Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 25. September 2006
Aktenzeichen: AnwZ (B) 70/05
(BGH: Beschluss v. 25.09.2006, Az.: AnwZ (B) 70/05)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. April 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1946 geborene Antragsteller ist seit 1974 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, seit 1976 bei dem Landgericht H. und seit 1978 bei dem Amtsgericht S. . Am 21. Mai 1978 wurde er zum Notar mit Amtssitz in P. bestellt.
Gegen den Antragsteller wurden seit dem 25. November 2002 Ermittlungen zur Überprüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse geführt, nachdem auf seinem Grundstück in P. auf Ersuchen des Finanzamts H. eine Sicherungshypothek wegen einer Forderung von 68.975 € eingetragen wurde. Nachdem wegen weiterer titulierter Forderungen Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden waren und unstreitige Forderungen gerichtlich geltend gemacht werden mussten, widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. Januar 2004 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls.
Mit Verfügung vom 12. Oktober 2004 enthob die Präsidentin des Oberlandesgerichts C. den Antragsteller aus dem gleichen Grund vorläufig seines Amtes als Notar. Am 3. Januar 2005 eröffnete sie ihm, ihn endgültig seines Amtes entheben zu wollen. Auf Antrag des Antragstellers stellte der Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts C. mit Beschluss vom 6. Juni 2005 fest, dass die Voraussetzungen für eine endgültige Enthebung des Antragstellers vorliegen. Diese Entscheidung wurde nach Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde durch Beschluss des Senats für Notarsachen des Bundesgerichtshofs vom 28. November 2005 (NotZ ) und einer anschließenden Verfassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 17. Januar 2006 (1 BvR ) rechtskräftig. Mit Verfügung vom 27. Januar 2006 verfügte die Präsidentin des Oberlandesgerichts C. die endgültige Enthebung des Antragstellers von seinem Amt als Notar. Den dagegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wies der Senat für Notarsachen des Oberlandesgerichts C. mit Beschluss vom 20. April 2006 zurück (Not ).
Am 27. Februar 2004 hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gestellt. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er die Aufhebung des Widerrufs seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erreichen will. Im Verlaufe des Verfahrens vor dem Senat hat das Amtsgericht H. auf Antrag des Antragstellers am 22. März 2006 die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Antragstellers angeordnet und am 30. April 2006 unter Ablehnung einer Eigenverwaltung durch den Antragsteller das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet.
II.
Der nach § 42 BRAO zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten; seine Vermögensverhältnisse sind auch weiterhin nicht geordnet.
a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559).
Gegen den Antragsteller bestanden im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung titulierte Forderungen in Höhe von etwa 75.000 €. Vollstreckungsmaßnahmen waren eingeleitet. Für Steuerforderungen der Finanzverwaltung war die Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundbesitz des Antragstellers erwirkt worden. Nach Erlass des Widerrufsbescheids ist der Antragsteller als schwerbehindert anerkannt worden. Es ist ihm gelungen, durch Rückzahlungen und Ratenzahlungsvereinbarungen die Rücknahme der Vollstreckungsaufträge zu erreichen, auf welche die Widerrufsverfügung gestützt war. Gleichzeitig sind aber neue zum Teil namhafte, zum Teil geringere Forderungen gegen den Antragsteller bekannt geworden, die der Antragsteller zwar erfüllt hat, aber mit einer Ausnahme erst nach gerichtlichem Verfahren und anschließendem Vollstreckungsversuch. Eine Ertragsvorschau für das Jahr 2005, mit welcher der Antragsteller eine Wende zum Besseren darstellen wollte, wies Einnahmeerwartungen aus, die von den tatsächlichen Einnahmen nicht erfüllt wurden. Die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers sind so beengt, dass er in einem Haftpflichtfall seinen früheren Mandanten den in seinem Berufshaftpflichtversicherungsvertrag bestimmten Eigenanteil von zweimal 605,64 € schuldig blieb und nicht einmal die Beiträge für seinen Krankenversicherungsschutz aufbringen kann. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof sind deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller in Vermögensverfall geraten war. Dagegen wendet sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren auch nicht.
