Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2008
Aktenzeichen: 17 W (pat) 2/08

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2008, Az.: 17 W (pat) 2/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 18. September 2007 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 8, eingegangen am 10. Juni 2008, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 2b und 3, eingegangen am 10. Juni 2008, Beschreibung Seiten 4 -8, eingegangen am 22. Mai 2000, sowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingegangen am 22. Mai 2000.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist als internationale Anmeldung nach dem PCT u. a. mit dem Bestimmungsland Deutschland unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Schweden vom 25. November 1997 eingereicht und als WO 99 / 30 221 A1 in englischer Sprache veröffentlicht worden. Am 22. Mai 2000 wurden deutschsprachige Unterlagen eingereicht unter der Bezeichnung

"Bedientafel".

Die Anmelderin hat am 31. Mai 2005 Prüfungsantrag für die Bundesrepublik Deutschland gestellt (nationale Phase, Aktenzeichen 198 82 843.8-53). In der Anhörung vom 18. September 2007 wurde die Anmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts zurückgewiesen mit der Begründung, der jeweilige Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag, gemäß dem Hilfsantrag 1 und gemäß dem Hilfsantrag 2 sei nicht gewährbar, da sein jeweiliger Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin (eingeg. am 23. November 2007) gerichtet. Sie beantragt, zuletzt mit Schriftsatz vom 9. Juni 2008:

den Beschluss über die Zurückweisung der Patentanmeldung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der nunmehr geltenden Unterlagen zu erteilen, hilfsweise die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

In ihrer Beschwerdebegründung führt sie aus, die Behauptung des Prüfers, dass der Stand der Technik gemäß den von ihm entgegengehaltenen zwei Druckschriften die vorliegende Erfindung nahelegen würde, sei vollkommen unzutreffend, und die von ihm zitierte Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Es schiene, dass sich der zuständige Prüfer mit dem Anmeldungsgegenstand in technischer Hinsicht nicht ausreichend auseinandergesetzt habe. Auch im Rahmen der Anhörung sei es zu keiner konstruktiven Diskussion gekommen, da der Prüfer bereits zu Beginn erklärt habe, den Termin nicht etwa deshalb anberaumt zu haben, um die Möglichkeit einer gewährbaren Anspruchsfassung zu erörtern, sondern allein um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, kein hinreichendes rechtliches Gehör gewährt zu haben. Auf die einzelnen Argumente der Anmelderin sei während der gesamten Anhörung nicht eingegangen worden.

Nach Benennung von zwei neuen Entgegenhaltungen durch den Senat, sowie zur weiteren Klarstellung der beanspruchten Lehre hat die Anmelderin neue Patentansprüche und eine daran angepasste Beschreibung eingereicht.

Die nunmehr geltenden Patentansprüche lauten:

"1. Bedientafel mit einem Bildschirm (3) und einer Anzahl Bedienelemente (4), die an letzterem angeordnet sind zum Steuern der Funktion von Funktionseinheiten, die mit der Bedientafel verbunden sind, wobei auf dem Bildschirm zu der jeweils zu steuernden Funktion zugehörige Information angezeigt wird, mit einer ersten Gruppe (5) von Bedienelementen, die an einem Träger (7) angeordnet ist, der relativ zum Bildschirm (3) zwischen einer ersten Stellung im wesentlichen über dem Bildschirm und einer zweiten Stellung an einem Rand des Bildschirms bewegbar ist, wobei in der ersten Stellung der Bildschirm (3) durch den Träger (7) in ein erstes Feld (9) und ein davon getrenntes zweites Feld (10) geteilt ist, die Information zu unterschiedlichen zu steuernden Funktionen anzeigen, und in der zweiten Stellung der gesamte Bildschirm ein einzelnes Feld (11) zur Informationsanzeige bildet, wobei die Umschaltung zwischen diesen Feldteilungen durch Bewegen des Trägers (7) zwischen der ersten und zweiten Stellung erfolgt.

2.

Bedientafel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Gruppe (5) von Bedienelementen in der zweiten Stellung wenigstens teilweise eine zweite Gruppe (6) von an dem entsprechenden Rand des Bildschirms (3) angeordneten Bedienelementen abdeckt, und in der ersten Stellung die zweite Gruppe (6) von Bedienelementen freilässt.

3.

Bedientafel nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Träger (7) über den Bildschirm (3) erstreckt, und dass seine beiden Endabschnitte derart angebracht sind, dass er in einer Richtung quer zu seiner Längsrichtung versetzt werden kann.

