Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 6. Dezember 2005
Aktenzeichen: 11 U 28/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 06.12.2005, Az.: 11 U 28/05)

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

I.

Die zur selben Unternehmens-Gruppe wie die frühere Verfügungsbeklagte zu 1. gehörenden Firmen A, O1, und B GmbH, O2, nehmen die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) wegen urheberrechtswidriger und wettbewerbswidriger Benutzung von Konstruktionsdateien in Anspruch. Zwischen diesen Parteien werden mehrere Zivilrechtsstreitigkeiten vor dem Land- und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main geführt.

In der Sache 2/3 O 460/01 hat das Landgericht Frankfurt am Main durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 25.09.2003 den vorgenannten A/B-Unternehmen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz zuerkannt. Die Berufung der Verfügungsklägerin blieb im Wesentlichen ohne Erfolg (Senatsurteil vom 08.03.2005 - 11 U 57/03). Die gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich zurückgewiesen (Beschluss vom 24.11.2005 - I ZR 64/05).

Der Verfügungsbeklagte zu 1 ist Vizepräsident, der Verfügungsbeklagte zu 2 ( künftig: Beklagte zu 1 und 2 ) Präsident und Vorstandsvorsitzender der kanadischen Muttergesellschaft der Verfügungsklägerin in dem vorstehend bezeichneten Verfahren. Vor dem Hintergrund jenes Rechtsstreits verfasste der Beklagte zu 2 unter dem 30.11.2004 ein Schreiben an den Leiter der Rechtsabteilung der C, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 3 - 17 GA I Bezug genommen wird. Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) hat die Beklagten deshalb wegen unberechtigter Schutzrechts- bzw. Abnehmerverwarnung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat dem Antrag zunächst mit einstweiligen Verfügungen vom - Beschluss vom 22.12.2004 /10.01.2005 - stattgegeben und den Beklagten - soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse - untersagt

2. Abnehmern der Verfügungsklägerin gegenüber zu behaupten, sie beteiligten sich an einer unlauteren Ausnutzung der Technologie der A auf dem Gebiet der Heißkanal-Spritzgieß-Systeme , wenn sie Produkte der Verfügungsklägerin vertreiben, und/oder Abnehmer der Verfügungsklägerin aufzufordern, die A angesichts deren gewerblicher Schutzrechte über Absichten zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Verfügungsklägerin zu informieren, insbesondere, wenn dies mit Aussagen wie in dem Tenor der Verfügungsbeschlüsse vom 22.12.2004 und 10.01.2005 zu I.1. wiedergegebenen Schreiben und dessen Anlagen geschieht.

Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die einstweiligen Verfügungen mit dem angegriffenen Urteil teilweise, nämlich in Punkt 1., bestätigt und zu Punkt 2. aufgehoben.

Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt:

In dem angegriffenen Schreiben vom 30.11.2004 werde der Eindruck erweckt, dass es um die Verletzung gewerblicher Schutzrechte gehe, die einen Rechtsverstoß allein aufgrund des Vertriebs von X-Produkten einschließe. Ein Hinweis darauf, dass lediglich eine Beteiligung des Adressaten an der Herstellung von X-Produkten beanstandet werde, fehle. Die Auffassung des Landgerichts, das Schreiben richte sich gegen den Adressaten in seiner Funktion als Mithersteller der X-Produkte, finde in dem Schreiben selbst damit keine Stütze. Entsprechendes ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 17.02.2005, wo die Beklagten den Adressaten des beanstandeten Schreibens selbst ausdrücklich als Abnehmer bezeichneten. Die Beklagten hätten eine Herstellung durch den Adressaten des Schreibens nicht schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht. Zuletzt hätten sie ihn nur noch als Vertriebspartner der Klägerin dargestellt. Eine Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr werde auch nicht aufgrund von Verlautbarungen der Presse oder der Klägerin selbst ausgeschlossen. Soweit dort Abnehmer als "Systempartner€ bezeichnet würden, ersetze die Bezeichnung keinen substantiierten Vortrag zur Einbeziehung in die Verwendung von Konstruktionsdateien der Klägerin. Insbesondere ergebe sich kein Hinweis auf eine einschlägige Mittäterschaft, weil die Konstruktionszeichnungen Bestandteil der von der Klägerin an die Kunden herausgegebenen Handbücher seien und kein geheimes Know-how darstellten.

