Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. Oktober 1991
Aktenzeichen: 6 U 58/91
(OLG Köln: Urteil v. 18.10.1991, Az.: 6 U 58/91)
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Dezember 1990 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 363/90 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Urteil des Landgerichts zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt wird: 1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,unerlaubt angefertigte Vervielfältigungsstücke der Computerprogramme...im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten und/-oder Vervielfältigungsstücke von diesen Computer-Programmen ohne Zustimmung der Klägerin anzufertigen. 2. Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen des Beklagten entstanden ist und künftig entstehen wird. 3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über Art und Umfang der gemäß Ziff. I. 1 vorgenommenen Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Anzahl der Vervielfältigungsstücke. II. Die Kosten beider Instanzen werden dem Beklagten auferlegt. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsgebots durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,00 DM und hinsichtlich des Auskunftsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten kann der Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Jede Partei kann die von ihr zu erbringende Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen. IV. Beschwer des Beklagten:a) für die Unterlassung:75.000,00 DM b) für die Schadensersatzfeststellung: 20.000,00 DM c) für die Auskunftserteilung: 5.000,00 DM
Gründe
Die Klägerin ist eines der führenden
Unternehmen der Bundesrepublik im Bereich der Computerspiele für
Homecomputer. Sie besitzt an den Computerspielen teilweise eigene
Rechte, teilweise hat sie von ausländischen, insbesondere
nordamerikanischen Software-Häusern die ausschließlichen
Vertriebsrechte für deren Computerspiele in Deutschland. Die
Originalverpackungen und die Programme trugen im Jahre 1988 einen
Aufkleber mit dem Vermerk: "Im Vertrieb der A." "Kein Verleih!
Keine Vermietung! Vervielfältigung untersagt! Alle Urheberrechte
und Leistungsschutzrecht vorbehalten" bzw. "Computerprogramm von
A.". Die Klägerin firmierte seinerzeit unter "A. GmbH". In der
ersten Instanz war unstreitig, daß die Klägerin die
ausschließlichen Verwertungsrechte an den 24
streitgegenständlichen Programmen besitzt.
Der Beklagte war Inhaber des Postfachs
Nr. X beim Postamt in G.. Unter Angabe dieser Postfachnummer
inserierte der "Am. G." mit einer Kleinanzeige in der Zeitschrift
A., Ausgabe 8/8. Der Zeuge Ma. bat mit Schreiben vom 14.08.1988,
adressiert an das vorgenannte Postfach, den "Am. G." unter
Bezugnahme auf das Inserat um Informationen über den "A.". Mit dem
von ihm beigefügten Freiumschlag erhielt er eine Rückantwort mit
dem Poststempel vom 16.08.1988 und der (handschriftlichen)
Absenderangabe "P. B.". In erster Instanz war unstreitig, daß diese
Rückantwort u.a. die in Anlage K 2 a (Bl. 25 - 31 AH) befindlichen
Angebotsschreiben und die Liste der lieferbaren Titel enthielt, auf
deren Inhalt Bezug genommen wird. In der Liste befinden sich neben
anderen sämtliche Titel der im Klageantrag genannten
Computerprogramme. Angeboten wurden wahlweise 3 1/2 Zoll Disketten
zum Preis von 10,00 DM und 5 1/4 Zoll Disketten zum Preis von 8,00
DM, jeweils zuzüglich Porto und Verpackungskosten. Die Lieferung
wurde für spätestens 7 Tage nach Bestelleingang zugesagt. Ferner
wurde damit geworben, daß "wir ca. 90 % billiger sind als andere
Software-Häuser". Zahlungen und Bestellungen sollten gerichtet
werden an "P., B.".
Aufgrund eines Schreibens des Zeugen
Ma. vom 17.08.1981 an die Be. AG und eines weiteren Schreibens vom
selben Tag an die M. T. AG wurde gegen den Beklagten polizeilich
ermittelt. Bei einer Hausdurchsuchung am 29.05.1989 wurden
schriftliche Unterlagen im Zusammenhang mit dem "A." sowie 19
Disketten gefunden. Der Beklagte gab gegenüber dem
Ermittlungsbeamten an, daß er den Computer nebst Zubehör und
Disketten abgegeben habe, der "A." sei seine Erfindung gewesen,
habe sich aber nicht gelohnt, so daß er sich seit einigen Monaten
nicht mehr mit Computerspielen beschäftige.
