Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2007
Aktenzeichen: 17 W (pat) 19/04

(BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az.: 17 W (pat) 19/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Das Patent DE 40 00 343 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Auf die am 8. Januar 1990 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 40 00 343.4 - 51, für die die Prioritäten der japanischen Anmeldungen 1-2483 vom 9. Januar 1989 und 1-317738 vom 8. Dezember 1989 in Anspruch genommen werden, wurde am 10. September 1998 durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G02B das Patent unter der Bezeichnung

"Automatische Fokussiervorrichtung"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 11. März 1999.

Gegen das Patent hat die Firma A... in B... mit Schreiben vom 10. Juni 1999, eingegangen am 11. Juni 1999 Einspruch erhoben. Sie hat ihren Einspruch unter Anderem auf die Druckschriften E1 und E2 gestützt und unter Verweis auf § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 PatG mangelnde Ausführbarkeit sowie fehlende erfinderische Tätigkeit hinsichtlich des Patentgegenstandes geltend gemacht.

Die Patentabteilung 1.51 hat mit Beschluss vom 12. November 2003 das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Einsprechende mit der Beschwerde.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent DE 40 00 343 vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen und das angegriffene Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Im Einspruchsverfahren sind folgende Druckschriften genannt worden:

E1: JP 62-284314 A, E2: US 4 497 561, E3: Karl Mütze, ABC der Optik, Leipzig, 1961, Seiten 157, 414, 415, E4: Lexikon der Optik, Harry Paul (Herausgeber), Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, 1999, Band I, Seiten 92, 93.

Der erteilte (geltende) Patentanspruch 1 lautet:

"1. Automatische Fokussiervorrichtung, die aufweist:

ein optisches System (10), das eine vorherbestimmte Brennebene und eine optische Achse aufweist, um ein optisches Bild eines Objektes zu formen;

eine Vorrichtung (12, 13) zum Bewegen der Brennebene in einer Richtung der optischen Achse;

Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) zum Speichern von MTF (Modulation Transfer Function)-Verhältnissen, Defokussierbeträgen, Fokussierrichtungen und Fokussierzuständen gemäß den MTF-Verhältnissen, wobei die MTF-Verhältnisse Verhältnisse von ersten MTF-Werten gemäß einer Vielzahl von ersten Ortsfrequenzen bei einer ersten Position nahe der Brennebene zu zweiten MTF-Werten, gemäß einer Vielzahl von zweiten Ortsfrequenzen bei einer zweiten Position nahe der Brennebene sind;

einen Bildsensor (14) zum Detektieren des optischen Bildes des Objektes, welches durch das optische System (10) mit der zu bewegenden Brennebene gebildet wurde, und zur Ausgabe von Bildsignalen;

Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (21 bis 23), für die Entnahme einer Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten entsprechend der Vielzahl von Ortsfrequenzen aus den Bildsignalen, welche von dem Bildsensor (14) ausgegeben wurden;

Rechnervorrichtungen (27 bis 29) für die Entnahme von Ortsfrequenzkomponenten in zwei verschiedenen Fokussierzuständen des optischen Systems (10) aus der Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten, welche durch die Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (24 bis 26) entnommen worden sind, und zum Berechnen eines Verhältnisses zwischen den Ortsfrequenzkomponenten in verschiedenen Fokussierzuständen bei jeder gemeinsamen Frequenz;

Defokussierdetektionsvorrichtungen (37) zum Vergleichen der Ortsfrequenzkomponentenverhältnisse, welche durch die Rechnervorrichtungen (27 bis 29) mit den MTF-Verhältnissen errechnet wurden, welche in den Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) gespeichert wurden, zum Festlegen eines Fokussierzustandes des optischen Systems (10), und zum Detektieren eines Defokussierbetrages und einer Fokussierrichtung in dem festgelegten Fokussierzustand; und Treibersteuervorrichtungen (38), zum Berechnen eines Betrages und einer Bewegungsrichtung der Brennebene auf der Grundlage des Defokussierbetrages und der Fokussierrichtung, welche durch die Defokussierdetektionsvorrichtungen (37) detektiert wurde und zur Ausgabe des errechneten Ergebnisses an die Bewegungsvorrichtungen zum Bewegen der Brennebene zu einem Brennpunkt."

Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 11 lautet:

"11. Eine automatische Fokussiervorrichtung, die aufweist:

ein optisches System (10), das eine vorherbestimmte Brennebene und eine optische Achse aufweist, um ein optisches Bild eines Objektes zu bilden;

Vorrichtungen (12, 13, 61) zum Bewegen der Brennebene in eine Richtung der optischen Achse;

Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) zum Speichern von MTF-Verhältnissen, Defokussierbeträgen, Fokussierrichtungen und Fokussierzuständen gemäß den MTF-Verhältnissen, wobei die MTF-Verhältnisse Verhältnisse von ersten MTF-Werten gemäß einer Vielzahl von ersten Ortsfrequenzen bei einer ersten Position nahe der Brennebene zu zweiten MTF-Werten, gemäß einer Vielzahl von zweiten Ortsfrequenzen in einer zweiten Position nahe der Brennebene sind;

ein zerstörungsfreier Lesezugriffsbildsensor (60) zum Detektieren des optischen Bildes des Objektes, welches durch das optische System (10) mit der zu bewegenden Brennebene gebildet wurde, und zum Ausgeben von Bildsignalen;

Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (63) zum Lesen des Bildsignales desselben optischen Bildes von dem Bildsensor (60) über eine Vielzahl von Zeiten mit sich ändernden Lesetaktfrequenzen, zur Entnahme von Ortsfrequenzkomponenten gemäß der Vielzahl von Ortsfrequenzen von der Vielzahl von Lesebildsignalen, und Ausgabe der entnommenen Komponenten;

Haltevorrichtungen (64 bis 66) zum Halten der Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten, welche durch die Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (63) entnommen worden sind, für eine vorherbestimmte Zeitperiode, und nachfolgende Ausgabe der Ortsfrequenzkomponenten;

Rechnervorrichtungen (69) zum Errechnen der Vielzahl von Ortsfrequenzen, welche von den Haltekreisen (64 bis 66) ausgegeben wurden, und der Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten aus den Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (63) bei jeder gemeinsamen Frequenz, um Verhältnisse zwischen den Ortsfrequenzkomponenten in verschiedenen Fokussierzuständen des optischen Systems (10) zu erhalten;

Defokussierdetektionsvorrichtungen (37), um die Ortsfrequenzkomponentenverhältnisse, welche durch die Rechnervorrichtungen (69) errechnet worden sind, mit den MTF-Verhältnissen, welche in den Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) gespeichert sind, zu vergleichen, um einen Fokussierzustand des optischen Systems (10) festzulegen und um einen Defokussierbetrag und eine Fokussierrichtung in dem festgelegten Fokussierzustand zu detektieren;

und Treibersteuervorrichtungen, um einen Betrag und eine Bewegungsrichtung der Brennebene aus dem Defokussierbetrag und der Fokussierrichtung, welche durch die Defokussierdetektionsvorrichtungen (37) detektiert worden sind, zu errechnen, und das Rechenergebnis an die Bewegungsvorrichtungen auszugeben, um die Brennebene zu einem Brennpunkt zu bewegen."

Der Erfindung soll gemäß Patentschrift Seite 3 Zeilen 10 bis 11 die Aufgabe zugrunde liegen, eine automatische Fokussiervorrichtung bereitzustellen, welche Fokusjustagen mit hoher Präzision durchführen kann.

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die rechtzeitig eingegangene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die geltend gemachten Widerrufsgründe nicht gegeben sind.

