Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. April 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 128/05
(BPatG: Beschluss v. 01.04.2009, Az.: 29 W (pat) 128/05)
Tenor
1.
Das Verfahren wird fortgesetzt.
2.
Der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 23. August 2005 wird aufgehoben.
3.
Das Verfahren wird an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.
4.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Wort-/Bildmarkewurde am 3. März 2005 zur Eintragung in den Farben Rot, Schwarz, Weiß und Grau angemeldet für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: Mobiltelefone, Bildtelefone, Funksprechgeräte, Telefonapparate, Telefonhörer, tragbares Sprechfunkgerät;
Klasse 35: Merchandising; Online-Dienstleistungen eines E-Commerce-Abwicklers, nämlich Warenund Dienstleistungspräsentation, Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von E-Commerce; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops; telefonische und/oder computerisierte Bestellannahme für Teleshopping-Angebote für Dritte; Vermittlung von Handelsund Wirtschaftskontakten, auch über das Internet; Vermittlung von Verträgen über den Anund Verkauf von Waren und/oder über die Erbringung von Dienstleistungen; Vertretung wirtschaftlicher Interessen Dritter gegenüber politischen Entscheidungsträgern und anderen Personen; Verkaufsförderung [Sales Promotion] [für Dritte]; Durchführung von Auktionen und Versteigerungen, auch im Internet; Werbung; Werbung in allen Medien, einschließlich Rundfunk-, Fernseh-, Kino, Print-, Videotext-, Onlineund Textwerbung; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Vorführung von Waren für Werbezwecke; Warenund Dienstleistungspräsentationen; Aktualisierung von Werbematerial; Werbemittlung; Marketing [Absatzforschung]; Marketing für Dritte in digitalen Netzen; Marktforschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Organisation und Veranstaltung von Werbeveranstaltungen; Präsentation von Firmen im Internet und anderen Medien; Sponsoring in Form von Werbung; organisatorisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte [Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen]; Franchising, nämlich Vermittlung von wirtschaftlichem Knowhow; Verbraucherberatung; Facility management, nämlich Entwicklung von Nutzungskonzepten für Immobilien in betriebswirtschaftlicher Hinsicht; Facilitymanagement, nämlich Entwicklung von Werbeund Marketingkonzepten sowie Werbung und Marketing für Immobilien; Sammeln und Liefern von allgemeinen Informationen über Geschäftsführung, auch elektronischer Art;
Klasse 38: Bereitstellung einer E-Commerce-Plattform im Internet; Bereitstellung von Internet-Portalen für Dritte; Bereitstellung einer Hotline; Erbringen von Dienstleistungen in Verbindung mit Onlinediensten, nämlich Sammeln, Liefern, und Übermittlung von Nachrichten und Informationen aller Art, einschließlich On-Demand und anderen elektronischen Mediendiensten; Bereitstellen von Informationen im Internet; Sammeln und Liefern von Nachrichten, auch elektronischer Art, sowie Ausstrahlen von TV-und Rundfunk-Sendungen im World Wide Web; Sammeln und Liefern von allgemeinen Informationen im Rahmen der Dienstleistungen von Presseagenturen und über Waren und Dienstleistungen soweit in Klasse 38 enthalten, auch elektronischer Art; Telekommunikation, insbesondere datenverarbeitungsgestützte elektronische Informationsund Kommunikationsdienste für offene und geschlossene Benutzerkreise; Ton-, Bildund Datenübertragung durch Kabel, Satellit, Computer, Computer-Netzwerke, Telefonund ISDN-Leitungen sowie jegliche weitere Übertragungsmedien, Ausstrahlen von Rundfunksendungen (Funk und Fernsehfunk).
Auf die Beanstandung der Anmeldung wegen entgegenstehender absoluter Schutzhindernisse trug die Antragstellerin vor, dass bereits 11 entsprechend gebildete Marken für vergleichbare Waren und Dienstleistungen zu ihren Gunsten eingetragen seien. Mit Beschluss vom 23. August 2005 wies das Deutsche Patentund Markenamt die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse zurück (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG). Zu den geltend gemachten Voreintragungen wurde ohne nähere Begründung ausgeführt, dass die Eintragung identischer Bezeichnungen für identische Produkte keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung gewähre.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, dass das Deutsche Patentund Markenamt über die 11 im Anmeldeverfahren geltend gemachten Voreintragungen hinaus weitere 4 Marken vor Erlass der angefochtenen Beschlüsse eingetragen habe und weitere 30 Marken nach diesem Zeitpunkt. Insgesamt sei damit eine Serie von 45 Marken zu ihren Gunsten eingetragen, die in der Art der Markenbildung vollständig mit den verfahrensgegenständlichen Marken übereinstimmten. Ein sachlicher Grund für die Abweichung von dieser Eintragungspraxis sei nicht erkennbar, so dass sich die Zurückweisungen als willkürlich darstellten. Diese willkürliche Eintragungspraxis beeinträchtige sie in ihrer unternehmerischen Freiheit, denn ihr ganzes Geschäftmodell sei auf die beanspruchte Markenserie gestützt, die sie im Verkehr intensiv benutze und auch gegenüber Wettbewerbern verteidige.