Die Klägerin hat vom Beklagten die
Unterlassung der Verbreitung unerlaubt angefertigter
Vervielfältigungsstücke der im Klageantrag aufgeführten
Computerprogramme sowie der Vervielfältigung dieser
Computerprogramme ohne ihre Zustimmung, die Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sowie "Rechnungslegung"
verlangt.
Sie hat behauptet, der Beklagte habe
unter dem Decknamen "A." mindestens von August 1988 bis Mai 1989
bundesweit an Dritte Raubkopien von Computerprogrammen verbreitet
und Vervielfältigungsstücke hergestellt, darunter auch die
streitgegenständlichen Programme.
Die Klägerin hat die Auffassung
vertreten, die Computerspiele seien urheberrechtsschutzfähig,
jedenfalls laufbildschutzfähig; ferner stehe ihr ein Titelschutz
gemäß § 16 Abs. 1 UWG analog und ein Unterlassungsanspruch aus § 1
UWG wegen unmittelbarer Leistungsübernahme in unlauterer Weise zu.
Die Wiederholungsgefahr werde aufgrund der begangenen
Verletzungshandlungen vermutet, da der Beklagte eine strafbewehrte
Unterlassungserklärung - wie zwischen den Parteien unstreitig ist -
nicht abgegeben habe.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
den Beklagten unter Androhung von
Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, unerlaubt
angefertigte Vervielfältigungsstücke der Computerprogramme
...
im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland zu verbreiten und/oder Vervielfältigungsstücke von
diesem Computerprogramm ohne Zustimmung der Klägerin
anzufertigen;
2.
festzustellen, daß der Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr
aus den vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen des
Beklagten entstanden ist und künftig entstehen wird;
3.
den Beklagten zu verurteilen, der
Klägerin über Art und Umfang der vorstehend unter Ziff. 1
bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar insbesondere
unter Angabe der Anzahl der Vervielfältigungsstücke.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf
bestritten und behauptet, er habe damit nichts zu tun.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen
Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage durch
Urteil vom 19.12.1990 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt,
bei den Computerspielen der Klägerin handele es sich jedenfalls um
Laufbilder im Sinne von § 95 UrhG mit der Folge, daß der Klägerin
Ansprüche aus § 97 UrhG zustünden. Mit seiner Behauptung, er habe
mit der Herstellung und Verbreitung von Raubkopien nichts zu tun,
sei der Beklagte dem substantiierten Vortrag der Klägerin nicht
hinreichend entgegengetreten, so daß dieser als zugestanden
anzusehen sei.
Gegen das ihm am 31.01.1991 zugestellte
Urteil hat der Beklagte mit am 28.02.1991 bei Gericht
eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach
Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.05.1991 an
jenem Tag begründet hat.
Der Beklagte wiederholt sein
erstinstanzliches Vorbringen. Er bestreitet nunmehr "die
Inhaberschaft der Klägerin an Urheberrechten" bezüglich der
streitgegenständlichen Computerprogramme mit Nichtwissen und
stellt zur Prüfung des Senats, ob diese Computerprogramme überhaupt
Urheberrechtsschutzfä-higkeit besitzen. Ferner behauptet er erneut,
mit den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen nichts zu tun zu haben,
insbesondere keine Kopien der streitgegenständlichen
Computerprogramme hergestellt, angeboten und in den Verkehr
gebracht zu haben.
