Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 100/02
(BPatG: Beschluss v. 24.06.2003, Az.: 27 W (pat) 100/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Darstellungsiehe Abb. 1 am Endeist unter der Rubrik "sonstige Markenform" als Marke für "Schuhwaren" angemeldet. Der Anmeldung ist folgende Beschreibung beigefügt:
"Die zu schützende Marke besteht aus einer - an der Seitenfläche eines Schuhs angebrachten - Tasche, die durch eine Lasche verschließbar ist und den betreffenden Schuh blickfangartig in unterscheidungskräftiger Weise kennzeichnet".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Patentamts hat die Anmeldung durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Marke zwar markenfähig sei, ihr jedoch jegliche Unterscheidungskraft fehle. Sie weise keinerlei Elemente auf, die über die technische Gestaltung der Ware hinausgingen. Das Gestaltungselement einer Tasche, das hauptsächlich funktionellen Zwecken diene, werde vom Verkehr nur in diesem Sinne angesehen und nicht als Hinweis auf einen speziellen Hersteller gewertet, zumal der jeweiligen Form und Gestaltungswahl bei Schuhen in den Augen des Verbraucherpublikums ein hohes Maß an Beliebigkeit zukomme, so dass es Ausstattungsaspekte ausschließlich unter Gesichtspunkten der optischen Wirkung, nicht aber einer betriebskennzeichnenden Funktion betrachte.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass bei Positionsmarken wie der im vorliegenden Fall angemeldeten die Markenform naturgemäß immer an bestimmte Funktionen der Ware geknüpft sei, wobei eine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende eigentümliche und originelle Form die Anforderungen der Unterscheidungskraft erfüllen könne. Ein für die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke ausreichendes Minimum an gestalterischer Originalität sei vorliegend gegeben, weil eine Tasche an der Seite eines Schuhs gerade kein übliches Ausstattungselement eines Schuhs sei. Zudem sei dieses ungewöhnliche Element an genau der Stelle platziert, an der der Verkehr bei Schuhen den betrieblichen Herkunftshinweis erwarte, wie er es zB durch das bekannte "3-Streifen-Logo" der Firma Adidas gewöhnt sei. Einem Ausstattungselement an genau dieser Stelle eines Schuhs werde der Verkehr besondere Aufmerksamkeit widmen, zumal bei der konkret beanspruchten Tasche das Design und nicht die Funktion im Vordergrund stehe.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin durch Vorlage von Musterbeispielen ergänzend demonstriert, dass die an ihren Schuhen angebrachten Taschen aufgrund ihres Formats zur Aufnahme von Gegenständen etwa in der Größe von Kreditkarten oder Schlüsselbünden untauglich seien. Das Warenverzeichnis hat sie beschränkt auf "Schuhwaren, nämlich Sportschuhe und sportliche Halbschuhe", wobei sie darauf verwiesen hat, dass gerade bei diesen Schuhen eine wirklich funktionale, mithin als Behältnis für größere Gegenstände geeignete Tasche nicht anzubringen sei, so dass ihrer Ansicht nach jedenfalls bei diesen Waren eine durch die Funktion bestimmte schutzhindernde Ausgestaltung der Tasche ausscheide.
II.
Der zulässigen Beschwerde war der Erfolg zu versagen, da die beanspruchte Marke nicht unterscheidungskräftig ist, die Markenstelle mithin zu Recht die Anmeldung zurückgewiesen hat (§ 8 Abs 2 Nr 1, § 37 Abs 1 MarkenG).
Die Anmelderin hat durch die der Anmeldung beigefügte Beschreibung ebenso wie durch ihre Ausführungen zur Beschwerdebegründung deutlich gemacht, dass sie eine "Positionsmarke" ganz bestimmten Charakters als "sonstige Markenform" beansprucht: Die eigentliche individuelle Kennzeichnung der Ware soll dadurch erfolgen, dass eine verschließbare Tasche sich stets an gleicher Stelle auf einem Schuh befindet.
