Finanzgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. Februar 2015
Aktenzeichen: 4 K 144/14 Z

(FG Düsseldorf: Urteil v. 04.02.2015, Az.: 4 K 144/14 Z)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 82 % und der Beklagte 18 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin stellt Digital Versatile Discs (DVD€s), Audio-Compact Discs (CD€s), Blu-Ray-Discs (BD€s) her und vertreibt diese. Soweit sie nicht in der Lage war, DVD€s, CD€s, BD€s oder Langspielplatten (LP€s) selbst herzustellen, bezog sie diese von Herstellern in den USA, Japan sowie Mexiko und ließ sie in dem Zeitraum vom 16. Juni 2008 bis zum 15. April 2011 in den zollrechtlich freien Verkehr überführen. Das für die Herstellung der DVD€s und BD€s erforderliche Filmmaterial übermittelte die A-Corp. der Klägerin kostenlos, die es den Herstellern der DVD€s und BD€s weiter übermittelte. Soweit das für die Herstellung der DVD€s und BD€s erforderliche Filmmaterial von der B-Corp. oder der C-Corp. stammte, übermittelten diese das Filmmaterial unmittelbar an die Hersteller der DVD€s und BD€s. Das für die Herstellung der CD€s und LP€s erforderliche Tonmaterial wurde entweder unmittelbar von den Lizenzgebern an die Hersteller der CD€s und LP€s übermittelt oder zunächst an die Klägerin geliefert, die es alsdann den Herstellern der CD€s und LP€s weiter übermittelte. Die Klägerin hatte für das ihr und den Herstellern der DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s zur Verfügung gestellte Film- und Tonmaterial keine Lizenzgebühren zu zahlen. Sie durfte die von ihr eingeführten DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s jedoch nur an solche Abnehmer weiterverkaufen, die über Vervielfältigungsrechte verfügten. Das hatte sie bei einer Bestellung der vorgenannten DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s zu kontrollieren. Der Klägerin war nicht bekannt, in welcher Höhe die Abnehmer der Waren bei einem Weitervertrieb Lizenzgebühren an die Lizenzgeber zu zahlen hatten.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Prüfungsbericht vom ...2011) stellte sich das beklagte Hauptzollamt auf den Standpunkt, dass in den Fällen, in denen die Klägerin den Herstellern der DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s kostenlos Film- und Tonmaterial zur Verfügung gestellt hatte, der Wert dieses Materials den hierfür zu zahlenden Lizenzgebühren entsprochen habe und nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften den von ihr gezahlten Kaufpreisen für die Waren hinzuzurechnen sei. In den Fällen, in denen das Film- und Tonmaterial den Herstellern der DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s nicht von der Klägerin, sondern unmittelbar von den Lizenzgebern zur Verfügung gestellt worden sei, könne der Zollwert gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. b ZK nicht nach der Transaktionswertmethode ermittelt werden. In diesen Fällen sei der Zollwert nach Art. 31 ZK zu ermitteln. Auf der Grundlage der Zollverwaltung bekannter Lizenzzahlungen der D-GmbH ... und der E-GmbH ... ermittelte das beklagte Hauptzollamt für die Einfuhren der Klägerin von DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s in dem Zeitraum vom 16. Juni bis zum 31. Dezember 2008 einen nachzuerhebenden Zoll von 3.740.742,19 €. Für die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 15. April 2011 eingeführten DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s ermittelte das beklagte Hauptzollamt einen nachzuerhebenden Zoll von 873.746,20 €. Demgemäß erhob das beklagte Hauptzollamt von der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juni 2011 3.740.742,19 € und mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 873.746,20 € Zoll nach.

Mit ihren hiergegen eingelegten Einsprüchen trug die Klägerin vor: Der von ihr angemeldete Transaktionswert habe alle an die Hersteller der Waren gezahlten Beträge beinhaltet. Die Hersteller hätten keine Zahlungen von Lizenzgebühren erhalten. Vertriebsbeschränkungen seien zollwertrechtlich unerheblich. Die Beschränkung, die DVD€s und CD€s nur an bestimmte Abnehmer zu liefern, sei handelsüblich. Die Verpflichtung, die DVD€s nur an zur Verbreitung berechtigte Abnehmer zu liefern, ergebe sich zudem aus den Bestimmungen des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG). Lizenzgebühren dürften nur nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK hinzugerechnet werden, dessen Voraussetzungen hier jedoch nicht erfüllt seien. Die Lizenzgebühren seien auch erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gezahlt worden.

Die Klägerin hat am 15. Januar 2014 Klage erhoben.