Der Beklagte vertritt die Auffassung,
das Landgericht habe sein Bestreiten zu Unrecht als unbeachtlich
behandelt. Die Indizien, auf die das Landgericht seine
Entscheidung gestützt habe, seien zur Bestätigung des
Klagevorbringens nicht geeignet. Ob nach dem Inhalt der
Ermittlungsakten er Inhaber eines Postfachs in G. gewesen sei und
ob die Polizei bei der Durchsuchung seiner Räumlichkeiten
Unterlagen in Zusammenhang mit dem "A." gefunden habe, besage
nichts darüber, daß er Kopien von den in der Klageschrift
bezeichneten Computerprogrammen gefertigt und diese vertrieben
habe. Bekanntlich sei insofern das Ermittlungsverfahren gegen ihn
auch nicht weitergeführt worden. Ebensowenig sei etwa festgestellt
worden, daß sich auf bei ihm sichergestellten Disketten kopierte
Computerprogramme befänden, insbesondere der in der Klageschrift
bezeichneten Art. Der Inhalt der Ermittlungsakten lasse es somit
keineswegs zu, das Klagevorbringen als zugestanden oder gar
erwiesen zu beurteilen.
Mit Schriftsatz vom 17.09.1991
behauptet der Beklagte, die von ihm unter Angabe des Postfachs X.
geschaltete Anzeige in der Zeitschrift des A.s habe nichts mit dem
Vertrieb sogenannter Raubkopien zu tun gehabt. Wer auf diese
Anzeige geschrieben habe, habe von ihm ein Formblatt bezüglich des
A.s erhalten. Dort sei u.a. auf die Möglichkeit des verbilligten
Einkaufs von PC`s hingewiesen worden. Eine solche günstigere
Einkaufsmöglichkeit habe sich im Rahmen des A.s ergeben, wenn eine
Mehrzahl von Interessenten die Bestellung größerer Warenmengen
ermöglicht habe. Wer auf die Anzeige des Beklagten in der
Zeitschrift geschrieben habe, habe als Antwort jedenfalls nicht das
Angebot gemäß Anlage K 2 a oder auch nur etwas Vergleichbares
erhalten. Daher werde bestritten, daß der Zeuge Ma. auf ein
Schreiben auf die Anzeige des Beklagten im A. hin die
Angebotsunterlagen bekommen habe, wie sie Gegenstand der Klage
seien. Ohne sachverständige Óberprüfung könne auch nicht
festgestellt werden, daß es sich bei den gemäß Anlagen zur
Klageschrift angebotenen Computerprogrammen um sogenannte
Raubkopien handele. Abgesehen davon, daß er mit diesen Angeboten
nichts zu tun habe, spreche der niedrige Preis für sich
alleingenommen keineswegs zwingend dafür, daß es sich um Raubkopien
handele. Es könnten vielmehr Restposten auslaufender Programme
sein, die von der Industrie häufig zu sehr günstigen Preisen
abgegeben würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf die
Berufungsbegründung vom 13.05.1991 und auf den Schriftsatz vom
17.09.1991 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen
Urteils die Klage abzuweisen;
hilfsweise: Sicherheit auch durch
Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder
öffentlichen Sparkasse leisten zu können.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe
zurückzuweisen, daß zu Ziff. 3 des Klageantrags nicht
Rechnungslegung, sondern Auskunftserteilung verlangt werde;
hilfsweise, ihr zu gestatten,
Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bietet vorsorglich Beweis
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens dafür an, daß die
streitgegenständlichen Computerprogramme die Anforderung erfüllen,
die die Rechtsprechung an die Urheberrechtsschutzfähigkeit von
Computerprogrammen stellt. Ferner wiederholt sie ihr Angebot auf
Vorlage der einschlägigen Verträge zum Nachweis ihrer
Urheberverwertungsrechte. Sie behauptet weiterhin, daß es sich bei
den dem Zeugen Ma. angebotenen Computerspielen um Raubkopien
gehandelt habe. Dafür sprächen alle Indizien, so auch der Preis,
der deutlich unter den - unstreitig - bei 50,00 DM bis 100,00 DM
und darüber liegenden Ladenpreisen liege.
Den neuen Vortrag im Schriftsatz des
Beklagten vom 17.09.1991 rügt die Klägerin mit nachgelassenem
Schriftsatz vom 23.09.1991 als verspätet und wiederholt ihr
Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen Ma..
