Landgericht Siegen:
Urteil vom 16. Mai 2002
Aktenzeichen: 7 O 24/02

(LG Siegen: Urteil v. 16.05.2002, Az.: 7 O 24/02)

Tenor

I. Die am 13. Februar 2002 erlassene einstweilige

Verfügung wird bestätigt.

II. Die weiteren Kosten des Verfahrens werden dem

Verfügungsbeklagten auferlegt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Sie hat nach ihrer Satzung die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu überwachen.

Der Verfügungsbeklagte betreibt ein Einzelhandelsgeschäft der Kommunikationstechnik. Es handelt sich um ein Partnerunternehmen der MobilCom Kommunikationstechnik GmbH, von der der Verfügungsbeklagte beliefert wird.

Anfang Dezember 2001 legte der Verfügungsbeklagte in seinem Geschäft einen bis 31.12.2001 gültigen Werbeprospekt aus, in dem er insbesondere Mobilfelefone zum Verkauf anbot. Gegenstand des Angebots war auch ein sogenanntes aus einem Blechbehälter bestehendes Starterpaket mit

der Bezeichnung "D 2 CallYa". Hierbei handelte es sich um eine in das Starterpaket eingelegte 15 Monate gültige Handykarte. Nach Einlegen dieser Karte in ein D-Netz-Handy konnte das Guthaben in den ersten

12 Monaten abtelefoniert werden. Außerdem konnte die Karte selbst nach Verbrauch des Guthabens als "Telefonzelle" benutzt werden. Der Benutzer konnte während der Gültigkeitsdauer mit Hilfe dieser Karte angerufen werden. Das Starterpaket wurde zum Preis von "jetzt nur 50,00 DM" angeboten. Der reguläre Preis betrug 99,00 DM. Der Artikel wurde deshalb mit dem Druck technisch hervorgehobenen Hinweis "Geschenk (t)" beworben. Auf dem Prospekt befindet sich außerdem folgender Hinweis: "Kaufen Sie ganz bequem... in ihrem MobilCom-Shop bei großer Auswahl und Sofortmitnahme".

Wegen der Einzelheiten wird auf den Werbeprospekt Anlage A 3 (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen.

Nach dem 14.12.2001 waren die Starterpakete beim Verfügungsbeklagten nicht mehr verfügbar.

Der Zeuge Rüddel hat sowohl am 24.12.2001, 28.12.2001 und 31.12.2001 das Starterpaket beim Verfügungsbeklagten nachgefragt. Er wurde von einem Mitarbeiter des Verfügungsbeklagten darauf hingewiesen, dass man seit dem 19.12.2001 keine Lieferungen mehr erhalten habe.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung: Der Verfügungsbeklagte habe mit seiner Prospektwerbung über Vorratsmenge bzw. Lieferbarkeit irregeführt. Werde nämlich im Einzelhandel für den Verkauf bestimmter Waren öffentlich geworben, so erwarte der Verbraucher, dass die angebotene Ware zu dem angekündigten Zeitpunkt in einer ausreichenden

Menge vorhanden sei. Die Verfügungsklägerin behauptet: Der Verfügungbeklagte habe offensichtlich keinen ausreichenden Vorrat angeschafft. Auch ein reibungsloser Nachschub sei nicht gesichert gewesen.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin ist dem Verfügungsbeklagten mit Beschlußverfügung vom 13.02.2002 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Pro-

spekten oder sonstigen öffentlichen Mitteilungen Starter-

pakete für Mobiltelefone als "Geschenk(t)" zu bewerben,

sofern die Ware am Tag der Bewerbung und/oder auch

5 Tage später nicht lieferbar ist.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch erhoben.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Beschlußverfügung vom 13. Februar 2002 zu bestätigen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Aufhebung der Beschlußverfügung vom 13.02.2002 den Antrag auf Erlaß einer einst- weiligen Verfügung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben.

