Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2002
Aktenzeichen: 5 W (pat) 406/98
(BPatG: Beschluss v. 06.03.2002, Az.: 5 W (pat) 406/98)
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen 2, 3 und 5 wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 14. Oktober 1997 aufgehoben. Es wird festgestellt, daß das Gebrauchsmuster 90 06 177 von Anfang an unwirksam war, soweit es über die Schutzansprüche 4, 6, 7 - soweit auf Schutzanspruch 4 bezogen -, 8 - soweit auf Schutzanspruch 4 bezogen -, und 9 - soweit auf Schutzanspruch 4 oder 6 oder 7 bezogen, und zwar soweit letzterer auf Schutzanspruch 4 bezogen - hinausgeht (jeweils in der Fassung vom 30. Dezember 1991).
Im übrigen werden die Beschwerden der Antragstellerinnen 2, 3, und 5 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I Der Antragsgegner ist Inhaber des am 31. Mai 1990 unter Inanspruchnahme des Anmeldetages der Patentanmeldung 40 11 955.6 (12. April 1990) eingereichten Gebrauchsmusters 90 06 177. Das Gebrauchsmuster ist mit der Bezeichnung "Vorrichtung zum Sichern von Diskettenlaufwerken gegen unbefugte Benutzung" eingetragen und bis zum 12. April 1998 verlängert worden.
Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1991 hat der Antragsgegner eingeschränkte Schutzansprüche zur Registerakte eingereicht und erklärt, Rechte nur im Umfang dieser Ansprüche geltend zu machen. Die Schutzansprüche, teilweise mit einer Gliederung versehen, lauten:
1. Vorrichtung zum Sichern von Diskettenlaufwerken gegen unbefugte Benutzung, a) mit einem dünnen Träger (2), der in Breitenrichtung Diskettenabmessungen besitzt und eine maximale Dickenabmessung (3) besitzt, die der Breite des Einführschachtschlitzes (13) eines Diskettenlaufwerks entspricht, undb) mit einem in oder am Träger (2) gelagerten Verriegelungselement (8) und einer Verschließanordnung (4), wie ein schlüsselbetätigbares Schloß (5) mit Schloßgehäuse (7), die an dem Träger (2) über ihr Schloßgehäuse (7) an einer Längsseite angesetzt ist und die mechanisch mit dem Verriegelungselement (8) derart zu dessen Verschwenken bei Betätigung der Verschließanordnung (4) verbunden ist, daß die maximale Dickenabmessung (3) nicht überschritten ist, c) wobei das Verriegelungselement (8) in der Entriegelungsstellung die maximale Dickenabmessung (3) nicht überschreitet und in der Verriegelungsstellung so über den Bereich der Dickenabmessung (3) zumindest an einer Seite herausragt, daß es bei in ein Diskettenlaufwerk eingesetztem Zustand durch Hintergreifen von dem Diskettenlaufwerk zugeordneten Abschnitten oder Teilen den Einführschachtschlitz (13) verdeckt, dadurch gekennzeichnet, d) daß der Träger (2) auch in Längsrichtung Diskettenabmessungen besitzt und die mechanische Verbindung (10) den Träger (2) in dieser Längsrichtung durchsetzt, wobei das Verriegelungselement (8) in der Verriegelungsstellung bei in das Diskettenlaufwerk eingesetztem Zustand Abschnitte des oder von Teilen am Diskettenlaufwerk-Chassis (15, 16) hintergreift.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Dickenabmessung (3) so bemessen ist, daß auch bei eingesetzter Vorrichtung (1) das Laufwerk von einem Rechner aus bei dessen Starten ansteuerbar ist.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Verschließanordnung (4) so am Träger (2) angebracht ist, daß sie sich bei in ein Diskettenlaufwerk eingeführtem Zustand der Vorrichtung (1) im Bereich einer Greifmulde (14) im umgebenden Gehäuse (12) befindet.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die trägerseitigen Flächen der Verschließanordnung (4) den Konturen der Greifmulde (14) angepaßt ausgebildet sind.