Das Landgericht habe übersehen, dass sie, die Klägerin, bestritten habe, dass den Abnehmern im Rahmen der Zusammenarbeit Konstruktionszeichnungen zur Verfügung gestellt worden seien. Damit sei eine gemeinsame Herstellung von X-Werkzeugen bestritten, weil eine Herstellung ohne Konstruktionszeichnungen nicht möglich sei.

Ob die Klägerin (vermeintlich) geheimes Know-how von A/B widerrechtlich verwerte, könne für den Rechtsstreit dahinstehen. Die Adressaten des angegriffenen Schreibens seien Abnehmer von Heißkanal-Spritzgieß-Systemen aus der Herstellung der Klägerin, die sie in eigene komplexere Anlagen einbauten. Das beanstandete Schreiben sei eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, weil A/B Urheberrechte an den Werkzeugen geltend mache, die nicht bestünden. Die Wettbewerbswidrigkeit ergebe sich schließlich auch daraus, dass die Beklagten in den beanstandeten Schreiben nicht nachvollziehbar und substantiiert darlegten, aufgrund welcher konkreten Sachverhalte sie meinen, die Abnehmer der Antragstellerin in Anspruch nehmen zu können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil vom 03.05.2005 abzuändern und die einstweiligen Verfügungen vom 22.12.2004 (gegen den Beklagten zu 2) und vom 10.01.2005 (gegen den Beklagten zu 3) - letztere in der Fassung des Berichtigungsbeschusses vom 12.04.2005 - zu bestätigen und die Verfügungsbeklagten zu verurteilen, Abnehmern der Verfügungsklägerin gegenüber zu behaupten, sie beteiligten sich an einer unlauteren Ausnutzung der Technologie der A auf dem Gebiet der Heißkanal-Spritzgieß-Systeme , wenn sie Produkte der Verfügungsklägerin vertreiben, und/oder Abnehmer der Verfügungsklägerin aufzufordern, die A angesichts deren gewerblicher Schutzrechte über Absichten zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Verfügungsklägerin zu informieren, insbesondere, wenn dies mit Aussagen wie in dem Tenor der Verfügungsbeschlüsse vom 22.12.2004 und 10.01.2005 wiedergegebenen Schreiben und dessen Anlagen geschieht.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil im Ergebnis. Sie meinen, es liege weder eine Abnehmerwarnung vor, noch wende sich das Schreiben an Abnehmer/Kunden der Klägerin, sondern an "technische Kooperationspartner€. Zu Unrecht habe das Landgericht deshalb das Schreiben überhaupt als Abnehmerverwarnung aufgefasst. Eine Abmahnung sei nicht erklärt worden.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die einstweiligen Verfügungen vom 22.12.2004 und vom 10.01.2005 hinsichtlich des allein noch streitigen Tenors zu Punkt 2. zu Recht aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob es - wie das Landgericht angenommen hat - an einer Wiederholungsgefahr deshalb fehlt, weil die Adressatin des Schreibens vom 30.11.2004 keine Abnehmerin, sondern Kooperationspartnerin der Klägerin ist.

Die Berufung hat nämlich schon deshalb keinen Erfolg, weil das Schreiben vom 30.11.2004 weder eine unrechtmäßige Schutzrechtsverwarnung noch eine unberechtigte Abmahnung darstellt.

