Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2001
Aktenzeichen: 21 W (pat) 75/99
(BPatG: Beschluss v. 05.04.2001, Az.: 21 W (pat) 75/99)
Tenor
Der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 35 - vom 8. Juli 1999 wird aufgehoben und das Patent widerrufen.
Gründe
I Auf die am 18. April 1996 beim Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen P 196 15 342.5-35 ist das Patent 196 15 342 mit der Bezeichnung "Therapiegerät mit einer optischen Einheit zur Ausrichtung" erteilt worden (Veröffentlichung der Erteilung am 9. Oktober 1997). Dagegen ist ein Einspruch eingelegt worden mit der Begründung, der beanspruchte Gegenstand sei durch das ältere Patent 195 43 344 neuheitsschädlich vorweggenommen. Daraufhin hat die Patentabteilung 35 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 8. Juli 1999 gemäß einem Hilfsantrag der Patentinhaberin das Patent in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Dagegen hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.
Der gemäß dem Beschluß der Patentabteilung geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Therapiegerät mit einer eine Schallquelle (16) aufweisenden Quelle (10) akustischer Wellen zur Behandlung eines unterhalb einer Körperoberfläche eines zu behandelnden Patienten (P) liegenden Körperbereiches, welche einen lichttransparenten Bereich aufweisen, mit optischen Mitteln (27) zur Gewinnung von Bildinformationen von der Körperoberfläche zur Ausrichtung der Quelle (10) akustischer Wellen über der Körperoberfläche, wobei der Strahlengang der optischen Mittel (27) durch den lichttransparenten Bereich der Schallquelle (16) verläuft, und mit Mitteln (33) zur graphischen Anzeige der gewonnenen Bildinformationen."
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage legt die Patentinhaberin noch hilfsweise auf die "Verwendung optischer Mittel ..." gerichtete Patentansprüche 1-7 vor. Deren Patentanspruch 1 lautet:
"Verwendung optischer Mittel (27) zur Ausrichtung einer Quelle (10) akustischer Wellen eines Therapiegerätes über der Körperoberfläche eines mit der Quelle (10) akustischer Wellen zu behandelnden Patienten (P) zur Behandlung eines unterhalb der Körperoberfläche liegenden Körperbereiches des Patienten (P), wobei die Quelle (10) akustischer Wellen eine Schallquelle (16) umfasst, welche beide einen lichttransparenten Bereich aufweisen, wobei der Strahlengang der optischen Mittel (27) zur Gewinnung von Bildinformationen von der Körperoberfläche durch den lichttransparenten Bereich der Quelle (10) verläuft, und wobei Mittel (33) zur graphischen Anzeige der gewonnenen Bildinformationen vorhanden sind."
Dem Gegenstand des Patents liegt gemäß Sp 2 Abs 1 der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, ein Therapiegerät der genannten Art so auszubilden, daß dessen Quelle akustischer Wellen auf einfache und kostengünstige Weise relativ zu dem zu behandelnden Körperbereich eines Patienten ausrichtbar ist.
Die Einsprechende begründet ihre Beschwerde damit, daß der geltende Patentanspruch 1 unzulässig erweitert sei, denn es sei den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen, daß auch die in den Patentanspruch 1 eingeführte "Schallquelle", wie nun beansprucht, einen lichttransparenten Bereich aufweise. Dies sei nur für die "Quelle akustischer Wellen" offenbart.
Einen lichttransparenten Bereich zB in Form des dort vorhandenen Lichtleiters weise aber auch die mit der beanspruchten "Quelle ..." vergleichbare Einrichtung des älteren Patents 195 43 344 auf.
Daneben trägt die Einsprechende vor, daß der Austausch eines Ultraschallscanners, wie es zB aus der DE 38 35 318 C1 und der EP 0 445 322 A1 bekannten Therapiegeräten der genannten Art üblich sei, etwa gegen eine Videokamera keinen erfinderischen Schritt darstelle. Eine Anregung dazu ergebe sich vielmehr aus der US-PS 3 237 623.
