Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. Juli 1997
Aktenzeichen: 6 U 70/97

(OLG Köln: Urteil v. 30.07.1997, Az.: 6 U 70/97)

1. Die nach § 25 UWG grundsätzlich vermutete Dringlichkeit ist widerlegt, wenn ein Wettbewerber nach Erstattung einer Strafanzeige wegen angeblichen Geheimnisverrat (§ 17 UWG) noch ca. 1 1/2 bzw. 3 Monate mit der Einreichung eines Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung (Unterlassungsverfügung) zuwartet, ohne daß zwischenzeitlich weitere erhebliche Erkenntnisse in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht hinzugewonnen werden konnten.

2. Verwertet der Anbieter hochkomplexer Platinen bei deren Entwicklung - ohne Zugriff auf den geheimen Quellcode (hier: Quellcode des NanoKernels) seines Konkurrenten - ihm von dritter Seite zur Verfügung gestellte Hard- und Software, liegt ein Verstoß gegen § 1 bzw. gegen § 17 UWG (Geheimnisverrat) auch dann nicht vor, wenn das Drittunternehmen seinerseits von dem Konkurrenten mit der entsprechenden Hard- bzw. Software beliefert worden und bei der Weitergabe nicht mehr geheimhaltungspflichtig war.

3. Zum Problem des Betriebsgeheimnisses in der EDV-Technologie.

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 8. November 1996 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 167 / 96 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der

Antragstellerin ist zwar insgesamt zulässig. In der Sache hat das

Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen

erstinstanzlichen Urteil den Erlaß der begehrten einstweiligen

Verfügung abgelehnt. Denn der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag

erweist sich teilweise als unzulässig, im übrigen aber jedenfalls

als unbegründet.

Soweit die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren auf den

Vorwurf des angeblich unzulässigen Ausspannens von Mitarbeitern

durch Verleiten zu einem durch diese begangenen Vertragsbruch oder

zumindest das Ausnutzen eines derartigen Vertragbruchs gründet,

weil die Antragsgegnerin ihre ehemaligen Mitarbeiter A. und H.

bereits beschäftigt habe, als deren mit ihr - der Antragstellerin -

eingangene Arbeitsverhältnisse noch nicht beendet gewesen seien,

ist der Antrag von vorneherein unzulässig. Insoweit fehlt dem

Unterlassungsbegehren die für den Erlaß der einstweiligen Verfügung

vorauszusetzende Dringlichkeit. Diesbezüglich hat die

Antragstellerin die gemäß § 25 UWG grundsätzlich zu ihren Gunsten

sprechende Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Denn die

Dringlichkeit eines Verfügungsbegehrens geht verloren, wenn der

Antragsteller mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet ( vgl. für

