Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen:
Beschluss vom 5. November 2001
Aktenzeichen: L 3 B 237/01 KA
(LSG Niedersachsen-Bremen: Beschluss v. 05.11.2001, Az.: L 3 B 237/01 KA)
Tatbestand
Streitig ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit.
Im Hauptsacheverfahren hat der Kläger, ein Radiologe, die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, sein Honorar ab dem III. Quartal 1999 unter Außerachtlassung der Budgetierungsregelung in § 3 Abs. 1(a) des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten vom 31. Mai 1997 in der Fassung des 6. Nachtrages vom 8. Mai 1999 festzusetzen. Er hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 25. Februar 2000 für erledigt erklärt, nachdem die Vertreterversammlung der Beklagten mit dem 7. Nachtrag zum HVM vom 31. Mai 1997 zunächst beschloss, die beanstandete Budgetierungsregelung ab 1.1.2000 nicht mehr anzuwenden und mit dem 8. Nachtrag, die Neuberechnung der Honorare der betroffenen Ärzte auf der Grundlage einer Meistbegünstigungsklausel durchzuführen.
Nachdem das Sozialgericht Hannover durch Beschluss vom 6. Juni 2000 keine Kostenerstattung unter den Beteiligten vorgesehen hatte, hat das Landessozialgericht Niedersachsen auf die Beschwerde des Klägers den Beschluss des Sozialgerichts geändert und entschieden, dass die Beklagte die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten hat (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2001).
Mit Schriftsatz vom 22. März 2001 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 980.000,00 DM festzusetzen. Zur Begründung hat er dargelegt, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem 3 1/2fachen der zu erwartenden jährlichen Differenz seines Honorars bei Beachtung bzw. Nichtbeachtung der Budgetierungsregelung zu orientieren habe. Diese Differenz belaufe sich nach seinen Berechnungen auf 280.000,00 DM jährlich. Die Beklagte hat demgegenüber erläutert, dass sich die Differenz auf 68.079,00 DM im dritten und auf 86.420,00 DM im vierten Quartal 1999 belaufe. Daran habe sich auch die Festsetzung des Gegenstandswertes zu orientieren.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 03. August 2001 den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 154.499,00 DM festgesetzt. Gegen diesen seinem Bevollmächtigten am 16. August 2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 24. August Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass maßgeblich das wirtschaftliche Interesse zum Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung sei. Zu diesem Zeitpunkt sei indessen nicht abzusehen gewesen, wie lange die umstrittene HVM-Regelung in Kraft bleiben würde. Bei einer laufenden Leistung, wie sie die Honorarzahlungen der Beklagten darstellten, sei deshalb ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Gründe
Die gemäß § 10 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie ist auch begründet.
Der Gegenstandswert in vertragsärztlichen Streitverfahren ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO zu bestimmen, weil es für die in § 116 Abs. 2 BRAGO näher umschriebenen Angelegenheiten keine einschlägigen Wertvorschriften gibt. Die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozess maßgebende Vorschrift des § 13 Gerichtskostengesetz (GKG) gilt entsprechend, damit Abweichungen gegenüber diesen vergleichbaren Verfahren nach Möglichkeit vermieden werden können. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich der Gegenstandswert daher grundsätzlich nach der sich aus dem die Instanz einleitenden Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Abzustellen ist folglich auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen zum Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. Bundessozialgericht BSG in SozR 3-1930 § 8 Nrn. 2 und 3). Dieser bemisst sich bei einer Feststellungsklage, die wie hier gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft gerichtet und mit einer Leistungsklage gleichwertig ist, nach dem Zahlbetrag, den der Kläger letztlich erstrebt (BSG Urteil vom 05. Oktober 1999, Az. B 6 KA 24/98 R).
Das Sozialgericht hat sich bei der Bemessung des Gegenstandswertes an der Addition der dem Kläger im dritten und vierten Quartal 1999 zusätzlich zustehenden Honorarsumme orientiert. Zu Recht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers dagegen eingewandt, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung im August 1999 noch gar nicht abgesehen werden konnte, wie lange die umstrittene Regelung im HVM der Beklagten angewendet werden würde. Hierfür ist bedeutsam, dass der Gegenstandswert nach § 13 Abs. 1 Satz Gerichtskostengesetz (GKG) vom Gericht nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen festzusetzen ist und zwar nach den Anhaltspunkten, die sich aus dem bisherigen Sach- und Streitstand ergeben. Dadurch wird dem Gericht ein Spielraum für die Beurteilung der Bedeutung der Sache und für ihre Bewertung eingeräumt: Es darf den Wert schätzen und sich sowohl einer Schematisierung, als einer Pauschalisierung bedienen.
Der Senat hält es unter Berücksichtigung dessen, dass die HVMs der Beklagten im Durchschnitt mindestens jährlich geändert werden, für angemessen, den Durchschnitt der aus dem dritten und vierten Quartal 1999 dem Kläger zusätzlich zustehenden Honorareinnahmen auf ein Jahr hochzurechnen. Daraus ergibt sich der ausgeworfene Gegenstandswert in Höhe von 308.998,00 DM.
Diese Entscheidung ist gemäß § 177 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unanfechtbar.
LSG Niedersachsen-Bremen:
Beschluss v. 05.11.2001
Az: L 3 B 237/01 KA
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