Landgericht Hamburg:
Urteil vom 31. Mai 2005
Aktenzeichen: 312 O 961/04
(LG Hamburg: Urteil v. 31.05.2005, Az.: 312 O 961/04)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
und beschließt:
Der Streitwert wird auf Euro 50.000,-- festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten gestützt auf das Titel-schutzrecht an der von ihr herausgegebenen Zeitschrift "Der A" Unterlassung hinsichtlich der Nutzung der Internet-Domain "a..de".
Die Zeitschrift, deren Redaktionskonzept sich nach den Bedürfnissen des praktischen Arztes ausrichtet, sodass insbesondere die Themen Fortbildung, Gesundheitspolitik, Forschung und Praxis behandelt werden, besteht seit 1979. Sie erreicht nach den Angaben der Klägerin, die sich diesbezüglich auf aktuelle Marktanalysen bezieht, mit rund 28.000 verteilter Auflage fast 63 Prozent aller deutschen Hausärzte.
Der Beklagte ist Facharzt für Allgemeinmedizin und bietet über die Domain "a..de" ein Informationsportal zu gesundheitspolitischen Themen an. Inhaber der streitgegenständlichen Domain ist die Firma "i" des Beklagten. Ihr Geschäftsgegenstand ist die Erstellung und gegebenenfalls Programmierung von HTML-Seiten. Auf der Hauptseite verwies der Beklagte auf sein Portal "m.de" sowie die Subdomain "www.a.de/e-b". Dr. E B ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundesverbandes der Allgemeinärzte und zugleich des wissenschaftlichen Beirates der Klägerin. Über die Subdomain veröffentlichte der Beklagte einen Beitrag dieses Dr. B, der zuvor in der Zeitschrift der Klägerin erschienen war. Auf der Seite der Subdomain ist am rechten Bildschirmrand das Zeitschriftenlogo der Klägerin unter der Überschrift "unter Mitarbeit von:" abgebildet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass dadurch fälschlicherweise eine Zusammenarbeit des Beklagten mit der Klägerin suggeriert werde.
Der Beklagte wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 25.06.2004 zur Freigabe der streitgegenständlichen Domain aufgefordert. Zwischenzeitlich hat der Beklagte die streitgegenständliche Domain entfernt und mit dem Hinweis versehen "Zur Zeit leider keine Info unter www. a .de " .
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
a) es zu unterlassen, das Zeichen "A" in der Form des Domainnamens "a.de" zu benutzen,
b) gegenüber der DENIC auf die Registrierung des Domainnamens "a.de" zu verzichten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, dass die Klägerin selbst um Veröffentlichung gebeten habe. Er behauptet, dass er die Subdomain im Auftrag des Herrn Dr. med. B eingerichtet habe und der Hinweis auf "Der A" ebenso wie auf "S." auf Wunsch des Inhabers der Subdomain erfolgt sei. Er ist der Ansicht, dass Dr. B auch allein verantwortlich für die Subdomain sei.
Der Beklagte behauptet, dass er sich mit seinem Informationsportal unter der streitgegenständlichen Domain in erster Linie an die Patienten der Hausärzte wende. Ferner behauptet er, dass die Bereitstellung der Texte über die streit-gegenständliche Domain - ebenso wie dessen Aufruf übers Internet - unentgeltlich erfolge. Er behauptet, dass er sich weder über Anzeigen noch über Beiträge oder Zuschüsse finanziere; auch erfolge keine regelmäßige Veröffentlichung auf den Seiten des Beklagten.
Der Beklagte behauptet, dass die Klägerin nicht auf die Nutzung angewiesen sei, da sie mindestens seit 1999 Kenntnis von der Registrierung habe und die Domain "der-allgemein-arzt.com", nicht aber die Domain "a.com" für sich nutze.
Zur Vervollständigung des Tatbestands wird ergänzend auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 5 I, III, 15 II, IV MarkenG nicht zu.
Gegenstand des geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist die Nutzung der Domain "a.de" durch den Beklagten.