viele: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl.,

Kapitel 54, Rdn. 24 ). In bezug auf den eingangs erwähnten, der

Antragsgegnerin angelasteten Wettbewerbsverstoß des angeblich

unlauteren Ausspannens und Beschäftigens ehemaliger Mitarbeiter der

Antragstellerin liegt der Fall so aber hier. Der Antragstellerin

war bei Stellen der Strafanzeige vom 20. Juni 1996 der diesem

Vorwurf zugrundeliegende maßgebliche Sachverhalt bekannt. Aus den

zur Begründung dieser Strafanzeige unterbreiteten Ausführungen geht

hervor, daß sie nicht nur wußte, welche konkreten Mitarbeiter die

Antragsgegnerin angeblich " ausgespannt " habe, sondern daß sie

darüber hinaus auch Kenntnis davon hatte, daß die Antragsgegnerin

diese - wie unstreitig ist - bei der Entwicklung und der

Vermarktung der Konkurrenz-Platine einschließlich der darauf

befindlichen Prozessoren (Transputer-Modul und PPC) nebst

erforderlicher Betriebssoftware bereits eingeschaltet hatte, als

deren Arbeitsverhältnisse mit ihr - der Antragstellerin - noch

nicht beendet gewesen seien. Ihr war schließlich ebenfalls bekannt,

daß diese Konkurrenz-Platine an ihre, der Antragstellerin, Kundin

A. geliefert werden sollte. Angesichts dieses Kenntnisstandes der

Antragstellerin und der bestehenden Möglichkeit(en) der

Glaubhaftmachung zumindest durch eidesstattliche Versicherung(en),

ist kein berechtigter Grund nachvollziehbar gemacht, weshalb sie

gleichwohl noch bis zum 20. September 1996 zögerte, um eine auf den

hier fraglichen Vorwurf gestützte einstweilige Verfügung zu

beantragen. Dies würdigend ist vielmehr davon auszugehen, daß die

Antragstellerin durch das Verstreichenlassen einer nicht

unerheblichen Zeitspanne bis zur Beantragung der einstweiligen

Verfügung selbst zum Ausdruck gebracht hat, daß es ihr mit dem auf

den vorbezeichneten Vorwurf gegründeten Unterlassungsverlangen in

Wirklichkeit nicht so eilig ist, als daß es ihr unzumutbar wäre,

hierüber im Hauptsacheverfahren einen Titel zu erwirken.

Entsprechendes gilt, soweit die Antragstellerin ihr

Unterlassungsbegehren darauf stützt, daß die Antragsgegnerin die

für die Entwicklung und Vermarktung ihrer konkurrierenden

Multiprozessor-Platine nötigen Kenntnisse nur unter Ausnutzung des

vertragsbrüchigen Verhaltens ihrer - der Antragstellerin - früheren

Mitarbeiter, vor allem aber des Herrn P. H., habe erlangen können.

Auch in bezug auf diesen, der Antragsgegnerin zur Last gelegten

Wettbewerbsverstoß lagen der Antragstellerin bereits bei Stellen

der Strafanzeige im Juni 1996 die maßgeblichen Erkenntnisse nebst

Mitteln zur Glaubhaftmachung vor, die sie in die Lage versetzt

hätten, bereits zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber erheblich vor

dem tatsächlichen Einreichen des Antrags auf Erlaß einer

einstweiligen Verfügung am 20. September 1996, die Rechtsverfolgung

durch Beschreiten des Verfahrens der einstweiligen Verfügung

aufzunehmen.

Ob dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung weiter

ebenfalls die Dringlichkeit abzusprechen ist, soweit die

Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren im übrigen aus den

Gesichtspunkten der unbefugten Verwertung von zu ihren - der

Antragstellerin - Gunsten geschützter Betriebsgeheimnisse und

ferner des "sklavischen Nachbaus"

herleiten will, kann allerdings offenbleiben. Zwar spricht auch

hier nach dem eigenen vorprozessualen Vorgehen der Antragstellerin

alles für eine Widerlegung der grundsätzlich zunächst zu ihren

Gunsten streitenden Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG. Ihr waren

