Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. Oktober 2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 10/04
(BGH: Beschluss v. 18.10.2004, Az.: AnwZ (B) 10/04)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 19. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben; die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist -nach zwischenzeitlichem Verzicht auf die Zulassung -seit 1982 erneut zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und Landgericht K. , seit 1985 auch beim Oberlandesgericht M. zugelassen. Mit Bescheid vom 17. Mai 2001 hat die Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zunächst zurückgewiesen. Nachdem der Bundesgerichtshof diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an den Anwaltsgerichtshof zurückverwiesen hatte, hat dieser mit Beschluß vom 19. Dezember 2003 den Bescheid der Antragsgegnerin aufgehoben. Dagegen wendet sich diese mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, § 224a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 BRAO), hat jedoch keinen Erfolg.
1.
Den Widerrufsbescheid hat die Antragsgegnerin darauf gestützt, gegen den Antragsteller seien in der Vergangenheit drei Vollstreckungsmaßnahmen und drei Verfahren wegen Vermögensdelikten durchgeführt und außerdem seien auf ihm gehörenden Grundstücken Zwangssicherungshypotheken eingetragen worden.
2.
Der Anwaltsgerichtshof hat hierzu ausgeführt, die gesetzliche Vermutung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO greife nicht ein, weil weder ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden noch dieser in das Schuldnerverzeichnis eingetragen sei. Die von der Antragsgegnerin genannten Umstände reichten für die Annahme eines Vermögensverfallsnicht aus. Den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen lägen persönliche Differenzen zwischen dem Antragsteller und den Gläubigern zugrunde. Teilweise seien die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingestellt worden, weil der Antragsteller Sicherheit geleistet habe; insoweit habe er später die Forderung des Gläubigers auch erfüllt. Gegen die anderen Vollstreckungsgläubiger habe er Gegenansprüche geltend gemacht. Auch fielen die Forderungen, derentwegen gepfändet worden sei, bei der Höhe des gepfändeten Guthabens nicht ins Gewicht. Die im Widerrufsbescheid angeführten Verfahren wegen Vermögensdelikten ließen ebenfalls keine Rückschlüsse auf einen Vermögensverfall des Antragstellers zu. In dem einen Fall habe dieser zwar Fremdgelder nicht unverzüglich weitergeleitet; indes sei der Antragsteller zur Aufrechnung befugt gewesen und habe diese später auch erklärt. Ein weiteres Verfahren gehe auf eine Strafanzeige eines der Vollstreckungsgläubiger zurück, von denen sich der Antragsteller zu Unrecht verfolgt fühle. Dieses Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Das dritte Verfahren sei im Rechtsmittelzug im wesentlichen zugunsten des Antragstellers ausgegangen. Es habe nicht dessen anwaltliche, sondern eine unternehmerische Tätigkeit zum Gegenstand gehabt. Die Zwangssicherungshypotheken, auf die sich die Antragsgegnerin schließlich noch bezogen habe, seien nicht aussagekräftig, weil die Grundstückswerte nicht bekannt seien. Die nach Erlaß des Widerrufsbescheides ergangenen Vollstreckungsmaßnahmen hätten lediglich als Grundlage für einen neuen Widerrufsbescheid herangezogen werden können.
3.
Ihre sofortige Beschwerde hat die Antragsgegnerin hauptsächlich darauf gestützt, der Antragsteller sei nach Erlaß des Widerrufsbescheids mit zehn Haftbefehlen zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden; darüber hinaus würden nunmehr weitere fünf Zwangsvollstreckungsverfahren gegen ihn geführt.
Dies rechtfertigt keine Abweichung von der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes. Bei der gerichtlichen Nachprüfung einer Rücknahmeoder Widerrufsverfügung der Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich die Sachund Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgebend (vgl. BGHZ 38, 6, 10; 75, 356 f; BVerwGE 65, 1, 2 ff; BGH, Beschl. v. 25. März 1991 -AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; v. 26. November 2002 -AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577, 578). Ausnahmsweise wird zugunsten des Rechtsanwalts, dessen Zulassung widerrufen werden soll, der nachträgliche zweifelsfreie Wegfall des Widerrufsgrundes berücksichtigt (BGHZ 75, 356, 357; BGH, Beschl. v. 6. November 1998 -AnwZ (B) 25/98, BRAK-Mitt. 1999, 36). War der Widerruf in dem Zeitpunkt, als er ausgesprochen wurde, nicht berechtigt, kann er zu Lasten des Rechtsanwalts nicht auf einen Widerrufsgrund gestützt werden, der sich erst danach ergeben hat.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde ändert daran nichts, daß die Feststellung des Vermögensverfalls (ungeordnete schlechte finanzielle Verhältnisse, die der Rechtsanwalt "in absehbarer Zeit nicht ordnen kann") auch eine Prognoseentscheidung voraussetzt und daß eine solche, die im Zeitpunkt ihres Ergehens auf schwächeren Füßen steht, durch die weitere Entwicklung bestätigt werden kann. Die Prognose muß von Anfang an eine hinreichende Grundlage haben. Nur dann kann von einer Bestätigung durch spätere Ereignisse die Rede sein. Fehlte es an einer derartigen Grundlage, rechtfertigt erst das künftige Geschehen die Prognoseentscheidung. Dann mag ein erneuter Widerruf ausgesprochen werden. Die frühere Widerrufsentscheidung wird dadurch nicht rechtmäßig. Daß der betroffene Rechtsanwalt eine Gefährdung rechtmäßig. Daß der betroffene Rechtsanwalt eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausräumen müsse, wie die Beschwerde meint, gilt nur, wenn die Gefährdung vermutet wird, setzt also die Feststellung des Vermögensverfalls voraus, an der es hier gerade fehlt.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerde gegen die Würdigung der Tatsachen, auf die der Widerruf gestützt worden ist, nichts Durchgreifendes vorgebracht. Ob die Mitwirkungspflicht gemäß § 36a Abs. 2 Satz 1 BRAO dem Antragsteller gebot, an der Aufklärung mitzuwirken, inwieweit die auf seinem Grundbesitz eingetragenen Sicherungshypotheken einen Vermögensverfall ergaben -was der Anwaltsgerichtshof (im Anschluß an Kleine-Cosack, BRAO 4. Aufl. § 36a Rn. 2) verneint hat, die Beschwerde indes bejaht -, kann offenbleiben. Denn der Antragsteller hat durchaus überprüfbare Informationen geliefert. Er hat den Wert der belasteten Grundstücke mit mindestens 1.000.000 DM beziffert. Gegebenenfalls wären die Belastungen von 810.000 DM gedeckt. Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs, denen die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten ist, hat der Senat davon auszugehen. So ist gerichtlich festgestellt, daß der Antragsteller eines der fraglichen Grundstücke im Jahr 1997 für 1.000.000 DM zu Alleineigentum erworben hat. Unter diesen Umständen wäre es tatsächlich Sache der Antragsgegnerin gewesen, zu einer gleichwohl angenommenen Unterdeckung nähere Ausführungen zu machen.
III.
Die Anregung des Antragstellers, "die Erstattung der außergerichtlichen Auslagen verfügen zu wollen", wertet der Senat nicht als förmlichen Antrag im Rahmen einer unselbständigen Anschlußbeschwerde (zu deren Zulässigkeit vgl. BGHZ 71, 314). Er wäre unzulässig (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO 6. Aufl. § 197 Rn. 17).
Deppert Basdorf Ganter Ernemann Salditt Kieserling Kappelhoff
BGH:
Beschluss v. 18.10.2004
Az: AnwZ (B) 10/04
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