Landgericht Dortmund:
Urteil vom 16. Februar 2011
Aktenzeichen: 20 O 101/10

(LG Dortmund: Urteil v. 16.02.2011, Az.: 20 O 101/10)

Tenor

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern einen Stromtarif, insbesondere den Stromtarif „T“ mit der Formulierung „Festpreis“ zu bewerben, wenn tatsächlich preisbildende Faktoren, insbesondere die Umsatzsteuer und/oder Stromsteuer und eventu-elle neue Steuern oder Änderungen der EEG-Umlage variabel sind, wie im Internet-Auftritt der Beklagten vom 14.10.2010 (Anlage K3) geschehen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.780,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Stromlieferung an Endkunden. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die aus dem Urteilstenor ersichtliche Werbung der Beklagten im Internet für ihren Stromtarif "T". Die Klägerin beanstandet die Bewerbung dieses Stromtarifs als Festpreis als irreführend und damit wettbewerbswidrig.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.07.2010 forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis spätestens zum 23.07.2010 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend abzugeben, "es ab sofort zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern einen Stromtarif, insbesondere den Stromtarif "T" mit der Formulierung Festpreis* zu bewerben, obwohl tatsächlich wesentliche, preisbildende Faktoren, insbesondere die Umsatzsteuer und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern oder Änderungen der Erneuerbarer-Energien-Gesetz-Umlage variabel sind".

Da die Beklagte die Erklärung nicht abgeben hat, verfolgt die Klägerin ihr Begehren nunmehr mit der vorliegenden Klage weiter. Ferner verlangt sie die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ihres Prozessbevollmächtigten.

Die Klägerin ist der Auffassung, der blickfangmäßig herausgestellte Begriff "Festpreis" rufe beim Verbraucher den Eindruck hervor, dass es sich bei dem genannten Preis um einen konstanten Preis handele, der nicht variabel sei. Das Wort "Festpreis" sei mit großen Lettern und deutlich erkennbarer Schrift mit starkem Kontrast zum Hintergrund gedruckt, während die Fußnote mit sehr kleiner Schrift und mit schlechtem Kontrast gedruckt sei. Jedenfalls erwarte der Verbraucher nicht, dass der Strompreis gerade nicht fest sei, sondern - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - zu 40 % variabel sei. Auch einem Durchschnittsverbraucher, der die Fußnote aufmerksam lese, fehle jedenfalls das erforderliche Fachwissen, um zu erkennen, dass sich der Festpreis nur auf 60 % des vom Kunden zu zahlenden Strompreises beziehe.

Die Klägerin beantragt,

der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern einen Stromtarif, insbesondere den Stromtarif "T" mit der Formulierung "Festpreis" zu bewerben, wenn tatsächlich preisbildende Faktoren, insbesondere die Umsatzsteuer und/oder Stromsteuer und eventuelle neue Steuern oder Änderungen der EEG-Umlage variabel sind, soweit die Werbung wie im Internet-Auftritt vom 14.10.2010 (Anlage K 3) erfolgt ist;

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 1.780,20 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Bewerbung ihres Stromtarifs "T" stelle keine irreführende Werbeaussage dar. Dem durchschnittlich informierten und verständigen Stromkunden sei bestens bekannt, dass sich der Strompreis aus zwei Komponenten (staatliche Komponente und freie Wirtschaftskomponente) zusammensetze und dass die gesetzlichen Preisbestandteile nicht im Einfluss und Verantwortungsbereich der Energieunternehmen lägen. Durch den Sternchenhinweis werde eindeutig signalisiert, dass der beworbene Festpreis nicht grenzenlos gelte, sondern davon die sogenannte staatliche Komponente des Strompreises ausgenommen sei. Der beworbene Festpreis beziehe sich auf die freie Wirtschaftskomponente des Strompreises. Die Beklagte habe sich insoweit vollständig ihrer Preisbildungsfreiheit begeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht als Mitbewerberin der Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG zu.

Die Werbung der Beklagten für den Stromtarif "T" mit dem Begriff "Festpreis" ist irreführend, weil es sich bei dem Stromtarif nur um einen Teilfestpreis handelt. Dem steht der Sternchenhinweis nicht entgegen. Eine Festpreiswerbung vermittelt dem Verkehr den Eindruck, dass der beworbene Preis ein Inklusivpreis ist und vom Anbieter nach oben nicht abgeändert wird (Sosnitza in Piper/Ohly, UWG 5. Auflage 2010 § 5 Rdnr. 747). Diesen Eindruck verstärkt die Beklagte durch die Verwendung der zusätzlichen Begriffe "Preissicherheit", "Planungssicherheit" und insbesondere durch den Namen des Tarifes "T". Der durchschnittliche Verbraucher, die die Werbung der Beklagten zur Kenntnis nimmt, muss daher zunächst den Eindruck gewinnen, dass er bei Wahl des beworbenen Tarifes über 36 Monate keine Preiserhöhung zu befürchten hat.

Diesen Eindruck schränkt die Beklagte nur unzureichend mit dem Sternchenhinweis, der besagt, dass von dem Festpreis Änderungen durch Umsatz und/oder Stromsteuer und evtl. neuen Steuern sowie durch Änderungen der Erneuerbare-Energien-Gesetzumlage ausgenommen sind, ein. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die äußerliche Gestaltung der Werbung irreführend ist, weil der Sternchenhinweis nicht hinreichend ins Auge fällt. Die mit dem Sternchenhinweis verbundene Einschränkung des Festpreises ist jedoch allein wegen des Umfangs der damit vorgenommenen Einschränkung des Festpreises irreführend.

Nach Auffassung der Kammer kann bei einem durchschnittlichen Verbraucher und Stromkunden nicht unterstellt werden, dass er die genaue Zusammensetzung des Strompreises kennt und insbesondere damit rechnet, dass die sogenannte staatliche Komponente des Strompreises 40 % ausmacht. Geläufig ist dem Verbraucher nur die Größenordnung der Umsatzsteuer, nicht jedoch der Stromsteuer und der EEG-Umlage. Vor diesem Hintergrund bewirkt der Sternchenhinweis keine hinreichend deutliche Klarstellung, dass hinsichtlich annähernd der Hälfte des Strompreises gerade keine Planungssicherheit und Preissicherheit besteht, wie die Werbung der Beklagten suggeriert.

Da die Abmahnung berechtigt war, kann die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der Kosten verlangen, die durch die vorgerichtliche Beauftragung ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Durchführung der Abmahnung der Beklagten verursacht worden sind. Der Anspruch folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Berechnung der Anwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 € ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hat für das vorliegende Verfahren den Streitwert ebenfalls auf 100.000,00 € festgesetzt. Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. In der Konkretisierung des Klageantrages zu 1. auf den Internetauftritt der Beklagten vom 14.10.2010 sieht die Kammer keine Teilrücknahme des Antrages. Das Begehren der Klägerin knüpfte vielmehr von vorherein an diesen Internetauftritt an.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 16.02.2011
Az: 20 O 101/10


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