Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. April 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 25/02
(BPatG: Beschluss v. 24.04.2003, Az.: 17 W (pat) 25/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Februar 2002 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1-12, Beschreibung Seiten 1-10, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2003, 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-6, eingegangen am 23. September 1998 (Anmeldetag).
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 23. September 1998 beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung
"Mechanisch - elektrischer Wandler"
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse G01L des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung mit Beschluß vom 5. Februar 2002 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 12 und der Beschreibung, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2003, sowie den 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6 vom Anmeldetag (23. September 1998) zu erteilen.
Der Anspruch 1 lautet:
Mechanischelektrischer Wandler, welcher eine Brückenschaltung aufweist, die durch eine elektrische Verschaltung von dehnungsempfindlichen Widerständen (2, 3, 4, 5) mittels Leitbahnen (6, 7, 8, 9) gebildet ist, wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) unmittelbar auf einem mechanisch auf Torsion zu belastenden metallischen Bauteil (1) angeordnet sind und außerhalb der Erstreckungsrichtung einer für Biegemomente neutralen Faser des metallischen Bauteiles (1) verlaufen, wobei bei Torsion des Bauteiles (1) ein der Dehnung der Widerstände (2, 3, 4, 5) entsprechendes elektrisches Signal abnehmbar ist undmindestens je ein Widerstand (2, 3, 4, 5) eines Zweiges der Brückenschaltung den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zur neutralen Faser des zu belastenden Bauteiles (1) aufweist wie ein gegenüberliegender Widerstand (2, 3, 4, 5) in dem zweiten Zweig der Brückenschaltung, wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) als Dickschichtwiderstände ausgebildet sind, welche auf einem Dielektrikum (14) angeordnet sind, das mit der Oberfläche des metallischen Bauteiles (1) versintert ist, und wobeidas zu belastende Bauteil (1) auf seiner Oberfläche eine Ausnehmung (11) aufweist, welche bei mechanischer Beanspruchung des Bauteiles (1) in mindestens einem Bereich (12, 13) der Oberfläche des Bauteiles, in welchem die Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) positioniert sind, ein betragsmäßig ungleiches Verhältnis von longitudinaler und transversaler Dehnung erzeugt.
Der nebengeordnete Anspruch 2 lautet:
Mechanischelektrischer Wandler, welcher eine Brückenschaltung aufweist, die durch eine elektrische Verschaltung von dehnungsempfindlichen Widerständen (2, 3, 4, 5) mittels Leitbahnen (6, 7, 8, 9) gebildet ist, wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) unmittelbar auf einem mechanisch auf Torsion zu belastenden, metallischen Bauteil (1) angeordnet sind und außerhalb der Erstreckungsrichtung einer für Biegemomente neutralen Faser des metallischen Bauteiles (1) verlaufen, wobei bei Torsion des Bauteiles (1) ein der Dehnung der Widerstände (2, 3, 4, 5) entsprechendes elektrisches Signal abnehmbar ist, und die in einem Brückenzweig angeordneten Widerstände (2, 3, 4, 5) den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zu der neutralen Faser aufweisen, wobei die Widerstände als Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) ausgebildet sind, welche auf einem Dielektrikum (14) angeordnet sind, das mit der Oberfläche des metallischen Bauteils (1) versintert ist, und wobeidas zu belastende Bauteil (1) auf seiner Oberfläche eine Ausnehmung (11) aufweist, welche bei mechanischer Beanspruchung des Bauteiles (1) in mindestens einem Bereich (12, 13) der Oberfläche des Bauteiles, in welchem die Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) positioniert sind, ein betragsmäßig ungleiches Verhältnis von longitudinaler und transversaler Dehnung erzeugt.
Bezüglich der geltenden Unteransprüche 3 bis 12 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Nach Ansicht der Anmelderin ist die beanspruchte Lehre durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentierbar.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der beanspruchte Gegenstand nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Offenbarung der geltenden Ansprüche 1 und 2 ergibt sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bzw. 2 und 3 sowie insbes. aus Seite 6, vorletzter Absatz mit Seite 7, 3. Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Die geltenden Unteransprüche sind den am Anmeldetag eingereichten Unteransprüchen entnommen.