Das beklagte Hauptzollamt hat den nacherhobenen Zoll mit Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2014 auf insgesamt 3.790.808,42 € herabgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Den von der Klägerin angemeldeten Transaktionswerten seien die von der Zollverwaltung ermittelten durchschnittlichen Lizenzgebühren (Anlagen 1 bis 3 zur Einspruchsentscheidung) hinzuzurechnen. Dabei sei es unerheblich, ob diese Lizenzgebühren tatsächlich gezahlt worden seien, weil es um die Schätzung des Wertes der Beistellungen und Bedingungen für die Kaufgeschäfte gehe. Deshalb stehe Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK einer Hinzurechnung nicht entgegen. Entsprechendes gelte für defekte, nicht verkaufte oder wieder ausgeführte DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s, weil diese in den Wirtschaftskreislauf eingegangen seien.

Das beklagte Hauptzollamt hat der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2015 weitere 7.614,05 € Zoll erstattet.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Ihre Klage sei zulässig gewesen, weil der Grund für das Ruhen des Einspruchsverfahrens bezüglich des Bescheids vom 10. Juni 2011 nach dem Ergehen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Juli 2013 VII R 56/11 (BFHE 242, 472) weggefallen sei. Die Hinzurechnung der Lizenzgebühren durch das beklagte Hauptzollamt führe dazu, dass sie mit ihrer Zollanmeldung Angaben machen müsse, die sie mangels Kenntnis der Höhe der Lizenzgebühren nicht machen könne. Eine Hinzurechnung der Lizenzgebühren sei unzulässig, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr der Waren Nutzungsrechte noch nicht vergeben worden seien und aus diesem Grunde die gespeicherten Filme keinen wirtschaftlichen Wert gehabt hätten. Das beklagte Hauptzollamt rechne fiktive Kosten für das Film- und Tonmaterial hinzu, die bei ihr gar nicht angefallen seien. Diese Kosten seien erst auf einer späteren Handelsstufe angefallen. Sie habe keine Lizenzverträge abgeschlossen und sich auch nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Lizenzgebühren von ihren Kunden entrichtet würden. Es lägen hinsichtlich der angemeldeten Kaufgeschäfte auch keine Bedingungen i.S. des Art. 29 Abs. 1 Buchst. b ZK vor. Anders als in dem Prüfungsbericht dargestellt, seien die Lizenznehmer nicht verpflichtet gewesen, Lizenzgebühren zu zahlen, bevor die Ton- und Bildträger an Verbraucher gelangt seien. Sie biete an, sämtliche Einkaufs- und Verkaufsrechnungen mit einer Aufschlüsselung ihrer Kosten vorzulegen, so dass die Folgemethode des Art. 30 Abs. 2 Buchst. c ZK angewendet werden könne.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit das beklagte Hauptzollamt den nacherhobenen Zoll mit der Einspruchsentscheidung und dem Bescheid vom 12. Januar 2015 erlassen bzw. erstattet hat.

Die Klägerin beantragt,

die Einfuhrabgabenbescheide vom 10. Juni und 19. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2014 aufzuheben, soweit das beklagte Hauptzollamt den Zoll nicht erlassen bzw. erstattet hat.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Über den Einspruch sei vor der Erhebung der Klage aus zureichendem Grund nicht entschieden worden, weil das Einspruchsverfahren mit Zustimmung der Klägerin bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens VII R 56/11 geruht habe. Nachdem festgestanden habe, dass das Einspruchsverfahren fortzusetzen sei, seien zunächst Feststellungen zur wirtschaftlichen Lage der Klägerin zu treffen gewesen. Ferner seien zehn Amtshilfeersuchen zu erledigen gewesen, um die durchschnittliche Höhe der Lizenzgebühren feststellen zu können.

Gründe

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzustellen, soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2008 3 C 5.07, juris).

Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Einfuhrabgabenbescheide vom 10. Juni und 19. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt den Zoll nicht erlassen bzw. erstattet hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das beklagte Hauptzollamt war nach den Art. 220 Abs. 1 Satz 1, 221 ZK befugt, die Abgabenbeträge von der Klägerin nachzuerheben. Die einer Zollschuld entsprechenden Abgabenbeträge sind ursprünglich mit geringeren als den gesetzlich geschuldeten Beträgen buchmäßig erfasst worden (Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK).

Der Zollwert eingeführter Waren ist nach Art. 29 Abs. 1 ZK der Transaktionswert, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in die Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den Art. 32 und 33 ZK. Dieser tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist nach Art. 29 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 ZK die vollständige Zahlung, die der Käufer für die eingeführten Waren an den Verkäufer oder zu dessen Gunsten entrichtet oder zu entrichten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer oder an einen Dritten zur Erfüllung einer Verpflichtung des Verkäufers tatsächlich entrichtet werden oder zu entrichten sind.

