Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 68/99

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2005, Az.: 28 W (pat) 68/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die nachfolgend wiedergegebene dreidimensionale Marke 397 32 115.5/29 ist ursprünglich angemeldet worden für die Waren

"Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter, Käse, Sahne Yoghurt, Quark, Trockenmilch für Nahrungszwecke; Margarine, Speiseöle und Speisefette."

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Anmeldung die Eintragung teilweise, nämlich für alle Waren bis auf "Milch, Speiseöle", wegen fehlender Unterscheidungskraft und unter Hinweis auf die Formenvielfalt der versagten Waren, vor allem Käse, verweigert, die dazu führe, dass der Verkehr selbst die erstmalige Verwendung einer speziellen Warengestaltung solange nicht als herkunftshinweisend werte, wie die Form sich wie hier im Rahmen der Verkehrsüblichkeit bewege. Die Beschwerde vor dem Bundespatentgericht ist aus denselben Gründen erfolglos geblieben.

Die Anmelderin hat ihr Schutzbegehren mit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof weiterverfolgt, der daraufhin die Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen hat. Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Marke sei markenfähig (§ 3 Abs 1 und 2 MarkenG) und verfüge auch im Zusammenhang von Milchprodukten wie Käse über Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Für deren Beurteilung sei die Vorstellung des angesprochenen Verkehrs, der vom durchschnittlich verständigen, aufmerksamen und durchschnittlich informierten Durchschnittsverbraucher gebildet werde, zugrunde zu legen, dass die konkrete Warenform - soweit es sich nicht um eine ganz verkehrsübliche Form handele - etwas über die Herkunft aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb besage. Denn wie sich aus einer von der Anmelderin zitierten Verkehrsbefragung zu einer anderen Käseform ergebe, habe für 42,7 % der befragten Käsekäufer die bloße Form eines Käses einen hohen Wiedererkennungswert; die dort betroffene "Blütenform" sei von einem nicht unwesentlichen Teil dieser Befragten als Herkunftshinweis gesehen worden. Bei anderen Milchprodukten wie Butter könne dies jedoch anders sein, denn diese werde in kleinen Darreichungsformen häufig in einer der Anmeldeform ähnlichen Gestaltung rein dekorativ verwendet. Bei der Beurteilung eines der Eintragung möglicherweise entgegenstehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, dessen Vorliegen nunmehr vom Bundespatentgericht geprüft werden müsse, sei das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt einzubeziehen (EuGH GRUR 2003, 514 - Linde).

Die Anmelderin hat im Zuge des daraufhin fortgeführten Beschwerdeverfahrens das Verzeichnis der noch streitigen (versagten) Waren auf "Milchprodukte, nämlich Käse" beschränkt und sich zur Frage des Freihaltebedürfnisses dahin geäußert, dass die im Markt angebotenen Käseprodukte ganz überwiegend lediglich die Grundformen (Rad, Torte, Rolle) aufwiesen, so dass die Variationsmöglichkeiten bei der Gestaltung von Produkten im maßgeblichen Warenbereich nicht beschränkt seien und dementsprechend das Allgemeininteresse nicht tangiert werde. Im Übrigen sei bei der Prüfung auf Schutzgewährung zu beachten, dass vorliegend die Frage der Unterscheidungskraft aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung und der damit bestehenden Bindungswirkung nach § 89 MarkenG nicht mehr zur Disposition stünde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.

Gegenstand des Schutzbegehrens ist eine dreidimensionale Darstellung, die sich in der naturgetreuen Wiedergabe der äußeren Form der einzig noch im Streit stehenden Ware selbst (nämlich Käse) erschöpft. Für den Senat besteht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Anlass, der beanspruchten Darstellung die abstrakte Markenfähigkeit nach § 3 Abs 1 MarkenG abzusprechen, auch wenn ein Zeichen kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware selbst sein darf, sondern über die technisch bedingte Grundform hinausreichende Elemente aufweisen muss, die zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware abstrahierbar sind und die Identifizierungsfunktion der Marke erfüllen können (BGH GRUR 2004, 502 - Gabelstapler II). Für einen Ausschluss als Marke nach § 3 Abs 2 MarkenG (waren- oder funktionsbedingte Form) fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen. Dass die Marke damit den Voraussetzungen des § 3 Abs 2 MarkenG genügt, reicht entgegen der Auffassung der Anmelderin für eine Schutzgewährung aber nicht aus, vielmehr müssen zusätzlich noch die Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG geprüft werden, um die konkrete Eignung der Marke, unterscheidungskräftig zu wirken, festzustellen bzw ein eventuelles Freihalteinteresse der Mitbewerber auszuschließen.

