Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 6. September 2004
Aktenzeichen: 1 L 1832/04
(VG Köln: Beschluss v. 06.09.2004, Az.: 1 L 1832/04)
Tenor
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass die Ver-pflichtungen aus dem Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 8. Juni 2004 (Az. 00 00 00/000) nicht nach § 150 Abs. 1 des Tele-kommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 wirksam geblieben sind. Im Óbrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte. Der Streitwert wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, 1. die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 21. Juni 2004 (Az. 1 K 4556/04) gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 8. Juni 2004 (Az. 00 00 00/000) anzu- ordnen und 2. im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Verpflichtun- gen aus dem Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 8. Juni 2004 nicht nach § 150 Abs. 1 des Telekommunikati- onsgesetzes vom 22. Juni 2004 wirksam geblieben sind,
3.
hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Für den Antrag zu 1. besteht seit dem Inkrafttreten des Telekommunikationsge- setzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) - TKG n.F. - kein Rechtsschutzinteresse mehr. Seit dem Inkrafttreten des TKG n.F. sind nämlich die Verpflichtungen aus dem noch nach dem TKG vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) - TKG a.F. -, ergangenen streitgegenständlichen Bescheid jedenfalls nicht mehr wirksam. Daher trifft ungeachtet der Frage, ob Paketangebote - wie die Antragsgegnerin annimmt - der Genehmigungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG a.F. unterlagen, jedenfalls seit dem Inkrafttreten des TKG n.F. die Antragstellerin nicht (mehr) unmittelbar kraft Gesetzes die Pflicht, für ihre von dem Bescheid betroffenen Paketangebote "U.-Net 100", "U.- ISDN 100", U.-Net Calltime 120", "U.-ISDN Calltime 120", U.-Net xxl", "U.-ISDN xxl", "U.-ISDN xxl sunday" eine Genehmigung einzuholen.
2.
Dabei kann die Kammer offen lassen, ob der streitige Bescheid der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post selbst seine Wirksamkeit auf die Gel- tungsdauer des TKG a.F. beschränkt, das gemäß § 152 Abs. 2 TKG n.F. am 26. Juni 2004 außer Kraft getreten ist. Dafür spricht der Wortlaut des Bescheidtenors, wonach die von der Antragstellerin erhobenen Entgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der genannten Paketangebote "der Geneh- migungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG" unterliegen. Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an, weil die Feststellung der Genehmigungspflicht selbst ohne eine solche Be- fristung auf den Bestand der bisherigen Rechtslage mit dem Inkrafttreten des TKG n.F. unwirksam geworden ist.
Zur Zulässigkeit eines die Genehmigungspflicht feststellenden Verwaltungsaktes nach altem Recht vgl. VG Köln, Urteil vom 6. April 2000 - 1 K 76076/97 -; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2000 - 13 B 2019/99 - und Beschluss vom 27. Januar 2004 - 13 A 3253/01 -.
Nicht gegen eine Weitergeltung der Genehmigungspflicht spricht allerdings - wie die Antragstellerin meint - die Regelung des § 39 Abs. 1 TKG n.F., der nur von "Entgelten" und - anders als § 25 TKG a.F. - nicht mehr von "entgeltrelevanten Bestandteilen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen" spricht. Zwar hat die Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post ihre Feststellung der Genehmigungspflicht wesentlich auf die entgeltrelevanten Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die genannten Paketangebote der Antragstellerin gestützt, jedoch betrifft § 39 Abs. 1 TKG n.F. - wie sich aus den Regelungen des § 39 Abs. 1 Satz 3 i.V. mit § 35 Abs. 3 Satz 1, § 28 Abs. 2 Nr. 3 TKG n.F. (Missbrauchsvermutung bei sachlich ungerechtfertigter Bündelung beim Produktangebot) ergibt - nicht nur die eigentlichen Entgelte, sondern auch weitere endnutzerrelevante Aspekte,
vgl. insoweit auch Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108 S. 51) - im Folgenden: URL -, der von der Regulierung nicht nur der Endnutzertarife, sondern auch anderer endnutzerrelevanter Aspekte spricht.
Die Fortgeltung der festgestellten Genehmigungspflicht scheitert aber an § 150 Abs. 1 Satz 1 TKG n.F.. Nach dieser Vorschrift bleiben die von der Regulie- rungsbehörde vor Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffenen Feststellungen marktbe- herrschender Stellungen sowie die daran anknüpfenden Verpflichtungen wirksam, bis sie durch neue Entscheidungen nach Teil 2 des Gesetzes ersetzt werden. Das gilt auch dann, wenn die Feststellungen marktbeherrschender Stellungen lediglich Bestandteil der Begründung eines Verwaltungsaktes sind, § 150 Abs. 1 Satz 2 TKG n.F.. Aus dieser Regelung ergibt sich im Umkehrschluss, dass Verpflichtungen, die von ihr nicht erfasst werden, nicht wirksam bleiben sollen.