In den Fällen, in denen die Klägerin den Herstellern der DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s kostenlos Film- und Tonmaterial zur Verfügung gestellt hat, entsprach der Wert dieses Materials den hierfür zu zahlenden Lizenzgebühren. Dieser Wert ist als Beistellung der Klägerin nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i ZK den von ihr gezahlten Kaufpreisen für die Waren hinzuzurechnen (vgl. BFH, Urteil vom 27. Februar 2007 VII R 25/06, BFHE 216, 459). Das auf einem Datenträger gespeicherte Film- und Tonmaterial ist als immaterielles Wirtschaftsgut in den Datenträgern verkörpert (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C. 491/04, Slg. 2006, I-2129 Randnr. 26). Der Transaktionswert muss den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 16. November 2006 Rs. C-306/04, Slg. 2006, I-10991 Randnr. 30; Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - Urteil vom 12. Dezember 2013 Rs. C-116/12 Randnr. 40). Die Kosten für den Erwerb des auf den Datenträgern gespeicherten Film- und Tonmaterials sind in den Datenträgern verkörpert und deshalb als Bestandteil des für die Waren gezahlten Kaufpreises anzusehen (vgl. EuGH-Urteil Slg. 2006, I-10991 Randnr. 31).

Soweit die Klägerin geltend macht, für sie seien keine Kosten für die Lizenzen angefallen, steht das einer Hinzurechnung nach Art. 32 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i ZK nicht entgegen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es auf den Wert der Beistellungen und nicht - wie bei dem Hinzurechnungstatbestand des Art. 32 Abs. 1 Buchst. a ZK - auf die dem Käufer entstandenen Kosten an. Eine Hinzurechnung des Werts erbrachter Beistellungen hat daher auch dann stattzufinden, wenn der Käufer die Beistellung unentgeltlich erworben hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459). So wurden auch in dem Sachverhalt, welcher dem Urteil des EuGH in der Rs. C-306/04 zugrunde lag, die Betriebssysteme den Herstellern der Waren kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-10991 Randnr. 32).

Der Wert der unentgeltlich erbrachten Beistellungen, um den der Transaktionswert zu berichtigen ist, ist nach Art. 32 Abs. 2 ZK aufgrund objektiver und bestimmbarer Tatsachen zu bemessen. Bei den Lizenzgebühren, die von den Abnehmern der Waren schließlich an die Lizenzgeber gezahlt wurden, handelt es sich um eine objektive und bestimmbare Größe, die für die Bestimmung des Werts der auf den Ton- und Bildträgern gespeicherten Daten geeignet ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459). Die Zollverwaltung hat auch Durchschnittswerte für diese Lizenzgebühren ermittelt (Anlagen 1 bis 3 zur Einspruchsentscheidung), die den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der eingeführten Waren widerspiegeln. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin selbst im Zeitpunkt des Erwerbs der DVDs, BD€s, CD€s und LP€s keinen Nutzen aus dem Wert des gespeicherten Film- und Tonmaterials ziehen durfte. Denn es ist geboten, das gesamte Geschäft zu betrachten, das von Anfang an darauf angelegt war, die Filme und Tonaufnahmen in Form von DVDs, BD€s, CD€s und LP€s an Endverbraucher im Zollgebiet der Gemeinschaft zu verkaufen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459).

Anders als die Klägerin meint, stand Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK einer Hinzurechnung der vom beklagten Hauptzollamt ermittelten Beträge nicht entgegen. Es ist der Klägerin zwar einzuräumen, dass sie selbst keine Lizenzgebühren zahlen musste. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Hinzurechnung von Lizenzgebühren, sondern um die Ermittlung des wirklichen wirtschaftlichen Wertes der DVD€s, BDs, CD€s und LP€s (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-10991 Randnr. 30 sowie Urteil vom 12. Dezember 2013 Rs. C-116/12 Randnr. 40). Dieser wirtschaftliche Wert entspricht den von den Abnehmern der vorgenannten Waren entrichteten Lizenzgebühren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459).