Der Vortrag der Klägerin zu der Art der Nutzung dieser Domain, wodurch u.a. der Eindruck einer bestehenden Kooperation mit der Zeitschrift der Klägerin hervorgerufen worden sei, ist zunächst für den geltend gemachten Anspruch unerheblich. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Antrag nicht dagegen, dass der Beklagte unter der Domain Inhalte verbreitet, mit welchen bei den angesprochenen Adressaten falsche Vorstellungen ausgelöst werden könnten.
Die Benutzung der Domain "a.de" als solche begründet keine Verwechslungsgefahr mit dem klägerischen Kennzeichen. Dabei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass der Klägerin ein Titelschutzrecht gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG an dem Titel "Der A" zusteht. Der Titel hat zwar stark beschreibenden Anklang, die gemäß § 5 Abs. 3 erforderlich Unterscheidungskraft kann ihm aber nicht abgesprochen werden, da eine derartige Zeitschriftenpublikation nicht notwendig so benannt werden muss. An die Unterscheidungskraft von Zeitschriftentiteln werden nur geringe Anforderungen gestellt, weil auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt seit jeher Zeitungen und Zeitschriften unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden (BGH, Urt.v.16.7.98 - I ZR 6/96 "Wheels Magazine"; GRUR 99, 235 = WRP 99, 186 ; BGH, Urt.v. 29.4.99 - I ZR 152/96 "Szene"; WRP 99, 1279 = GRUR 2000, 70; BGH, Urt.v. 22.9.99 - I ZR 50/97 "FACTS"; WRP 2000, 533 = GRUR 2000, 504).
Allerdings sind Werktitel grundsätzlich nur gegen unmittelbare Verwechslung geschützt, also lediglich gegen die Verwendung eines verwechslungsfähigen Titels für ein gleichartiges oder zumindest ähnliches Werk. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist anerkannt, dass der Verkehr mit einem Werktitel gleichzeitig auch die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden kann, so insbesondere bei bekannten Titeln regelmäßig erscheinender periodischer Druckschriften (Hans. OLG, 5. Senat, Urt. v.24.4. 2003 - 5 U 90/2002 "Der DVD Markt"/ "DVD & Video Markt "; MD (VSW) 2003, 1121).
Bei diesem Ausgangspunkt ist es schon zweifelhaft, ob das Titelschutzrecht überhaupt einen Schutz gegen die Verwendung einer Internet-Domain gewähren kann. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihrer Zeitschrift eine herausgehobene Bekanntheit zukommt, aus der sich ein weiterer Schutzbereich des Titelschutzrechts ergeben könnte.
Die Verwendung der Internet-Domain "a.de" durch den Beklagten erfolgt zwar kennzeichenmäßig, es ist anerkannt, dass eine Internet-Domain kennzeichnend auf den Betreiber dieser Domain i.S. eines Unternehmenskennzeichens hinweisen kann. Der Domainname kann aber auch titelmäßig als Kennzeichnung der gestalteten Website, unter der bestimmte Inhalte kommuniziert werden, verwendet werden.
Bei der Beurteilung der für den Unterlassungsanspruch vorausgesetzten Verwechslungsgefahr ist jedoch ausschlaggebend, dass das Titelschutzrecht der Klägerin aufgrund der Verwendung eines Gattungsbegriffs nur über eine begrenzte Unterscheidungskraft verfügt. Es kann dem Beklagten, der selbst Allgemeinarzt ist, nicht verwehrt werden, unter diesem Begriff eine Internet-Domain zu unterhalten. Das unter "a.de" eröffnete Diskussionsforum bietet Ärzten die Möglichkeit, ihre gesundheitspolitischen Ansichten zu verbreiten und zu diskutieren. Diejenigen Ärzte, die die klägerische Zeitschrift kennen, laufen nicht Gefahr, den Internetauftritt des Beklagten mit dem Werktitel der klägerischen Zeitschrift zu verwechseln bzw. die Domain des Beklagten für die Online-Version der klägerischen Zeitschrift zu halten, da mit der neueren Rechtsprechung des BGH - zur übertragbaren Rechtslage zu § 1 UWG - von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers auszugehen ist, der das fragliche Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt (BGH, Urt.v. 17.5.2001 - I ZR 216/99 "M.de"; NJW 2001, 3262 = WRP 2001, 1286 = GRUR 2001, 1061). Der Internet-Nutzer, der einen Gattungsbegriff als Internet-Adresse eingibt, weiß, dass es dabei auf unterschiedliche Schreibweisen, z. B. mit oder ohne Bindestrich, ankommen kann. Soweit der in Frage stehende Gattungsbegriff nicht zur Annahme einer Alleinstellung des auf diese Weise gefundenen Anbieters berechtigt, erkennt der Internet-Nutzer auch, dass er mit dieser Suchmethode kein vollständiges Bild des Internet-Angebots erhält (vgl. "www.m.de","www.au.de", "www.r.de").
