Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2008
Aktenzeichen: 26 W (pat) 67/07

(BPatG: Beschluss v. 15.10.2008, Az.: 26 W (pat) 67/07)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung der u. a. für "Glaswaren (soweit in Klasse 21 enthalten), Flaschen" bestimmten dreidimensionalen Markemit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, teilweise für die zuvor genannten Waren zurückgewiesen, weil insoweit jegliche Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Zur Begründung hat die Markenstelle unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (GRUR 1995, 732, 734 -Füllkörper) und des Bundespatentgerichts (BPatGE 39, 128 -Kleine Kullerflasche; BPatG Mitt. 1998, 304 -Honigglas) ausgeführt, nur auffällige, von gängigen Flaschenformen abweichende Gestaltungen könnten als betrieblicher Herkunftshinweis dienen, weil sich die Abnehmer von Flaschen zunächst an den zur Kennzeichnung des Flascheninhalts notwendigen Etiketten orientierten. Wenn sich die Abweichungen in den Gestaltungsmerkmalen auf wenig einprägsame Nuancen beschränkten, seien diese nicht geeignet, die Ware ihrer betrieblichen Herkunft nach zu individualisieren. Bei Anwendung dieser Grundsätze fehle der angemeldeten Marke für Glaswaren und Flaschen jegliche Unterscheidungskraft. Entgegen der Ansicht der Anmelderin sei insoweit nicht allein der Warensektor der Mineralwasserflaschen maßgeblich, auf dem die angemeldete Marke nach Angaben der Anmelderin eingesetzt werden solle, sondern angesichts der Fassung des Warenverzeichnisses der gesamte Sektor der Glaswaren und Flaschen. Auf diesem Sektor sei die Formenvielfalt außerordentlich groß. Von dem umfangreichen Formenschatz hebe sich die angemeldete Marke nicht deutlich genug ab.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Flasche weiche in ihrem Gesamteindruck deutlich von den gängigen Flaschenformen ab. Der Designer der Flasche habe Wert darauf gelegt, eine neue Form zu finden, die ein hohes Maß an Eigenständigkeit und dadurch einen starken Wiedererkennungswert aufweise, und wolle mit der angemeldeten Flaschenform an einem Designer-Wettbewerb teilnehmen. Die Entwicklung der Flasche sei im Wissen um die Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, etwa in den Entscheidungen "blaue Vierkantflasche" (GRUR 1998, 582) und "kleine Kullerflasche" (GRUR 1998, 587) an die Unterscheidungskraft von Flaschen stelle, erfolgt. Inzwischen sei das Patentgericht noch großzügiger geworden und trage damit dem Umstand Rechnung, dass der übliche Formenschatz für Mineralwasserflaschen recht klein sei, so dass schon geringe Abweichungen die Unterscheidungskraft begründen könnten. Es seien bereits viele andere, ausschließlich aus einer Flasche ohne sonstige Ausstattung bestehende Marken national und international eingetragen worden. Die angemeldete Flasche sei in Verbindung mit einer Etikettenausstattung als dreidimensionale Marke eingetragen worden. Es sei letztlich rechtlich problematisch, den uferlosen Markt von Glaswaren und Flaschen als für die Beurteilung der Unterscheidungskraft maßgeblichen Warensektor heranzuziehen.

Die Anmelderin beantragt, die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin erweist sich als unbegründet. Der angemeldeten Marke fehlt, wie die Markenstelle im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, für die beanspruchten Waren der Klasse 21 jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung weist eine Marke dann auf, wenn sie geeignet ist, die Waren und/oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH MarkenR 2005, 22, 25 -Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH BlPMZ 2004, 30 -Cityservice). Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen , das ihm zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Warenund Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 805 und 809 -Philips). Für ein kennzeichnungsrechtliches Monopol ist damit nur dann Raum, soweit ein beanspruchtes Zeichen geeignet ist, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und/oder Dienstleistungen zu garantieren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen (EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 -BRAVO). Diese Eignung weist die angemeldete Marken für die Waren "Glaswaren (soweit in Klasse 21 enthalten), Flaschen" nicht auf.

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken sind zwar keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei anderen Markenformen. Unbeschadet der rechtlichen Gleichbehandlung sind jedoch wesentliche tatsächliche Unterschiede zwischen Warenformmarken und sonstigen Markenkategorien zu beachten. Marken, die aus der Form der Ware bestehen, werden vom Verkehr tatsächlich nicht in gleicher Weise aufgefasst wie Wortbzw. Bildmarken, weil der Durchschnittsverbraucher aus der Form der Ware gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft der Ware schließt. Deshalb begründet nach der nunmehr einschlägigen, zum Teil in den Anforderungen von den vorangegangenen Entscheidungen anderer Gerichte abweichenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. EuGH GRUR 2004, 428, 431, Nr. 48-53 -Henkel) ein bloßes Abweichen von der Norm oder Branchenüblichkeit noch nicht die Unterscheidungskraft. Vielmehr weist eine solche Marke das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nur dann auf, wenn sie von der Norm oder Branchenüblichkeit erheblich abweicht. Die entsprechenden Abweichungen müssen für den Verkehr ohne besondere Aufmerksamkeit und ohne analysierende und vergleichende Betrachtung zu erkennen sein.