Der Senat hat nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl etwa EuGH GRUR Int 2005, 135 - Maglite; GRUR 2004, 428 - Waschmittelflasche; GRUR 2004, 957 - Waschmitteltabs) wie des Gerichts erster Instanz (zB EuGH GRUR Int 2004, 664 - Flaschenform; T-396/02 vom 10. November 2004 - Bonbon; GRUR Int 2004, 515 - Standbeutel) zu Warenformmarken weiterhin Zweifel, ob der als Marke beanspruchten Formgestaltung von Hause aus konkrete Unterscheidungskraft zukommt, sieht sich jedoch durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in dieser Frage gebunden. Selbst wenn die Bindungswirkung des § 89 Abs 2 S 2 MarkenG auch im konkreten Einzelfall möglicherweise aufgrund der neueren Rechtsprechung des EuGH keinen Bestand haben sollte (vgl Baumbach-Lauterbach, 63. Aufl 2005, § 563 ZPO Rdn 5, 9), unterstellt der Senat zugunsten der Anmelderin, dass der Anmeldung nicht fehlende konkrete Unterscheidungskraft entgegengehalten werden kann.

Nach Ansicht des Senats steht der Eintragung der Marke jedoch zumindest das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses der Mitbewerber nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen, da die bloße Darstellung der Ware, in der sich hier die Marke erschöpft, zwangsläufig beschreibenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift hat als eine mögliche Form der Produktbeschaffenheit oder Zweckbestimmung bzw in der unmittelbaren Wiedergabe von Art und Beschaffenheit der Ware selbst (vgl etwa Ströbele in Festschrift Erdmann, 2002, S 491 ff, 498). Soweit in der Literatur vereinzelt behauptet wird, die Ware bzw ihre Form an sich beschreibe keine ihrer Eigenschaften (vgl neuerdings etwa Eisenführ in Festschrift Bartenbach, 2005, S 459 ff, 464), steht dies im Widerspruch zur Gesetzessystematik und läuft auf die Gleichstellung des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs 2 MarkenG mit dem Eintragungshindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG hinaus.

Nach den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH MarkenR 2003, 187 ff - Linde, Ziff 74 - 77) verfolgt das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass lediglich die Waren beschreibende Zeichen von allen frei verwendet werden können. Marken, die aus der Form der Ware bestehen, könnten zwar nicht grundsätzlich vom Schutz durch Eintragung ausgeschlossen werden, abzustellen sei vielmehr auf den konkreten Einzelfall, der nach Prüfung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Anmeldung und "insbesondere im Licht des Allgemeininteresses" entschieden werden müsse, das für den Senat nicht erst im Falle einer unmittelbaren oder tatsächlichen Behinderung, sondern bereits bei einer bloßen potenziellen Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert wird (vgl neuerdings zB auch Alber GRUR 2005, 127 ff, 129). In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Schranken, wonach die bestehende Formenvielfalt und die mögliche Variationsbreite zu beachten sind, ist im vorliegenden Fall ein Freihaltungsbedürfnis zu bejahen (die abweichende Meinung der Eidgenössischen Rekurskommission in einem ähnlich gelagerten Fall, für einen "Käse in Blütenform" bestehe kein Freihaltebedürfnis, wird mit keinem Wort näher begründet, vgl sic! 2002, 345 f, 347).