2. Die Erfindung betrifft einen mechanisch - elektrischen Wandler.
Dieser mechanisch - elektrische Wandler soll entsprechend der in der Beschreibung angegebenen Aufgabenstellung abhängig von an einem Bauteil auftretenden Torsionsmomenten ein Meßsignal erzeugen, das von Biegemomenten unabhängig ist, wobei ein solcher Wandler einfach herstellbar und mechanisch stabil sein soll.
Lösungen dieser Aufgabe werden durch die nachfolgend in gegliederter Form wiedergegebenen Lehren der Ansprüche 1 und 2 vermittelt:
1. Mechanischelektrischer Wandler, a1) welcher eine Brückenschaltung aufweist, die durch eine elektrische Verschaltung von dehnungsempfindlichen Widerständen (2, 3, 4, 5) mittels Leitbahnen (6, 7, 8, 9) gebildet ist, a1.1) wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) unmittelbar auf einem mechanisch auf Torsion zu belastenden metallischen Bauteil (1) angeordnet sind unda1.2) außerhalb der Erstreckungsrichtung einer für Biegemomente neutralen Faser des metallischen Bauteiles (1) verlaufen, b1) wobei bei Torsion des Bauteiles (1) ein der Dehnung der Widerstände (2, 3, 4, 5) entsprechendes elektrisches Signal abnehmbar ist undc1) mindestens je ein Widerstand (2, 3, 4, 5) eines Zweiges der Brückenschaltung den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zur neutralen Faser des zu belastenden Bauteiles (1) aufweist wie ein gegenüberliegender Widerstand (2, 3, 4, 5) in dem zweiten Zweig der Brückenschaltung, d1) wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) als Dickschichtwiderstände ausgebildet sind, d1.1) welche auf einem Dielektrikum (14) angeordnet sind, das mit der Oberfläche des metallischen Bauteiles (1) versintert ist, unde1) wobei das zu belastende Bauteil (1) auf seiner Oberfläche eine Ausnehmung (11) aufweist, welche bei mechanischer Beanspruchung des Bauteiles (1) in mindestens einem Bereich (12, 13) der Oberfläche des Bauteiles, in welchem die Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) positioniert sind, ein betragsmäßig ungleiches Verhältnis von longitudinaler und transversaler Dehnung erzeugt.
2. Mechanischelektrischer Wandler, a2) welcher eine Brückenschaltung aufweist, die durch eine elektrische Verschaltung von dehnungsempfindlichen Widerständen (2, 3, 4, 5) mittels Leitbahnen (6, 7, 8, 9) gebildet ist, a2.1) wobei die Widerstände (2, 3, 4, 5) unmittelbar auf einem mechanisch auf Torsion zu belastenden, metallischen Bauteil (1) angeordnet sind und a2.2) außerhalb der Erstreckungsrichtung einer für Biegemomente neutralen Faser des metallischen Bauteiles (1) verlaufen, b2) wobei bei Torsion des Bauteiles (1) ein der Dehnung der Widerstände (2, 3, 4, 5) entsprechendes elektrisches Signal abnehmbar ist, undc2) die in einem Brückenzweig angeordneten Widerstände (2, 3, 4, 5) den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zu der neutralen Faser aufweisen, d2) wobei die Widerstände als Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) ausgebildet sind, d2.1) welche auf einem Dielektrikum (14) angeordnet sind, das mit der Oberfläche des metallischen Bauteils (1) versintert ist, e2) und wobei das zu belastende Bauteil (1) auf seiner Oberfläche eine Ausnehmung (11) aufweist, welche bei mechanischer Beanspruchung des Bauteiles (1) in mindestens einem Bereich (12, 13) der Oberfläche des Bauteiles, in welchem die Dickschichtwiderstände (2, 3, 4, 5) positioniert sind, ein betragsmäßig ungleiches Verhältnis von longitudinaler und transversaler Dehnung erzeugt.
3. Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften herangezogen:
D1) DE 35 40 954 A1 D2) US 3 707 076 D3) DE 37 07 077 A1 Ferner hat die Anmelderin auf die nachveröffentlichte Patentanmeldung gemäß
D4) DE 198 14 261 A1 Bezug genommen.
Vom Senat wurde in der mündlichen Verhandlung auf die folgende, in D4 genannte nachveröffentlichte Druckschrift der Anmelderin:
D5) DE 197 47 001 A1 hingewiesen.
Die nachveröffentlichte Druckschrift D5 zeigt einen mechanisch - elektrischen Wandler, der eine Brückenschaltung aufweist. Die Brückenschaltung ist durch eine elektrische Verschaltung von dehnungsempfindlichen Widerständen gebildet. Die Widerstände sind in wähnlicher Konfiguration auf einem mechanisch auf Torsion zu belastenden Bauteil angeordnet, wobei zwischen den Widerständen und der Oberfläche des Bauteils eine Isolationsschicht angeordnet ist, die mit der Oberfläche des Bauteils versintert ist (Fig. 2 mit Sp. 3, Z. 44 ff). Aus der wähnlichen Anordnung resultiert, daß mindestens je ein Widerstand eines Zweiges der Brückenschaltung den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zur neutralen Faser des zu belastenden Bauteiles aufweist wie ein gegenüberliegender Widerstand in dem zweiten Zweig der Brückenschaltung (Anspruch 1, Merkmal c1) bzw. daß die in einem Brückenzweig angeordneten Widerstände den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zur neutralen Faser aufweisen (Anspruch 2, Merkmal c2).
Von dem mechanischelektrischen Wandler nach Druckschrift D5 unterscheiden sich die Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 2 demnach bezüglich der Merkmale e1 bzw. e2, wonach das zu belastende Bauteil auf der Oberfläche eine Ausnehmung aufweist, welche bei mechanischer Beanspruchung des Bauteiles in mindestens einem Bereich der Oberfläche des Bauteiles, in welchem die Dickschichtwiderstände positioniert sind, ein betragsmäßig ungleiches Verhältnis von longitudinaler und transversaler Dehnung erzeugt.
Die durch die nachveröffentlichte Druckschrift D4 offenbarten mechanisch - elektrischen Wandler unterscheiden sich von jenen gemäß den Ansprüchen 1 und 2 hinsichtlich der Anordnung der Widerstände der Brückenschaltung auf dem zu belastenden metallischen Bauteil. Diese Widerstände befinden sich nämlich - in Erstreckungsrichtung der neutralen Faser des zu belastenden Bauteils gesehen - am gleichen Ort (vergl. Fig 1 und 6). Ihre durch Biegebeanspruchungen hervorgerufenen Signalspannungen heben sich somit durch die Brückenschaltung nicht auf, wie dieses entsprechend den Merkmalen a1.2) und c1) bzw. den Merkmalen a2.2) und c2) angeordneten Brückenschaltungswiderständen bei den Gegenständen der Ansprüche 1 und 2 der Fall ist (vergl. hierzu die DE 198 43 579 A1, Sp. 4, Z. 36-46).
Die mechanischelektrischen Wandler gemäß den Ansprüchen 1 und 2 sind somit auch gegenüber der Druckschrift D4 neu.
Gegenüber den vorveröffentlichten Druckschriften D1, D2 und D3 sind die beanspruchten Gegenstände ebenfalls neu, da keine dieser Druckschriften mechanischelektrische Wandler mit den Merkmalen der Ansprüche 1 oder 2 zeigt. Die beanspruchten Gegenstände beruhen darüber hinaus auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Aus der Druckschrift D1 ist ein mechanisch - elektrischer Wandler bekannt, dessen Widerstände derart angeordnet, daß keine Meßsignaländerung infolge einer Biegebeanspruchung des Bauteils erfolgt (Sp. 3, Z. 29-33). Dazu weist auch nach Druckschrift D1 mindestens je ein Widerstand eines Zweiges der Brückenschaltung die gleichen Abstände und betragsmäßig den gleichen Winkel zur neutralen Faser des zu belastenden Bauteiles auf wie ein gegenüberliegender Widerstand in dem zweiten Zweig der Brückenschaltung. Ferner weisen die in einem Brückenzweig angeordneten Widerstände den gleichen Abstand und betragsmäßig den gleichen Winkel zu der neutralen Faser auf (Fig. 1). Die Befestigung der Widerstände erfolgt durch Aufkleben (Sp. 3, Z. 15-19).