Der Senat hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 dem Präsidenten des Deutschen Patentund Markenamts anheim gestellt, dem Verfahren beizutreten. Es bedürfe der Klärung, auf welchen Vorgaben die Eintragungspraxis des Amtes beruhe und aus welchen sachlichen Gründen die Markenstelle bei den verfahrensgegenständlichen Anmeldungen von der durch die zahlreichen Voreintragungen begründeten Eintragungspraxis abgewichen sei.
Der Präsident des Deutschen Patentund Markenamts ist dem Beschwerdeverfahren beigetreten (§ 68 Abs. 2 MarkenG). In seiner Stellungnahme führt er im Wesentlichen aus, dass Voreintragungen identischer oder ähnlicher Marken nach ständiger nationaler und europäischer Rechtsprechung auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung nach Artikel 3 Abs. 1 GG und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes keine Bindungswirkung entfalten könnten. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene, gerichtlich vollständig überprüfbare Entscheidung. Eine möglicherweise zu Unrecht erfolgte Eintragung könne daher keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung begründen. Außerdem habe das Amt bei der Entscheidung über die Eintragung stets eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Individualinteresse des Anmelders und dem Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit des beanspruchten Zeichens. Diese Abwägung müsse in jedem Einzelfall unabhängig von möglichen Vorentscheidungen vorgenommen werden.
Die Beschwerdeführerin hat den Antrag gestellt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 23. August 2005 aufzuheben.
Der Präsident des Deutschen Patentund Markenamts hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Berücksichtigung von Voreintragungen im Rahmen der Erhaltung der gleichen Wettbewerbschancen vorgelegt (vgl. Mitt. 2008, 179 ff.). U. a. lautet die im Weiteren entscheidungserhebliche Frage 2: "Wenn ja, ist das Gericht verpflichtet, konkreten Hinweisen auf eine wettbewerbsverzerrende Ungleichbehandlung nachzugehen und dabei Vorentscheidungen der Behörde in gleich gelagerten Fällen in die Prüfung einzubeziehen€". In der daraufhin ergangenen Entscheidung vom 12. Februar 2009 (verbundene Rechtssachen C-39/08 und C-43/08) wird in den Randnummern 15 bis 19 folgende entscheidungserhebliche Antwort gegeben:
"15. Zudem kann die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats zwar die Eintragung einer mit der angemeldeten Marke identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigen, doch ergibt sich daraus nicht, dass sie durch eine solche Entscheidung gebunden wäre, denn die Eintragung einer Marke hängt in jedem Einzelfall von besonderen, im Rahmen ganz bestimmter Umstände anwendbaren Kriterien ab, anhand deren ermittelt werden soll, dass die Marke nicht unter eines der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 aufgeführten Eintragungshindernisse fällt (Urteil vom 12. Februar 2004, Henkel, C-218/01, Slg. 2004, I-1725, Randnrn. 61 und 62). Der Gerichtshof hat betont, dass die Eintragung einer identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat für die Entscheidung der zuständigen Behörde, die Anmeldung einer bestimmten Marke zur Eintragung zuzulassen oder zurückzuweisen, jedenfalls nicht maßgebend sein kann (Urteil Henkel, Randnr. 63).
16.
Diese Grundsätze müssen auch dann Anwendung finden, wenn die Anmeldung einer Marke in einem Mitgliedstaat darauf gestützt wird, dass eine ähnliche oder identische Marke bereits eingetragen worden sei.
17.
Die für die Eintragung zuständige nationale Behörde muss zwar im Rahmen der Prüfung einer solchen Anmeldung, soweit sie in dieser Hinsicht über Informationen verfügt, die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht, doch ist sie keinesfalls an diese Entscheidungen gebunden.
18.
Außerdem muss der von den Beschwerdeführerinnen der Ausgangsverfahren angeführte Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns. Daraus folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. Urteile vom 9. Oktober 1984, Witte/Parlament, 188/83, Slg. 1984, 3465, Randnr. 15, und vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14). Somit kann sich ein Unternehmen vor der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats jedenfalls nicht zu seinen Gunsten auf eine Entscheidungspraxis dieser Behörde berufen, die den Anforderungen aus der Richtlinie 89/104 zuwiderliefe oder dazu führte, dass die Behörde eine rechtswidrige Entscheidung trifft.