Er behauptet: Von seinem Franchise-Geber, MobilCom-Technik GmbH, habe er im Dezember 2001 insgesamt 10 Starterpakete erhalten. Diese Menge habe er in Anbetracht der Verkaufszahlen als ausreichenden Vorrat ansehen können, zumal kurzfristige Nachbestellungen grundsätzlich möglich gewesen seien. Im Vormonat November 2001 seien bei entsprechender Werbung 8 Karten verkauft worden, so dass mit einer erhöhten Nachfrage nach diesem "Randprodukt" nicht zu rechnen gewesen sei. Auch im Dezember 2000 seien lediglich 13 Pakete verkauft worden. Er habe bis 14.12.2001 insgesamt 9 Starterkarten verkauft gehabt. Bereits ab 07.12.2001, nachdem 5 Starterkarten verkauft gewesen seien, habe sich ihr Mitarbeiter Körn vergeblich telefonisch bemüht, weitere Starterkarten über Firma MobilCom-Kommunikationstechnik GmbH zu erhalten. In der Zeit vom 10.12. bis 14.12.2001 habe er täglich versucht, ein Kartenkontingent nachzubestellen. Die kurzfristige Nachlieferung sei jedoch nach Mitteilung eines Mitarbeiters der MobilCom daran gescheitert, dass die Logistik-Abteilung dieser Firma nicht alle Bestellungen zeitnah habe bearbeitet können. Es sei jedoch zugesagt worden, dass die Karten in den nächsten Tagen wieder lieferbar seien. Auf diese Zusage habe er Vertrauen dürfen, da telefonisch nachbestellte Produkte grundsätzlich einen, maximal 2 Tage später ausgeliefert worden seien.

Der Verfügungsbeklagte meint: Da er die Lieferunfähigkeit nicht verschuldet habe, sei eine Irreführung über die Vorratsmengen nicht gegeben. Das Publikum erwarte zwar, dass eine beworbene Ware zunächst vorrätig sei, rechne jedoch nicht damit, dass sich die Ankündigung auf Fälle beziehe, in denen Ware ohne Verschulden des Werbenden nicht zum Verkauf gestellt werden könne.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Daniel Körn. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.05.2002 Bezug genommen (Bl. 55 d.A.).

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 13. Februar 2002 war zu bestätigen

(§§ 925 Abs. 2, 936 ZPO).

Die Verfügungsklägerin kann gemäß § 3 UWG vom Verfügungsbeklagten die Unterlassung der beanstandenden Werbung verlangen. Hinsichtlich der Klagebefugnis der Verfügungsklägerin gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG bestehen keine Bedenken. Unstreitig handelt es sich bei ihr um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung dieser Interessen gehört. Die Feststellung der weiteren Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist entbehrlich, da der Verfügungsklägerin alle Industrie- und Handelskammern und zahlreiche Handwerkskammern angehören, die nach

§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG selbst zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der gegebenen Art prozeßführungsbefugt sind (BGH GRUR 95, 122).

Die Voraussetzungen des § 3 UWG sind gegeben. Es ist anerkannt, dass derjenige Gewerbetreibende über geschäftliche Verhältnisse objektiv irreführende Angaben macht, der für einen bestimmten oder nach den Umständen zu erwartenden Zeitpunkt Waren bewirbt, die zu diesem Zeitpunkt entgegen der Verbrauchererwartung nicht vorrätig sind und deshalb von den Interessenten nicht erworben werden können. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Verkehrserwartung die Möglichkeit einschließt, dass der Werbende aus Gründen höherer Gewalt oder sonst ohne Verschulden an der Einhaltung der Werbeaussage gehindert sein kann, weil bekanntermaßen im kaufmännischen Verkehr beim Bezug von Waren gelegentlich Umstände eintreten können, die eine rechtzeitige Be-

reitstellung der Waren verhindern, deren Eintritt aber im Zeitraum der Werbung - selbst bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt - nicht vorauszusehen ist. Hierbei ist es aber grundsätzlich Sache des Werbenden, die Umstände darzulegen, die für die Unvorhersehbarkeit der Lieferstörung und für die Einhaltung der kaufmännischen Sorgfaltspflichten sprechen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. WRP 2000, 1131, 1133).

