Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 9. Februar 1996
Aktenzeichen: 6 U 160/95

(OLG Köln: Urteil v. 09.02.1996, Az.: 6 U 160/95)

1.

Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein-Westfalen § 6 1. Wirkt ein Tierarzt an einem Artikel in einer Publikumszeitschrift, in dem u.a. über ihn und seine Tätigkeit berichtet wird, in der Weise mit, daß er erforderliche Informationen erteilt und die Anfertigung von Fotografien zum Zwecke der Veröffentlichung gestattet, verstößt er gegen das Verbot standeswidriger Werbung und damit gegen § 1 UWG, wenn der Artikel seinerseits werbenden Charakter für den betreffenden Tierarzt aufweist und ohne dessen Genehmigungsvorbehalt erscheinen konnte.

2. Einem redaktionellen Artikel über Tierärzte in Deutschland kommt werblicher Charakter für die tierärztliche Praxis der vorgestellten Tierärzte zu, wenn diese unter Namensnennung als ,Deutschlands liebste" Tierärzte apostrophiert und prominente Personen, die ihre Tiere von den Àrzten haben behandeln lassen, ebenfalls mit Namen genannt sind.

Tenor

1.) Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 10.10.1995 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 11 O 123/95 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Der Antragsgegner wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs an der Veröffentlichung von Artikeln mitzuwirken und/oder die Veröffentlichung von Artikeln zu dulden, in denen wie in dem nachstehend in Schwarz/Weißkopie auszugsweise wiedergegebenen Beitrag mit dem Titel "Deutschlands liebste Tierärzte" in Heft 31/95 vom 27.7.1995 der Zeitschrift "B." auf seine tierärztliche Tätigkeit hingewiesen wird: 2.) Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Antragstellerin 13 % und der Antragsgegner 87 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung, an dessen

gemäß § 25 UWG zu vermutender Dringlichkeit nicht zu zweifeln ist,

ist in der oben tenorierten Fassung zu entsprechen, weil der

Antragsgegner durch die Mitwirkung an dem beanstandeten Artikel und

die Duldung seines Erscheinens gegen die Berufsordnung der

Tierärztekammer Nordrhein (im folgenden: "Berufsordnung") und

damit gegen § 1 UWG verstoßen hat und deswegen eine Wiederholung

derartiger standeswidriger Werbung zu befürchten ist.

Die Mitwirkung an dem Artikel "Deutschlands liebste Tierärzte"

stellt einen Verstoß gegen § 6 Abs.1 und Abs.2 lit.d) der

Berufsordnung dar. Mit Rücksicht auf den wertbezogenen Charakter

dieser Vorschrift ist damit zugleich die Bestimmung des § 1 UWG

verletzt, ohne daß es des Hinzutretens weiterer, die

Sittenwiderigkeit begründender Umstände bedürfte (vgl. dazu näher

Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl. § 1 UWG, RZ 678,680;

Köhler/Piper § 1 RZ 329 ff, 355, 359).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfüllt die Duldung des

Erscheinens des Artikels nach der Teilnahme des Antragsgegners an

seiner Entstehung die Voraussetzungen des § 6 der

Berufsordnung.

Beizupflichten ist der Kammer allerdings in dem Ausgangspunkt,

daß nach Abs.1 dieser Bestimmung dem Tierarzt nicht jede, sondern

nur diejenige Werbung untersagt ist, die "berufsunwürdig" ist.

Indes ist das Kriterium der Berufsunwürdigkeit in Abs.2 der

Vorschrift näher beschrieben und liegen die Voraussetzungen von

dessen lit.d) hier vor.

Der beanstandete Bildbericht hat im Sinne dieser Vorschrift

werbenden Charakter für die tierärztliche Praxis des

Antragsgegners.

