Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 19. Dezember 2011
Aktenzeichen: 18 E 1299/11
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 19.12.2011, Az.: 18 E 1299/11)
Eine Erhöhung des Gebührensatzes der rechtsanwaltlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV-RVG wegen einer Tätigkeit für mehrere Mandanten kommt nicht in Betracht, wenn diese Tätigkeit sich auf mehrere, jeden einzelnen Mandaten gesondert betreffende Verfahrensgegenstände bezieht. Dem damit verbundenen Mehraufwand ist durch eine Erhöhung des Streit- bzw. Gegenstandswert Rechnung zu tragen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Der Berichterstatter kann gemäß § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO anstelle des Senats entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Erinnerung (§§ 151, 165 VwGO) gegen die Festsetzung der von der Beklagten nach § 164 VwGO zu erstattenden Kosten zurückgewiesen.
Es ist lediglich eine 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG angefallen. Entgegen der Ansicht der Kläger ist diese Gebühr nicht nach Nr. 1008 VV-RVG um den 0,9-fachen Gebührensatz zu erhöhen, weil der Prozessbevollmächtigte der Kläger im gerichtlichen Verfahren für insgesamt vier Auftraggeber tätig geworden ist.
Vertritt ein Rechtsanwalt in demselben Verfahren mehrere Auftraggeber, entsteht ihm regelmäßig ein höherer Aufwand, als dies beim Tätigwerden für nur einen Mandanten der Fall wäre. Um diesen Mehraufwand zu vergüten, sieht das Kostenrecht zwei im Ansatz unterschiedliche Wege vor: Dies kann durch eine Erhöhung des Streit- bzw. Gegenstandswerts bei unverändertem Gebührensatz oder durch eine Erhöhung des Gebührensatzes bei unverändertem Streit-/Gegenstandswert geschehen. Auf welchem dieser Wege eine Vergütung des Mehraufwands des Rechtsanwalts erfolgt, hängt davon ab, ob seine Tätigkeit für mehrere Mandanten sich auf einen oder mehrere Verfahrensgegenstände bezieht.
Ist die Vertretung mehrerer Personen zugleich mit mehreren Verfahrensgegenständen verbunden, sind nach § 22 Abs. 1 RVG die Werte dieser unterschiedlichen Verfahrensgegenstände zusammenzurechnen. Eine Erhöhung des Gebührensatzes erfolgt hingegen nicht, denn Nr. 1008 Abs. 1 VV-RVG sieht eine solche nur vor, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für die mehreren Auftraggeber derselbe ist. Der erhöhte Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts ergibt sich in diesen Fällen - trotz gleichbleibenden Gebührensatzes - aus den nach § 13 RVG mit der Höhe des Streit-/Gegenstandswerts steigenden Gebühren.
Werden hingegen mit Blick auf denselben Verfahrensgegenstand mehrere Personen vertreten, bleibt der Streit-/Gegenstandswert und mit ihm die Höhe der nach § 13 RVG berechneten einzelnen Gebühr unverändert. Um den durch die Tätigkeit für mehrere Mandanten erhöhten Aufwand des Rechtsanwalts zu vergüten, sieht Nr. 1008 VV-RVG für diesen Fall eine Erhöhung des Gebührensatzes um 0,3 für jeden zusätzlichen Auftraggeber vor, wobei mehrere Erhöhungen zusammengenommen einen Gebührensatz von 2,0 nicht überschreiten dürfen.
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz enthält keine Legaldefinition des Gegenstands im gebührenrechtlichen Sinne. Ob die die Tätigkeit eines Rechtsanwalts für mehrere Mandanten denselben oder unterschiedliche Verfahrensgegenstände betrifft, ist im Einzelfall anhand der konkret wahrgenommenen Angelegenheiten zu ermitteln. Ein einheitlicher Gegenstand im gebührenrechtlichen Sinne ist nur gegeben, wenn der Rechtsanwalt für seine mehreren Auftraggeber wegen desselben konkreten Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig geworden ist.
Vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. März 2011 VII ZB 3/10 , NJW-RR 2011, 933, und (zu § 6 BRAGO) vom 26. September 1990 XII ZR 38/89 , NJW-RR 1991, 51; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. (2006), Nr. 1008 VV-RVG Rdnr. 128 ff., jeweils m. w. N.
Nach diesen Kriterien ist der Prozessbevollmächtigte der Kläger hier wegen mehrerer Gegenstände im gebührenrechtlichen Sinne tätig geworden. Das Klageverfahren betraf vier rechtlich selbständige Wohnsitzauflagen, für die mit Blick auf jeden einzelnen Kläger gesondert zu überprüfen war, ob die Voraussetzungen für ihren Erlass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorlagen. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend dadurch berücksichtigt, dass es den Streitwert für das gerichtliche Verfahren auf das Vierfache des Betrags festgesetzt hat, den es für die Anfechtung einer Wohnsitzauflage durch einen Ausländer als angemessen angesehen hat. Für die von den Klägern zusätzlich begehrte Erhöhung der Verfahrensgebühr um den 0,9-fachen Gebührensatz nach Nr. 1008 VV-RVG ist hingegen kein Raum.
Zu den insoweit vergleichbaren Konstellation, in der Aufenthaltserlaubnisse für mehrere Familienangehörige Verfahrensgegenstand sind, vgl. Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. (2011), Nr. 1008 VV-RVG Rdnr. 12, a. A. KG Berlin, Beschluss vom 3. Mai 2007 1 W 407/06 , JurBüro 2007, 543.
Auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV-RVG hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht festgesetzt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss Bezug genommen, denen die Kläger im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 19.12.2011
Az: 18 E 1299/11
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