Nach diesen Grundsätzen muss sich der Verfügungsbeklagte vorwerfen lassen, dass er über die Verfügbarkeit der in seinem Werbeprospekt für Dezember 2001 beworbenen Starterpakete irreführende Angaben gemacht hat. In dem speziell für das Weihnachtsgeschäft ausgelegten Prospekt wird der Eindruck erweckt, dass das mit einem fast 50 %igen Preisnachlass gegenüber dem Normalpreis von 99,00 DM mit dem Hinweis "Geschenk(t)" beworbene Starterpaket bis 31.12.2001 vorrätig ist und im Shop zur "Sofortmitnahme" zur Verfügung steht. Tatsächlich waren nach Aussage des Zeugen Körn die 10 georderten Pakete bereits bis 14.12.2001 verkauft.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass er mit der Anforderung von 10 Starterpaketen für einen nach den bisherigen Erfahrungen ausreichenden Vorrat gesorgt hatte. Nach seinen eigenen Angaben waren im Monat November 2001 insgesamt 8 Starterkarten verkauft worden, im Dezember 2000 insgesamt 13. Aufgrund dieser Verkaufszahlen musste der Verfügungsbeklagte damit rechnen, dass im eigentlichen, erfahrungsgemäß umsatzstarken Weihnachtsgeschäfts des Monats Dezember mindestens mit einem Verkauf der Größenordnung von 13 Artikeln des Dezember 2000 zu rechnen war. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach Angaben des Zeugen Körn seit dem 2. Quartal 2001

die Nachfrage nach Shopartikeln erheblich zurückgegangen war. Dies bezog sich offenbar auf den eigentlichen Handyverkauf, nicht jedoch auf die hier streitigen Starterkarten, was sich aus den Verkaufszahlen für den Monat November 2001 ergibt.

Der Verfügungsbeklagte hat nicht in ausreichendem Maße dargelegt und bewiesen, dass er auf eine sofortige Nachlieferung der unzureichend

bevorateten Starterpakete durch die Franchisegeberin vertrauen durfte. Zwar hat der Zeuge Körn bekundet, dass derartige Karten in der Vergangenheit seitens der Zentrale stets mit einer äußersten Verzögerung bis zu 3 Tagen nachgeliefert worden seien. Aus seinen Angaben ergibt sich jedoch nicht, ob dies gerade auch für den kaufstarken Weihnachtsmonat galt. Nach Darlegung des Verfügungsbeklagten erwies sich die Logistik der Zentrale im Dezember 2001 nicht in der Lage, die Nachbestellungen abzuwickeln.

Dem Verfügungsbeklagten hätten sich mögliche Nachlieferungsschwierigkeiten der Zentrale bereits aufgrund des vom Zeugen Körn mitgeteilten Umstandes aufdrängen müssen, dass den Shops in der Größenordnung des Verfügungsbeklagten lediglich 10 Starterpakete zugeteilt worden waren. Dies deutete darauf hin, dass eine größere Anzahl nicht ausgeliefert werden sollte. Aufgrund der zu erwartenden Nachfrage hätte er sich daher nicht mit einer zu geringen Bevorratung zufrieden geben, sondern die Zentrale darauf hinweisen müssen, dass sie ihm zunächst im Umfang des Vorjahres beliefern müsse. Dies ist offenbar nicht geschehen. Von einer unverschuldeten Lieferunfähigkeit kann daher nicht ausgegangen werden.

Die Dringlichkeitsvermutung folgt aus § 25 UWG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.






LG Siegen:
Urteil v. 16.05.2002
Az: 7 O 24/02


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