Davon kann bei der angemeldeten Marke, wenn sie für Flaschen oder Glaswaren der Klasse 21 (die oberbegrifflich ebenfalls Flaschen umfassen) verwendet wird, nicht ausgegangen werden. Angesichts der Tatsache, dass das Warenverzeichnis der angemeldeten Marke einschränkungslos alle Arten von Flaschen für alle Arten von Getränken und anderen Flüssigkeiten umfasst, ist der Prüfung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im vorliegenden Fall der gesamte feststellbare Flaschenformenschatz zugrunde zu legen. Hiervon ausgehend weist die angemeldete Flaschenform bei Heranziehung der von der Markenstelle ermittelten und insbesondere der von der Anmelderin selbst eingeräumten und als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 13. Januar 2006 belegten Flaschenformen Dritter auch bei der gebotenen großzügigen Betrachtungsweise nicht das erforderliche Minimum an betrieblicher Unterscheidungskraft auf. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei ihr um eine formschöne Designerflasche handelt. Denn ihr fehlt angesichts des Umstands, dass es in den letzten Jahren zunehmend üblich geworden ist, Getränke in unterschiedlichste, zum Teil ebenfalls von Designern entworfene Flaschen abzufüllen, von denen nicht wenige ebenfalls eine bewusst schlichte, leicht bauchig anmutende Form aufweisen, die Fähigkeit, von Haus -ohne weitere unterscheidende Merkmale -auf die Herkunft von Flaschen aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen und die Flaschen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden.

Aber selbst dann, wenn zu Gunsten der Anmelderin bei der Prüfung nur von dem bei Mineralwasserflaschen feststellbaren Formenschatz ausgegangen würde, könnte die für eine Bejahung der Unterscheidungskraft notwendige erhebliche Abweichung der angemeldeten Marke von den bereits in Benutzung befindlichen Mineralwasserflaschen nicht festgestellt werden. Auch Mineralwässer werden längst nicht mehr ausschließlich in der als "Brunnenflasche" bezeichneten Pfandeinheitsflasche vertrieben, sondern insbesondere für die Gastronomie in einer Vielzahl von Designerflaschen angeboten, die -wie z. B. die von der Anmelderin selbst angeführte Flaschen, in denen das Mineralwasser der Marken "Apollinaris" bzw. "Gerolsteiner" vertrieben wird -in ihren schlichten, nach unten zu leicht bauchigen Grundformen der angemeldeten Marke nicht unähnlich sind. Von diesen und anderen bereits auf dem Markt anzutreffenden Designerflaschen unterscheidet sich die angemeldete Flaschenform aus Sicht der Durchschnittskäufer in zu unauffälligen und zu wenig einprägsamen Nuancen. Die bewusst einfache Gestalt der angemeldeten Flaschenform mag zwar aus der Sicht eines Flaschendesigners ansprechend sein, weist jedoch eben keine besonderen, ins Auge springenden Gestaltungselemente auf, die für den Durchschnittskäufer von Flaschen und Glaswaren einen sofort erfassbaren, eindeutigen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Flaschen geben könnten.

Aus der Eintragung ähnlicher dreidimensionaler, aus der Form einer Flasche bestehender Marken durch das Deutsche Patentund Markenamt kann die Anmelderin keinen Anspruch auf Eintragung ihrer Marke herleiten, weil die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Patentamts über das Vorliegen von Schutzhindernissen nur nach der Bestimmung des § 8 MarkenG und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis des Amtes zu beurteilen ist (st. Rspr des BGH und des EuGH, vgl. z. B. BGH BlPMZ 1998, 248, 249 -Today; ebenso zum Gemeinschaftsmarkenrecht: EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1015, Nr. 47 -BioID; MarkenR 2008, 163, 167, Rdn. 39 -Terranus). Bei dieser Sachlage muss der Beschwerde der Anmelderin der Erfolg versagt bleiben.

Dr. Fuchs-Wissemann Richterin Kopacek hat Ur- Rekerlaub und kann dahernicht unterschreiben.

Dr. Fuchs-Wissemann Ko






BPatG:
Beschluss v. 15.10.2008
Az: 26 W (pat) 67/07


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