Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2008
Aktenzeichen: 28 W (pat) 133/07
(BPatG: Beschluss v. 20.02.2008, Az.: 28 W (pat) 133/07)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Angemeldet ist die WortmarkeneoClipsfür die Waren
"Schlauchschellen für Kabel und Schläuche".
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in ihr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen unmissverständlichen Sachhinweis auf "neugestaltete Schlauchschellen" entnehmen, sie jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis werten. Ob an der Marke auch ein Freihaltungsbedürfnis bestehe, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, die Markenstelle habe die Marke einer zergliedernden Betrachtungsweise unterworfen und aus dem beschreibenden Bedeutungsgehalt der einzelnen Wortelemente unzulässiger Weise auf die mangelnde Unterscheidungskraft des Gesamtbegriffs geschlossen. Dies widerspreche aber den Vorgaben der Rechtsprechung, nach der nur die konkret angemeldete Marke Gegenstand der markenrechtlichen Prüfung sei. In ihrer Gesamtheit könnten der Marke "neoClips" aber keine absoluten Schutzhindernisse entgegen gehalten werden, da sie eine Wortneubildung darstelle und der Begriff vom Verkehr nicht in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und analysiert werde, wie dies die Markenstelle getan habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die angemeldete Marke als beschreibende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung einer Marke entgegen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung wesentlicher Merkmale der beanspruchten Waren dienen können. Fremdsprachige Begriffe unterliegen dem Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dabei nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass ihre beschreibende Bedeutung von den angesprochenen, inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt werden wird.
Gegenstand der Schutzfähigkeitsprüfung ist stets die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit. Dieser Grundsatz macht es für die zuständigen Stellen aber nicht entbehrlich, zunächst die einzelnen Wortelemente einer Kombinationsmarke zu prüfen (vgl. hierzu EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID). Ohne eine solche Vorgehensweise wäre es auch schlicht unmöglich, den semantischen Gehalt neuer Wortkombinationen zu ermitteln. Ergibt dieser Prüfungsschritt, dass den einzelnen Wortbestandteilen der Marke ein beschreibender Bedeutungsgehalt zukommt, stellt dies zwar einen gewissen Anhaltspunkt dafür dar, dass ihre Kombination für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen ebenfalls beschreibend ist, selbst wenn es sich dabei um eine sprachliche Neuschöpfung handelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681, Rdn. 39 - BIOMILD). Trotzdem kommt es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit entscheidend darauf an, in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Wortkombination als Ganzes tatsächlich zur produktbezogenen Beschreibung dienen kann, oder ob zwischen der Wortverbindung in ihrer Gesamtheit und der bloßen Summe ihrer beschreibenden Bestandteile möglicherweise ein merklicher Unterschied besteht, etwa aufgrund vorhandener syntaktischer oder semantischer Besonderheiten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT 2; sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 261 m. w. N.).
Die angemeldete Marke setzt sich aus zwei auch im Inland verwendeten Wortelementen zusammen, wie dies die Markenstelle zutreffend dargelegt hat. Dem sowohl in der englischen wie auch in der deutschen Sprache gebräuchlichen Präfix "neo" kommt der Bedeutungsgehalt "neu, erneuert" zu (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM] sowie Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]; vgl. weiter BPatG 28 W (pat) 044/98 - NEOFLON / NOWOFLON; sowie HABM R0994/01-3 - NEODENT / NEVADENT, beide Entscheidungen veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). In der Kombination mit einem nachgeordneten Substantiv drückt die genannte Vorsilbe dabei aus, dass es sich bei dem fraglichen Sachzusammenhang um eine Neuerung bzw. eine Weiterentwicklung bereits bekannter Zusammenhänge handelt. In diesem Sinne ist sie Bestandteil zahlreicher Fachbegriffe aus den unterschiedlichsten Bereichen. Lediglich beispielhaft seien hier die Bereiche Politikwissenschaft ("Neofunktionalismus", "Neo-Institutionalismus", "Neokonservatismus"), Volkswirtschaft ("Neo-Faktorproportionentheorie"), Medizin ("Neoplasma"), Psychologie ("Neopsychoanalyse"), Religion ("Neo-Tantra"), Philosophie ("Neo-Kantianismus", "Neo-Platonismus"), Kunst ("Neoplastizismus"), Literatur ("Neo-Realismus", "Neo-Avantgarde"), Film ("Neoformalismus", "Neo-Western", "Neo-Noir"), Mode ("Neo-Romantik"), Musik ("Neo-Soul", "Neo-Rock-'n'-Roll", "Neo-Psychedelic") oder Esoterik ("Neo-Feng-Shui") genannt.