Bei der von der Anmelderin beanspruchten Warenform handelt es sich nach Ansicht des Senats lediglich um eine typische Kombination von Rund- und Ringform, bei der man zum Herausschneiden der Ringsegmente Ausbuchtungen gewählt hat, um eine möglichst gleichmäßige Portionierung der Ware zu ermöglichen. Von einer aus dem Rahmen des Verkehrsüblichen fallende Formgestaltung kann keine Rede sein und auch die von der Anmelderin immer wieder betonte "Blütenform" (vgl etwa ihre Ausführungen im Rechtsbeschwerdeverfahren) ist nichts weiter als der Versuch, Eigentümlichkeit und Originalität der Form im Sinne einer in der Rechtsprechung immer wieder geforderten "willkürlichen charakteristischen Gestaltung" zu begründen. Dem steht entgegen, dass gerade bei Weichkäse nicht nur die Rund- und Tortenform marktüblich ist, sondern dass dort besonders häufig mit Portionierungshilfen gearbeitet wird, sei es in Form eines auf den Käselaib geklebten Etikettes (vgl die Beispiele im Beschluss vom 19. Juli 2000 wie Cambozola Tortenbrie, Schweizer Appenzeller, Tortenbrie President usw) oder einer Folie mit entsprechenden Markierungen, sei es durch die Wahl der Warenform selbst mit Ecken (zB die Käsemarken Rambol, Saint Agur, Grünland, Jermi usw, die sämtlich als Oktaeder gestaltet sind) oder Einkerbungen (zB Produkte der Fa. Tholstrup oder der sog Mirabo der Anmelderin selbst). Die Verwendung solcher Hilfen ist letztlich durch die Beschaffenheit des Käses (eher weiche Konsistenz und damit eingeschränkte Schnittfestigkeit) vorgegeben. Damit beansprucht die Anmelderin nichts weiter als eine für die Ware Käse typische Grundform in geringfügiger Abwandlung, die indes trotz aller Formenvielfalt auf diesem Warengebiet nicht so deutlich aus dem Rahmen des Verkehrsüblichen fällt, dass sie den Mitbewerbern nicht mehr zur freien Verfügung stehen müsste. Das gilt gleichermaßen für das Loch in der Mitte des Käses, das sich als elementarer Bestandteil einer Vielzahl ringförmig gestalteter Käseprodukte diverser Hersteller (wie schon im Beschluss vom 2. August 2000 dokumentiert) als ebenfalls übliches Gestaltungsmerkmal darstellt.

