Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juli 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 10/01

(BPatG: Beschluss v. 16.07.2002, Az.: 27 W (pat) 10/01)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. November 2000 wird aufgehoben.

Der international registrierten Marke 685 108 wird für die Bundesrepublik Deutschland wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 017 204 der Schutz für "vêtements, chapellerie" verweigert.

Gründe

I.

Die Markeninhaberin begehrt Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für ihre international ua für "vêtements, chapellerie" unter der Nr 685 108 registrierte Wortmarke GOLDIE Hiergegen richtet sich der auf "vêtements, chapellerie" beschränkte Widerspruch der Inhaberin der unter der Nr 1 017 204 registrierten, prioritätsälteren Wortmarke GOLDIX.

Die Markenstelle für Klasse 25 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen, weil selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe die jüngere Marke zur Widerspruchsmarke einen ausreichenden Abstand einhalte, so dass es auf die Fragen der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und der ausreichenden Glaubhaftmachung der von der Inhaberin der angegriffenen Marke zulässig bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke nicht ankomme. Die Differenz zwischen den Endbuchstaben der einander gegenüberstehenden Markenwörter sei so deutlich, dass im Gesamteindruck weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht Verwechslungsgefahr bestehe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, die von der jüngeren Marke erfassten Waren seien zu den Oberbekleidungsstücken der Widerspruchsmarke teils identisch (vêtements), teils ähnlich (chapellerie). Den daher erforderlichen großen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke nicht ein. Der allein abweichende letzte Buchstabe "E" der jüngeren Marke reiche weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht aus, die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Der Widerspruchsmarke, die von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweise, komme aufgrund umfangreicher Benutzung eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu; ihr sei daher ein erweiterter Schutzbereich zuzubilligen. Die Widersprechende hat sowohl im Verfahren vor der Markenstelle wie auch im Beschwerdeverfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung des Umfangs der Benutzung der Widerspruchsmarke vorgelegt.

Die Markeninhaberin ist der Ansicht, zwischen den einander gegenüberstehenden Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr. Beide Marken lehnten sich an das als verbraucht und daher kennzeichnungsschwach anzusehende Wort "Gold" an. Die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, eine gesteigerte Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke zu belegen. Die in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 18. Februar 2002 angegebenen Umsatzzahlen entfielen nur zur Hälfte auf Inlandsumsätze. Nur diese seien einer Beurteilung der Kennzeichnungskraft im Inland zugrundezulegen. Die vorgelegten Tabellen ließen weder die Auswahl der angesprochenen Händler noch die Fragestellung an diese erkennen; für die Frage der Bekanntheit der Widerspruchsmarke bei den Endabnehmern sei den Tabellen nichts zu entnehmen. Die voneinander abweichenden Endbuchstaben der jeweils kurzen Markenwörter seien optisch wie auch klanglich nicht zu verwechseln. Hinzu komme, dass "Goldie" ein weiblicher Vorname und der Name einer Comic-Figur sei, was ebenfalls zur Unterscheidung der Marken beitrage.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre Standpunkte erläutert und vertieft. Die Widersprechende hat ein Rundschreiben "markt intern" vorgelegt, das einen Fragebogen für eine Umfrage enthält und aus dem hervorgeht, dass sich diese Umfrage an mehr als 14.000 DOB-Fachhändler richtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Auf die zulässige und begründete Beschwerde der Widersprechenden war wegen bestehender Verwechslungsgefahr der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben und der angegriffenen IR-Marke der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für "vêtements, chapellerie" zu versagen (§§ 9 Abs 1 Nr 2, 107, 114 MarkenG).

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfaßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999, aaO, RdNr 26).

Die einander gegenüberstehenden Waren "vêtements" einerseits und "Oberbekleidungsstücke" andererseits sind identisch; hinsichtlich der Waren "chapellerie" besteht zu "Oberbekleidungsstücken" eine enge Ähnlichkeit, da Kopfbedeckungen häufig in denselben Herstellungsstätten produziert werden wie Oberbekleidungsstücke, oft in der Stoffbeschaffenheit übereinstimmen, ebenso wie Oberbekleidungsstücke sowohl dem Schutz als auch dem Schmuck des Körpers dienen und auch häufig in denselben Verkaufsstätten angeboten werden, so dass die angesprochenen Verkehrskreise sie als ähnlich ansehen.

Es kann dahinstehen, ob die Widerspruchmarke von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist oder ob sie im Hinblick auf eine mögliche Anlehnung des Markenworts an den auch in Marken, die für Waren der Klasse 25 eingetragen sind, häufig verwendeten Begriff "Gold" trotz ihrer insgesamt phantasievollen Wortbildung als (leicht) unterdurchschnittlich anzusehen wäre. Denn die Widerspruchsmarke wird, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt, seit vielen Jahren im Inland in ganz erheblichem Umfang benutzt, denn auch die Hälfte des dargelegten jeweiligen Jahresumsatzes stellt einen ganz erheblichen Inlandsumsatz dar. Als gut eingeführter Marke ist ihr daher zumindest eine etwas über dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft zuzubilligen.

Unter Berücksichtigung der bestehenden Ähnlichkeit bzw Identität der einander gegenüberstehenden Waren und einer gut durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht die Abweichung der jüngeren Marke im letzten nach fünf identischen Buchstaben jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht aus, Verwechslungen in markenrechtlich relevantem Umfang hinreichend sicher auszuschließen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zwar einerseits der Verbraucher in der Regel beim Kauf von Bekleidungsstücken mindestens normale Aufmerksamkeit aufwenden wird, andererseits nimmt er die beiden Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahr und ist bei der Zuordnung der Marke auf seine Erinnerung angewiesen. Hierbei gilt, dass Übereinstimmungen deutlicher in der Erinnerung bleiben als Abweichungen und der Wortanfang besser als das Wortende. In Anbetracht dessen ist in erheblichem Maße davon auszugehen, dass einem Verbraucher, der beim Kauf von Oberbekleidung die jüngere Marke sieht und das Schriftbild der Widerspruchsmarke im Gedächtnis hat (oder umgekehrt), die Abweichung im letzten Buchstaben nicht bemerkt und die Marken miteinander verwechselt. Da die Übereinstimmung in schriftbildlicher Hinsicht allein in der Regel ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr insgesamt zu bejahen (BGH MarkenR 1999, 57, 59 - Lions), und hier keine Umstände ersichtlich sind, die ein Abweichen von dieser Regel begründen könnten, kam es auf die Frage, ob Verwechslungsgefahr auch in klanglicher Hinsicht vorliegt, nicht mehr an.

Auf die Beschwerde war daher der Beschluss der Markenstelle aufzuheben und der jüngeren Marke in Bezug auf die angegriffenen Waren der Schutz zu versagen.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dr. Schermer Schwarz Friehe-Wich Pü






BPatG:
Beschluss v. 16.07.2002
Az: 27 W (pat) 10/01


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