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens der Klägerin in der zweiten Instanz wird auf die
Berufungserwiderung vom 08.07.1991 sowie die Schriftsätze vom
18.09.1991 und 23.09.1991 und die in Anlage K 11 überreichten
Bildschirmfotos der streitgegenständlichen Computerspiele Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d
Die zulässige Berufung des Beklagten
hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat den Beklagten zu
Recht unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,
die Vervielfältigung und Verbreitung der streitgegenständlichen
Computerprogramme ohne Zustimmung der Klägerin zu unterlassen.
Der Unterlassungsanspruch ist
jedenfalls nach § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 95 UrhG
begründet.
Es mag dahinstehen, ob die
streitgegenständlichen Computerspiele urheberrechtlichen Schutz
beanspruchen können. Nach Auffassung des Senats sind
Computerspiele grundsätzlich einem Urheberrechtsschutz als
Computerprogramm (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und/oder als Filmwerk (§ 2
Abs. 1 Nr. 6 UrhG) zugänglich (vgl. auch Hanseatisches OLG Hamburg
GRUR 1983, 436, 437; OLG Karlsruhe CR 1986, 723, 725), wenn sie die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllen und als persönliche
geistige Schöpfung qualifiziert werden können. Die Darlegungslast
für das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung oblag der
Klägerin; sie erfordert grundsätzlich die konkrete Darlegung der
die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründenden Elemente,
insbesondere der hinreichenden Individualität und Gestaltungshö-he
(vgl. BGH CR 1991, 80, 82). Hierzu hat die Klä-gerin in bezug auf
die 24 streitgegenständlichen Computerspiele nicht substantiiert
vorgetragen. Eine abstrakte Beurteilung allein anhand der Angaben
über den Zeit- und Geldaufwand für die Herstellung heute im Verkehr
befindlicher Computerspiele und der in Anlage K 11 vorgelegten
Bildschirmfotos der streitgegenständlichen Computerspiele ist nicht
möglich.
Kann das Vorliegen einer persönlichen
geistigen Schöpfung nicht festgestellt werden, so stehen dem
Hersteller der Videospiele sowie demjenigen, der ausschließliche
Nutzungsrechte hieran hat, die Leistungsschutzrechte aus § 97 Abs.
1 UrhG in Verbindung mit §§ 95, 94 UrhG zu. Unabhängig davon, ob
Computerspiele ihrer Natur nach Computerprogrammen oder Filmwerken
näherstehen, lassen sie sich unter den Begriff des Laufbildes
subsumieren. Die auf dem Bildschirm erscheinende bildliche
Darstellung der Computerspiele ist eine Folge von Bildern bzw.
Bildern und Tönen, also eine Bild- bzw. Bild- und Tonfolge im Sinne
von § 95 UrhG. Vermittelt wird der Eindruck eines bewegten Spiels,
also eines Films. Unschädlich für die Einordnung ist, daß der
Spieler in das Spielgeschehen eingreifen und die Bild- bzw. Bild-
und Tonfolgen verändern kann, denn letztlich sind alle auf dem
Bildschirm darstellbaren Handlungsabläufe ungeachtet ihrer
Steuerbarkeit durch den Spieler bereits endgültig im Programm
festgelegt, so daß durch die Eingriffe nicht jeweils ein neuer Film
entsteht (vgl. Nordemann GRUR 1981, 891, 893). Wie das durch § 95
UrhG geschützte Ergebnis einer fertigen Bild- bzw. Bild- und
Tonfolge geschaffen wird, ist unerheblich. Indem das Gesetz in § 2
Abs. 1 Nr. 6 UrhG den Filmwerken die Werke gleichstellt, die
ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, stellt es klar, daß es
nicht auf das Herstellungsverfahren ankommt. Der gegenteiligen