Die Einsprechende stellt den Antrag, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamtes - Patentabteilung 35 - vom 8. Juli 1999 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise beschränkte Aufrechterhaltung mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1-7 gemäß Hilfsantrag.
Die Patentinhaberin verweist zur Offenbarung des "lichttransparenten Bereichs" auf die Beschreibung in Verbindung mit den Figuren, woraus entnehmbar sei, daß die zentrale Öffnung 41 der Quelle 10, welche den lichttransparenten Bereich darstelle, auch die Schallquelle, die elektromagnetische Druckimpulsquelle 16, durchsetze.
Zur Neuheit gegenüber dem älteren Patent trägt sie vor, daß darin zwar keine Angaben über die Art der Schallquelle gemacht würden, daß jedoch die Verwendung von Quellen mit zentraler Durchlaßöffnung für die (optische) Ortungseinrichtung dieser Druckschrift nicht entnehmbar sei. Die beschriebenen Ausführungsformen würden vielmehr eine solche Öffnung vermeiden. Demgegenüber sei die im Vorliegenden beanspruchte Lösung aber einfacher, denn sie ermögliche die Verwendung bekannter Quellen.
Zur Begründung einer erfinderischen Leistung führt die Patentinhaberin aus, daß die US-PS 3 237 623 keine Anregung dazu gebe, ein Bild von der Körperoberfläche zur Einstellung des Therapiegerätes auf einen unterhalb liegenden Bereich zu verwenden, denn dort diene nur für den Sonderfall "Auge" das verwendete Ophthalmoskop zur dreidimensionalen Ortung der zu behandelnden Stelle im lichtdurchlässigen Auge.
II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig und auch begründet. Die geltenden Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag sind zwar nicht unzulässig geändert, die mit ihnen beanspruchten Gegenstände beruhen jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs 1 Nr 1 iVm § 4 PatG).
1. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist zulässig, denn es ist zulässig, im Einspruchsverfahren den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 mit Merkmalen eines konkret beschriebenen und/oder der Zeichnung entnehmbaren Ausführungsbeispiels einzuschränken.
In der Beschreibung nach der Streitpatentschrift Sp 5 Z 16-21, die hier mit der ursprünglich eingereichten Beschreibung übereinstimmt, ist die "zentrale Öffnung" 41 der "Quelle" 10, in welcher sich der "Tubus" 22 befindet, als der ua im erteilten Patentanspruch 1 genannte "lichttransparente Bereich" definiert. Den Zeichnungen, welche für die Zwecke der Offenbarung der Beschreibung und den - ursprünglichen - Ansprüchen gleichrangig sind (vgl Schulte PatG 5. Aufl § 35 Rdn 163 ff), ist zu entnehmen, daß dieser lichttransparente Bereich mit dem Tubus 22 die "Schallquelle", dh die elektromagnetische Druckimpulsquelle 16, durchsetzt.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu, denn das oben im Rahmen der Zulässigkeit betrachtete Merkmal des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 ist dem älteren Patent 195 43 344 für den dort beschriebenen und beanspruchten Gegenstand nicht zu entnehmen. Das ältere Patent macht keinerlei Aussage über die Art und Form der Druckimpulsquelle, dort "Stoßwellentherapiequelle" (5) genannt, und es läßt sich diesem älteren Patent insbesondere nicht entnehmen, daß auch - an sich bekannte - Quellen mit zentraler Durchlaßöffnung für das Ortungsgerät in Frage kommen. Die Ausführungsbeispiele zeigen vielmehr ausschließlich andere Ausbildungen des optischen Wegs, nämlich zum einen ein zunächst im rechten Winkel zur Schallausbreitungsrichtung durch die akustische Linse geführtes und dann in Blickrichtung abgewinkeltes Führungsrohr 7 mit Lichtleiter (vgl Fig 1) und zum anderen ein seitlich der Quelle akustischer Wellen angeordnetes Führungsrohr 7, das einen spitzen Winkel mit der Therapiewellenachse einschließt (vgl Fig 3).