Eine Schutzgewährung müsste demgegenüber für Mitbewerber (und das sind nicht nur große Lebensmittelkonzerne, sondern in erster Linie kleine Molkereien und bäuerliche Betriebe) zu ernsthaften Problemen führen, was mit dem Allgemeininteresse am freien Wettbewerb nicht mehr in Einklang zu bringen wäre. Konnten sich die Hersteller bislang auf die auf diesem Warengebiet bestehende Freiheit der Formenvielfalt verlassen, wie sie in einer Vielzahl von - zB im Beschluss vom 2. August 2000 genannten - Büchern und Darstellungen dokumentiert ist, müssten sie nunmehr vor der Herstellung und Vermarktung neuer Produkte umfangreiche Markenrecherchen durchführen lassen, deren Ausgang aufgrund der Unsicherheit über den Schutzumfang entsprechender Warenformmarken dennoch keine Rechtsklarheit böte. Zu bedenken ist, dass bei der Ware Käse nicht nur die stoffliche Beschaffenheit und damit die jeweilige Geschmacksrichtung eine Rolle spielt, sondern Käse dem Verbraucher seit jeher auch in unterschiedlichster Größe, Konsistenz wie auch Form angeboten wird, mit oder ohne Rinde ausgestattet ist und teils industriell, teils handwerklich gefertigt wird; daher erscheint es dem Senat für die Mitbewerber unabdingbar, dass Planung und Herstellung solcher Produkte des täglichen Bedarfs auch in der Zukunft frei von Markenrechten Dritter erfolgen kann und sich einzig an den technischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten, den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, den speziellen Kundenwünschen und auch dem momentan bevorzugten Gestaltungsrichtungen orientiert. Die Zuerkennung eines - zeitlich unbegrenzten - Markenrechts auf die Form eines solchen Produkts würde nicht nur zu einer beträchtlichen Unsicherheit und Einschränkung bei der Herstellung führen, auch der Markeninhaber selbst wäre zur ständigen Anmeldung von Produkten gezwungen, selbst wenn diese sich nur geringfügig vom vorhergehenden Modell unterscheiden. Zudem müsste er unentwegt den Markt der Mitbewerber beobachten, wobei der jeweilige Schutzumfang der dreidimensionalen Marke ungewiss ist, solange nicht feststeht, welche Teile hiervon nur herstellungstechnische oder gesetzliche Vorgaben erfüllen und damit schutzunfähig sind, denn vom Schutz umfasst sein können nur beliebige Designvarianten oder Kombinationen hiervon. Der jeweilige Schutz wird sich damit häufig nur auf geringfügige Formvarianten beschränken. Die Zuerkennung von Markenrechten liegt damit weder im Interesse der Mitbewerber noch der Markeninhaber selbst. Der Aufwand für die Verteidigung von dreidimensionalen Markenrechten dürfte bei Lebensmittelprodukten außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Nutzen stehen, denn die Kaufentscheidung wird trotz aller Versuche im Bereich des sog "Food-Design" zumeist nicht vom äußeren Formbild der Ware beeinflusst werden; maßgeblich ist vielmehr deren Beschaffenheit, Geschmack, Nährwert und Preis sowie ggfls auch der Name des Herstellers (vgl bereits BPatG MarkenR 2005, 238 Gabelstapler III; Mitt 2005, 385 Käseform III). Dem Markenschutz für die Form eines Käseproduktes steht damit - falls sie nicht ausnahmsweise erheblich von der gängigen Formenvielfalt abweicht - das Interesse der Allgemeinheit und das der Mitbewerber an der Freihaltung derartiger Formen entgegen.

Dass seitens der Hersteller auch aktueller Bedarf an der freien Verwendung der von der Anmelderin beanspruchten Form besteht, zeigen diverse Verletzungsprozesse (die im Parallelverfahren 28 W (pat) 81/99 dokumentiert sind) sowie die Tatsache, dass Mitbewerber gleichermaßen versuchen, sich entsprechende vergleichbare (um nicht zu sagen fast identische) Käseformen als Marke für sich schützen zu lassen (vgl etwa BGH GRUR 2004, 329 - Käse in Blütenform). Bereits das bloße Drohpotential einer eingetragenen Marke müsste in diesem Warenbereich zu erheblichen Verzerrungen und Verunsicherungen der Wettbewerbssituation führen, denen selbst mit einer großzügigen Anwendung des § 23 MarkenG nicht mehr begegnet werden könnte.

Ein Schutz der beanspruchten Warenform kommt damit letztlich nur unter den Voraussetzungen einer durch Benutzung erworbenen Verkehrsbekanntheit in Betracht. Eine solche Schutzgewährung im Wege der Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs 3 MarkenG) ist vorliegend aber weder beantragt noch für den Senat mangels Anhaltspunkte ersichtlich.

Damit war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat der Anregung der Anmelderin folgend erneut die Rechtsbeschwerde zugelassen, um vor dem Hintergrund der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte und zwecks Rechtsharmonisierung und Rechtssicherheit eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage des Freihaltungsbedürfnisses bei Warenformmarken höchstrichterlich zu ermöglichen.

Der Anmelderin war nachgelassen worden, zum Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2004 ggfls noch schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Das ist trotz wiederholter Fristverlängerung (zuletzt bis Ende Oktober 2005) nicht geschehen, so dass für den Senat im öffentlichen Interesse an der Klarheit des Registers keine Veranlassung bestand, nach Ablauf von nunmehr über einem Jahr mit einer Entscheidung noch länger zuzuwarten (vgl BGH GRUR 1997, 223 - Ceco).

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2005
Az: 28 W (pat) 68/99


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