5. Vorrichtung zum Sichern von Diskettenlaufwerken gegen unbefugte Benutzung, a) mit einem dünnen Träger (22), der in Breitenrichtung Diskettenabmessungen besitzt und in Längsrichtung kürzer als eine Diskette ist sowie eine maximale Dickenabmessung (23) besitzt, die der Breite des Einführschachtschlitzes (31) eines Diskettenlaufwerkes entspricht, undb) mit einem in oder am Träger (22) gelagerten Verriegelungselement (18) und einer Verschließanordnung (24), wie ein schlüsselbetätigbares Schloß (25) mit Schloßgehäuse (27), die an dem Träger (22) über ihr Schloßgehäuse (27) an einer Längsseite angesetzt ist und die mechanisch mit dem Verriegelungselement (18) derart zu dessen Verschwenken bei Betätigung der Verschließanordnung (24) verbunden ist, daß die maximale Dickenabmessung (23) nicht überschritten ist, c) wobei das Verriegelungselement (18) in der Entriegelungsstellung die maximale Dickenabmessung (23) nicht überschreitet und so nahe der Verschließanordnung (24) gelagert ist, daß es in der Verriegelungsstellung im in ein Diskettenlaufwerk eingesetztem Zustand dessen Frontwand-Teil (32) hintergreift, dadurch gekennzeichnet, d) daß die Verschließanordnung (24) so am Träger (22) angebracht ist, daß sie sich bei in ein Diskettenlaufwerk eingeführtem Zustand der Vorrichtung (21) im Bereich einer Greifmulde (Zugangsöffnung 29) im umgebenden Gehäuse (30) befindet.
6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die trägerseitigen Flächen der Verschließanordnung den Konturen der Greifmulde angepaßt ausgebildet sind.
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß das Verriegelungselement (8, 18) als T-förmiger Doppelriegel (9, 19) ausgebildet ist, der in der Verriegelungsstellung an beiden Seiten über den Bereich der Dickenabmessung (3, 23) des Trägers (2, 22) hinausragt.
8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Träger und der mit diesem verbundenen Teil der Verschließanordnung (4, 24) durch ein einteiliges Metallteil gebildet sind.
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der Träger (2, 22) und der mit diesem verbundene Teil (Schloßgehäuse 7, 27) der Verschließanordnung (4, 24) durch ein einteiliges Kunststoff-Spritzgußteil gebildet sind.
Die Antragstellerinnen 1 bis 6 haben die Löschung des Gebrauchsmusters unter Berufung auf mangelnde Schutzfähigkeit beantragt. Das Patentamt - Gebrauchsmusterabteilung I - hat die Verfahren verbunden und am 14. Oktober 1997 die Löschung des Gebrauchsmusters beschlossen, soweit es über die Schutzansprüche 4 und 6 bis 9 in der Fassung vom 30. Dezember 1991 hinausgeht.
Gegen diesen Beschluß haben der Antragsgegner und die Antragstellerinnen 2 und 3 Beschwerde, die Antragstellerin 5 Anschlußbeschwerde erhoben. Nach dem Erlöschen des Gebrauchsmusters durch Zeitablauf sind die Löschungsanträge der beschwerdeführenden Antragstellerinnen auf Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters von Anfang an umgestellt worden.
Der Antragsgegner verweist zur Begründung seiner Beschwerde und in Erwiderung der gegnerischen Beschwerden auf seinen Vortrag vor der Gebrauchsmusterabteilung.
Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster in der Fassung der Schutzansprüche vom 30. Dezember 1991 zu bestätigen.
Die Antragstellerinnen 2, 3 und 5 beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters von Anfang an in vollem Umfang festzustellen, überdies die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie vertreten die Auffassung, daß es keines erfinderischen Schritts bedurfte, um zu der Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 9 in der verteidigten Fassung zu kommen. Hinsichtlich des Patentanspruchs 3 machen sie weiterhin geltend, daß dieser keine nachvollziehbare Lehre vermittelt.