Auffassung des OLG Frankfurt (GRUR 1983, 753, 756 - "P." - und GRUR
1983, 757 - "D.") und des ihm folgenden OLG Düsseldorf (CR 1990,
394, 396) vermag sich der Senat daher jedenfalls für die in den
letzten Jahren im Verkehr befindlichen Videospiele nicht
anzuschließen. Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt scheitert
die Erfassung der Videospiele als Filmwerke bzw. ähnlich wie
Filmwerke geschaffene Werke auch nicht an einer fehlenden
Wiedergabe eines zuvor aufgezeichneten Handlungsablaufs. Unabhängig
davon, ob der Filmbegriff überhaupt die Wiedergabe eines
aufgezeichneten Handlungsablaufs voraussetzt (verneinend:
Fromm/Nordemann-Hertin, 7. Aufl., § 95 UrhG Rz. 1) entspricht der
Ablauf der einzelnen vom Spieler abgerufenen Programmschleifen der
Wiedergabe einzelner Filmteile (vgl. Schlatter-Krüger in Lehmann,
Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen, S. 83). Auf dem
Bildschirm kann nur das erscheinen, was zuvor als mögliche
Spielvariante festgelegt war. Der Senat teilt daher die in
Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretene Meinung,
wonach Computerspiele als Laufbilder gemäß § 95 UrhG geschützt
sind, wenn das Vorliegen der Werkqualität nicht festgestellt werden
kann (vgl. Hanseatisches OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Karlsruhe,
a.a.O.; OLG Hamburg GRUR 1990, 127, 128; OLG Hamm NJW 1991, 2161;
LG Köln, Urteil vom 15.12.1982, zitiert bei von Gravenreuth in CR
1987, 161, 164; LG Hannover GRUR 1987, 635; LG Mannheim, Urteil vom
27.11.1987; LG Hannover CR 1988, 826; LG Braunschweig CR 1991, 223;
Schricker, § 95 UrhG Rz. 7, 12; Fromm/Nordemann-Hertin, vor § 88
UrhG Rz. 1, § 95 UrhG Rz. 1; Nordemann GRUR 1981, 891, 893; von
Gravenreuth CR 1987, 163, 166; a.A. OLG Frankfurt GRUR 1988,
a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; kritisch: Lehmann-Schneider NJW
1990, 3181).
Handelt es sich folglich bei den
streitgegenständlichen Videospielen um Laufbilder, so stehen dem
Hersteller der Spiele sowie demjenigen, der ausschließliche
Nutzungsrechte hieran hat, die Leistungsschutzrechte des
Filmproduzenten oder des ausschließlichen Nutzungsberechtigten aus
§§ 95, 94 UrhG zu, insbesondere das Vervielfältigungs- und
Verbreitungsrecht.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, den
wegen widerrechtlicher Verletzung der geschützten Rechte
bestehenden Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG geltend zu
machen. Sie hat in erster Instanz unbestritten die ausschließlichen
Verwertungsrechte in bezug auf die streitgegenständlichen
Videospiele behauptet. Wenn der Beklagte nunmehr "die Inhaberschaft
der Klägerin an Urheberrechten bezüglich der in der Klageschrift
bezeichneten Computerprogramme" mit Nichtwissen bestreitet, reicht
dies angesichts der gesamten Umstände nicht aus, um sein Bestreiten
als erheblich zu werten.
Die Originalverpackungen der
Videospiele gemäß Klageantrag enthalten einen Aufkleber, der die
Klägerin als Vertreiberin ausweist und den Hinweis enthält, daß
alle Urheberrechte und Leistungsschutzrechte vorbehalten
seien.
Daher wird gemäß der hier analog
anzuwendenden Vorschrift des § 10 Abs. 2 UrhG zugunsten der
Klägerin die widerlegbare Vermutung für eine unbeschränkte
Ermächtigung begründet, im eigenen Namen die Schutzrechte des
Laufbildherstellers geltend zu machen (vgl. OLG Hamm NJW 1991,
2162; LG Hannover GRUR 1987, 635; LG Hannover CR 1988, 826;
Syndikus GRUR 1988, 821).
Eine unmittelbare Anwendung des § 10
Abs. 2 UrhG scheidet aus, da hierfür das Vorliegen eines Werkes i.