Dabei wurde dem Senat der angefochtene Beschluss durch die Beschwerde nur im Umfang des erstinstanzlichen Streitgegenstandes zur Überprüfung unterbreitet. Damit ist er im Einspruchsbeschwerdeverfahren an die Anträge des Beschwerdeführers und an den von diesem geltend gemachten Gegenstand gebunden und hat deshalb das erteilte, im Beschwerdeverfahren unverändert aufrechterhaltene Patent ausschließlich auf die Widerrufsgründe hin zu überprüfen, die Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Patentamt waren (BGH GRUR 1995, 333 - Aluminium-Trihydroxid).

Das Patent betrifft eine automatische Fokussiervorrichtung, die z. B. zum Scharfeinstellen des Bildes in einer Kamera eingesetzt werden kann, vgl. Patentschrift S. 2 Z. 3 und 4.

Die automatische Fokussiervorrichtung gemäß Anspruch 1 weist nach einer Gliederung folgende Merkmale auf:

a) ein optisches System (10), das eine vorherbestimmte Brennebene und eine optische Achse aufweist, um ein optisches Bild eines Objektes zu formen;

b) eine Vorrichtung (12, 13) zum Bewegen der Brennebene in einer Richtung der optischen Achse;

c) Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) zum Speichern von MTF (Modulation Transfer Function)-Verhältnissen, Defokussierbeträgen, Fokussierrichtungen und Fokussierzuständen gemäß den MTF-Verhältnissen, wobei die MTF-Verhältnisse Verhältnisse von ersten MTF-Werten gemäß einer Vielzahl von ersten Ortsfrequenzen bei einer ersten Position nahe der Brennebene zu zweiten MTF-Werten, gemäß einer Vielzahl von zweiten Ortsfrequenzen bei einer zweiten Position nahe der Brennebene sind;

d) einen Bildsensor (14) zum Detektieren des optischen Bildes des Objektes, welches durch das optische System (10) mit der zu bewegenden Brennebene gebildet wurde, und zur Ausgabe von Bildsignalen;

e) Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (21 bis 23), für die Entnahme einer Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten entsprechend der Vielzahl von Ortsfrequenzen aus den Bildsignalen, welche von dem Bildsensor (14) ausgegeben wurden;

f) Rechnervorrichtungen (27 bis 29) für die Entnahme von Ortsfrequenzkomponenten in zwei verschiedenen Fokussierzuständen des optischen Systems (10) aus der Vielzahl von Ortsfrequenzkomponenten, welche durch die Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen (24 bis 26) entnommen worden sind, und zum Berechnen eines Verhältnisses zwischen den Ortsfrequenzkomponenten in verschiedenen Fokussierzuständen bei jeder gemeinsamen Frequenz;

g) Defokussierdetektionsvorrichtungen (37) zum Vergleichen der Ortsfrequenzkomponentenverhältnisse, welche durch die Rechnervorrichtungen (27 bis 29) mit den MTF-Verhältnissen errechnet wurden, welche in den Speichervorrichtungen (41 bis 43, 45) gespeichert wurden, zum Festlegen eines Fokussierzustandes des optischen Systems (10), und zum Detektieren eines Defokussierbetrages und einer Fokussierrichtung in dem festgelegten Fokussierzustand; undh) Treibersteuervorrichtungen (38), zum Berechnen eines Betrages und einer Bewegungsrichtung der Brennebene auf der Grundlage des Defokussierbetrages und der Fokussierrichtung, welche durch die Defokussierdetektionsvorrichtungen (37) detektiert wurde und zur Ausgabe des errechneten Ergebnisses an die Bewegungsvorrichtungen zum Bewegen der Brennebene zu einem Brennpunkt.

Als Fachmann ist hier ein Physiker mit Hochschulabschluss, speziellen Kenntnissen in der Optik und Erfahrung in der Entwicklung von Fokussiervorrichtungen anzusehen.

Dieser Fachmann stellt ohne Weiteres das Merkmal g) des Anspruchs 1 in Zeile 3 durch Vertauschen der beiden Ausdrücke "mit den MTF-Verhältnissen" und "errechnet wurden" klar, wie es auch aus dem Anspruch 11 hervorgeht.