Durch Eröffnung des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerinnen 1, 4 und 5 ist das Beschwerdeverfahren unterbrochen worden. Die Konkurs-/Insolvenzverwalter haben die Freigabe erklärt, so daß das Beschwerdeverfahren mit den ursprünglichen Verfahrensbeteiligten fortgesetzt werden konnte.
II Die Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Die Beschwerden der Antragstellerinnen 2, 3 und 5 sind zum Teil begründet, im übrigen unbegründet. Denn die Feststellungsanträge sind angesichts erfolgter Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Gebrauchsmuster zulässig und zum Teil begründet. Soweit das Gebrauchsmuster nicht verteidigt wird, ist es nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG löschungsreif gewesen. Im übrigen sind die geltend gemachten Löschungsansprüche wegen mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebMG), die dem Feststellungsbegehren zugrunde liegen, zum Teil begründet gewesen.
1. Das angegriffene Gebrauchsmuster geht von der Aufgabenstellung aus, eine Vorrichtung zum Sichern von Diskettenlaufwerken gegen unbefugte Benutzung zu schaffen, die äußerst einfach handhabbar ist (vgl Bl 2 der DE 90 06 177 U1).
Gemäß dem Schutzanspruch 1 wird hierzu ein dünner Träger mit der Breite einer Diskette und der maximalen Dicke des Einführschlitzes eines Diskettenlaufwerks vorgesehen (vgl Merkmal a). An der Längsseite des Trägers ist eine Verschließanordnung angesetzt, über die ein in oder an dem Träger gelagertes Verriegelungselement so verschwenkt werden kann, daß es mindestens an einer Seite über den Bereich der Dickenabmessung des Trägers hinausragt. Bei Einsetzen der Vorrichtung in das Diskettenlaufwerk hintergreift das Verriegelungselement in der Verriegelungsstellung Teile des Laufwerks, so daß es nicht mehr entfernt werden kann (vgl Merkmale b und c).
Nach Merkmal d soll der Träger auch in Längsrichtung Diskettenabmessungen besitzen und die Verbindung zwischen Verschließanordnung und Verriegelungselement den Träger in der Längsseite durchsetzen.
Es bedurfte keines erfinderischen Schrittes (§ 1 GebrMG), um zu der Vorrichtung nach dem verteidigten Schutzanspruch 1 zu gelangen.
Aus der vorveröffentlichten DE 87 13 331 U1 ist eine Verschlußvorrichtung für Diskettenlaufwerke bekannt, die ebenfalls konstruktiv einfach gestaltet sein soll (vgl S 2, Abs 2). Bei dieser Vorrichtung wird ein in den Einschubschlitz eines Diskettenlaufwerks passender Träger (Einsschubvorsprung) mit einer Verschließanordnung (Schloßkasten) in ein Diskettenlaufwerk eingeschoben. Durch Betätigen der Verschließanordnung wird ein Verriegelungselement (Schließriegel) verschwenkt, hintergreift Abschnitte des Laufwerks und sichert auf diese Weise den Träger gegen Entfernen (vgl insb Anspruch 1). Dabei durchsetzt die mechanische Verbindung den Träger in Längsrichtung (vgl insb Anspruch 3 iVm Fig 2).
Von dieser bekannten Verschlußvorrichtung unterscheidet sich die Vorrichtung nach dem Anspruch 1 lediglich dadurch, daß der Träger, wie in Merkmal d angegeben, auch in Längsrichtung Diskettenabmessungen besitzt.
Eine solche Bemessung der Länge des Trägers zu wählen, war für den Fachmann aber jedenfalls bei Kenntnis der Sperrvorrichtung für Diskettenlaufwerk-Schächte nach der DE 89 13 763 U1 Routinesache. Denn der Fachmann - ein Techniker oder Konstrukteur - konnte ohne weiteres erkennen, daß die Abmessungen eines Trägers, der zum Versperren eines Diskettenlaufwerks dient, maximal denen einer Diskette entsprechen durfte, um noch eingeführt werden zu können. Einen konkreten Hinweis darauf, einen Träger mit der Außenform, mithin auch der Länge der einführbaren Diskette zu verwenden, erhielt der Fachmann aus dem Anspruch 1 der genannten Druckschrift.