b) Der Vermögensverfall des Antragstellers besteht fort.
aa) Im Verlaufe des Verfahrens vor dem erkennenden Senat sind laufend neue Mahnbescheidsanträge, Klagen und Vollstreckungsmaßnahmen gegen, aber nur einzelne Tilgungen von Forderungen durch den Antragsteller bekannt geworden. Im Januar 2006 war der Antragsteller titulierten neuen Forderungen in Höhe von abgerundet 21.000 € ausgesetzt. Auch danach wurden und werden neue Forderungen gegen den Antragsteller bekannt. Der Antragsteller hat in diesem Zeitraum aber auch erreicht, dass seine Frau einem Einsatz des gemeinschaftlichen Grundbesitzes zur Schuldentilgung zustimmt. Zu durchgreifender Veränderung der Lage hat dies indessen nicht geführt.
bb) Auf Antrag des Antragstellers ordnete das Amtsgericht H. am 22. März 2006 die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Antragstellers an und eröffnete am 30. April 2006 unter Ablehnung einer Eigenverwaltung durch den Antragsteller das Insolvenzverfahren über sein Vermögen. Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Vermögensverfall des Antragstellers nunmehr gesetzlich vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Übergang der Verfügungsbefugnis des insolventen Rechtsanwalts auf einen Vermögensverwalter führt nicht dazu, dass die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts bereits deshalb als wieder "geordnet" anzusehen wären (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559). Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (Senat, Beschl. v. 7. Dezember 2004, AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271; Beschl v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, aaO). Diese Voraussetzungen sind bislang nicht gegeben und auch in Zukunft nicht erkennbar. Der Antragsteller hat trotz Verkaufs seines Hauses immer noch hohe Schulden. Der von dem Insolvenzgericht bestellte vorläufige Verwalter hat in seinem Massegutachten ausgeführt, der Antragsteller könne nennenswerte Überschüsse nur erwirtschaften, wenn es ihm gelinge, das Notariat aufrecht zu erhalten. Das sei die Haupteinnahmequelle; die anwaltliche Tätigkeit sei insoweit von untergeordneter Bedeutung und könne vernachlässigt werden. Gerade diese Möglichkeit wird der Antragsteller nicht mehr realisieren können, nachdem das Vorliegen der Voraussetzungen für die endgültige Enthebung von seinem Amt als Notar rechtskräftig festgestellt ist. Daran ändert es nichts, dass der Antragsteller versucht, der endgültigen Enthebung von seinem Notaramt durch Rechtsmittel entgegenzutreten. In diesen Rechtsmittelverfahren können die sachlichen Voraussetzungen der Amtsenthebung nicht mehr in Frage gestellt werden.
2. Der Vermögensverfall führt regelmäßig - ohne dass es auf ein Verschulden des Betroffenen ankäme - zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern des Rechtsanwalts (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004 und v. 5. Dezember 2005, jeweils aaO).
Anders kann es sein, wenn sich der betroffene Rechtsanwalt zu einer Aufgabe seiner selbständigen Praxis und zu einer anwaltlichen Tätigkeit im Angestelltenverhältnis entschließt. Ein solcher Ausnahmefall, der im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden ohnehin nur selten anzunehmen ist, ist hier schon im Ansatz nicht erkennbar. Der Antragsteller hat den Anwaltsberuf bislang selbständig ausgeübt. Vortrag dazu, dass er seine selbständige Praxis aufgeben und künftig im Angestelltenverhältnis anwaltlich tätig werden will, hat er weder selbst gehalten noch halten lassen.
Hirsch Basdorf Ernemann Schmidt-Räntsch Wüllrich Hauger Kappelhoff Vorinstanz:
AGH Celle, Entscheidung vom 11.04.2005 - AGH 4/04 -
BGH:
Beschluss v. 25.09.2006
Az: AnwZ (B) 70/05
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