Kammergericht:
Beschluss vom 27. März 2003
Aktenzeichen: 27 W 56/03

(KG: Beschluss v. 27.03.2003, Az.: 27 W 56/03)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten vom 3. Februar 2003 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2002 € 102 O 156/00 € wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 723,58 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Der Verfügungskläger hat gegen den in den Niederlanden wohnhaften Verfügungsbeklagten gemäß Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. August 2000 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Hiergegen hat der Verfügungsbeklagte, vertreten durch in S ansässige Verfahrensbevollmächtigte, Widerspruch eingelegt. Gegen das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Dezember 2000 hat der Verfügungsbeklagte Berufung eingelegt. In der zweiten Instanz ist er durch in Berlin ansässige Verfahrensbevollmächtigte vertreten worden. Die erstinstanzlich beauftragten in S ansässigen Rechtsanwälte sind als Korrespondenzanwälte tätig geworden.

Mit Kostenausgleichungsantrag vom 17. Juli 2002 hat der Verfügungsbeklagte beantragt, gegenüber dem Verfügungskläger u. a. die Kosten der Korrespondenzanwälte in Höhe von 814,03 EUR festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Dezember 2002 hat das Landgericht Berlin die Kosten der Korrespondenzanwälte abgesetzt. Gegen den ihm am 20. Januar 2003 zugestellten Beschluss hat der Verfügungsbeklagte am 3. Februar 2003 sofortige Beschwerde eingelegt und diese am 14. Februar 2003 begründet. Er ist der Ansicht, dass die Korrespondenzanwaltsgebühren erstattungsfähig seien, da er seinen Wohn- und Geschäftssitz nicht in Deutschland habe und es sich um ein Eilverfahren gehandelt habe, in dem schwierige Rechtsfragen zu klären gewesen seien, so dass voraussichtlich mehrere Informationsreisen erforderlich gewesen wären. Ferner seien die Korrespondenzanwälte aufgrund ihrer ständigen Tätigkeit für ihn sowie der erstinstanzlichen Prozessvertretung in der Lage gewesen, die Prozessbevollmächtigten zweiter Instanz in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich und gezielter als er selbst € auch über den in zweiter Instanz umfangreichen neuen Sachvortrag € zu informieren.

II. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO statthaft und zulässig. Sie ist in der Sache jedoch unbegründet.

Dem Verfügungsbeklagten steht ein Anspruch auf anteilige Erstattung der an seine Korrespondenzanwälte zu zahlenden Gebühren gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht zu. Beauftragt eine Partei, die nicht im eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt an einem dritten Ort, der beim Prozessgericht zwar postulationsfähig, aber nicht zugelassen ist, handelt es sich bei dem dadurch anfallenden Mehraufwand regelmäßig nicht um Kosten, die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig sind.

Die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 € III ZB 30/02 €). Die Zuziehung eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts stellt somit grundsätzlich dann eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar, wenn eine auswärtige Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Sie wird den für sie insoweit einfachen und nahe liegenden Weg wegen der räumlichen Nähe und in der Annahme wählen, dass zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich ist (BGH a. a. O.). Solche Interessen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.

Es ist für den in den Niederlanden lebenden Verfügungsbeklagten kein Interesse ersichtlich, mit seiner Vertretung einen Rechtsanwalt an einem Dritten Ort statt einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Soweit der Verfügungsbeklagte eine persönliche Information für erforderlich gehalten hat, wären Informationsreisen in jedem Fall notwendig gewesen. Eine schriftliche Information hätte gleichermaßen an einen B und einen S Rechtsanwalt erfolgen können.

Unerheblich insoweit ist, ob der am Dritten Ort ansässige Anwalt bereits vorprozessual in derselben Angelegenheit tätig war. Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erscheint nur dann als notwendig, wenn ein vergleichbarer im Bezirk des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann. Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass die Partei ständig mit dem beauftragten auswärtigen Rechtsanwalt zusammenarbeitet, kein Abweichen von der Regel (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002, I ZB 29/02).

Der Verfügungsbeklagte durfte auch nicht im Hinblick darauf einen an einem beliebigen Ort ansässigen Rechtsanwalt beauftragen, weil er seinen Wohn- und Geschäftssitz nicht in der Bundesrepublik Deutschland hat (so auch OLG München JurBüro 1980, 285, OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 100, a. A. OLG Hamm JurBüro 1981, 1860, OLG Frankfurt AnwBl. 1984, 619, OLG Hamburg MDR 2000, 664, OLG Stuttgart AnwBl. 1982). Es ist nicht ersichtlich, dass eine ausländische Partei, die Rechtsgeschäfte in der Bundesrepublik Deutschland vornimmt, im allgemeinen nicht in der Lage ist, einen am Gerichtsort ansässigen Prozessbevollmächtigten zu finden, den sie mit ihrer Vertretung beauftragen möchte. Sofern eine ausländische Partei ohne anwaltliche Hilfe nicht in der Lage ist, das örtlich zuständige Gericht ausfindig zu machen und einen dort postulationsfähigen Rechtsanwalt zu mandatieren (vgl. insoweit OLG Dresden JurBüro 1998, 144), ist es ihr möglich, einen Rechtsanwalt diesbezüglich zu befragen und eine Ratsgebühr gemäß § 20 BRAGO geltend zu machen. Hiervon ist vorliegend jedoch angesichts dessen, dass der Verfügungsbeklagte gebürtiger Deutscher und deutscher Staatsangehöriger ist, Deutsch als Muttersprache spricht und mit der deutschen Rechtsordnung vertraut ist, nicht auszugehen.

Die Beauftragung eines an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts ist auch nicht deshalb zweckmäßig gewesen, weil es sich um ein Eilverfahren gehandelt hat. Eine Information wäre gegenüber einem Berliner Verfahrensbevollmächtigten in ebenso kurzer Zeit möglich gewesen wie gegenüber einem Stuttgarter Rechtsanwalt.

Im Hinblick hierauf hätte der Verfügungsbeklagte bereits in der ersten Instanz in Berlin ansässige Verfahrensbevollmächtigte beauftragen müssen. In diesem Fall wäre für die zweite Instanz eine weitere Informationsreise nicht erforderlich gewesen, da sich die Sach- und Rechtslage des Rechtsstreits gegenüber der ersten Instanz nicht wesentlich geändert hat (KG JurBüro 1983, 1401, OLG Bamberg JurBüro 1986, 922). Der Sachvortrag der Parteien ist in der Berufungsinstanz lediglich vertieft worden, eine wesentliche Änderung ist jedoch nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert ist gemäß §§ 14, 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO entsprechend der auf den Verfügungskläger entfallenden Kostenquote auf 8/9 des geltend gemachten Betrages von 814,03 EUR festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Eine Entscheidung des BGH ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.






KG:
Beschluss v. 27.03.2003
Az: 27 W 56/03


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