Nach dem verteidigten Anspruch 2 soll die Dicke des Trägers der Dicke einer Diskette entsprechen, so daß das Laufwerk - wie beim tatsächlichen Einführen einer Diskette - von einem Rechner ansteuerbar ist. Wie zum Anspruch 1 erläutert, bot es sich für den Fachmann an, die Abmessungen des Trägers nach den Maßen einer Diskette zu wählen; eine solche Bemessung beruhte daher gleichfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.
2. Die Schutzfähigkeit des Gegenstandes der verteidigten Ansprüche 3 und 5 scheitert schon an der fehlenden Ausführbarkeit.
Im Anspruch 3 ist angegeben, daß die Verschließanordnung so am Träger angebracht sein soll, daß sie sich bei eingeführter Vorrichtung im Bereich einer Greifmulde im umgebenden Gehäuse befindet. Bei dieser Formulierung des Anspruchs wird davon ausgegangen, daß Diskettenlaufwerke regelmäßig eine Greifmulde aufweisen. Die Größe und Position der Greifmulde, sofern sie bei Laufwerken vorhanden ist, variiert abhängig vom Hersteller des Laufwerks. Zudem ist angegeben, daß sich die Verschließanordnung (irgendwo) im Bereich der Greifmulde befinden soll. Dieses Merkmal ist daher nicht geeignet, dem Fachmann eine klare Lehre zu vermitteln, an welcher Stelle des Trägers die Verschließanordnung anzubringen ist.
Der nebengeordnete Anspruch 5 enthält dieses Merkmal in gleichlautender Form (vgl Merkmal d). Dieser Anspruch konnte daher ebenfalls keinen Bestand haben.
3. Mangelnde Schutzfähigkeit des Gegenstandes des verteidigten Schutzanspruchs 4 und der folgenden Ansprüche, soweit sie hierauf rückbezogen sind, läßt sich dagegen nicht feststellen. Er ist aus dem berücksichtigten Stand der Technik nicht bekannt (§ 3 GebrMG) und beruht auf einem erfinderischen Schritt.
Im Schutzanspruch 4 ist die Lage und Form der Verschließanordnung dahingehend präzisiert, daß die trägerseitigen Flächen den Konturen der Greifmulde angepaßt ausgebildet sind. Aus dieser Angabe kann der Fachmann entnehmen, daß die Verschließanordnung so zu gestalten ist, daß sie ihrer Lage und Form nach im wesentlichen die Greifmulde ausfüllt.
Für eine solche neue Ausgestaltung der Verschließanordnung findet sich auch im weiter entgegengehaltenen Stand der Technik keine Anregung. Die DE 34 31 124 A1, die WO 83/02846 und die US 4 616 490 betreffen Kassettengeräte, die keine Greifmulde aufweisen und daher auch keinen Hinweis auf eine greifmuldenförmige Ausbildung der Verschließanordnung geben können.
In der US 4 856 304 ist ein Sicherungsvorrichtung beschrieben, die für die wahlweise Verwendung bei Kassetten- oder Diskettengeräten konzipiert ist. Naturgemäß enthält daher auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf eine Gestaltung der Verschließanordnung in Form einer Greifmulde. Eine Anregung in dieser Hinsicht kann auch der DE 37 33 658 A1 nicht entnommen werden.
Die Ansprüche 6, 7, 8 und 9, soweit sie ihrer Rückbeziehung nach ebenfalls die Gestaltung der Verschließanordnung in Form einer Greifmulde zum Gegenstand haben, sind insoweit als nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungsformen des schutzfähigen Gegenstandes des Anspruchs 4 zu werten und damit ebenfalls schutzfähig gewesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 92 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
Goebel Bertl Prasch Be
BPatG:
Beschluss v. 06.03.2002
Az: 5 W (pat) 406/98
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