In den Fällen, in denen das Film- und Tonmaterial den Herstellern der DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s nicht von der Klägerin, sondern unmittelbar von den Lizenzgebern zur Verfügung gestellt worden ist, ist entweder eine mittelbare Beistellung der Klägerin in Bezug auf das Film- und Tonmaterial anzunehmen, weil sie die Aufträge zur Herstellung der Bild- und Tonträger erteilt hat (vgl. Vonderbank in Müller-Eiselt/Vonderbank, EG-Zollrecht, Fach 4232 Randnr. 244). Andernfalls ist jedenfalls von einer Bedingung hinsichtlich der Kaufgeschäfte über die Bild- und Tonträger i.S. des Art. 29 Abs. 1 Buchst. b ZK auszugehen. Die Klägerin hat im Einspruchsverfahren eingeräumt, dass sie verpflichtet war, die DVD€s, BD€s, CD€s und LP€s nur an einen bestimmten Kreis von Abnehmern zu liefern. So hat sie auf Seite 3 ihrer Einspruchsbegründung vom 20. Juni 2011 ausgeführt, die Beschränkung, die DVD€s und CD€s nur an bestimmte Abnehmer zu liefern, sei handelsüblich und das auch unter Beweis gestellt. Soweit sie im Klageverfahren schriftsätzlich hat vortragen lassen, die Lizenznehmer seien nicht verpflichtet gewesen, Lizenzgebühren zu zahlen, "bevor" die Ton- und Bildträger an die Verbraucher gelangt seien (Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 20. Januar 2015; Bl. 202 GA), steht dies der Annahme, dass die Lizenznehmer selbstverständlich Lizenzgebühren zu zahlen hatten, nicht entgegen. Dass diese Lizenzgebühren nicht vor der Abgabe an die Verbraucher zu zahlen gewesen sein sollen, sondern - wie die Klägerin hat vortragen lassen - später, ist unerheblich. Jedenfalls war sichergestellt, dass die Lizenzgebühren bei einem Weiterverkauf an die Letztverbraucher gezahlt wurden. Der Geschäftsführer der Klägerin hat überdies in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage eingeräumt, dass nur solche Unternehmen die lizenzpflichtigen Bild- und Tonträger bei der Klägerin hätten bestellen dürfen, die über Vervielfältigungsrechte verfügt hätten. Der entsprechende Kunde habe im konkreten Fall der Klägerin gegenüber die Vervielfältigungsrechte nachweisen müssen.

Bei der vorgenannten Vertriebsbeschränkung handelte es sich um Bedingungen der Kaufgeschäfte i.S. des Art. 29 Abs. 1 Buchst. b ZK. Als Wert dieser Bedingungen können die für den Erwerb der Bild- und Tonträger zu zahlenden Lizenzgebühren angenommen werden. Denn die Lizenzgebühren bestimmen den Wert dieser immateriellen Wirtschaftsgüter. Daher gilt gemäß Art. 148 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften dieser Wert als mittelbare Zahlung des Käufers. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass - wie die Klägerin geltend macht - in den Lizenzgebühren für die Empfänger der Zahlungen naturgemäß neben Kostendeckungsbeiträgen auch Gewinnanteile enthalten gewesen sein sollen. Für die Bestimmung des Wertes des Bild- und Tonmaterials, bei denen es sich um immaterielle Wirtschaftsgüter handelt, kommt es auf die Kosten für seinen Erwerb an (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-10991 Randnr. 31).

Geht man mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459) davon aus, dass der Wert der Bedingungen der Kaufgeschäfte nicht bestimmt werden kann, ist der Zollwert gemäß Art. 31 ZK zu ermitteln ist. Eine Ermittlung des Zollwerts nach einer der Folgemethoden des Art. 30 Abs. 2 Buchst. c oder d ZK kommt im Streitfall auch hiernach nicht in Betracht, weil die von der Klägerin erzielten Weiterverkaufspreise selbstverständlich keine Lizenzgebühren enthielten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 459; BFH-Beschluss in BFHE 242, 472). Deshalb muss der Senat dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals gestellten Beweisantrag nicht nachgehen.

Es ist der Klägerin zwar einzuräumen, dass die Hinzurechnung der den Lizenzgebühren entsprechenden Beträge durch das beklagte Hauptzollamt nachträglich zu einer Erhöhung der von ihr angemeldeten Transaktionswerte um für sie unbekannte Beträge führt. Dies steht jedoch nicht in Widerspruch zu Art. 199 Abs. 1 Anstrich 1 ZKDVO. Nach dieser Vorschrift übernimmt der Anmelder lediglich die Gewähr für die Richtigkeit der von ihm oder seinem Vertreter in der Zollanmeldung gemachten Angaben. Soweit die Klägerin mangels Kenntnis der genauen Höhe der Lizenzgebühren keinen Angaben gemacht hat und keine Angaben machen kann, trifft sie nach Art. 199 Abs. 1 Anstrich 1 ZKDVO mithin keine Verpflichtungen. Im Übrigen zeigen die Art. 156a und 259 ZKDVO, dass unvollständige Angaben in einer Zollanmeldung anhand besonderer und angemessener Kriterien ergänzt werden können. Die Klägerin ist daher nicht gehindert, die von der Zollverwaltung ermittelten durchschnittlichen Lizenzgebühren anzumelden, zumal ihr vormaliger Geschäftsführer nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Vertreter des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben soll, dass die von der Zollverwaltung ermittelten Durchschnittswerte durchaus zutreffend sein könnten.

