Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 346/00
(BPatG: Beschluss v. 19.02.2002, Az.: 27 W (pat) 346/00)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes für Klasse 25 vom 21. August 2000 teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 397 25 765 für die Waren "Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herren-Oberbekleidung, Blusen, Kostüme, Kleider, Röcke, Jacken, Hosen, Hemden, Pullover, Krawatten, Mäntel, Schals, Handschuhe, Strümpfe, Unterwäsche, T-Shirts, Polo-Shirts, Sportbekleidung, Badebekleidung, Lederbekleidung, Kopfbedeckungen" der angegriffenen Marke 397 56 523 zurückgewiesen worden ist.
Die Löschung der angegriffenen Marke 397 56 523 wird im Umfang dieser Waren angeordnet.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke 397 56 523 BELLEZZA für
"Leder und Lederimitationen und Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten), Taschen aus Stoff, Leder und lederähnliche Materialien, Portemonnaies, Rucksäcke, Koffer, Reisetaschen, Regenschirme, Aktentaschen, Brieftaschen, College-Mappen, Kosmetik-Taschen und -Koffer; Bekleidungsstücke, insbesondere Damen- und Herren-Oberbekleidung, Blusen, Kostüme, Kleider, Röcke, Jacken, Hosen, Hemden, Pullover, Krawatten, Mäntel, Schals, Handschuhe, Strümpfe, Unterwäsche, T-Shirts, Polo-Shirts, Sportbekleidung, Badebekleidung, Lederbekleidung, Kopfbedeckungen, Schuhe, Stiefel, Gürtel; Haken, Ösen, Verschlüsse, Knöpfe, Bänder, Schließen für Bekleidungsstücke"
ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke Bellissaeingetragen unter der Nr. 397 25 765 für
"Bekleidungsstücke, Kleider, Kostüme, Mäntel, Jacken, Röcke, Anzüge, Pullover, Hemden; Kopfbedeckungen".
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken seien zwar einander angenähert, aber weder identisch noch ähnlich, da der Schutzumfang der Widerspruchsmarke gering und daher auf die eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt sei. Der Verkehr sehe in ihr nämlich ein Wort italienischen Ursprungs, da sie stark an den italienischen Begriff "bellissima" erinnere, dessen Grundbegriff "bella" für "schön" ihm aus der Werbung oder aus Urlauben bekannt sei; dieser Begriff sei für die beanspruchten Waren aber beschreibend. Wegen des kennzeichnungsschwachen Wortanfangs der Marken genüge es somit, wenn sie in den Endsilben voneinander abwichen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Hierzu reiche die Abwandlung des Vokals "e" in "i" und des weichen Konsonanten "s" in das harte "z" aus.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Seiner Auffassung nach besitzt die Widerspruchsmarke normale Kennzeichnungskraft. Die von der Markenstelle beschriebenen Anklänge in Richtung "bellissima" und "bella" beruhten auf einer zergliedernden Wortanalyse. Bei normaler Kennzeichnungskraft seien die Marken aber in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht hochgradig ähnlich. Die klangverwandten Vokale "e" und "i" unterschieden sich nur minimal; auch die Konsonanten "s" und "z" seien klangverwandt und würden vom Verkehr auch häufig verwechselt. Wegen der Markenähnlichkeit bestehe daher Verwechslungsgefahr.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist dem entgegengetreten. Ihrer Auffassung nach sind die jeweiligen Waren nur im Bereich der Klasse 25 vergleichbar. Für diese Waren sei aber zu berücksichtigen, dass der Wortteil "Bella", der sich in beiden Marken finde, einen zentralen Begriff der Modebranche bilde, aus dem in Klasse 25 keine isolierten Rechte hergeleitet werden könnten; auch in der eingetragenen Form genieße die Widerspruchsmarke als Verbindung der Sachangabe "Bellissima" nur einen geringen Schutzumfang. Es komme daher nur auf die Endbestandteile der Vergleichsmarken an, die sich schriftbildlich und klanglich erheblich unterschieden; die angegriffene Marke weise als Besonderheit die zweifachen Doppelkonsonanten "LL" und "ZZ" sowie die doppelte Vokalangabe "E" auf, welche einer Verwechselbarkeit entgegenstehe.
Der Beschwerdeführer hat seinen ursprünglich gestellten hilfsweisen Terminsantrag zurückgenommen und wie die Beschwerdegegnerin um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerde hat teilweise Erfolg. Denn eine Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Marken nach § 42 Abs 2 Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG kann für die im Tenor genannten Waren der angegriffenen Marke, nicht verneint werden, während die vorhandenen Unterschiede der Vergleichsmarken hinsichtlich der übrigen, von der jüngeren Marke ebenfalls beanspruchten Waren für den erforderlichen Abstand ausreichen, so dass der Widerspruch insoweit zu Recht zurückgewiesen wurde.