1.) Da die Beklagten in dem angegriffenen Schreiben vom 30.11.2004 ausdrücklich ausführen, es könne mit einem hohen Grad an Sicherheit davon ausgegangen werden, dass X vertrauliches Know-how von A/B widerrechtlich verwerte, liegt der Fall einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung nicht vor. Die Beklagten beanstanden den Verrat von Geheimnissen durch die Entwendung von Unterlagen. Verwarnungen wegen Geheimnisverrats (§ 17 UWG) oder Vorlagenfreibeuterei (§ 18 UWG) sind keine Schutzrechtsverwarnungen, sondern wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (Omsels in Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG § 4 Nr. 10 Rn. 160; OLG Hamburg MD 03, 341, 345). Von einer typischen Schutzrechtsverwarnung ist daher nicht auszugehen. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagten berühmten sich auch urheberrechtlicher Ansprüche, kommt dies in jenem Schreiben an keiner Stelle hinreichend deutlich zum Ausdruck. Zwar wird dort auf einen gegenwärtigen Rechtsstreit verwiesen, dessen Gegenstand die "geistigen Eigentumsrechte von A/B€ auf dem Gebiet der Formwerkzeug- und Heißkanaltechnologie sind. Der Begriff "geistige Eigentumsrechte€ wird hier jedoch ersichtlich unspezifisch verwendet, während in den weiteren Passagen des Schreibens eindeutig auf die widerrechtliche Verwertung vertraulichen Know-hows abgestellt wird.

Ungeachtet dessen enthält das Schreiben auch dem Inhalt nach keine Schutzrechtsverwarnung. Von der Schutzrechtsverwarnung abzugrenzen sind bloße Berechtigungsanfragen oder Hinweise auf die Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten. Die Abgrenzung zur Schutzrechtsverwarnung erfolgt danach, wie der Empfänger das Anliegen unter den Umständen des konkreten Einzelfalls verstehen muss: als ernsthafte und endgültige Forderung, ein bestimmtes Verhalten sofort einzustellen, weil es ein Schutzrecht verletzt, oder als Aufforderung, sich über das Schutzrecht und eine Schutzrechtsverletzung Gedanken zu machen und ggf. zu einer möglichen Schutzrechtsverletzung zu äußern.

Die Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und die Androhung gerichtlicher Schritte sind für die Annahme einer Schutzrechtsverwarnung zwar hinreichende, aber nicht notwendige Bestandteile. Die ernsthafte und endgültige Unterlassungsforderung kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Die Behauptung eigener Nutzungsrechte mit der Aufforderung zur Stellungnahme reicht allerdings nicht aus (Omsels a. a. O. Rn. 161). In dem angegriffenen Schreiben vom 30.11.2004 ist ausdrücklich von einer "Befürchtung€ die Rede, dass die Adressatin "möglicherweise€ an der gewerblichen Verwendung von X-Produkten beteiligt sei, bei denen von A/B-Technologie Gebrauch gemacht werde. Zur genaueren Darstellung wird auf das beiliegende Memorandum des europäischen Patentdirektors der Beklagten verwiesen. Abschließend wird die Adressatin aufgefordert, ihre "Absichten hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zu X unter Achtung der geistigen Eigentumsrechte€ mitzuteilen.

Nach allem ist das Schreiben - jedenfalls aus der Sicht des Empfängerhorizonts - nicht als Schutzrechtsverwarnung, sondern als eine Aufforderung zur Stellungnahme zu werten. Dementsprechend hat die Adressatin auch reagiert und den Beklagten unter dem 3.12.2004 mitgeteilt, man sehe derzeit keine Notwendigkeit zur Abgabe einer Stellungnahme.