Der Artikel hat zunächst für alle in ihm namentlich aufgeführten

Tierärzte, und damit auch für den Antragsgegner, schon deswegen

werbenden Charakter, weil er diese sämtlich als besonders "liebe",

sogar "Deutschlands liebste" Tierärzte bezeichnet und sie damit aus

der Menge der übrigen Tierärzte positiv hervorhebt. Angesichts der

Tatsache, daß Anlaß für die Haltung von Tieren in der Regel eine

besondere Tierliebe ist und durch die Bezeichung "Deutschlands

liebste Tierärzte" auf diese Tierliebe im Sinne einer besonderen

Behutsamkeit und eines besonders tiergerechten Verhaltens der durch

den Artikel hervorgehobenen Tierärzte abgestellt wird, hat der

Senat keinen Zweifel, daß die Darstellung der einzelnen Tierärzte

in dem angegriffenen Artikel bei weiten Kreisen der Leserschaft ein

positives und diese gegenüber anderen Tierärzten besonders

qualifizierendes Bild der betroffenen Tierärzte vermittelt.

Bezüglich des Antragsgegners kommt noch hinzu, daß durch die

Aufführung von einzelnen Botschaftern bzw. Botschaften und des

namentlich benannten früheren Bundesaußenministers G., die nach dem

Artikel Tiere von dem Antragsgegner behandeln lassen, eine

besondere Wertschätzung gerade dieser prominenten Kreise vermittelt

wird, was nochmals eine besondere Heraushebung des Antragsgegners

wegen seiner Qualifikation als auch anspruchsvolle Tierhalter und

Auftraggeber zufriedenstellender Tierarzt darstellt.

Die demgegenüber von dem Landgericht aufgeführten Gesichtspunkte

vermögen dem Beitrag seinen werbenden Charakter nicht zu nehmen.

Auch wenn der Antragsgegner nicht in seinen Berufsräumen und nicht

in Berufskleidung gezeigt worden ist, so wird doch durch das Photo

und die Nennung seines Namens deutlich, daß eben auch er zu den

"liebsten Tierärzten" Deutschlands gehört, was neben der

geschilderten Prominenz der ihn beauftragenden Tierhalter die

Werbewirkung auslöst. Aus demselben Grund kommt auch der Tatsache

keine Bedeutung zu, daß der Antragsgegner nicht auch noch bei der

Ausübung tierärztlicher Tätigkeit gezeigt oder sonst auf seine

tierärztliche Tätigkeit näher eingegangen worden ist. Auch wenn im

übrigen der Unterhaltungswert des Beitrages gegnüber sachlicher

Information im Vordergrund gestanden haben mag, so geht von ihm

doch gleichwohl die beschriebene Werbewirkung aus. Schließlich

steht dem Erlaß der Einstweiligen Verfügung auch nicht entgegen,

daß nur ein - möglicherweise auch kleiner - Teil der Leserschaft

Tierhalter ist. Zum einen darf auch gegenüber einem Teil der Leser

ein derartiger Bildbericht keine Werbewirkung entfalten und zum

anderen ist zu berücksichtigen, daß angesichts der Auflagenstärke

der Zeitschrift "B." auch ein kleinerer Teil der Leserschaft noch

eine erhebliche Zahl angesprochener Leser darstellt.