Wie schon die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, kann eine derartige Positionsmarke als "sonstige Aufmachung" im Sinne des § 3 Abs 1 MarkenG generell schutzfähig sein, denn nach dem durch die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken harmonisierten europäischen Markenrecht gibt es keine Kategorie von Marken, die aufgrund des Artikels 3 Abs 1 Buchstabe a dieser Richtlinie von der Eintragung ausgeschlossen sind, weil sie nicht die Eignung besitzen, die Waren des Inhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, wenn die Eintragungshindernisse nach Artikel 3 Abs 1 Buchstaben b bis e nicht vorliegen; mit anderen Worten, es gibt keine Kategorie von aufgrund ihres Wesens oder ihrer Benutzung unterscheidungskräftige Marken, die nicht geeignet wären, die Waren oder Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie zu unterscheiden (EuGH, Urteil vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/99, MarkenR 2002, 231 - Philips/Remington, Nr 39 f; EuGH, Urteil vom 8. April 2003 in den Rechtssachen C-53/01 bis C-55/01, - Linde/Winward/Rado, Nr 37 f). Mithin ist auch die beanspruchte "Tasche am Schuh mit Oberlasche" als "sonstige Markenform" grundsätzlich dem Markenschutz zugänglich, wobei es nach Ansicht des Senats allerdings gerade bei Aufmachungen, die aus einer bestimmten Positionierung eines Elements an der Ware bestehen, angemessen wäre, durch die Veröffentlichung der Beschreibung den Schutzgegenstand der Anmeldung im Register selbst ersichtlich zu machen, wie dies bei der Gemeinschaftsmarke nach Art 40 Abs 1 der Verordnung Nr 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke iVm Regel 12 der Durchführungsverordnung der Fall ist.
Auch bei einer aus einer bestimmten Positionierung eines Ausstattungsmerkmals auf der Ware bestehenden Marke ist allerdings grundsätzlich zu prüfen, ob sie als von Haus aus geeignet angesehen werden kann, die mit ihr gekennzeichneten Waren ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG), wobei sich die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Positionsmarke nicht von denjenigen unterscheiden, die auf andere Kategorien von Marken Anwendung finden (EuGH aaO - Philips/Remington, Nr 48).
Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann der angemeldeten Marke das erforderliche Minimum an betriebskennzeichnender Eigenart nicht zugesprochen werden.
Bei der auf der Seitenfläche eines Schuhs angebrachten Tasche mit einer Verschlusslasche handelt es sich um ein Element, dem der Verkehr eine ausschließlich funktionale, den Gebrauchszweck des Schuhs fördernde Bedeutung beimisst. Er bewertet eine solche Tasche nichts anders als sonstige verschließbare Taschen, die an der Außenseite zahlreicher Bekleidungsstücke, zB an Ärmeln und Hosenbeinen von Sportbekleidung, im Kopfteil von Sporthüten, an (Ski-)Handschuhen oder in Gürteln angebracht sind. Es handelt sich um gängige rein funktionale Ausstattungselemente, an denen sich der Verkehr jedenfalls dann, wenn sie keine weiteren kennzeichnenden Gestaltungsmerkmale, etwa eine unübliche Taschenform oder charakteristische Ziernähte, aufweisen (vgl BGH GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche), nicht herkunftshinweisend orientiert. Besondere optische oder farblich hervorstechende Merkmale, die der beanspruchten Tasche ein über ihre Funktion als Tasche hinausweisendes Gepräge geben könnten, sind nicht erkennbar beansprucht und auch in der Beschreibung nicht erwähnt; in der der Anmeldung beigefügten Darstellung ist die Tasche auf dem in gestrichelten Linien markierten Schuh lediglich durch schwarze Linien hervorgehoben, welche die Position kenntlich machen, in der die Tasche auf der Seitenfläche des Schuhs aufgebracht ist. Sie ist demnach ohne jede optische Hervorhebung an der äußeren Seitenfläche des Schuhs aufgebracht, mithin an der Stelle, die auf Grund der Bewegungsabläufe bei der Benutzung des Schuhs die am wenigsten von einer Verformung betroffene und damit am besten geeignete Stelle bildet.