Die Hinzurechnung der den Lizenzgebühren entsprechenden Beträge durch das beklagte Hauptzollamt widerspricht auch nicht Art 214 Abs. 1 ZK. Nach Art. 214 Abs. 1 ZK wird die Höhe des Einfuhrabgabenbetrags grundsätzlich anhand der Bemessungsgrundlagen bestimmt, die für diese Ware zum Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld gelten. Zu diesen Bemessungsgrundlagen gehören u.a. die Beschaffenheit der Ware und ihr Zollwert (BFH, Beschluss vom 2. Juli 2012 VII B 104/11, BFH/NV 2012, 2033). Die Bild- und Tonträger waren im Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld (Art. 201 Abs. 2 ZK) mit dem Film- und Tonmaterial versehen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. März 2009 Rs. C-256/07, Slg. 2009, I-1951 Randnr. 26). Der Wert dieses Film- und Tonmaterials wurde zwar erst später durch den Vertrieb der Bild- und Tonträger realisiert. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch dem Bild- und Tonmaterial zum Zeitpunkt der Einfuhr der Bild- und Tonträger ein Wert zukam. Der von der Klägerin für die Waren tatsächlich gezahlte Preis muss daher einer Berichtigung unterliegen, um die Ermittlung eines willkürlichen oder fiktiven Zollwerts zu verhindern (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-1951 Randnr. 24). Die genaue Höhe des Wertes des Bild- und Tonmaterials ist spätestens mit der Veräußerung der Ton- und Bildträger an die Endverbraucher bestimmbar geworden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20. Januar 2015 auf Seite 4 vortragen lassen, die Lizenznehmer seien nicht verpflichtet gewesen, Lizenzgebühren zu zahlen, bevor die Ton- und Bildträger an Verbraucher gelangt seien. Damit hat sie indessen der Sache nach eingeräumt, dass die Lizenzgebühren spätestens bei der Veräußerung an den Endverbraucher zu zahlen waren.

Eine weitere Verminderung der Hinzurechnungsbeträge wegen nicht verkaufter DVD€s (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Juni 2011 - 11 K 2758/10 - Randnr. 114) kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es ist weder festgestellt noch von der Klägerin dargelegt worden, dass Lizenzgebühren deshalb nicht angefallen sind, weil Film- oder Tonträger nicht verkauft worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Dahinstehen kann, ob die Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Teils des Streitgegenstands nach § 138 Abs. 1 FGO oder § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO zu treffen ist (vgl. hierzu etwa Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO § 46 Randnr. 308). Nach beiden Bestimmungen sind die Kosten des Verfahrens insoweit dem beklagten Hauptzollamt aufzuerlegen. Das Einspruchsverfahren ist bezüglich des Einfuhrabgabenbescheids vom 10. Juni 2011 zwar mit Zustimmung der Klägerin zum Ruhen gebracht worden (Bl. 38, 47 der Rechtsbehelfsakte). Nach dem Ergehen des Beschlusses des BFH vom 4. Juli 2013 (VII R 56/11) war der Grund für das Ruhen des Einspruchsverfahrens jedoch weggefallen. Die Klägerin konnte daher nach ihrer Mitteilung vom 22. August 2013, dass sie das Einspruchsverfahren fortführe (Bl. 125 der Rechtsbehelfsakte), davon ausgehen, dass alsbald über ihre Einsprüche entschieden werde (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 363 Randnr. 236 und 244). Weitere Ermittlungen des beklagten Hauptzollamts waren der Klägerin unbekannt. Unbeschadet dessen bedurfte es zur Entscheidung über die Einsprüche der Klägerin keiner Feststellungen zu ihrer wirtschaftlichen Lage. Dies hätte allenfalls Bedeutung für eine Entscheidung über eine Aussetzung der Vollziehung unter Verzicht auf eine Sicherheitsleistung (Art. 244 Unterabs. 3 ZK) gehabt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.






FG Düsseldorf:
Urteil v. 04.02.2015
Az: 4 K 144/14 Z


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