Die Mitwirkung des Antragsgegners an dem Artikel stellt schon

deswegen einen Verstoß gegen die genannten Bestimmungen der

Berufsordnung dar, weil er nicht dafür gesorgt hat, daß der Artikel

nicht mit dem aus den vorstehenden Gründen für seine Praxis

werbenden Inhalt erschienen ist. Nachdem er der Zeitschrift die dem

Text zugrundeliegenden Informationen geliefert und sich für die

Anfertigung des Photos zur Verfügung gestellt hatte, oblag es dem

Antragsgegner nämlich sicherzustellen, daß der Artikel die Grenzen

der Berufsordnung nicht überschritt. Diese Verpflichtung ergibt

sich ohne weiteres aus den Bestimmungen der § 6 Abs.1 i.V.m. § 6

Abs.2 lit.d) der Berufsordnung. Wenn danach Tierärzte die

Veröffentlichung von Bildberichten mit werbendem Charakter nicht

dulden dürfen und sogar - wie der Wortlaut der Bestimmungen zu

verstehen ist - nach dem Erscheinen eines solchen Berichtes ohne

ihr vorheriges Zutun verpflichtet sind, "unverzüglich auf die

Unterlassung derartiger Veröffentlichungen hinzuwirken", dann sind

sie auch gehalten, nach der Erteilung von zur Veröffentlichung

bestimmten Informationen alles zu tun, um einen werbenden Charakter

des beabsichtigten Artikels zu verhindern. Der Antragsgegner war

danach verpflichtet, sich nach der Informationserteilung einen

Genehmigungsvorbehalt einräumen zu lassen und seine Mitwirkung von

der Vorlage des fertigen Artikels vor dessen Erscheinen zur

Genehmigung abhängig zu machen (vgl. für den Parallelfall eines

Artikels über einen Humanmediziner BGH GRUR 87, 241, 243 -

"Arztinterview").

Óberdies ist schon die vorbehaltlose anfängliche Mitwirkung des

Antragsgegners an dem Artikel durch die Informationserteilung und

die Gestattung der Anfertigung des Bildes als Verstoß gegen die

Berufsordnung anzusehen, weil es überaus nahelag, daß die

Verwertung dieser Informationen und des Photos dem geplanten

Artikel einen werbenden Charakter für die Praxis des Antragsgegners

verleihen würde. Der Antragsgegner stellte seine Tierarztpraxis als

etwas besonders dar, indem er sich ohne Bestehen eines sachlichen

Grundes für einen Artikel über Tierärzte zur Verfügung stellte und

überdies Informationen über seine prominenten Auftraggeber

erteilte, die jedenfalls bei voller Nennung seines Namens kaum

anders als - zumindest auch - mit werbender Wirkung verwendet

werden konnten.

Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner in diesem Zusammenhang

auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in NJW 92,2341

ff. Im Gegenteil hat das Bundesverfassungegericht in jener

Entscheidung - zum wiederholten Male - festgestellt, daß die in den

Berufsordnungen für Àrzte enthaltenen Werbeverbote mit der

Verfassung vereinbar sind, und darüber hinaus ausgeführt, daß das

Verbot der Mitwirkung an Presseberichten ohne Genehmigungsvorbehalt

als zur Sicherung des Werbeverbotes erforderlich angesehen werden

könne (a.a.O., S.2342). Soweit das Bundesverfassungsgericht für

bestimmte Ausnahmekonstellationen, nämlich insbesondere die

Situation, in der der Arzt sich mit dem Beitrag gegen schon

erfolgte öffentliche Angriffe zur Wehr zu setzen versucht,

entschieden hat, daß ein Genehmigungsvorbehalt nicht unter allen

Umständen verlangt werden dürfe, kommt dem für die vorliegende

Entscheidung keine Bedeutung zu. Daß eine irgendwie geartete

übergeordnete Notwendigkeit für den Antragsgegner bestanden hätte,

an dem Artikel mitzuwirken, trägt dieser selbst nicht vor und

scheidet nach den Gesamtumständen auch ersichtlich aus.

Es trifft im übrigen nicht zu, daß es dem Antragsgegner - wie

dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat

- bei Anlegung der vorstehenden Maßstäbe untersagt wäre, überhaupt

an Zeitungsbeiträgen mitzuwirken, die seine Tierarztpraxis zum

Gegenstand haben. Schon eine Anonymisierung etwa durch Abkürzung

seines Namens hätte unter Umständen der Werbewirksamkeit des

Artikels nachhaltig entgegengewirkt. Hierauf hinzuwirken war der

Antragsgener schon bei Erteilung der Informationen, aber auch durch

das Abhängigmachen seiner Mitwirkung von der Einräumung eines

Genehmigungsvorbehaltes verpflichtet. Im übrigen hat der

Antragsgegner es hinzunehmen, daß die Berufsordnung ihm aus guten

Gründen die Mitwirkung an Bildberichten über seinen Beruf und seine

Praxis beschneidet und im Einzelfall ganz untersagt.