19. Daher ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die über eine Markenanmeldung zu entscheiden hat, nicht verpflichtet ist, die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 89/104 aufgeführten Eintragungshindernisse unberücksichtigt zu lassen und dem Antrag auf Eintragung deshalb stattzugeben, weil das Zeichen, dessen Eintragung als Marke begehrt wird, auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet wird, dessen Eintragung als Marke sie bereits gebilligt hat und das sich auf identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen bezieht."
II.
1. Die Aussetzung des Verfahrens aufgrund des Vorlagegesuchs kann nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Februar 2009 aufgehoben und das Verfahren nunmehr fortgesetzt werden (vgl. Beschluss v. 12. Februar 2009 in den verbundenen Rechtssachen C-39/08 und C-43/08).
2. Der Gerichtshof hat in Rn. 17 seines Beschlusses festgestellt, dass eine nationale Behörde bei Prüfung einer Anmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen früheren Entscheidungen berücksichtigen muss und dabei besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht -auch wenn insoweit keine Bindung an Vorentscheidungen besteht. Daraus folgt, dass unter dem Aspekt des allgemeinen rechtsstaatlichen Gebots, das in jeder Verfahrensordnung gilt -gleich ob Gerichtsoder Verwaltungsverfahren -, dem jeweiligen Adressaten einer ihn belastenden Entscheidung auch die wesentlichen Gründe, die die Entscheidung tragen und für sie kausal sind, mitzuteilen sind. Dieser Grundsatz gilt gem. § 61 Abs. 1 S. 1 MarkenG auch für das Markeneintragungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt. Es besteht also nicht nur die Verpflichtung zur Einbeziehung von Vorentscheidungen in die Entscheidungsfindung als solche, sondern diese Überlegungen müssen für den Adressaten auch erkennbar sein, was nur durch entsprechende Ausführungen in der die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung erfolgen kann.
Diese Rechtslage, wie sie der Gerichtshof nunmehr verlangt, stimmt mit der früheren Prüfungsrichtlinie des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Oktober 1995 (vgl. BlPMZ 1995, 378, 383) Ziffer 4 a) überein, die lautet:
"Die Recherche ...bezieht die Rechtsprechung sowie die Amtspraxis ein. ...Im Interesse der Rechtssicherheit bedarf es einer einheitlichen Prüfungspraxis, für die alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung zu nutzen sind. ...Stellt sich im Rahmen der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse heraus, dass derselben Marke für vergleichbare Waren oder Dienstleistungen bereits früher Markenschutz gewährt wurde, so darf nur dann beanstandet werden, wenn die frühere Eintragung zu Unrecht erfolgt ist, wenn sich seit der Eintragung der älteren Marke die rechtliche oder tatsächliche Betrachtung geändert hat oder wenn die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen in sonstiger Weise eine andere Beurteilung erfordern. In Zweifelsfällen ist eine schriftliche Stellungnahme des Prüfers einzuholen. Wird nach Würdigung der Gesamtumstände trotz einer erst kürzere Zeit zurückliegenden früheren Eintragung derselben Marke die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse beanstandet, so soll in dem Bescheid auf die frühere Eintragung hingewiesen und begründet werden, weshalb von der früheren Beurteilung abgewichen wird. Ist eine Anmeldung derselben Marke für vergleichbare Waren oder Dienstleistungen bereits unanfechtbar zurückgewiesen worden, so ist zunächst zu prüfen, ob sich die Sachund Rechtslage seitdem geändert hat und die Eintragbarkeit nunmehr bejaht werden kann. Liegen dieselben Schutzhindernisse weiterhin vor, wird der Anmelder in der Beanstandung auf die frühere Zurückweisung unter Angabe der Fundstelle oder des Aktenzeichens der Entscheidung hingewiesen. Wenn sich herausstellt, dass dieselben Zeichen für vergleichbare Waren oder Dienstleistungen innerhalb der Markenstellen unterschiedlich beurteilt werden, ist eine einheitliche Beurteilung herbeizuführen, insbesondere durch Mitwirkung der Abteilungsleiter und Gruppenleiter."
Hingegen genügt die nunmehr seit 2005 geltende Prüfungsrichtlinie des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. Juni 2005 (vgl. BlPMZ 2005, 245, 252) diesen Anforderungen des Gerichtshofs nicht. Sie lautet:
"Jede Anmeldung ist ein für sich gesondert zu beurteilender Einzelfall. ...Bestehende Eintragungen nationaler Marken führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz zu einem Anspruch auf Eintragung."
