Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 3. Dezember 2008
Aktenzeichen: 22 U 23/07

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 03.12.2008, Az.: 22 U 23/07)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 22. Dezember 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 156.661,64 €.

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Auf die Hinweise des Senats im Beschluss vom 10. September 2008 wird Bezug genommen.

Auch nach erneuter eingehender Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz vom 11. November 2008 bleibt der Senat bei seiner Auffassung, dass der Zweitbeklagte nicht verpflichtet ist, aus einem €haftungsrechtlich erheblichen Sachverhalt ab 4. Januar 2001€ der Insolvenzmasse 156.661,64 € Schadensersatz zu leisten.

Der Zweitbeklagte hat während seiner achtmonatigen Tätigkeit als Aufsichtsrat der Insolvenzschuldnerin seine Pflichten nicht verletzt, insbesondere nicht dadurch, dass er den Vorstand nicht entlassen hat, was er allein in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat ohnehin nicht konnte. Zu einem solch weitreichenden Schritt gab es keine stichhaltigen Gründe. Vor seiner Entpflichtung als Aufsichtsrat am 15. Februar 2001 existierte noch kein Jahresabschluss des ersten Rumpfgeschäftsjahres, so dass eine Überschuldung der Gesellschaft nicht festzustellen war. Es lag deshalb auch kein dringender Fall im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG vor, welcher den Zweitbeklagten verpflichtet hätte, eine gerichtliche Entscheidung zur Ergänzung des Aufsichtsrates zu beantragen. Der Senat hält auch an seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung fest, dass es zeitlich nicht möglich gewesen wäre, unter Einschaltung der Gerichte im Streit mit dem Vorstand bis zu seiner Ablösung am 15. Februar 2001 eine rechtskräftige Nachbesetzung des Aufsichtsrates zu erreichen, zumal für November 2000 zu diesem Zweck bereits eine - später verschobene - Hauptversammlung anberaumt war. Der Aufsichtsrat ist nicht verpflichtet, die laufende Buchführung zu kontrollieren. Ein Unternehmenskonzept lag vor. Sein Schreiben vom 22. September 2000 beweist, dass der Zweitbeklagte die bisherigen Maßnahmen des Vorstandes kritisch begleitet hatte.

Der Senat sieht keine Veranlassung, den vom Zweitbeklagten als Aufsichtsratsvorsitzenden zu fordernden Überwachungsstandard hochzuschrauben. Er setzt sich hiermit auch nicht in Widerspruch zur vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. März 1984 - 6 U 75/83 (WM 1984, 1080), in der verlangt wird, der Aufsichtsrat müsse €sich - wenigstens in groben Zügen - ein Bild von dem in Angriff genommenen Investitionsvorhaben€ machen. Das ist geschehen, über die Investorensuche für die für eine Beschaffung von Flugzeugen erforderlichen umfangreichen Investitionen war der Zweitbeklagte informiert.

Im Übrigen handelt es sich hier - im Gegensatz zu jenem Düsseldorfer Fall - nicht um eine Publikumsgesellschaft, welche die Gelder anonymer gutgläubiger Anleger verwaltete, sondern um eine Unternehmensgründung von fünf Kaufleuten mit einer bestimmten Geschäftsidee. Die geldgebenden Aktionäre (B, C, D, A, B) waren zugleich die handelnden Personen in Vorstand und Aufsichtsrat, die - an der Fortentwicklung ihres Projektes interessiert - besser informiert waren als der als einziger Beteiligter außenstehende Zweitbeklagte. Dass er - gar vor der Niederlegung des Aufsichtsratmandats der Frau B am 6. Oktober 2000 - hätte erkennen müssen, dass der Vorstand (also der Initiator und Mitgeldgeber A) €die Gemeinschuldnerin offensichtlich wirtschaftlich aussaugt€, ist abwegig. Selbst wenn er der Überzeugung gewesen wäre, dass A €offensichtlich die notwendigen Kenntnisse zur Geschäftsführung fehlten€, hätte er keine Chance gehabt, diesen als allein geschäftsführenden Vorstand abzulösen. Dass die tatsächlichen Machtverhältnisse in Aufsichtsrat und Hauptversammlung nicht so waren, dass der Zweitbeklagte eine Personal- und Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft gegen A und D betreiben und durchsetzen konnte, zeigt seine Entlassung auf der nächsten Hauptversammlung und die Fortführung des Unternehmens im gleichen Stil mit dem neuen Aufsichtsrat bis zur Insolvenzeröffnung im August 2003.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Der Senat weicht bei dieser Beurteilung eines Einzelfalls nicht von anderen Entscheidungen ab. Dass ein Aufsichtsrat generell nicht berechtigt oder verpflichtet sein kann, seine Beschlussfähigkeit durch einen Antrag nach § 104 AktG herbeizuführen, hat der Senat nicht geäußert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 03.12.2008
Az: 22 U 23/07


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