Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 3. April 2014
Aktenzeichen: I ZB 6/12 (Schwarzwälder Schinken)
(BGH: Beschluss v. 03.04.2014, Az.: I ZB 6/12 (Schwarzwälder Schinken))
Die Ru€ge einer Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europa€ischen Union durch das Bundespatentgericht kann nicht die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG, wohl aber die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gema€ß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG ero€ffnen.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden zu 3 wird der Beschluss des 30. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 13. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
A. Seit dem 25. Januar 1997 ist die Bezeichnung
"Schwarzwälder Schinken"
auf Antrag des Antragstellers, des Schutzverbandes der Schwarzwälder Schinkenhersteller, mit Verordnung (EG) Nr. 123/97 der Kommission vom 23. Januar 1997 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission über die Eintragung der geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (ABl. Nr. L 22 vom 24. Januar 1997, S. 19) als geographische Angabe nach Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 14. Juli 1992 für "Fleischerzeugnisse" eingetragen.
Mit dem am 18. April 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Antrag vom 23. März 2005 begehrt der Antragsteller die Änderung der Spezifikation der geschützten Angabe "Schwarzwälder Schinken". Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, soll in die Spezifikation eine Regelung aufgenommen werden, wonach künftig das gewerbliche Aufschneiden (Slicen) und Verpacken zum Zwecke des Verkaufs als aufgeschnittenes Produkt ebenfalls im Schwarzwald zu erfolgen hat. Ausnahmen sollen nur für Einzelhandels-, Gaststätten- oder Catering-Betriebe gelten, die Schwarzwälder Schinken aufschneiden und zur alsbaldigen Abgabe verpacken oder lose an den Verbraucher abgeben.
Gegen den Änderungsantrag sind drei Einsprüche beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, von denen im vorliegenden Verfahren noch das Rechtsmittel der Einsprechenden zu 3 relevant ist. Diese bezieht im Schwarzwald hergestellten Schinken, führt die Verarbeitungsschritte Aufschneiden und Verpacken aber in einer Anlage in Norddeutschland durch und vertreibt das Produkt sodann unter der Bezeichnung "Schwarzwälder Schinken".
Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 5. Dezember 2008 den Antrag auf Änderung der Spezifikation im Hinblick auf die Angaben zum Schneiden und Verpacken zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Änderung zurückweisenden Teil des Beschlusses hat das Bundespatentgericht die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts insoweit aufgehoben, als der Antrag zurückgewiesen worden ist. Es hat ferner festgestellt, dass der Antrag auf Änderung der Spezifikation der geschützten geographischen Angabe "Schwarzwälder Schinken" vom 18. April 2005 in der Fassung der Spezifikation vom 10. August 2007 (Datum der Veröffentlichung im Markenblatt) den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (nachfolgend: VO 510/2006) entspricht (BPatG, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 30 W (pat) 33/09, BPatGE 53, 113 = GRUR 2012, 398).
Hiergegen wendet sich die Einsprechende zu 3 mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, die Versagung des rechtlichen Gehörs sowie einen Begründungsmangel rügt.
B. Das Bundespatentgericht hat die Auffassung vertreten, die allgemeinen Voraussetzungen für die Genehmigung einer Änderung der Spezifikation nach Art. 9 Abs. 1 VO 510/2006 lägen vor. Sie seien bereits deshalb erfüllt, weil erst durch eine Änderung der Rechtslage aufgrund der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Mai 2003 in den Rechtssachen "Prosciutto di Parma" (C-108/01, Slg. 2003, I-5121 = GRUR 2003, 616) und "Grana Padano" (C-469/00, Slg. 2003, I-5053 = GRUR 2003, 609) sowie deren unionsrechtliche Umsetzung (Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 692/2003 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 510/2006) die Möglichkeit ersichtlich geworden sei, die Verarbeitungsschritte des Schneidens und Verpackens durch entsprechende Vorgaben in der Spezifikation in das Herkunftsland zu verlegen. Diese Änderung der Rechtslage sei den in Art. 9 Abs. 1 VO 510/2006 ausdrücklich anerkannten Gründen für eine Änderung der Spezifikation gleichzustellen.