In der patentierten Fokussiervorrichtung wird zur Fokussierung die Tatsache ausgenutzt, dass in einem optischen Übertragungssystem die optische Übertragungsfunktion MTF einen vom Fokussierzustand, also vom Defokus abhängigen und für diesen charakteristischen Verlauf aufweist, vgl. Fig. 6 mit Beschreibung. Gemäß der dem Streitpatent zugrunde liegenden Lehre wird in zwei verschiedenen Fokussierzuständen jeweils ein Bild eines Objekts mit einem Bildsensor aufgenommen. Aus jedem der beiden Bilder werden für eine Vielzahl von Ortsfrequenzen die Ortsfrequenzkomponenten des Bildes extrahiert. Für jede gemeinsame Ortsfrequenz wird das Verhältnis der zugehörigen Ortsfrequenzkomponenten der beiden aufgenommenen Bilder berechnet; unabhängig vom abgebildeten Objekt erhält man dadurch für die jeweilige Ortsfrequenz u. das MTF-Verhältnis M(u,1)/M(u,2) des optischen Systems für die beiden Fokussierzustände 1 und 2, vgl. S. 4 Gl. (1) bis (4). Diese berechneten Verhältniswerte werden mit den für je zwei verschiedene (gleich beabstandete) Fokussierzustände gespeicherten Werten von MTF-Verhältnissen verglichen. Der durch den Vergleich erhaltene Defokus (Betrag und Richtung) wird zur Scharfeinstellung verwendet.

Gemäß dem Anspruch 1 (und ebenso dem Anspruch 11) erfolgt die Bildaufnahme durch den Sensor in genau zwei Positionen (Fokussierzuständen). Dies geht aus den Merkmalen c) bis g) (und den entsprechenden Merkmalen im Anspruch 11) hervor (Bildaufnahme in zwei Positionen, für jede gemeinsame Ortsfrequenz Berechnung des Verhältnisses der Ortsfrequenzkomponenten der beiden Bilder und Vergleich mit gespeicherten Verhältnissen), sowie daraus, dass es gemäß der Patentschrift S. 2 Z. 66 bis S. 3 Z. 2 für die aus E1 bekannte Vorrichtung als nachteilig angesehen wird, dass dort an drei verschiedenen Positionen der Linse ein Bild aufgenommen werden muss. Diese Interpretation steht mit der gesamten Beschreibung einschließlich der Ausführungsbeispiele in Einklang.

Soweit es die bisher beschriebenen Komponenten und deren Zusammenwirken zur Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands betrifft, ist die Erfindung unbestritten so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Die Einsprechende hat jedoch die Ausführbarkeit in Bezug auf die nach der Bestimmung des Fokussierzustands erfolgende Scharfeinstellung bestritten.

Zur Scharfeinstellung wird gemäß Merkmal h) die (gemäß Merkmal a) "vorherbestimmte") Brennebene zu einem Brennpunkt bewegt. Diese Begriffe werden somit nicht im üblichen Sinn verwendet; nach der üblichen Definition müsste der Brennpunkt immer in der Brennebene liegen. Daher ist unter Heranziehung der Patentschrift zu klären, was unter den in den erteilten Ansprüchen 1 und 11 genannten Begriffen "vorherbestimmte Brennebene" und "Brennpunkt" zu verstehen ist, vgl. BGH Mitt. 1999, 304 "Spannschraube". Dies geht aus Fig. 7 bis 11 i. V. m. S. 5 Abs. 1 hervor, die das dem Patentgegenstand zugrunde liegende Prinzip zeigen. In diesen Figuren ist dargestellt, wie sich bei verschiedenen Stellungen des optischen Systems (symbolisiert durch die fotografische Linse 1) einerseits gegenüber dem Messsystem mit den Messpositionen P1 und P2 andererseits die MTF und das MTF-Verhältnis ändert. Mit dem optischen System gekoppelt ist jeweils die Lage eines Bildpunkts, an dem die (von einem Objektpunkt auf der optischen Achse ausgehenden) durch das optische System laufenden Strahlen fokussiert werden; dieser entspricht offensichtlich dem in den Ansprüchen 1 und 11 genannten "Brennpunkt". Eine "vorhergesagte Brennebene", die der "vorherbestimmten Brennebene" der Ansprüche 1 und 11 entsprechen muss (eine andere Definition der "vorherbestimmten Brennebene" ist in der Patentschrift nicht ersichtlich) ist dagegen lagefest mit den Messpositionen P1 und P2 verbunden, vgl. hierzu auch Merkmal c) im Anspruch 1 und das entsprechende Merkmal im Anspruch 11; wie der Fachmann erkennt, handelt es sich bei der "vorhergesagten Brennebene" um die Ebene, in der letztendlich ein scharfes Bild erzeugt wird (Bildebene).