Das weitere Wortelement "Clips" steht im Englischen für "Klammer, Schelle, Klemme" (vgl. nochmals Duden-Oxford - Großwörterbuch Englisch. 3. Aufl. Mannheim 2005 [CD-ROM]) und ist auch im Inland mit diesem Bedeutungsgehalt in die Fachsprache gebräuchlich. So weist etwa auch die Anmelderin in ihrer Produktbeschreibung von Schlauchschellen darauf hin: "Der Clip kann aber auch jederzeit wieder gelöst werden" (vgl. unter http://www.neolab.de/nshopartdetails.do€kgrpId=2699).
In ihrer Kombination eines Sachbegriffs ("Clips") mit einem vorangestellten, auf diesen Sachbegriff bezogenen Adjektivs ("neo") ist das Markenwort auch völlig sprachüblich gebildet. Der Wortverbindung lässt sich somit ohne weiteres die Sachaussage "neue Klammern, neue Schellen" zuordnen, wobei sich dieser Begriffsgehalt den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar erschließen wird, da beide Wortelemente im inländischen Sprachgebrauch gebräuchlich und dementsprechend allgemein bekannt sind.
In dem dargestellten Bedeutungsgehalt ist die angemeldete Marke zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Marken geeignet, indem sie im Zusammenhang mit den fraglichen Waren diese als "neue", also innovative Produkte beschreibt und ihnen damit die Eigenschaft einer Neuerung bescheinigt. Auch wenn die Sachaussage "neoClips" dabei für die angesprochenen Verbraucher möglicherweise relativ vage bleibt, indem sie keine konkreten Hinweise darauf gibt, worin die Neuerung bzw. der innovative Aspekt bei den fraglichen Produkten zu sehen ist, steht dies der Eignung zur Produktbeschreibung nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt). Ebenso wenig vermag der Gesichtspunkt, dass die angemeldete Marke lexikalisch nicht nachgewiesen werden kann bzw. dass die Anmelderin diese Bezeichnung bisher als einzige verwendet, die angefochtene Zurückweisung der Anmeldung in Frage zu stellen. Bereits aus der Formulierung "dienen können" des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt sich unzweideutig, dass es lediglich auf die Eignung einer Bezeichnung ankommt, als beschreibende Angabe verwendet werden zu können, nicht dagegen auf eine bereits nachweisbare tatsächliche Verwendung im Verkehr (vgl. nochmals Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 260 m. w. N.).
Als bloße Aneinanderreihung zweier beschreibender Wortelemente, aus der sich wiederum eine beschreibende Gesamtbezeichnung ergibt, steht der Eintragung der Marke ein berechtigtes Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen (vgl. hierzu auch BPatG 30 W (pat) 178/99 - neoTips, veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM).
Auch die konkrete Schreibweise mit einem Binnenversal vermag der angemeldeten Marke den beschreibenden Charakter nicht zu nehmen. Derartige Schreibweisen in einem einheitlichen Wort zählen seit langem zur allgemein üblichen Werbepraxis (st. Rspr., vgl. hierzu die Nachweise in PAVIS zum Stichwort "Binnengroßschreibung"). Ein neuer, über die bloße Summe der beschreibenden Bestandteile hinausgehender Begriff entsteht dadurch im vorliegenden Fall nicht, zumal die beiden Wortelemente durch den vorhandenen Binnenversal für den Verkehr gerade besonders leicht erkennbar bleiben.
Ob die angemeldete Marke auch wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist, lässt der Senat dahingestellt.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, nachdem eine mündliche Verhandlung von der Beschwerdeführerin nicht beantragt wurde und auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich gewesen wäre (§ 69 MarkenG).
Stoppel Werner Schell Me
BPatG:
Beschluss v. 20.02.2008
Az: 28 W (pat) 133/07
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