Es fehlt auch nicht an den erforderlichen subjektiven

Voraussetzungen. Selbst wenn der Antragsgegner wirklich angenommen

haben sollte, dem Artikel komme eine Werbewirkung nicht zu, so

kannte er doch die Umstände, aus denen im Gegenteil der - auch -

werbende Charakter des Artikels zu entnehmen ist. Erst recht kann

es nicht darauf ankommen, daß - wie der Antragsgegner behauptet -

keine neuen Tierhalter ihm wegen des Artikels behandlungsbedürftige

Tiere vorgestellt haben.

Schließlich ist die Mitwirkung des Antragsgegners an dem

Bildbericht auch im Sinne des § 13 Abs.2 Ziffer 2 UWG geeignet, den

Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Angesichts der nicht

unerheblichen Auflagenstärke der Zeitschrift "B." und der sich

daraus ergebenden Zahl von Lesern im Einzugsbereich der Praxis des

Antragsgegners müssen im Falle einer Wiederholung, um deren

Verhinderung es der Antragstellerin geht, nicht unerhebliche

Auswirkungen auf den überschaubaren "Markt" der Tierärzte in der

Großstadt B. befürchtet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 269 Abs.3

ZPO.

Die Abweichung des Tenors der mit diesem Urteil verkündeten

einstweiligen Verfügung von dem Wortlaut der in den mündlichen

Verhandlungen in beiden Instanzen gestellten Anträge hat lediglich

klarstellende Funktion und enthält nicht auch eine teilweise

Zurückweisung dieser Anträge mit Kostenfolgen, weil die

Antragstellerin in der Sache nicht mehr verlangt hat, als ihr

nunmehr zuerkannt worden ist.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung

rechtskräftig.

Gegenstandswert:

für das erstinstanzliche Verfahren (in teilweiser Abänderung

des Beschlusses des Landgerichts vom 10.10.1995 gemäß § 25 Abs.2

S.2 GKG)

bis zur teilweisen Rücknahme des Antrags am 27.8.1995 (Antrag

zu Ziff.1 b) der Antragsschrift): 25.000 DM;

anschließend: 20.000 DM;

für das Berufungsverfahren: 20.000 DM.

Angesichts der Tatsache, daß Gegenstand des mit Schriftsatz vom

24.8.1995 zurückgenommen Antrages zu Ziffer 1 b) der Antragsschrift

die bildliche Darstellung des Antragsgegners war und diese

Darstellung u.a. auch Bestandteil des aufrechterhaltenen Antrages

zu Ziffer 1 a) der Antragsschrift ist, schätzt der Senat den

Gegenstandswert des Antrages zu Ziffer 1 b) der Antragsschrift

gemäß §§ 20 Abs.1 GKG, 3 ZPO mit 5.000 DM auf 1/4 des Wertes des

Antrages zu Ziffer 1 a), was den oben festgesetzten anfänglichen

Gegenstandswert von insgesamt 25.000 DM ergibt. An der darin

liegenden Heraufsetzung des ursprünglichen Gegenstandswertes ist

der Senat durch die Streitwertangabe von 20.000 DM in der

Antragsschrift nicht gehindert, weil die Antragstellerin durch ihr

in der mündlichen Verhandlung erklärtes Einvernehmen mit der

Festsetzung des Gegenstandswertes von 20.000 DM für das

Berufungsverfahren selbst zum Ausdruck gebracht hat, daß sie

inzwischen schon dem verbliebenen Antrag zu 1 a) der Antragsschrift

den Wert von 20.000 DM beimißt.






OLG Köln:
Urteil v. 09.02.1996
Az: 6 U 160/95


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/578f3101a471/OLG-Koeln_Urteil_vom_9-Februar-1996_Az_6-U-160-95




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share