Gemäß den Ansprüchen 1 und 11 wird die "vorherbestimmte Brennebene" und damit auch die Bildebene durch eine Vorrichtung in Richtung der optischen Achse bewegt, und zwar für die Fokussierung zum (offensichtlich ortsfesten) "Brennpunkt" des optischen Systems hin, vgl. im Anspruch 1 die Merkmale a) bis d) und h) sowie die entsprechenden Merkmale im Anspruch 11. Die Lehre, zur Fokussierung nicht wie üblich und auch in allen Ausführungsbeispielen der Patentschrift ausgewiesen das optische System (bzw. einen Teil des optischen Systems), sondern die Bildebene zu verschieben, mag zwar dem Fachmann ungewöhnlich erscheinen. Sie ist jedoch für ihn durchaus ausführbar, zumal ihm Verschiebeeinrichtungen aus seinem Fachwissen heraus bekannt sind und dem Einsatz einer solchen Einrichtung in einer allgemeinen Fokussiervorrichtung zur Verschiebung eines beliebigen Elements (etwa einer der Bildebene zugeordneten Bildaufnahmeeinrichtung) keine besondere Schwierigkeit entgegensteht.

Die Erfindung ist damit insgesamt so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als nächstliegender Stand der Technik ist die Druckschrift E1 anzusehen. Aus dieser Druckschrift ist ein automatisches Fokussierverfahren und eine entsprechende Vorrichtung bekannt, das gemäß dem englischen Abstract, den Figuren 1, 2, 5 und 6 und der zugehörigen Beschreibung folgende Merkmale aufweist:

- ein optisches System (Linse 20), das eine vorherbestimmte Brennebene und eine optische Achse aufweist, um ein optisches Bild eines Objektes (Bildvorlage 10) zu formen - Merkmal a), eine Vorrichtung (Treiber 88 mit Verstelleinrichtung 60) zum Bewegen des optischen Systems in einer Richtung der optischen Achse - teilweise Merkmal b),

- Speichervorrichtungen (ROM 76) zum Speichern von MTF-Werten mit den zugeordneten Defokussierungen (Kurve (f) mit Beispielwerten A', B', C' in Fig. 6) - teilweise Merkmal c),

- einen Bildsensor (verstellbarer Zeilensensor 56), der das vom optischen System abgebildete Bild des Objektes detektiert und Bildsignale ausgibt - Merkmal d),

- eine Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtung (Bandpassfilter 68) für die Entnahme einer Ortsfrequenzkomponente zu einer Ortsfrequenz (fo in Fig. 5) aus den von dem Bildsensor gelieferten Bildsignalen - teilweise Merkmal e),