Der Ansicht der Anmelderin, die beanspruchte Tasche werde vom Verkehr schon aufgrund ihrer geringen Größe als eigentümliches Zierelement ohne Gebrauchsfunktion angesehen, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine Tasche, die in der Anmeldung als mit einer Lasche verschließbar beschrieben ist, stellt ein Behältnis dar, das vom Verbraucher selbstverständlich als Funktionselement zur Aufbewahrung kleiner Gegenstände, insbesondere Geldscheine, Münzen, Taschentuch oder kleine Schlüssel gewertet wird. Ob eine solche Tasche wegen ihrer geringen Größe praktisch ist und ob ihre Nutzung möglicherweise ein unangenehmes Druckgefühl beim Träger des Schuhs hervorruft, worauf die Anmelderin hinweist, sind Gesichtspunkte, die den Verkehr allenfalls vom Kauf des Schuhs oder von der Nutzung der Tasche abhalten, jedoch nicht dazu führen, dass er die Tasche als betriebliches Unterscheidungsmittel eines ganz bestimmten Unternehmens auffasst.
Die Unterscheidungskraft der angemeldeten Positionsmarke kann auch nicht damit begründet werden, der Verkehr sei daran gewöhnt, an der seitlichen Außenfläche von Sportschuhen die Marke des Herstellers zu finden. Es ist zwar richtig, dass die Herstellermarke bei zahlreichen Sportschuhen an derselben Stelle (Position) angebracht ist wie die vorliegend beanspruchte Tasche, zB die "3 -Streifen" - Marke von Adidas, die hakenförmige Bildmarke von Reebok oder das "N" von New Balance (vgl BPatGE 40, 76). Im Gegensatz zu diesen ornamentalen Kennzeichen handelt es sich bei der angemeldeten Marke aber um ein reines Gebrauchselement, dem - ungeachtet seiner Position auf dem Schuh - die Eignung eines betrieblichen Herkunftshinweises ebenso fehlt wie etwa technischen Funktionselementen eines Schuhs, zB Fersenverstärkungen, Dämpfungselemente, Belüftungsrippen oder Pumpsysteme (vgl dazu 27 W (pat) 214/94 vom 13. Januar 1998 und 27 W (pat) 165/96 vom 3. Februar 1998 - jeweils zitiert auf der PA-VIS-CD-ROM).
Der Ansicht der Anmelderin, die beanspruchte Tasche auf einem Schuh sei bei keinem Produkt eines Mitbewerbers zuvor zu finden gewesen und mithin neu und eigentümlich, so dass sie vom Verkehr mangels anderer Anhaltspunkte nur als ein Hinweis auf ihr Unternehmen angesehen werden könne, das ein derartiges Produkt erstmals auf den Markt gebracht habe, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Diese Ansicht verkennt die Aufgabe und Funktion des Markenrechts im Verhältnis zu anderen gewerblichen Schutzrechten, insbesondere dem Patent und dem Geschmacksmuster. Bei diesen ist die Neuheit eine gesetzliche Schutzvoraussetzung, zu der eine erfinderische Tätigkeit (§ 4 Patentgesetz) bzw eine Eigentümlichkeit (§ 1 Abs 2 Geschmacksmustergesetz) kommen muss, damit dem Anmelder das gesetzliche Ausschließungsrecht verliehen werden kann, welches ihn berechtigt, Dritte von der Nutzung der geschützten technischen Lehre oder des geschützten Gegenstands auszuschließen. Dem Markenrecht ist ein derartiges Anknüpfen an eine schöpferische Leistung des Anmelders bei der Frage der Schutzgewährung fremd. Es vielmehr notwendig, aber auch ausreichend, dass eine Marke den angesprochenen Verkehrskreisen die Unterscheidung der mit ihr bezeichneten Ware oder Dienstleistung von den Waren oder Dienstleistungen anderer betrieblicher Herkunft ermöglicht und den Schluss zulässt, dass alle mit ihr bezeichneten Waren oder Dienstleistungen unter der Kontrolle des Inhabers dieser Marke