4.

Bedientafel nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Längsrichtung des Trägers (7) horizontal ist.

5.

Bedientafel nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Träger (7) in wenigstens der ersten Stellung sperrbar ist.

6.

Bedientafel nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie für die Instrumententafel in einem Kraftfahrzeug bestimmt ist, und dass dann, wenn der Bildschirm in ein erstes (9) und ein zweites Feld (10) geteilt ist, eines (10) der beiden Felder Einstellungen der Klimasteuerung des Fahrzeugs darstellt.

7.

Bedientafel nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass dann das andere (9) der beiden Felder des Bildschirms Einstellungen der Musikanlage des Fahrzeugs darstellt.

8.

Bedientafel nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Bildschirm in der Stellung, in der er ein einzelnes Feld (11) bildet, zum Anzeigen einer Karte vorgesehen ist."

Ihnen soll jetzt (siehe Beschreibung eingeg. 10. Juni 2008 S. 2b) die Aufgabe zugrunde liegen, eine Bedientafel zu schaffen, die bei robuster Konstruktion eine ergonomische Bedienung verschiedener Anzeigefelder mit unterschiedlichem Informationsgehalt zulässt und die darüber hinaus dazu geeignet ist, auch ein einziges großflächiges Anzeigefeld zur detaillierten Informationsdarstellung bereitzustellen.

Von der Prüfungsstelle wurden folgende Druckschriften entgegengehalten:

D1 DE3514435C1 D2 EP0701926A2 Der Senat hat nachträglich folgende im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 87 PatG) recherchierte Druckschriften ins Verfahren eingeführt:

D3 EP0297195A1 D4 US5646649A II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Sie hat auch Erfolg, da das nunmehrige Patentbegehren durch den im Verfahren zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt ist und auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt (PatG §§ 1bis 5, §34).

1.

Die Anmeldung betrifft ein Ein-/Ausgabegerät mit einem Bildschirm und Bedienelementen (i. d. R. Drucktasten) zum Steuern der Funktion von Funktionseinheiten, wie z. B. im Kraftfahrzeug zum Steuern von Klimaanlage, Radio, Telefon, Navigationssystem u. ä..

Der Beschreibungseinleitung lässt sich entnehmen, dass die Anforderungen an die Bedienelemente für einige dieser Funktionseinheiten sehr unterschiedlich sind: manche müssen während der Fahrt ständig präsent sein, benötigen aber vergleichsweise wenig Platz; andere werden selten benutzt, benötigen aber einen großen Bildschirm zur Informationsanzeige. Der verfügbare Platz, gerade im Kraftfahrzeug, ist begrenzt; die bisherigen Lösungen wie ein im Armaturenbrett versenkbarer Bildschirm oder separate Bedienfelder für jede Funktion haben deutliche Nachteile.

2.

Mit dem geltenden Patentanspruch 1 wird zur Vermeidung dieser Nachteile vorgeschlagen, eine aus einem Bildschirm und einer Anzahl von Bedienelementen bestehende Bedientafel um einen Träger zu ergänzen, der (von einer Bedienperson) relativ zum Bildschirm zwischen einer ersten Stellung im Wesentlichen über dem Bildschirm (bspw. in der Mitte des Bildschirms, vgl. Fig. 2) und einer zweiten Stellung an einem Rand des Bildschirms bewegbar ist. In der ersten Stellung des Trägers über dem Bildschirm soll die gesamte Anzeigefläche in ein erstes Feld und ein zweites Feld (z. B. oberbzw. unterhalb des Trägers) geteilt werden, wobei die Felder Informationen zu unterschiedlichen mit der Bedientafel steuerbaren Funktionen anzeigen sollen. In der zweiten Stellung am Rand des Bildschirms hingegen soll der gesamte Bildschirm als einziges (großes) Feld zur Anzeige zur Verfügung stehen. Die Umschaltung zwischen den beiden Feldaufteilungen soll durch Bewegen des Trägers von der einen in die jeweils andere Stellung bewirkt werden. Zur Bedienung der jeweils in den Feldern bzw. dem Feld angezeigten Funktionen sind Bedienelemente nicht nur am Bildschirm angeordnet, etwa am Rand, sondern auch auf dem bewegbaren Träger.