2.) Eine unberechtigte Abmahnung kann - auch wenn es nicht um eine Schutzrechtsverwarnung geht - allerdings gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoßen. Das ist jedoch nur ausnahmsweise der Fall, wenn zur mangelnden sachlichen oder rechtlichen Begründetheit der Abmahnung zusätzliche unlautere Umstände hinzutreten, zum Beispiel, wenn der Abmahnende Kenntnis von der mangelnden Berechtigung hat oder die Abmahnung irreführende Angaben enthält. Das bloße Fehlen greifbarer Anhaltspunkte für eine Abmahnung reicht nicht aus. Es ist dem Abmahnenden, der möglicherweise die näheren Umstände nicht kennt, nicht zuzumuten, lediglich aufgrund rechtlicher Zweifel eine Abmahnung zu unterlassen ( Köhler /Piper, UWG, 3. Aufl. § 1 Rn. 479; Omsels a.a.O. Rn. 153 ).

a) Bei dem Schreiben vom 30.11.2004 handelt es sich schon nicht um eine Abmahnung. Eine Abmahnung setzt voraus, dass die konkrete Verletzungsform so genau angegeben wird, dass der Abgemahnte den Vorwurf tatsächlich und rechtlich überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus ziehen kann. Die Abmahnung muss ferner das Verlangen nach Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung und eines Vertragsstrafeversprechens enthalten, wenn und soweit solche Verpflichtungen erforderlich sind, um die Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr zu beseitigen (Köhler/Piper UWG, a.a.O. vor § 13 Rn. 180 f.; Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig a. a. O. § 12 Rn. 43).

Danach erfüllt das Schreiben vom 30.11.2004 schon die inhaltlichen Kriterien an eine Abmahnung nicht. Die Aufforderung, sich zur Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin zu erklären, stellt - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung dar. Dem Schreiben vom 30.11.2004 fehlt gerade das erforderliche ernsthafte und endgültige Unterlassungsbegehren.

b) Ungeachtet dessen wäre nicht von einer wettbewerbswidrigen unberechtigten Abmahnung auszugehen. Es ist anerkannt, dass Beeinträchtigungen auch durch objektiv unberechtigte Abmahnungen in der Regel zumutbar und im Hinblick auf das Recht der Meinungsfreiheit des Abmahnenden hinzunehmen sind. Für den Vorwurf des Geheimnisverrats oder der Vorlagenfreibeuterei in diesem Bereich gilt grundsätzlich nichts anderes (OLG Hamburg MDR 03, 345).

c) Nichts anderes ergibt sich hier daraus, dass die Beklagten nicht die Klägerin als unmittelbare Wettbewerberin, sondern deren Abnehmerin /Kooperationspartnerin angeschrieben haben. Zwar kann auch eine externe Abmahnung gegenüber einem Dritten, der als potentiell Mitverantwortlicher angesprochen wird, geeignet sein, das Verhalten des Dritten zum Nachteil des Wettbewerbers zu beeinflussen. Das gilt zumindest dann, wenn die Abmahnung trotz überzeugender Gegenvorstellung aufrechterhalten wird ( Köhler/Piper a.a.O. Rn. 480 ). Daran fehlt es jedoch hier ebenfalls. Selbst wenn man das Schreiben vom 30.11.2004 als unberechtigte Abmahnung werten wollte, zeigt die Reaktion der Adressatin keineswegs, dass sie sich hiervon in ihrem wettbewerblichen Verhalten zum Nachteil der Klägerin beeinflussen lassen könnte. Wie dargelegt, hat die Adressatin noch nicht einmal die erbetene Stellungnahme für erforderlich gehalten.

3.) Ist nach allem das Schreiben nicht als Schutzrechtsverwarnung oder Abmahnung, sondern lediglich als eine Aufforderung zur Stellungnahme zu werten, so ist es weder unter dem Gesichtspunkt der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung noch demjenigen der unberechtigten Abmahnung wettbewerbswidrig und stellt keinen unberechtigten Eingriff in den Gewerbebetrieb dar.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung daher zu Recht abgelehnt. Die Berufung war deshalb mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 06.12.2005
Az: 11 U 28/05


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