen können. Auf die Zustellung eines Mahnbescheides kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an.

Die Geltendmachung von 4 % Zinsen seit dem 01.01.2000 (vgl. insoweit die Reduzierung des ursprünglichen Zinsbegehrens im Schriftsatz der Klägerin vom 30.12.2004, Seite 8) ist als Erhebung von Verzugszinsen nach § 288 BGB (a.F. und n.F.) rechtmäßig. Es kommt nicht darauf an, ob altes oder neues Recht Anwendung findet, denn mit 4 % liegt die Klägerin selbst nach neuem Recht in dem dort abgesteckten Rahmen. Zwar ist es in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen Verzugszinsen in der Regel nicht entstehen, es sei denn, dass in einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis eine gesonderte Zinsregelung besteht (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Urteil vom 02.09.1991 -7 L 34/90-, zitiert nach JURIS; OVG Hamburg, Urteil vom 04.11.1993 -Bf VII 3/91-, NVwZ-RR 1995, 369; VGH Mannheim, Urteil vom 23.08.1994 -2 S 2252/92-, VGHBW-Ls 1994, Beilage 11, B3, zitiert nach JURIS; OVG Münster, Urteil vom 31.01.1995 -1 A 3395/91-, NWVBl. 1995, 271, zitiert nach JURIS). Im öffentlich-rechtlich und vertraglich begründeten Giroverhältnis bestand aber eine solche Grundlage in § 12 Abs. 1 der Postgiroordnung vom 05.12.1984 (BGBl. I S. 1478 f.), wonach der Postgiroteilnehmer bei einer Überziehung seines Kontos verpflichtet war, dieses unverzüglich auszugleichen und das Postgiroamt für die Überziehung Zinsen erheben durfte (§ 12 Abs. 1 Sätze 3 und 4 der Postgiroordnung a.a.O.; zur darüber hinausgehenden Kostentragungspflicht des Postgiroteilnehmers vgl. auch die Neufassung des § 12 Abs. 1 der Postgiroordnung durch die 2. Verordnung zur Änderung der Postgiroordnung und der Postgirogebührenordnung vom 22.03.1989 -BGBl. I S. 541-).

Da die Beklagten als Postgiroteilnehmer bereits durch die genannten Bestimmungen der Postgiroordnung verpflichtet waren, ihr Konto unverzüglich nach Überziehung auszugleichen, sie von der Rechtsvorgängerin der Klägerin überdies mehrfach zum Ausgleich angemahnt worden waren, befanden sie sich jedenfalls spätestens mit Erlass der Leistungsbescheide vom 31.01.1989 in Verzug, weshalb sie gemäß § 173 VwGO i.V.m. §§ 286, 288 BGB grundsätzlich verpflichtet waren, an die Klägerin seit diesem Zeitpunkt 4 % Zinsen aus der Hauptforderung zu zahlen. Nachdem die Klägerin jedoch auf die Einrede der Verjährung durch die Beklagten ihre Zinsforderung auf die Zeit ab dem 01.01.2000 beschränkt hat, sind die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Zinsen lediglich ab diesem Zeitpunkt zu verurteilen.

Die ferner eingeklagten 17,78 Euro an vorgerichtlichen Kosten als nach Ansicht der Klägerin gesondert angefallener Auslagenbetrag zur Durchsetzung der Hauptforderung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens können ihr ebenfalls zugesprochen werden. Rechtsgrundlage für die Forderung ist § 12 Abs. 1 Satz 5 Postgiroordnung in der Neufassung vom 22.03.1989 (a.a.O.), nach dem der Postgiroteilnehmer auch die Kosten trägt, die dem Postgiroamt dadurch entstehen, dass der Postgiroteilnehmer mit der Erfüllung seiner Verpflichtung nach Satz 3 dieser Bestimmung –unverzügliche Kontoausgleichsverpflichtung- in Verzug gerät. Daneben ergibt sich der Anspruch auch unmittelbar aus §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1, 284 BGB a.F. (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.08.2005 -1 Y 7/05-). Hinsichtlich der Höhe dieser Kosten hat die Klägerin in ihrer Klagebegründung dargelegt, dass ihrer Rechtsvorgängerin für eigene Mahnungen Kosten in Höhe von pauschal 2,56 Euro für Porto und Papier entstanden seien. Hinzu kämen die auf die 7,5/10-Geschäftsgebühr entfallende Auslagenpauschale gemäß §§ 118 Abs. 1 Ziffer 1, 26 BRAGO inklusive Mehrwertsteuer für die vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 17,58 Euro sowie die Kosten für fünf Einwohnermeldeamtsauskünfte in Höhe von insgesamt 21,36 Euro. Berücksichtigt man, dass ein Teilbetrag dieser vorgerichtlichen Kosten bereits durch die bis zum Jahr 1998 erfolgten Teilzahlungen der Beklagten getilgt worden ist (vgl. dazu die in der Klageschrift vom 26.11.2004 befindliche Kontoaufstellung, in der –bereits getilgte- Teilbeträge in Höhe von 2,56 Euro, 17,58 Euro und 3,58 Euro enthalten sind), verbleibt noch ein Restbetrag in Höhe von 17,78 Euro, der exakt der von der Klägerin geltend gemachten Forderung entspricht. Die Beklagten sind dieser Forderung nicht entgegengetreten, sodass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Nach alledem sind die Beklagten antragsgemäß zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung der somit erfolgreichen Leistungsklage folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dass die Klage hinsichtlich der Zinsen teilweise zurückgenommen wurde, hat auf die Kostenentscheidung keinen Einfluss, denn der Zinsbetrag findet keinen Einfluss auf den Streitwert (§ 4 ZPO). Allerdings sind der Klägerin gemäß § 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG die Mehrkosten aufzuerlegen, die durch die Anrufung des unzuständigen Zivilgerichts entstanden sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 709 ZPO.

Das Gericht sieht keine Veranlassung, auf der Grundlage von § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen.






VG des Saarlandes:
Urteil v. 03.11.2005
Az: 1 K 41/05


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