nämlich auch hier die wesentlichen Tatsachen bereits bei Stellen

der Strafanzeige am 20. Juni 1996, spätenstens aber Anfang August

1996 bekannt: Schon zu diesem Zeitpunkt wußte sie - wie aus der

genannten Strafanzeige hervorgeht - nicht nur vom Wechsel

insbesondere des ihren Darlegungen nach ganz maßgeblich mit der

Entwicklung des Betriebssystemprogramms inkl. NanoKernel ihrer

Platinen TPM-MPC-604 und L-PMPC-10 bzw. der darauf befindlichen

Prozessoren befaßten ehemaligen Mitarbeiters H. sowie ihres für die

Kundin A. zuständigen ehemaligen Geschäftsführers Augspurger zur

Antragsgegnerin. Ihr lag darüber hinaus auch schon ein Gutachten

des Sachverständigen S. vor, welches - wie unstreitig ist - gerade

zu der Frage Stellung bezog, ob das Produkt der Antragsgegnerin

eine Nachahmung der Platinen der Antragstellerin darstelle, die nur

bei Heranziehung von zu ihren - der Antragstellerin - geschützten

Betriebsgeheimnissen möglich gewesen sei. Dem in der

Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Aachen 31 Js 912/ 96

enthaltenen Vermerk vom 8. August 1996 ( = Bl. 171 d. A. )läßt sich

ferner entnehmen, daß dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zum

damaligen Zeitpunkt " Teile des Ermittlungsvorgangs " in Fotokopie

zur Verfügung gestellt wurden, was aber wiederum die Annahme

nahelegt, daß sich hierunter auch die am 30. Juli 1997

beschlagnahmte sog. " Krauthausen-Kladde " befand, aus welcher die

Antragstellerin weitere maßgebliche Erkenntnisse gewonnen haben

will, die ihr erst die Beantragung der einstweiligen Verfügung mit

hinreichender Erfolgsaussicht ermöglicht hätten. Selbst bei

Einbezug der Erwägung, daß die Antragstellerin hierfür noch einer

abschließenden gutachterlichen Bewertung des Anfang August 1996 zur

Verfügung gestellten Materials bedurfte, ist nicht ohne weiteres

nachvollziehbar, daß und weshalb noch eine Zeitspanne bis zum 20.

September 1997 verstreichen mußte, um schließlich die einstweilige

Verfügung beantragen zu können. Angesichts des bereits vorher

bestehenden Kenntnisstandes hätte der Antragstellerin vielmehr Eile

oblegen. Da sich ihrem Vortrag aber schon nicht entnehmen läßt,

wann sie den Sachverständigen S. mit der Erstellung des zweiten

Gutachtens beauftragte, läßt sich nicht erkennen, inwiefern sie

hierbei mit der gebotenen Zügigkeit vorgegangen ist.

Letzlich kann es jedoch dahinstehen, ob die Antragstellerin in

bezug auf die letzgenannten, der Antragsgegnerin angelasteten

Wettbewerbsverstöße zu lange mit der Rechtsverfolgung gewartet hat

und daher die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG widerlegt ist.

Diese Frage kann hier deshalb unentschieden bleiben, weil es sich

bei dem Dringlichkeitserfordernis um eine besondere Ausprägung des

allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses handelt, bei welchem der

Grundsatz des logischen Vorrangs der Prozeßvoraussetzungen nur

eingeschränkt gilt ( vgl. BGH NJW 1978, 2032; Teplitzky,

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Auflage, 54. Kapitel, Rdn. 15

). Danach steht das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses nur

zusprechenden Entscheidungen im Wege, wohingegen das Vorliegen des

Rechtsschutzbedürfnisses offenbleiben kann, wenn die Klage oder der

Antrag ohnehin aus anderen Gründen, auch solchen materieller Art,

scheitert. So liegt der Fall aber hier. Soweit die Antragstellerin

ihr Unterlassungsbegehren auf die angeblich unbefugte Verwertung

rechtwidrig mitgeteilter Betriebsgeheimnisse ( §§ 17, 1 UWG ) sowie

ferner auf einen nach § 1 UWG angeblich unzulässigen " sklavischen

Nachbau " ihrer Multiprozessor-Platinen TPM-MPC-604 und L-PMPC-10

stützt, ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

jedenfalls unbegründet.

Der Antragstellerin ist insoweit die für den Erlaß der begehrten

einstweiligen Verfügung erforderliche Glaubhaftmachung der

tatsächlichen Voraussetzungen ihres Unterlassungsbegehrens nicht

gelungen.

Soweit die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch aus den

§§ 17, 1 UWG herleiten will, weil die Antragsgegnerin angeblich bei

der Entwicklung ihrer Konkurrenz-Platine unbefugt fremde, nämlich

zu Gunsten der Antragstellerin geschützte Geschäftsgeheimnisse

verwertet habe, vermag sie damit im vorliegenden - summarischen -

Verfahren nicht durchzudringen. Dabei kann es dahinstehen, welche

der Begehungsalternativen der hier allein in Betracht zu ziehenden

Bestimmung des § 17 Abs. 2 UWG als Grundlage eines derartigen

Unterlassungsanspruchs heranzuziehen ist. Das ist hier deshalb

nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil jedenfalls schon

nicht ersichtlich ist, inwiefern die Antragsgegnerin im Streitfall

überhaupt "Betriebsgeheimnisse" i. S. der genannten Vorschrift

verwertet hat.