Selbst wenn z.B. ein Bezieher der Zeitschrift der Klägerin aufgrund des Namens der Domain an einen Zusammenhang denken sollte, wäre eine Verwechslungsgefahr im Ergebnis zu verneinen, da aufgrund der Gestaltung des Internetauftrittes des Beklagten ohne weiteres klargestellt wird, dass es sich dabei nicht um die Online-Version der klägerischen Zeitschrift handelt, da die Aufmachung zu erkennen gibt, dass es sich dabei um eine private Homepage des Beklagten handelt und - anders als für Online-Versionen von Zeitschriften - keine Bezugnahme erfolgt.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass dem Umstand, dass eine etwaige ursprüngliche, durch den Domainnamen ausgelöste Fehlvorstellung über die Person des Anbieters beim Internetbenutzer beim Aufschlagen der ersten Seite der Homepage umgehend korrigiert wird, eine erhebliche Bedeutung bei der Beantwortung der Frage zukommt, ob eine relevante Irreführung des Verkehrs vorliegt. Diese Rechtsprechung zu § 5 UWG (§ 3 a.F.) kann auch im vorliegenden Zusammenhang herangezogen werden und führt im Ergebnis zur Verneinung der Verwechslungsgefahr.
Eine Bezugnahme auf die klägerische Zeitschrift ist erst auf der Subdomain durch den Verweis "Unter Mitarbeit von" über dem Zeitschriftenlogo am rechten Bildschirmrand erfolgt. Die dortige Bezeichnung "Unter Mitarbeit von" verdeutlicht, dass "Der A" nicht dem Beklagten zuzuordnen ist. Vielmehr suggeriert er eine Zusammenarbeit des Beklagten mit der Klägerin auf der Site der Subdomain, auf der Beiträge des Herrn Dr. med. B veröffentlicht wurden. Da dieser über seine Tätigkeit im wissenschaftlichen Beirat der Klägerin auch Artikel in "Der A" veröffentlicht, ist der Verweis auf eine Zusammenarbeit mit der klägerischen Zeitschrift jedoch nicht fälschlicherweise erfolgt. Der Klägerin steht es frei, ob sie Aufsätze über die Domain des Beklagten veröffentlichen lassen möchte oder darauf in Zukunft verzichtet. Sie hat nicht geltend gemacht, dass die Verbreitung des Beitrags des Herrn Dr. B durch den Beklagten gegen ihren Willen erfolgt wäre. Sie hätte ohne Weiteres gegen eine eigenmächtige Verbreitung durch den Beklagten rechtliche Schritte ergreifen können.
Das Klagebegehren ist auch nicht aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt, da schon fraglich ist, ob überhaupt ein Handeln des Beklagten zu Wettbewerbszwecken vorliegt. Die kennzeichenrechtlichen Vorschriften sind für Fallkonstellationen dieser Art abschließend, dem UWG kann insoweit keine Auffangfunktion zukommen. So hat auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "shell.de" ausgeführt, dass mit dem MarkenG eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichenrechtliche Regelung vorliegt, die im Allgemeinen den aus den Generalklauseln hergeleiteten Schutz verdrängt.
Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Verzicht der Domain "a.de" gegenüber der DENIC.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1, 2 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 31.05.2005
Az: 312 O 961/04
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