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag wird dem Fachmann jedoch durch den aus der US-PS 3 237 623 bekannten "Apparat zum Zerstören begrenzter Zellgruppen" nahegelegt.
Aus dieser Druckschrift ist entsprechend dem im vorliegenden Patentanspruch 1 gewählten Bezeichnungen ein Therapiegerät bekannt mit einer eine Schallquelle, den schalenförmigen Kristall 5, aufweisenden Quelle akustischer Wellen zur Behandlung, hier insbesondere zur Zerstörung, eines unterhalb einer Körperoberfläche eines zu behandelnden Patienten liegenden Bereichs, hier im Zusammenhang mit Fig 4 insbesondere im Auge, welche einen lichttransparenten Bereich - in Form einer zentralen Öffnung - aufweist und mit optischen Mitteln, dem Ophthalmoskop 50, zur Gewinnung von Bildinformation von der inneren Oberfläche des Auges (s Sp 5 Z 36!) zur Ausrichtung der Quelle akustischer Wellen über der Körperoberfläche, wobei der Strahlengang der optischen Mittel, dh des Ophthalmoskops 50, durch den lichttransparenten Bereich der Schallquelle 5 verläuft.
Davon unterscheidet sich der Gegenstand des vorliegenden Patentanspruchs 1 lediglich dadurch,
- daß die Bildinformation von der Körperoberfläche gewonnen wird und - daß Mittel zur graphischen Anzeige der gewonnenen Bildinformation vorgesehen sind.
Das erste gegenüber dem bekannten Gerät verbleibende Merkmal ergibt sich ohne weiteres aus dem dem Streitpatent zugrunde liegenden anderen therapeutischen Einsatzbereich, der an sich bekannten (s die Beschr-Einleitungen des Streitpatents und des älteren Patents) Behandlung von unter der Körperoberfläche in Muskeln, Sehnen, Gelenken liegenden Schmerzzentren, deren Lage durch Abtasten der Körperoberfläche ermittelt und markiert werden muß, da sie in der Regel mit Röntgen- oder Ultraschall-Ortungsgeräten überhaupt nicht feststellbar sind.
Insbesondere aufgrund dieser letztgenannten Tatsache ergibt sich für den Fachmann aus der US-PS unmittelbar eine Anregung, die optische, zweidimensionale Ortung auf der Körperoberfläche aufzugreifen, denn in dieser Druckschrift ist ja deshalb vorgeschlagen, auf die optisch gesteuerte Einstellung des Gerätes überzugehen, weil das unter der - sichtbaren - Netzhaut liegende, zu zerstörende Gewebe mit den Mitteln der Ultraschallortung nicht oder nur ungenau geortet werden kann (vgl Sp 5 Z 29-42).
Das zweite verbleibende Merkmal ist lediglich eine im Belieben des Fachmanns liegende Alternative zu der aus der US-PS 3 237 623 bekannten direkten Betrachtung durch eine Optik und fachübliche Maßnahme, da bei anderen Ortungsverfahren die graphische Anzeige mittels Bildschirmen üblich ist.
4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist nicht anders zu beurteilen als der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist zulässig (vgl die obigen Ausführungen zur Zulässigkeit des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag). Sein Gegenstand ist auch neu, beruht jedoch ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Soweit dieser Anspruch sich auf bauliche Merkmale eines Therapiegerätes bezieht, unterscheidet er sich nicht vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, so dass die zu diesem oben gemachten diesbezüglichen Ausführungen auch für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag gelten.
Die im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag darüber hinaus beanspruchte Verwendung optischer Mittel zur Ausrichtung einer Quelle akustischer Wellen eines Therapiegeräts über der Körperoberfläche ist aber ebenfalls bereits aus der US-PS 3 237 623 bekannt, wie aus den Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag unmittelbar zu ersehen ist. Somit ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ebenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Mit den Patentansprüchen 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag fallen auch die jeweils auf diese Ansprüche zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7.
Dr. Hechtfischer Haaß
Dr. Kraus Klante Fa/Ko
BPatG:
Beschluss v. 05.04.2001
Az: 21 W (pat) 75/99
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