hergestellt, vertrieben oder geliefert bzw erbracht worden sind, der für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, Philips/Remington, Nr 47). Weil es hier also ausschließlich auf die Eignung zur Unterscheidung der Herkunft geht, ist bei der Beurteilung der markenrechtlichen Schutzfähigkeit einer als Marke beanspruchten Produktaufmachung allein darauf abzustellen, ob für die angesprochenen Verkehrskreise - bei den hier in Rede stehenden Waren "Sportschuhe und sportliche Halbschuhe" breiteste Kreise des allgemeinen Verbraucherpublikums - im konkreten Fall eine Veranlassung besteht, die betreffende Aufmachung als einen Herkunftshinweis im markenrechtlichen Sinne anzusehen. Weder die "Neuheit" gegenüber dem "Stand der Technik", hier also der Vorbekanntheit oder Vorbenutzung im Markt, noch die Frage, ob eine Warenform oder hier eine Warenausstattung patentrechtlich erfinderisch bzw eigentümlich im Sinne des Geschmacksmusterrechts ist, können demnach entscheidende Anhaltspunkte für die Beurteilung liefern, ob eine bestimmte Gestaltung im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG als individuell kennzeichnend bewertet wird (vgl auch BGH GRUR 2001, 56, 58 - Likörflasche). Entsprechendes gilt im übrigen auch für Wortmarken, die nicht automatisch deshalb betriebskennzeichnenden Charakter haben, weil sie Wortneubildungen sind.
Auch der Hinweis in der der Markenanmeldung beigefügten Beschreibung, beansprucht werde eine Tasche, die "den betreffenden Schuh blickfangartig in unterscheidungskräftiger Weise kennzeichnet", vermag diese Frage trotz der den markenrechtlichen Schutztatbestand sinngemäß wiedergebenden Formulierung nicht zu beantworten. Abzustellen ist nicht auf die von der Anmelderin mit ihrer Markenanmeldung verfolgte Absicht, sondern allein darauf, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher - ohne Kenntnis des jeweiligen Schutzrechts - die in Rede stehende Kategorie von Waren oder Dienstleistungen vermutlich wahrnimmt (vgl Urteile des EuGH vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-210/96, Gut Springenheide und Tusky, Nr 31, und Philips/Remington, Nr 63). Diesem Verbraucher erschließt sich, wie oben dargelegt, aus den Merkmalen der beanspruchten Marke kein blickfangmäßig unterscheidungskräftiges Element. Selbst wenn er die Tasche in der von der Anmelderin erhofften Weise deutlich wahrnimmt, hat er keine Veranlassung, sie anders wahrzunehmen denn als eine Tasche "als solche".
Ob darüber auch das Schutzhindernis eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht, weil, unabhängig davon, ob die Anmelderin derzeit als einzige Anbieterin auf dem Markt ihre Schuhe mit einer aufgenähten Tasche versieht, Mitbewerber dieses vom Publikum möglicherweise als praktisch und sinnvoll angesehene Merkmal als funktionsgerechte Ausgestaltung auch für die von ihnen angebotenen Schuhe benötigen könnten, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Für eine Überwindung der Schutzhindernisse durch eine Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs 3 MarkenG enthält der Vortrag der Anmelderin keine Anhaltspunkte.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen nach § 83 Abs 2 MarkenG.
Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü
Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/20785.3.gif
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Beschluss v. 24.06.2003
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