S. v. § 2 Abs. 2 UrhG vorausgesetzt wird. Es besteht aber keine
Veranlassung, dem Hersteller bzw. Vertreiber von Laufbildern in
bezug auf die Schutzrechte nach § 94 UrhG nicht die
Vermutungswirkung des § 10 Abs. 2 UrhG zugute kommen zu lassen.
Denn § 95 UrhG geht von dem Umstand aus, daß es Filme gibt, die
zwar den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen nicht genügen,
bei denen aber die sonstigen Bedingungen ihrer Herstellung und
Verwertung im Grunde die gleichen sind wie bei urheberrechtlich
geschützten Filmwerken und bei denen daher in bezug auf die
Vervielfältigungs- und Verwertungsrechte das Schutzbedürfnis des
Herstellers bzw. Vertreibers das gleiche ist.
Der Beklagte hat zur Widerlegung der
zugunsten der Klägerin geltenden Vermutung nichts vorgetragen.
Dem Beklagten war die Verbreitung ohne
Zustimmung der Klägerin angefertigter Vervielfältigungsstücke der
streitgegenständlichen Computerprogramme zu untersagen, da er das
Verbreitungsrecht der Klägerin aus § 94 UrhG widerrechtlich
verletzt hat, indem er Raubkopien der Videospiele der
Àffentlichkeit angeboten hat.
Zur Erfüllung des Tatbestandes der
Verbreitung genügt bereits das Einzelangebot an einen der
Àffentlichkeit angehörenden Dritten, zu dem keine persönlichen
Bindungen bestehen (vgl. BGH NJW 1991, 1234, 1235). Für das
Verbreiten in Form des Anbietens kommt es nicht darauf an, ob das
Anbieten erfolglos geblieben ist und ob Kopien zum Zeitpunkt des
Angebots bereits erstellt waren (vgl. BGH, a.a.O.). Anbieten zur
alsbaldigen Herstellung und Lieferung genügt in Anbetracht des
Umstandes, daß die Vervielfältigungsstücke technisch schnell und
problemlos herzustellen sind.
Der Beklagte hat eine Angebotsliste,
die u.a. die im Klageantrag aufgeführten Computerspiele enthält
(Bl. 26 ff. AH) an Herrn Ma. im Li. versandt.
Wie der Beklagte nunmehr mit
Schriftsatz vom 17.09.1991 ausdrücklich einräumt, war die Anzeige
in der Zeitschrift "A. M." unter Angabe des Postfachs X. von ihm
selbst geschaltet. Unstreitig hat der Zeuge Ma. auf diese Anzeige
hin mit Schreiben vom 14.08.1988 (Anlage K 5) den "A." um
Informationen gebeten. Wenn nach dem Vortrag des Beklagten dieser
dem Absender einer Anfrage ein Formblatt bezüglich des "A."
übersandte, in dem u.a. auf die Möglichkeit des verbilligten
Einkaufs von PC`s hingewiesen wurde, so steht dieser Vortrag mit
demjenigen der Klägerin in Einklang, die behauptet, der Zeuge Ma.
habe die in Anlage K 2 a aufgeführten Unterlagen erhalten, in denen
u.a. damit geworben wird, daß die Disketten ca. 90 % billiger seien
als bei anderen Software-Häusern.