- einer Rechner- und Defokussierdetektionsvorrichtung (CPU 74), in der für drei verschiedene Fokussierzustände (x1, x2, x3 in Fig. 6) des optischen Systems die zur gemeinsamen Ortsfrequenz fo gehörigen Ortsfrequenzkomponenten, die proportional zu den MTF-Werten (A, B, C auf Kurve e in Fig. 6) sind, zueinander ins Verhältnis gesetzt (S. 62 Gl. (1) u. (2) sowie S. 63 Gl. im linken oberen Abschnitt) und mit aus den gespeicherten MTF-Werten berechneten MTF-Verhältnissen (vgl. S. 62 Gl. (3) und (4)) verglichen werden und hieraus eine Defokussierung des optischen Systems nach Betrag und Richtung bestimmt wird - teilweise Merkmale f) und g), und - Treibersteuervorrichtungen (CPU 74 mit Treiber 88), in denen auf Grundlage der Defokussierung eine Verschiebung des optischen Systems berechnet und an die Bewegungsvorrichtung ausgegeben wird, um das optische System in den fokussierten Zustand zu bewegen - teilweise Merkmal h).

In der aus E1 bekannten Vorrichtung wird somit für drei verschiedene Fokussierzustände jeweils ein Bild eines Objekts aufgenommen und daraus die zu einer einzigen gemeinsamen Ortsfrequenz gehörige Ortsfrequenzkomponente bestimmt, die zum MTF-Wert proportional ist. Verhältnisse der drei so bestimmten Ortsfrequenzkomponenten bzw. MTF-Werte werden mit MTF-Verhältnissen verglichen, die aus einer für die gemeinsame Ortsfrequenz gespeicherten Referenz-MTF-Kurve berechnet wurden. Hieraus wird die Defokussierung und die zur Fokuskorrektur erforderliche Verstellung des optischen Systems nach Betrag und Richtung bestimmt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der aus E1 bekannten Vorrichtung und der patentgemäßen Vorrichtung besteht darin, dass in der Vorrichtung gemäß E1 für drei verschiedene Fokussierzustände Bilder aufgenommen, daraus jeweils nur für eine gemeinsame Ortsfrequenz die Ortsfrequenzkomponente extrahiert und die Ortsfrequenzkomponentenverhältnisse zur Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands herangezogen werden, während in der patentgemäßen Vorrichtung Bilder in genau zwei verschiedenen Fokussierzuständen aufgenommen, daraus für mehrere gemeinsame Ortsfrequenzen die Ortsfrequenzkomponenten extrahiert und deren Verhältnisse zur Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands herangezogen werden. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber dem aus E1 Bekannten.

E2 beschreibt eine automatische Autofokusvorrichtung, die (anders als die patentgemäße Vorrichtung) nach dem Prinzip der Phasenkorrelation arbeitet, vgl. Fig. 2 und 3 mit der Beschreibung in Sp. 4 Z. 4 bis Sp. 7 Z. 40. Dabei wird das vom optischen System erzeugte Bild in zwei Teilbilder getrennt, deren Abstand vom Fokussierzustand des optischen Systems abhängt; dies wirkt sich durch eine Phasenverschiebung in den Fouriertransformierten der beiden Teilbilder aus. Aus den beiden Teilbildinformationen werden mittels Sinus- und Cosinustransformation Ortsfrequenzkomponenten (Fouriertransformierte) für eine Ortsfrequenz (oder mehrere Ortsfrequenzen) gewonnen. Die dem jeweiligen Fokussierzustand entsprechende Phasenverschiebung wird aus dem Verhältnis der Ortsfrequenzkomponenten der beiden Teilbilder bei derselben Ortsfrequenz ermittelt. Prinzipiell genügt es, diese Ermittlung für eine einzige gemeinsame Ortsfrequenz durchzuführen; die Genauigkeit der Fokusbestimmung steigt jedoch an, wenn mehrere gemeinsame Ortsfrequenzen verwendet werden, vgl. Sp. 7 Z. 31 bis 67. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist auch neu gegenüber dem aus E2 Bekannten.

Der Lehrbuchauszug E3 und der nachveröffentlichte Lehrbuchauszug E4, bei dem es sich nicht um einen für die patentrechtliche Beurteilung relevanten Stand der Technik handelt, betreffen lediglich Definitionen optischer Größen und liegen weiter vom Patentgegenstand ab.