Begriffliches Merkmal eines Betriebsgeheimnisses ist u. a., daß

dieses anderen nicht oder nicht leicht zugänglich ist (

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 7 zu § 17

UWG ). Offenkundige Tatsachen, nämlich solche, die allgemein

bekannt sind oder für jeden Interessenten ohne große Schwierigkeit

und Aufwand mit lauteren Mitteln erfahren werden können, können

folglich nicht Betriebsgeheimnisse sein ( vgl. Baumbach-Hefermehl,

a. a. O. ). Daß es sich bei den von der Antragsgegnerin im

Zusammenhang mit der Entwicklung der Konkurrenz-Platine unstreitig

verwendeten Informationen und Vorlagen der Antragstellerin aber um

Betriebsgeheimnisse im Sinne der vorstehenden Definition und nicht

etwa - wie die Antragsgegnerin dies behauptet -um offenkundige

Tatsachen handelt, hat die Antragstellerin indessen nicht glaubhaft

gemacht.

Die Antragstellerin hat unter Vorlage des

Sachverständigengutachtens S. vom 14. September 1996 im einzelnen

dargelegt, welche Informationen sie als " Betriebsgeheimnisse "

versteht und daß diese der Antragsgegnerin bei der Entwicklung der

unstreitig funktionsidentischen Konkurrenz-Platine angeblich

notwendig vorgelegen haben müßten. Nach dem Vortrag der

Antragstellerin handele es sich hierbei sämtlich um

Entwicklungsdetails, die weder in den Dokumentationsunterlagen der

Hersteller der verwendeten Bauteile ( Transputer-Modul und Motorola

Power PC ), noch in den der Kundin A. auf der Grundlage des in die

Rahmenvereinbarung vom 6. Juli 1994 einbezogenen

Software-Óberlassungsvertrags zur Verfügung gestellten Unterlagen

enthalten , noch im Internet oder in sonstiger Weise veröffentlicht

seien. Dem stehen jedoch die durch das Gutachten des

Sachverständigen Keutgen vom 5. September 1996 wiederum gestützen

Ausführungen der Antragsgegnerin entgegen, wonach es sich bei

diesen Informationen und Details um solche handele, die allgemein,

jedenfalls aber mit nur geringem Aufwand ohne weiteres zugänglich

seien. Auch nach den weiteren Ausführungen der Antragstellerin,

wonach allein unter Heranziehung der der A. überlassenen Hardund

Software und der einer Drittfirma ( RH & S ) lizensierten und

frei zugänglichen "Software Power Tools" bzw. des "Objekt-Codes" (

Bl. 350 d. A. ) die Entwicklung der Platine mit der ihrem - der

Antragstellerin - Produkt identischen Funktion nicht ohne Zugriff

auf das zweifellos "geheime" Quellprogramm des NanoKernels möglich

gewesen wäre, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn die

Antragegnerin hat demgegenüber eingewandt und ebenfalls wiederum

durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Keutgen vom 5.

September 1996 glaubhaft gemacht, daß ihr die Entwicklung der

Platine durch Heranziehung von Informationen und Kenntissen

ermöglicht worden sei, die auch ohne Zugriff auf das Quellprogramm

allgemein zugänglich sind: Danach sei ihr auch ohne Zugriff auf den

Quellcode des NanoKernels allein aufgrund der ihr von der A.

überlassenen Platine sowie der dieser Firma zur Verfügung

gestellten Software ("Objektprogramme") der Antragstellerin und

unter Heranziehung der nach der eigenen Bestätigung der

Antragstellerin (Anlage B 5) frei zugänglichen, der Fa. R.