Weder in der ersten Instanz noch in der
Berufungsbegründungsschrift hat der Beklagte aber bestritten, daß
der Zeuge Ma. auf seine Anfrage vom 14.08.1988 die in Anlage K 2 a
aufgeführten Unterlagen erhalten hat; dies ist vielmehr erstmals
mit Schriftsatz vom 17.09.1991 geschehen. Der mit dem Freistempler
versehene Rückumschlag des Zeugen (Bl. 25 AH), den der Zeuge seiner
Anfrage beigefügt hatte, enthält den Poststempel der Post in G. vom
16.08.1988 und die Absenderangabe "P. B.". Diese Bezeichnung ist -
mit Ausnahme der in der handschriftlichen Absenderagabe fehlenden
Ziffer 9 (wobei es sich offensichtlich um einen Schreibfehler
handelt) - auch in dem anonymen Angebotsschreiben Bl. 27 des
Anlagenheftes als Anschrift angegeben, an die Zahlungen und
Bestellungen gerichtet werden sollten, ferner auch am Schluß des
Schreibens anstelle einer Unterzeichnung. Der Zeuge Ma. hat am
selben Tag nach Erhalt der Rückantwort den Sachverhalt - wie ihn
die Klägerin in diesem Rechtsstreit vorträgt - in einem Schreiben
vom 17.08.1988 der Be. AG und der M. T. AG mitgeteilt. Diese
Schreiben haben zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen
den Beklagten geführt. Wäre sein neuer Vortrag zutreffend, so hätte
nichts näher gelegen, als sich von Anfang an gegen die für diesen
Fall verleumderischen Anschuldigungen des Zeugen Ma. zur Wehr zu
setzen. Die erstmalige Behauptung eines derart wesentlichen
Sachverhalts 3 Jahre nach dem Vorfall steht so sehr im Widerspruch
zu dem früheren Verhalten des Beklagten in diesem Rechtsstreit,
daß sie zum Bestreiten der Darlegungen der Klägerin nicht
ausreicht. Der Beklagte hätte nicht nur nachvollziehbar erläutern
müssen, warum er den für seine Rechtsverteidigung entscheidenden
Sachverhalt erst zwei Tage vor der Berufungsverhandlung
schriftsätzlich vorträgt; er hätte darüber hinaus auch erklären
müssen, was er mit der Absenderangabe "P. B." zu tun hat und hätte
den genauen Inhalt des Formblattes wiedergeben müssen, das er
seinem Vortrag zufolge an den Zeugen Ma. versandt hat.
Hat der Beklagte somit das Vorbringen
der Klägerin zur Óbersendung der Angebotsunterlagen an den Zeugen
Ma. nicht in erheblicher Weise bestritten, so ist gemäß § 138 Abs.
3 ZPO als zugestanden anzusehen, daß der Beklagte die
streitgegenständlichen Videospiele einem der Àffentlichkeit
angehörenden Dritten, zu dem keine persönlichen Beziehungen
bestanden, angeboten hat.
Daß es sich bei diesen Spielen um
Raubkopien handelte, ist vom Beklagten ebenfalls nicht
hinreichend substantiiert bestritten worden, da die Indizien
dafür sprechen, daß Raubkopien angeboten worden sind: Die in den
Angebotsunterlagen genannten Preise von 10,00 DM bzw. 8,00 DM
liegen deutlich unter den Ladenpreisen von 50,00 DM bis 100,00 DM
und darüber bzw. werden im Angebotsschreiben selbst als "ca. 90 %
billiger" bezeichnet. Das Angebot, die Programme wahlweise auf
einer 3 1/2 Zoll- oder 5 1/4 Zoll-Diskette zu liefern, deutet
darauf hin, daß Vervielfältigungsstücke auf Bestellung nach Wunsch
hergestellt und nicht Originalware versandt werden sollte, ebenso
wie die Zusicherung, spätestens 7 Tage nach Bestelleingang zu
liefern. Allein der Umfang des Angebots in der Liste Bl. 28 f. des
Anlagenheftes spricht dagegen, daß der Beklagte einen
entsprechenden Lagerbestand an Original-Disketten zur Verfügung
hatte. Unter diesen Umständen kann die Behauptung des Beklagten,
die Möglichkeit des verbilligten Einkaufs habe sich ergeben, wenn
eine Mehrzahl von Interessenten die Bestellung grö-ßerer
Warenmengen ermöglicht habe, nur als unschlüssig gewertet werden.
Gerade die kurze Lieferfrist und das Angebot unterschiedlicher
Diskettengrößen sprechen eindeutig gegen "Sammelbestellungen".
Die Spekulation des Beklagten, der niedrige Preis sei dadurch
begründet, daß es sich möglicherweise um Restposten auslaufender
Programme handele, die von der Industrie häufig zu sehr günstigen
Preisen abgegeben würden, ist ebenfalls unerheblich, da der
Beklagte gewußt hat, welche Ware er anbot, und da er konkret zu den
einzelnen Programmen hätte Stellung nehmen können.