Als Fachmann für Bediensysteme zur Steuerung von elektrischen und elektronischen Funktionen, etwa im Kraftfahrzeugbereich, ist ein Elektronikingenieur anzusehen, der über mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung von Bediensystemen verfügt. Dieser Fachmann entnimmt dem Anspruch 1 nicht nur, dass die Bedientafel mit einem bewegbaren Träger ausgestattet werden soll, sondern kann auch nachvollziehen, wie abhängig von der momentanen Stellung des Trägers die Umschaltung der Anzeigefläche in ein oder zwei Felder bewirkt werden kann, nämlich bspw. durch einen Schalter, der die Stellung des Trägers erkennt und abhängig davon per Software die Anzeige der zu steuernden Funktionen in einem oder in zwei Feldern veranlasst. Der Fachmann wird dabei erkennen, dass sich durch die Anbringung eines Teils der Bedienelemente am Träger die Möglichkeit ergibt, die Bedienelemente jeweils in unmittelbarer Nähe des zugehörigen Feldes anzuordnen. Insgesamt gesehen ergibt sich durch die vorgeschlagenen Maßnahmen eine einfache Umschaltung zwischen verschiedenen Anzeigeund Bedienfunktionen.

3.

Der Erteilungsantrag liegt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

Der neue Patentanspruch 1 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 sowie Figur 2 und 3 mit zugehöriger Beschreibung, insbesondere Seite 5 Absatz 2 und Seite 6 Zeile 15 / 16.

Die Unteransprüche 2 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 5 bis 10, unter Berücksichtigung von Figur 2 und 3 mit zugehöriger Beschreibung.

Die Beschreibung wurde in zulässiger Weise an das geltende Patentbegehren angepasst.

4. Die Bedientafel nach dem -alten wie neuen -Anspruch 1 gehört zum Kreis der dem Patentschutz zugänglichen Gegenstände.

Im Zurückweisungsbeschluss wird ausgeführt, dass die Entwicklung einer Bedienoberfläche der im Anspruch 1 angegebenen Art in das Gebiet der künstlerischen Gestaltung falle und in Hinsicht auf die Ausführungen in der Senatsentscheidung "Transaktion im Elektronischen Zahlungsverkehr II" nichttechnische Aspekte für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit unbeachtlich seien. Der Gegenstand einer mit einem Touchscreen realisierten Bedieneroberfläche beruhe demnach nicht auf erfinderischer Tätigkeit (vgl. S. 4 ab Mitte und S. 5 Abs. 1).

Im Leitsatz 1 der o. g. Senatsentscheidung (abgedruckt in Mitt. 2005, 363) ist ausgeführt, dass bei einem Anspruchsgegenstand, der technische und nichttechnische Aspekte umfasst, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit lediglich die Anweisungen zugrunde zu legen sind, denen eine konkrete technische Problemstellung zugrunde liegt. Im Abschnitt II. 3.1 dieser Entscheidung ist unter Bezug auf die BGH-Entscheidung "Elektronischer Zahlungsverkehr" weiter ausgeführt, dass bei der Prüfung computerimplementierter Verfahren auf erfinderische Tätigkeit lediglich die weiteren Anweisungen eines Anspruchs zugrunde zu legen sind, die die Aussage ermöglichen, dass eine Bereicherung der Technik vorliegt. Diese Aussagen beziehen sich ausdrücklich auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit, nicht auf die ebenfalls zu klärende Frage, ob ein Gegenstand dem Patentschutz generell zugänglich ist. Die vorliegend beanspruchte Bedientafel mag auch nichttechnische Anweisungen umfassen, die im Zurückweisungsbeschluss als "künstlerische Gestaltung" bezeichnet werden. Solche könnten beispielsweise in der Aufteilung des Bildschirms in ein oder zwei Felder für jeweils bestimmte zu steuernde Funktionen gesehen werden. Denn die Aufteilung und Anordnung von Feldern und Symbolen auf einem Bildschirm für die Bedienung von bestimmten Funktionen erfolgt nach ergonomischen Gesichtspunkten, d. h. ist auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bedienperson zugeschnitten, und orientiert sich i. d. R. nicht daran, wie Bedienhandlungen mit technischen Mitteln implementiert werden (vgl. hierzu Leitsatz 1 der Senatsentscheidung "Bedienoberfläche" in GRUR 2007, 316).