Aus der nur in der Streitpatentschrift genannten, im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren allerdings nicht aufgegriffenen JP 63-127217 A ist ein weiteres Fokussierverfahren bekannt. Hier wird in zwei verschiedenen Fokussierzuständen eines optischen Systems je ein Bild aufgenommen und daraus für eine gemeinsame Ortsfrequenz der Absolutbetrag des Verhältnisses der Ortsfrequenzkomponenten der beiden Bilder und damit des MTF-Verhältnisses bestimmt. Aus diesem Wert und der geometrisch ermittelten Differenz von Defokusparametern 1, der beiden Bilder wird unter der Annahme eines bekannten, von dem Defokusparameter abhängigen Verlaufs der MTF-Kurve (Gaußkurve) die aktuelle Defokussierung berechnet. Die Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands aus dem MTF-Verhältnis erfolgt somit in einer vom Patentgegenstand abliegenden Weise.

Ausgehend von der aus E1 bekannten Vorrichtung mag es für den Fachmann zwar naheliegen, zur Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands aus den in drei verschiedenen Fokussierzuständen aufgenommenen Bildern nicht nur wie aus E1 bekannt die zu einer einzigen Ortsfrequenz gehörigen Ortsfrequenzkomponenten zu extrahieren und für den MTF-Vergleich zu verwenden, sondern die Ortsfrequenzkomponenten zu mehreren verschiedenen Ortsfrequenzen heranzuziehen, um die Genauigkeit bei der Bestimmung des aktuellen Fokussierzustands zu erhöhen, vgl. hierzu E2 Sp. 7 Z. 31 bis 67. Eine Reduzierung der Anzahl der bei verschiedenen Fokussierzuständen aufzunehmenden und auszuwertenden Bilder von drei auf zwei würde jedoch dem Ziel der Erhöhung der Genauigkeit zuwiderlaufen und wird daher vom Fachmann nicht in Betracht gezogen. In den im Verfahren genannten Druckschriften findet sich für ein solches Vorgehen zudem keinerlei Hinweis; die patentgemäße Lösung liegt außerhalb des Bereichs fachüblichen Handelns.

Eine solche Lehre beruht vielmehr auf der Erkenntnis der Erfinder, dass in einer automatischen Fokussiervorrichtung eine Bestimmung des aktuellen Fokussierzustandes mit hoher Präzision möglich ist und die Anzahl der zeitaufwändigen Messbildaufnahmeoperationen zu verschiedenen Fokussierzuständen dennoch auf genau zwei beschränkt werden kann, wenn für jedes aufgenommene Messbild die Ortsfrequenzkomponenten zu mehreren Ortsfrequenzen ausgewertet werden derart, dass die entsprechenden Ortsfrequenzkomponenten der beiden Bilder ins Verhältnis gesetzt und mit gespeicherten Verhältnissen verglichen werden; die Auswertung kann durch eine geeignete Mess- und Auswerteelektronik sehr schnell erfolgen.

Der erteilte Patentanspruch 1 hat somit Bestand. Dies gilt ebenso für den nebengeordneten Anspruch 11, der sich vom Anspruch 1 zwar durch die Art des Bildsensors mit entsprechenden Auswirkungen hinsichtlich Ortsfrequenzkomponenten-Entnahmevorrichtungen, Haltevorrichtungen und Rechnervorrichtungen unterscheidet, jedoch prinzipiell auf demselben Fokussierverfahren beruht wie der Anspruch 1. Die auf den Anspruch 1 rückbezogenen, erteilten Unteransprüche 2 bis 10 enthalten spezifische, nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen und sind somit ebenfalls rechtsbeständig.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Einsprechenden gegen den Beschluss der Patentabteilung zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten.






BPatG:
Beschluss v. 30.01.2007
Az: 17 W (pat) 19/04


Link zum Urteil:
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