lizensierten "Software Power Tools" die Entwicklung der

funktionsidentischen Konkurrenz-Platine in der hier in Rede

stehenden, gegenüber der Entwicklungszeit der Antragstellerin

verhältnismäßig kurzen Zeit möglich gewesen. Zu den sich damit

widersprüchlich gegenüberstehenden, durch jeweils kontroverse

Sachverständigengutachten belegten Behauptungen der Parteien

betreffend die Notwendigkeit des Zugriffs der Antragsgegnerin auf

den geheimen Quellcode des NanoKernels erbrachte auch die mündliche

Anhörung der Sachverständigen im Termin am 27. Juni 1997 keine

Klärung. Diese bekräftigten vielmehr die in ihren schriftlichen

Gutachten jeweils formulierten verschiedenen, sich widersprechenden

Ergebnisse. Da jedoch die Antragstellerin die Darlegungs- und

Beweislast für ihre Behauptung trifft, wonach die Antragsgegnerin

bei der Entwicklung der Konkurrenz-Platine Betriebsgeheimnisse bzw.

konkret Informationen aus dem Quellprogramm des NanoKernels

verwertet habe, wirkt sich diese prozessuale Situation ( " non

liquet " ) zu ihren Lasten aus.

Eine abweichende Beurteilung ist dabei auch nicht im Hinblick

auf die im Rahmen der mündlichen Erörterung seines schriftlichen

Gutachtens gemachten Ausführungen des Sachverständigen Keutgen

gerechtfertigt, wonach die unstreitig für die Entwicklung der

Konkurrenz-Platine erforderlichen, in dem gegnerischen

Sachverständigengutachten S. vom 14. September 1996 unter Ziff 3.3

(Bl. 43 ff des Gutachtens, Anlage A 5) dargestellten Informationen,

bei denen es sich nach der Behauptung der Antragstellerin um

Betriebsgeheimnisse handele, entweder durch ein besonderes Programm

oder durch einen Logikanalysator ermittelt werden müssen. Die

Antragsgegnerin hat hierzu behauptet, daß es sich hierbei um ein

mit geringem Aufwand und ohne größere Schwierigkeiten allein

aufgrund der von A. zur Verfügung gestellten "Software Power Tools"

zu bewerkstelligende Maßnahme handele. Eine derartige, dem

Interessierten ohne größere Schwierigkeiten und nur mit geringem

Aufwand eröffnete Möglichkeit, von einer Tatsache Kenntnis zu

erlangen, beseitigt deren Offenkundigkeit aber nicht und erhebt sie

daher auch nicht in den Rang eines Betriebsgeheimnisses. Daß die

Fa. A., der ein zeitlich unbeschränktes und unwiderrufliches

Nutzungsrecht an der ihr überlassenen Software eingeräumt worden

war ( Vgl. Ziff 2. 2. des Software- Óberlassungsvertrags )

ihrerseits nicht berechtigt gewesen wäre, der Antragsgegnerin die

Unterlagen und "Software Power Tools" zur Verfügung zu stellen, und

sich die Antragsgegnerin daher die vorbezeichnete Kenntnis nicht

mit " lauteren " Mitteln verschafft hätte, läßt sich weder dem

Vortrag der Antragstellerin, noch dem Sachverhalt im übrigen ohne

weiteres entnehmen. Aus der unter dem Datum des 10. Dezember 1993

geschlossen Geheimhaltungsvereinbarung zwischen der Antragstellerin

und A. (Anlage A 6 ) ergibt sich dies nicht. Denn diese

Geheimhaltungsvereinbarung galt ausweislich ihrer unter Ziff. 3

formulierten Klausel nur bis zum Abschluß eines

"Zusammenarbeitsvertrags"; danach sollten die in diesem Vertrag

vereinbarten Festlegungen zur Geheimhaltung gelten. Aus der daher

für die Beurteilung einer Geheimhaltungspflicht der Fa. A.

maßgeblichen späteren Rahmenvereinbarung nebst Softwareerstellungs-

und Softwareüberlassungsvertrag ergibt sich eine der Óberlassung

der hier fraglichen Unterlagen entgegenstehende

Geheimhaltungspflicht der Fa. A. aber nicht ohne weiteres.