Die Bedientafel nach dem vorliegenden Anspruch 1 umfasst aber auch technische Anweisungen. Diese bestehen darin, den Bildschirm um einen Träger zu ergänzen, der über den Bildschirm von einer ersten in eine zweite Stellung bewegt werden kann und seine Stellung bspw. an die Bediensoftware signalisiert um die entsprechende Darstellung zu veranlassen. Diese Ausgestaltung dient dem technischen Problem, eine Bedientafel zu schaffen, die mit geringem Platzbedarf auskommt (vgl. S. 3, Z. 9 -16 der DE 198 82 843 T1). Die im Anspruch enthaltenen technischen Anweisungen führen dazu, dass die beanspruchte Bedientafel dem Kreis der dem Patentschutz zugänglichen Gegenstände zuzurechnen ist.

Darüber hinaus kommt den im Anspruch enthaltenen technischen Anweisungen wesentliche Bedeutung bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit zu. Denn nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesgerichtshofs in "Elektronischer Zahlungsverkehr" (vgl. GRUR 2004, 428, insb. 430 li. Sp.) sind (allein) die weiteren Anweisungen, denen ein konkretes technisches Problem zugrunde liegt, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zugrunde zu legen.

Im vorliegenden Fall wurde die Zurückweisung damit begründet, dass die nichttechnischen Aspekte für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit unbeachtlich seien, was für sich zutrifft. Die im Anspruch ebenfalls enthaltenen technischen Anweisungen aber wurden entgegen der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit völlig außer Acht gelassen. Insoweit tragen die im Zurückweisungsbeschluss genannten Gründe die Zurückweisung nicht.

5. Die Bedientafel nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit; sie ist durch die im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht vorbekannt und wird durch sie auch nicht nahegelegt.

5.1 Die von der Prüfungsstelle entgegengehaltene, dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegende Druckschrift D1 (DE 35 14 438 C1, im Beschluss fälschlich als DE 35 24 438 C1 bezeichnet) beschreibt insbesondere am Beispiel der Figuren 7 bis 9 eine Bedientafel mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm (58) und einer Anzahl Bedienelemente (61 -70, 72 -77, 78 -83), die auf letzterem dargestellt sind zum Steuern der Funktion von Funktionseinheiten, die mit der Bedientafel verbunden sind, wobei auf dem Bildschirm zu der jeweils zu steuernden Funktion zugehörige Information angezeigt wird.

Ein bewegbarer Träger für Bedienelemente ist nicht beschrieben.

Der Patentanspruch 1 war und ist aber auf einen vom Benutzer mechanisch verschiebbaren Träger für (elektromechanische) Bedienelemente gerichtet (das ergäbe sich im Zweifel zumindest aus der Beschreibung und den Figuren, die bei der Auslegung eines Patentanspruchs heranzuziehen sind), und nicht auf die Darstellung von Bedienelementen auf einem berührungsempfindlichen Bildschirm, wie überhaupt die gesamte Anmeldung an keiner Stelle einen solchen berührungsempfindlichen Bildschirm erwähnt. Und wenn es auch bekannt sein dürfte, Bedienelemente eines berührungsempfindlichen Bildschirms als für den Benutzer (mit dem Finger) verschiebbar auszulegen, so liegt es jedoch dadurch keinesfalls nahe, dies auf elektromechanische Bedienelemente zu übertragen und einen mechanisch verschiebbaren Träger vorzusehen, weil eine solche Ausgestaltung völlig andere technische Maßnahmen erfordert und zudem viel aufwendiger ist.

Druckschrift D1 ist daher nicht geeignet, den damaligen oder den geltenden Patentanspruch 1 in Frage zu stellen.

Dies gilt gleichfalls für die vom Prüfer im Erstbescheid zitierte Druckschrift D2 (EP 0 701 926 A2), die lediglich zu Unteranspruch 10 genannt war und ebenso wenig einen mechanisch verschiebbaren Träger für Bedienelemente beschreibt.

5.2 Aus dem Recherchebericht zur zugrundeliegenden internationalen Patentanmeldung (WO 99 / 30 221 A1) ist die Druckschrift D3 (EP 0 297 195 A1) bekannt geworden. Sie beschreibt eine Uhr mit zwei Anzeigefeldern, zum Beispiel einem Feld für eine Analoguhr und einem Feld für eine Digitaluhr, oder einem Feld für eine Taschenrechner-Anzeige. Die Anzeigefelder können als LCD-Bildschirm ausgebildet sein (Spalte 3 Zeile 13). Ein mechanischer Schieber ist vorgesehen, der jeweils eines der beiden Felder überdeckt und beim Verschieben einen Schaltkontakt betätigt (Figur 7 / 8), so dass eine Funktionsumschaltung durch Bewegen des Schiebers zwischen der ersten und der zweiten Stellung erfolgen kann. In einer Ausführungsform (Figur 10) trägt der Schieber eine Anzahl von Bedienelementen.