Nach der Begründung zum - mit Ausnahme des Satzes 3 - mit § 150 Abs. 1 TKG n.F. identischen § 148 Abs. 1 des Gesetzesentwurfs
- vgl. BR-Drs. 755/03 vom 17. Oktober 2003, S. 143 -
setzt die Regelung die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe des Art. 27 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108 S. 33) - im Folgenden: RRL - und des Art. 7 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zu- sammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108 S. 7) - im Folgenden: ZRL - um. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 27 RRL erhalten die Mitgliedstaaten alle im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verpflichtungen nach Art. 7 ZRL und nach Art. 16 URL aufrecht, bis eine nationale Regulierungsbehörde gemäß Art. 16 RRL über diese Verpflichtungen beschließt. Art. 7 ZRL betrifft bestimmte frühere, d.h. nach altem Recht geltende Verpflichtungen in Bezug auf Zugang und Zusammen- schaltung. Diese Verpflichtungen
- es handelt sich im Einzelnen um die Verpflichtungen, die gemäß den Artt. 4, 6, 7, 8, 11, 12, und 14 der Richtlinie 97/33/EG - Zusammenschaltungsrichtlinie -, Art. 16 der Richtlinie 98/10/EG - Sprachtelefondienst- und Universaldienstrichtlinie - sowie Artt. 7 und 8 der Richtlinie 92/44/EG - Mietleitungsrichtlinie -
betreffen nicht die hier einschlägige Genehmigungsverpflichtung in Bezug auf Endkundenentgelte. Art. 16 URL bezieht sich zwar auf "Endnutzertarife für die Bereitstellung des Zugangs zum öffentlichen Telefonnetz und dessen Nutzung nach Art. 17" der Sprachtelefondienst- und Universaldienstrichtlinie, jedoch haben die dort genannten Verpflichtungen nur Tarifgrundsätze zum Gegenstand, nicht jedoch die - hier streitige - Genehmigungspflichtigkeit. Die in § 25 Abs. 1 TKG a.F. normierte Genehmigungspflichtigkeit gehört demnach nicht zu den nach Art. 27 RRL i.V. mit Art. 16 URL vom Mitgliedstaat Deutschland aufrecht zu erhaltende Verpflichtung. Bestehen mithin keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach Art. 27 RRL und Art. 7 ZRL hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer Genehmigungspflicht für Endkundenentgelte, so spricht der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zweck des § 150 Abs. 1 TKG n.F. nicht für ein Wirksambleiben der streitigen Verpflichtung. Ein Wirksambleiben der hier streitigen Genehmigungsverpflichtung würde überdies zu einem sachwidrigen Ergebnis führen, weil die Ziele der TKG-Novelle konterkariert würden. In Abkehr von der bislang geltenden generellen Exante Genehmigungs- pflicht für Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Angebot von Übertragungswegen und Sprachtelefondienst eines marktbeherrschenden Unternehmens nach § 25 Abs. 1 TKG a.F. bildet die Exante-Regulierung von Endnutzerentgelten eines Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht nach § 39 Abs. 1 TKG n.F. nur mehr die Ausnahme. Sie besteht nicht mehr kraft Gesetzes generell, sondern kann von der Regulierungsbehörde (nur) unter bestimmten Umständen eingeführt werden, nämlich wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl nach § 40 nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 führen würden. Den Regelfall bildet die nachträgliche Regulierung, § 39 Abs. 3 TKG n.F.. Würde die nur deklaratorische und ohne Einzelfallprüfung ergangene Feststellung einer Genehmi- gungspflicht nach § 25 Abs. 1 TKG a.F. für Endkundenentgelte - wie sie hier im Streit ist - nach § 150 Abs. 1 TKG n.F. wirksam bleiben, dann würde das vom Gesetzgeber nunmehr vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt und eine Genehmi- gungspflicht selbst dann bestehen, wenn die strengen Anforderungen an die Auferle- gung einer Genehmigungspflicht nach § 39 Abs. 1 TKG n.F. nicht vorliegen. Die Ge- nehmigungspflichtigkeit bliebe dadurch entgegen der gesetzlichen Neukonzeption vorrangiges Regulierungsinstrument. Diesen Inhalt soll die Übergangsvorschrift ersichtlich nicht haben. Ist mithin die Wirksamkeit der Verpflichtung der Antragstellerin aus dem streitigen Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 8. Juni 2004 mit Inkrafttreten des TKG vom 22. Juni 2004 erloschen, so kann die Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post auch keine Konsequenzen mehr aus diesem Bescheid ziehen. Für das Begehren, die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid anzuordnen, besteht dann aber in dem für Zulässigkeitsfragen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
2. Der Antrag zu 2. ist hingegen zulässig und begründet.
Der Antrag ist zulässig. Im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO kann auch eine vorläufige Feststellung begehrt werden.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 - 2 BvR 104/87 -, NJW 1988, 249 = AgrarR 1987, 283, zitiert nach juris; BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1985 - 2 BvR 1167/84 - u.a., BVerfG 71, 305 = NJW 1986, 1483, zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO- Kommentar, 13. Auflage 2003, § 123 Randnr. 9; Eyermann/Happ, VwGO-Kommentar, 11. Aufl. 2000, § 123 Randnrn. 36, 40,
Der Antrag ist auch begründet. Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Haltung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die vom Wirksambleiben der Verpflichtung aus ihrem streitigen Beschluss ausgeht und der Antragstellerin in Aussicht gestellt hat, Konsequenzen aus diesem Bescheid ziehen zu wollen. Dass auch ein Anordnungsanspruch besteht, ergibt sich aus den Ausführungen unter Ziffer 1.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V. mit § 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718). Dabei hat die Kammer für jeden der beiden Anträge - ausgehend von einem im Hauptsacheverfahren jeweils zugrunde zu legenden Streitwert von 50.000,- EUR - einen Streitwert von 25.000,- EUR angesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 i.V. mit § 132, § 150 Abs. 13 TKG n.F.
VG Köln:
Beschluss v. 06.09.2004
Az: 1 L 1832/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/56d42e25d68f/VG-Koeln_Beschluss_vom_6-September-2004_Az_1-L-1832-04