Entgegen der Auffassung der Markenstelle reichen die vorhandenen Unterschiede der Marken im Bereich der Warenidentität nicht aus, um eine klangliche und schriftbildliche Verwechselbarkeit auszuschließen. Dabei ist schon fraglich, ob der Verkehr den in beiden Zeichen enthaltenen Wortteil "bell", wie die Markenstelle meint, mit dem italienischen Wort "bello" bzw der weiblichen Form "bella" assoziiert und damit als beschreibend erachtet; es liegt nämlich eher näher, dass die angesprochenen Verkehrskreise beide Zeichen vielfach ohne weitere Überlegung als reine Phantasiewörter oder -namen auffassen und dem Wortanfang damit keinen begrifflichen Inhalt mit dem beschreibenden Anklang an Schönheit zuordnen. Abgesehen davon tragen auch kennzeichnungsschwache Wortelemente zur Prägung des Gesamteindruckes eines Zeichens bei und dürfen; aus diesem Grund bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rn 185). Ausschlaggebend kann daher nur sein, ob die Abweichungen in den beiden letzten Silben der jüngeren Marke ("ezz" statt "iss") trotz des gemeinsamen Wortanfangs eine Verwechslung beider Zeichen auszuschließen vermögen. Dies kann entgegen der Auffassung der Markenstelle nicht verneint werden. Denn "e" und "i" sind stark klangverwandt und beim Sprechen häufig kaum auseinanderzuhalten. Zwar wird "zz" bei deutscher Aussprache nicht nur, wie in anderen Sprachen, als stimmhaftes, "s", sondern scharf wie "tz" gesprochen; gleichwohl kommt auch diese Wiedergabe der Doppelkonsonanten "zz" dem im Deutschen ebenfalls relativ scharf und markant klingenden verdoppelten "S" klanglich beachtlich nahe. Insbesondere bei flüssiger Sprechweise lässt sich daher nicht hinreichend ausschließen, dass die Unterschiede beider Marken nicht mehr wahrgenommen werden. Auch schriftbildlich kann es vor allem aufgrund unsicherer Erinnerung zu Verwechslungen kommen, da beide Marken optisch durch das Charakteristikum der zwei Buchstabenpaare "ll" und "zz bzw ss" geprägt werden und auch am Wortanfang und -ende identisch sind, wobei je nach Ausgestaltung des Schrifttyps die Buchstabenfolge "-iss" ähnlich wie "ezz" aussehen kann.
Allerdings kann die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nur für die im Tenor genannten (identischen) Waren begründen, während im übrigen der höhere Grad der Markenähnlichkeit durch den geringeren Grad der Ähnlichkeit der Waren, für welche die jüngere Marke weiterhin eingetragen ist, entsprechend der ständigen Rechtsprechung (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions) ausgeglichen wird.
Die Waren "Leder und Lederimitationen und Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten), Taschen aus Stoff, Leder und lederähnlichen Materialien, Portemonnaies, Rucksäcke, Koffer, Reisetaschen, Regenschirme, Aktentaschen, Brieftaschen, College-Mappen, Kosmetik-Taschen und -Koffer" sowie "Schuhe, Stiefel, Gürtel; Haken, Ösen, Verschlüsse, Knöpfe, Bänder, Schließen für Bekleidungsstücke", für welche die jüngere Marke Schutz beansprucht, sind den für die Widerspruchsmarke eingetragenen "Bekleidungsstücken" und "Kopfbedeckungen" nach Art, Verwendungszweck, Nutzung und Verkaufsstätten nicht so ähnlich, dass zu befürchten wäre, das angesprochene Publikum werde insoweit noch in einem beachtlichen Umfang Verwechslungen der Marken unterliegen. Sofern eine Warenähnlichkeit überhaupt zu bejahen wäre (fraglich zB bei Haken, Ösen, Verschlüssen, Knöpfen, Bändern), läge sie allenfalls im mittleren, wenn nicht gar entfernteren Ähnlichkeitsbereich (vgl BPatGE 41, 1 ff - CHEVY). Für diesen Bereich reichen die vorhandenen Abweichungen in der jüngeren Marke für den erforderlichen Abstand zur älteren Marke aber aus.
Nach alldem war der Beschluss daher teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, während im übrigen die Beschwerde zurückzuweisen war.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer Albert Schwarz Hu
BPatG:
Beschluss v. 19.02.2002
Az: 27 W (pat) 346/00
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