Jedoch besteht hier nicht die Möglichkeit, einen großen Bildschirm durch den Schieber in zwei gleichzeitig sichtbare Teilbereiche zu unterteilen, oder den Schieber an den Rand des Bildschirms zu bewegen, so dass der gesamte Bildschirm (beide Anzeigefelder) sichtbar ist.

Als nächstkommender Stand der Technik wurde vom Senat die Druckschrift D4 (US 5 646 649 A) ermittelt, aus der -in teilweiser Übereinstimmung mit dem Patentanspruch 1 - bekannt ist:

eine Bedientafel mit einem Bildschirm (11) und einer Anzahl Bedienelemente (19 an 15), die an letzterem angeordnet sind zum Steuern der Funktion von Funktionseinheiten, die mit der Bedientafel verbunden sind, wobei auf dem Bildschirm zu der jeweils zu steuernden Funktion zugehörige Information angezeigt wird, mit einer ersten Gruppe (19 an 15) von Bedienelementen, die an einem Träger (13) angeordnet ist, der relativ zum Bildschirm (11) zwischen einer ersten Stellung im wesentlichen über dem Bildschirm (siehe Figur 2) und einer zweiten Stellung an einem Rand des Bildschirms (siehe Figur 1) bewegbar ist, wobei in der zweiten Stellung der gesamte Bildschirm (11) ein einzelnes Feld zur Informationsanzeige bildet (siehe Figur 1), und wobei eine Umschaltung (microswitch 21) durch Bewegen des Trägers (13) zwischen der ersten und zweiten Stellung erfolgt (siehe Spalte 6 Zeile 54 -60).

Jedoch ist der Bildschirm in der ersten Stellung nicht in zwei getrennte Felder aufgeteilt, die Information zu unterschiedlichen zu steuernden Funktionen anzeigen, und erst recht ist der Träger nicht so beschrieben, dass er in der Position über dem Bildschirm eine solche Aufteilung bewirken könnte.

5.3 Alle übrigen, insbesondere aus der internationalen Recherche oder aus dem auf die Anmeldung erteilten US-Patent US 6 421 046 B1, bekannt gewordenen Druckschriften liegen weiter ab. Aus keiner Druckschrift ist eine Anregung entnehmbar, einen (mechanischen) Träger für Bedienelemente vorzusehen, der in einer Stellung den Bildschirm in ein erstes Feld und ein davon getrenntes zweites Feld teilt, die Information zu unterschiedlichen zu steuernden Funktionen anzeigen, und in einer anderen Stellung am Rande des Bildschirms ermöglicht, dass der gesamte Bildschirm ein einzelnes Feld zur Informationsanzeige bildet.

Der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 ist somit nicht nur neu; er beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil die beanspruchte Ausbildung der Bedientafel für den Durchschnittsfachmann nicht nahelag.

Die gewerbliche Anwendbarkeit der beanspruchten Bedientafel steht außer Frage. Folglich ist der Patentanspruch 1 gewährbar.

Die Unteransprüche 2 bis 8 betreffen zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltung der Erfindung und sind in Verbindung mit Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und das Patent war so wie nunmehr beantragt zu erteilen.

III.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen, weil dies im vorliegenden Fall der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus einer fehlerhaften Sachbehandlung oder aus einem Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl. (2006), § 80 Rdnr. 20 ff.; Schulte, PatG, 7. Aufl. (2005), § 80 Rdnr. 66 ff. in Verb. mit § 73 Rdnr. 125 ff.).

1. Zwar rechtfertigt eine unrichtige Beurteilung allein die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht (BPatGE 19, 129; siehe z. B. Busse, PatG, 6. Aufl. (2003), § 80 Rdnr. 124; Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 127). Besondere Umstände aber, die zu einer sachlich unrichtigen Beurteilung hinzutreten, können die Rückzahlung rechtfertigen (BPatGE 14, 38: "... wenn die angefochtene Entscheidung ... auf Grund von materiell völlig neben der Sache liegenden Erwägungen zu einem offenbar falschen Ergebnis gekommen ist und deshalb die Beschwerde notwendig war, um dem Beschwerdeführer zu seinem Recht zu verhelfen.")