Mit dieser Formulierung deckt die Richtlinie des Deutschen Patentund Markenamts nur einen Teil der in der oben genannten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aufgestellten Anforderungen ab, nämlich insoweit als Vorentscheidungen selbstverständlich nicht bindend sein können, wenn sie rechtswidrig sind oder Grund für eine andere Beurteilung des Zeichens, d. h. eine differenzierende Betrachtung besteht. Davon war der vorlegende Senat in seinem Vorlagegesuch ebenfalls ausgegangen und hatte -wie der Gerichtshof in Rn. 18 -auf das Spannungsverhältnis zwischen der Gleichbehandlung der Wettbewerber und dem Gebot rechtmäßigen Handelns hingewiesen.
Der Richtlinie des Deutschen Patentund Markenamts von 2005 mangelt es aber insoweit an einer Regelung, als der Gerichtshof nunmehr ausdrücklich verlangt, dass zu ähnlichen Anmeldungen ergangene Entscheidungen berücksichtigt werden müssen und besonderes Augenmerk auf die Frage gerichtet werden muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Das bedeutet eine Pflicht zum Vergleich, der angemeldeten mit den eingetragenen vergleichbaren Zeichen. Diesen vom Gerichtshof geforderten Vergleich muss das Deutsche Patentund Markenamt als zuständige nationale Behörde anstellen und gegebenenfalls die Gründe für eine differenzierte Beurteilung angeben, oder aber, wenn es die Voreintragungen für rechtswidrig hält, dies zum Ausdruck bringen. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist der Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 18, dass "der Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden muss mit dem Gebot rechtstaatlichen Handelns" Genüge getan. Dies entspricht im Übrigen auch der von der Europäischen Kommission in ihrer Stellungnahme von 13. Juni 2008 in Rn. 21 vertretenen Ansicht, dass das Gericht "unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht und nicht unter demjenigen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, konkreten Hinweisen auf eine wettbewerbsverzerrende Ungleichbehandlung nachzugehen und dabei Vorentscheidungen der Behörde in gleich gelagerten Fällen in die Prüfung einzubeziehen oder gegebenenfalls das Verbot einer festgestellten wettbewerbsverzerrenden Diskriminierung zu berücksichtigen" hat.
Der hier angefochtene Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts enthält keine derartige Begründung. Eine solche wurde vom Beigeladenen auch nicht während des Beschwerdeverfahrens gegeben. Insoweit liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, weshalb der Senat sein ihm nach § 70 Abs. 3 S. 2 MarkenG gegebenes Ermessen dahingehend ausübt, dass er das Verfahren zur vergleichenden Würdigung der Vorentscheidungen in materiellrechtlicher Hinsicht entspr. Rdn. 17 der Entscheidung des Gerichtshofs und zur Begründung nach § 61 Abs. 1 S. 1 MarkenG zurückverweist. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass dem Amt als zuständiger Behörde hier das erste Prüfungsrecht als gesetzesvollziehende Gewalt zukommen soll, da sie diesen Punkt bislang noch nicht geprüft hat. Dabei spielt der Gedanke des Instanzverlustes oder -gewinnes keine Rolle, da es sich im Verhältnis zwischen Deutschem Patentund Markenamt und Bundespatentgericht nicht um Instanzen handelt, sondern um Exekutive und Judikative als grundsätzlich verschiedene Gewalt im Sinne der Gewaltenteilung.
Dem Deutschen Patentund Markenamt ist die Vergleichsüberprüfung auch möglich, da es "in dieser Hinsicht über Informationen verfügt, die zu ähnlichen Anmeldungen ergangene Entscheidungen berücksichtigen" (vgl. EuGH, Beschl. v. 12.02.2009, Rn. 17). Denn das neue, im Mai 2006 in Betrieb genommene Datenverarbeitungssystem des Amtes dient der "Harmonisierung der Prüfungsund Entscheidungspraxis" (vgl. Jahresbericht DPMA 2006, S. 20). Darüber hinaus hat die Anmelderin bereits in einem sehr frühen Verfahrensstadium, nämlich nach Erhalt der Beanstandung der Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse auf die zu ihren Gunsten erfolgten Voreintragungen hingewiesen, so dass sie insoweit auch ihrer Mitwirkungspflicht genügt hat (vgl. 29. W (pat) 13/06, Beschlussv. 1. April 2009 -SCHWABENPOST).
3. Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Grabrucker Fink Dr. Kortbein Cl
BPatG:
Beschluss v. 01.04.2009
Az: 29 W (pat) 128/05
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