Hinweise auf die bei den Gegenständen der Ansprüche 1 und 2 getroffenen Maßnahmen der Anbringung der Widerstände auf dem metallischen Bauteil durch Sinterung (Merkmal d1.1 bzw. d2.1) und der Ausstattung des Bauteiles mit einer Ausnehmung (Merkmal e1 bzw. e2) lassen sich somit der Druckschrift D1 nicht entnehmen.
Druckschrift D2 zeigt eine Waage mit einem Torsionsstab 15 zur Gewichtsbestimmung, auf dem Dehnungsmeßstreifen 34, 35 unter einem Winkel von 45¡ zur Torsionsachse "nach üblicher Praxis", d.h. beispielsweise durch Klebung, befestigt sind. Das zu messende Gewicht wird auf eine Platte 18 gelegt und über Hebel 16, 17 auf den Torsionsstab als Torsionsmoment übertragen (Sp. 1, Z. 8; Sp. 2, Z. 30-43 mit. Fig. 1, 6, 8). Auch diese Druckschrift vermag somit zu der nach der Lehre der Ansprüche 1 und 2 vorgesehene Befestigung der Widerstände auf dem zu belastenden metallischen Bauteil mittels Sinterung und dessen Ausstattung mit einer Ausnehmung keine Anregung zu geben.
In Druckschrift D3 wird ein Drucksensor beschrieben, bei dem auf einem plattenförmigen Trägerteil ein Dickfilmwiderstand R angeordnet ist, dessen druckabhängige Widerstandswerte über ebenfalls in Dickfilmtechnik ausgeführte Leiterbahnen 9, 10 gemessen werden (Fig. 3). Die notwendige elektrische Isolation zwischen dem Widerstand R und dem plattenförmigen Trägerteil wird dadurch hergestellt, daß letzteres beispielsweise aus Keramik oder aus emailliertem Stahl besteht (Sp. 1, Z. 64-66), wobei der Dickfilmwiderstand und die Leiterbahnen dann auf der Emailleschicht angeordnet werden. Ferner ist dem Fachmann aus der Druckschrift D3 bekannt, eine dielektrische Schicht aus einer glasartigen Paste zum Schutz des Dickschichtwiderstandes auf dem Dickschichtwiderstand und der angrenzenden Oberfläche aufzubringen.
Im Unterschied hierzu wird bei den mechanischelektrischen Wandlern nach den Ansprüchen 1 und 2 die Isolation zwischen den Dickschicht-(=Dickfilm)Widerständen und dem metallischen Bauteil durch ein Dielektrikum erzielt, das durch einen Sinterungsvorgang auf dem Bauteil erzeugt wird. Diese Vorgehensweise vermag Druckschrift 3 nicht nahezulegen.
Auch die Ausstattung des besagten Bauteiles mit einer Ausnehmung gemäß den Merkmalen e1 bzw. e2 nach Anspruch 1 bzw. 2 wird in Druckschrift 3 nicht angesprochen und somit auch nicht angeregt.
Der Fachmann erhält auch bei gemeinsamer Betrachtung der Druckschriften D1, D2 und D3 keine Anregung zu der in den Ansprüchen 1 und 2 enthaltenen Maßnahmen der Sinterung und der Ausstattung des zu belastenden metallischen Bauteils mit einer Ausnehmung.
Diese Ansprüche sind folglich gewährbar.
Die abhängigen Patentansprüche 3 bis 12 enthalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Weiterbildungen und sind demnach ebenfalls gewährbar.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
Grimm Dr. Schmitt Prasch Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 24.04.2003
Az: 17 W (pat) 25/02
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