So liegt der Fall hier. Die Argumentation der Prüfungsstelle erweckt den Eindruck, dass der Anmeldungsgegenstand von ihr völlig falsch verstanden wurde. Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, wie die Möglichkeiten der Gestaltung einer Bedienoberfläche eines berührungsempfindlichen Bildschirms, die ersichtlich gar nichts mit den Anmeldungsgegenstand zu tun hat, es dem Durchschnittsfachmann hätte nahelegen können, einen mechanisch bewegbaren Träger für Bedienelemente über einem (nicht berührungsempfindlichen!) Bildschirm vorzusehen. Die von der Prüfungsstelle dargestellte Gedankenkette, ausgehend von Bedienelementen an einem Bildschirm über einen berührungsempfindlichen Bildschirm und dort bekannten verschiebbaren Bedienfeldern zu mechanisch verschiebbaren Bedienelementen zu gelangen, erscheint völlig willkürlich und lässt sich allenfalls in Kenntnis der Erfindung, also in unzulässiger rückschauender Betrachtungsweise herleiten.

Dieser materielle Mangel der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses ist offensichtlich. Er war auch ursächlich für die Beschwerde, da die Anmelderin keine andere Möglichkeit mehr hatte, einen Patentschutz für ihre Erfindung zu erhalten.

2. Darüber hinaus hat die Prüfungsstelle der Anmelderin auch das angemessene rechtliche Gehör verwehrt.

2.1 Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Anhörung tatsächlich genau so wie von der Anmelderin in ihrem Beschwerdeschriftsatz geschildert stattgefunden hat - dies allein hätte bereits einen erheblichen Verfahrensmangel dargestellt, der die Rückzahlung rechtfertigen würde. Jedoch fehlt es an objektiven Anhaltspunkten für den Vortrag der Anmelderin - das genehmigte Protokoll etwa enthält nichts Ungewöhnliches, und der Vertreter der Anmelderin hat nicht einmal nachträglich widersprochen. So deutet die Dauer der Anhörung von 2 Stunden eigentlich darauf hin, dass der Anmeldungsgegenstand umfänglich erörtert worden ist (eine Unterbrechung der Anhörung ist nicht vermerkt).

2.2 Der Zurückweisungsbeschluss wie auch die zuvor erlassenen Bescheide setzen sich aber an keiner Stelle inhaltlich mit den Argumenten der Anmelderin auseinander. Zwar bezieht die Prüfungsstelle eine "Mechanisierung der Bedienelemente" als letzten Schritt in ihre Gedankenkette mit ein (siehe Zurückweisungsbeschluss Seite 5 Absatz 2 -4), aber immer aus der Perspektive eines berührungsempfindlichen Bildschirms als Ausgangspunkt. Dass die Anmelderin vorträgt, ihre Erfindung betreffe keinen berührungsempfindlichen Bildschirm, sondern eine mechanisch verstellbare Gruppe von Bedienelementen an einem Träger, und der zitierte Stand der Technik zeige nichts Derartiges (siehe z. B. Eingabe vom 11. Juli 2007), wird von der Prüfungsstelle vollständig ignoriert.

Der Zurückweisungsbeschluss stellt letztlich lediglich fest, die Argumentation der Anmelderin unterscheide sich prinzipiell von der Argumentation der Prüfungsstelle, und die beiden Argumentationen seien nicht vergleichbar (vgl. Zurückweisungsbeschluss S. 7 unten, S. 8 oben). Zwar ist der Prüfungsstelle darin zuzustimmen, dass sie sich bei der Begründung eines Zurückweisungsbeschlusses nicht die Argumentation der Anmelderin zu eigen machen muss, sondern selbstverständlich ihre eigenen Überlegungen zugrunde legen kann. "Rechtliches Gehör" bedeutet aber, dass aus der Entscheidung ersichtlich werden muss, dass der Vortrag der Anmelderin in Erwägung gezogen worden ist.

Eine solche Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Anmelderin ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, so dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des "rechtlichen Gehörs" vorliegt, der schon für sich allein betrachtet ebenfalls die angeordnete Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.

Dr. Fritsch Prasch Eder Baumgardt Fa






BPatG:
Beschluss v. 18.09.2008
Az: 17 W (pat) 2/08


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