Schließlich kommt es angesichts der der
Entscheidung zugrundeliegenden Indizien nicht darauf an, ob bei
der polizeilichen Durchsuchung der Räume des Beklagten Raubkopien
oder andere Beweise dafür, daß der Beklagte solche Kopien gefertigt
und/oder vertrieben hat, vorgefunden wurden.
Die vorgenannten Umstände begründen den
Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Beklagte auf
entsprechende Bestellung der Interessenten hin jedes in der
umfangreichen Angebotsliste angeführte Computerprogramm ohne
Zustimmung der Klägerin kopiert hat bzw. haben würde oder zumindest
das Kopieren durch Dritte veranlaßt hat bzw. haben würde. Damit
bestand unabhängig davon, welche Computerprogramme der Beklagte
tatsächlich unerlaubt kopiert hat, zumindest die konkrete Gefahr
einer Vervielfältigung der streitgegenständlichen Computerprogramme
und somit einer widerrechtlichen Verletzung des
Vervielfältigungsrechts der Klägerin (§§ 94, 16 UrhG).
Die Wiederholungsgefahr ergibt sich
hinsichtlich der Verletzung des Verbreitungsrechts der Klägerin aus
der festgestellten Verletzungshandlung. Für deren Wiederholung
besteht eine tatsächliche Vermutung. Die Angaben des Beklagten im
Ermittlungsverfahren, daß es sich nicht gelohnt habe und er sich
mit Computern seit einigen Monaten nicht mehr beschäftige,
beseitigen die Wiederholungsgefahr nicht. Dies ist in Ermangelung
anderer konkreter Anhaltspunkte nur - wie im Regelfall - durch die
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung möglich, die der
Beklagte jedoch abgelehnt hat. In bezug auf die Verletzung des
Vervielfältigungsrechts der Klägerin ist zumindest
Erstbegehungsgefahr gegeben. Zwar läßt sich nicht feststellen,
welche Spiele der Beklagte in der Vergangenheit vervielfältigt hat.
Aus der andauernden Wiederholungsgefahr für die Verbreitung von
Raubkopien folgt aber gleichzeitig die Gefahr ihrer
Herstellung.
2. Die Klage auf Feststellung der
Schadensersatzpflicht ist gemäß § 256 ZPO zulässig und gemäß § 97
Abs. 1 UrhG in Verbindung mit §§ 95, 94 UrhG auch begründet. Aus
den vorgenannten Umständen folgt, daß der Beklagte vorsätzlich
Raubkopien angeboten hat. Es besteht die Wahrscheinlichkeit eines
Schadenseintritts, denn aufgrund des Inserates des Beklagten im "A.
M." und seiner Àußerung, es habe sich nicht gelohnt, ist
wahrscheinlich, daß es jedenfalls in gewissem Umfang zum Verkauf
von Raubkopien gekommen ist, wodurch der Klägerin ein Schaden
entstanden ist. Die Höhe des Schadens läßt sich derzeit noch nicht
beziffern, sondern hängt von der vom Beklagten zu erteilenden
Auskunft ab.
Daraus ergibt sich zugleich, daß das
Auskunftsverlangen der Klägerin aus § 97 Abs. 1 UrhG in
Verbindung mit §§ 95, 94 UrhG und § 242 BGB begründet ist.
Insofern hat die Klägerin ihr Begehren in der Berufungsverhandlung
klargestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97
Abs. 1 ZPO. Die Umformulierung des Klageantrags zu 3) im
Berufungstermin rechtfertigt nicht die Anwendung des § 269 Abs. 3
ZPO. Die Klägerin hat ihr Klageziel, das von Anfang an auf
Auskunftserteilung gerichtet war, nicht verändert.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Beschwer des Beklagten war gemäß §
546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
OLG Köln:
Urteil v. 18.10.1991
Az: 6 U 58/91
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