Gleiches gilt im Hinblick auf die in dem "Memo A." vom 28. April

1996 ( Bl. 268 d. A. ) angesprochene Verwendung eines " Parsytec

Testprogramms ", welches von Herrn P. H. für den Power PC und die

Schnittstelle zur Verfügung gestellt worden sei. Daß es sich

hierbei um ein " Betriebsgeheimnis " , mithin nicht um eine

Information gehandelt habe, welche die Antragsgegnerin aus den ihr

zur Verfügung gestellten Unterlagen nach vorbezeichneter

Vorgehensweise habe ermitteln können, hat die Antragstellerin

ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Einer solchen Glaubhaftmachung

hätte es aber angesichts des durch eidesstattliche Versicherung des

P. H. vom 9. Mai 1997 ( Bl. 345 f d. A. ) wiederum glaubhaft

gemachten Vorbringens der Antragsgegnerin bedurft, wonach es sich

bei dem erwähnten Testprogramm um ein in der Computerzeitschrift

"Byte" veröffentlichtes Programm mit der Bezeichnung "Bytemark"

gehandelt habe, welches in dem Memo von Herrn A. lediglich

versehentlich in der Annahme, dieses sei - da von Herrn H. als

ehemaligem Mitarbeiter der Antragstellerin zur Verfügung gestellt -

ein aus dem "Umfeld" der Antragstellerin stammendes Programm ( Bl.

322 f d. A. ), das deshalb als "Parsytec-Programm" bezeichnet

worden sei.

Ist nach alledem der Antragstellerin im vorliegenden

summarischen Verfahren die Glaubhaftmachung mißlungen, daß es sich

bei den von der Antragsgegnerin bei der Entwicklung der

Konkurrenz-Platine heranzuziehenden und herangezogenen

Informationen um zu ihren - der Antragstellerin - Gunsten

geschützte Betriebsgeheimnisse handelt, scheidet ein

Unterlassungsanspruch aus § 17 UWG i. V. mit § 1 UWG aus.

Entsprechendes gilt im Ergebnis, soweit die Antragstellerin ihr

Unterlassungsbegehren auf den Vorwurf eines " sklavischen Nachbaus"

ihrer - der Antragstellerin - Platine TPM-MPC-604 und der

Sonderform L-PMPC-10 stützt.

Die Óbernahme eines sonderrechtlich nicht geschützten fremden

Arbeitsergebnisses ist grundsätzlich frei. Weder die Tatsachen, das

das fremde Leistungsergebnis mit Mühen und Kosten errungen, noch

daß sklavisch nachgeahmt wurde, können per se die

Wettbewerbswidrigkeit nach § 1 UWG begründen. Es müssen vielmehr

besondere, an die Art und Weise der Benutzung und Auswertung des

fremden Leistungsergebnisses anknüpfende objektive und subjektive

Merkmale hinzukommen, die das Verhalten eines Nachahmers als

unlauter erscheinen lassen ( vgl. Baumbach-Hefermehl, a. a. O.,

Rdn. 442, 445, 448 zu § 1 UWG m. w. N. ). Derartige

Unlauterkeitsmerkmale, die den Nachbau der Multiprozessor-Platine

durch die Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig i. S. von § 1 UWG

erscheinen lassen, sind hier jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Es ist zwar richtig, daß sich eine Nachahmung dann als

sittenwidrig darstellt, wenn sich der Nachahmende die dafür nötigen

Kenntnisse auf unredliche Weise gegenüber dem Ersthersteller

erschlichen hat ( Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Rdn. 476 zu § 1 UWG

). Das Unlauterkeitskriterium des " Erschleichens " setzt jedoch

voraus, daß es sich bei den von der verschafften Kenntnis

betroffenen Umständen um solche handelt, die nicht offenkundig, dem

Nachahmer also nicht ohne weiters zugänglich waren (

Baumbach-Hefermehl, a. a. O., Rdn. 477 zu § 1 UWG ). Daß es sich

bei den von der Antragsgegnerin bei der Entwicklung der

Konkurrenz-Platine heranzuziehenden Kenntnissen aber um solche

handele, die nicht im vorbezeichneten Sinne " offenkundig " waren,

hat die für die tatsächlichen Voraussetzungen des

Wettbewerbsverstoßes darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtige

Antragstellerin aus den oben bereits dargestellten Gründen indessen

nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig ( § 545 Abs.

2 ZPO ).






OLG Köln:
Urteil v. 30.07.1997
Az: 6 U 70/97


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