Der Änderungsantrag sei auch in der Sache begründet. Zwar sei zweifelhaft, ob insoweit die vom Gerichtshof der Europäischen Union im Jahre 2003 aufgestellten strengen Anforderungen erfüllt sein müssten. Danach sei für die Zulässigkeit einer Spezifikation, die das Aufschneiden und Verpacken nur im Erzeugungsgebiet erlaube, der Nachweis erforderlich, dass diese Vorgaben ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellten, um die Qualität und Echtheit des Produkts zu gewährleisten. Zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Gerichtshofs habe es keine dem Art. 4 Abs. 2 Buchst. e VO 510/2006 entsprechende Regelung gegeben, die es erlaubt hätte, in die Produktspezifikation das Erfordernis aufzunehmen, dass die Aufmachung in dem abgegrenzten geographischen Gebiet erfolgen müsse. Diese Frage könne aber dahingestellt bleiben, da dem streitgegenständlichen Antrag auch nach den strengen Kriterien des Gerichtshofs stattzugeben sei. Zwar sei die beabsichtigte Änderung zur Qualitätssicherung nicht erforderlich. Sie sei jedoch unter den Gesichtspunkten der Sicherung der Rückverfolgbarkeit und der Effektivität der Kontrolle des Lebensmittels gerechtfertigt.
C. Die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden zu 3 hat Erfolg.
I. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 133, 83 MarkenG). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und einen Begründungsmangel. Außerdem macht sie geltend, das Bundespatentgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Juni 2010 - I ZB 40/09, GRUR 2010, 1034 Rn. 9 = WRP 2010, 1034 - LIMES LOGISTIK).
II. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar liegt kein die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde begründender Verstoß nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG vor (dazu nachstehend C II 1). Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Einsprechende zu 3 jedoch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG (dazu nachfolgende C II 2).
1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde sei begründet, weil das Bundespatentgericht gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen habe.
a) Allerdings unterliegt das Bundespatentgericht im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren der Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn es - wie im Streitfall - die Rechtsbeschwerde nicht zulässt (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZB 85/11, GRUR 2013, 1046 Rn. 16 = WRP 2013, 1346 - Variable Bildmarke, mwN).
b) Im Streitfall fehlt es jedoch an den in § 83 Abs. 3 MarkenG geregelten weiteren Voraussetzungen für die Begründetheit einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, soweit sie auf eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gestützt ist.
aa) Im Schrifttum ist die Frage umstritten, ob eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG begründen kann (bejahend Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 83 MarkenG Rn. 27; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 83 Rn. 47; allgemein Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 16 GVG Rn. 3; aA Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 83 Rn. 31, 36 und 60) oder nur unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde in Betracht kommt (vgl. Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 2. Aufl., S. 457 Rn. 659 und 661).
bb) Der Senat hat die Frage bislang offengelassen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - I ZB 27/00, GRUR 2003, 546, 547 = WRP 2003, 655 - TURBO-TABS; Beschluss vom 10. April 2008 - I ZB 98/07, GRUR 2008, 1027 Rn. 24 = WRP 2008, 1438 - Cigarettenpackung; Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZB 107/08, GRUR 2009, 994 Rn. 10 = WRP 2009, 1102 - Vierlinden; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - I ZB 13/10, MarkenR 2011, 177 Rn. 8 - Ivadal II; BGH, GRUR 2013, 1046 Rn. 15 - Variable Bildmarke). Er schließt sich der Auffassung an, dass eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV keine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG begründet.
(1) Zwar ist der Gerichtshof der Europäischen Union gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339, 366). Eine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV liegt danach vor, wenn die Vorlage willkürlich unterblieben ist (BVerfG, NJW 1992, 678). Das Bundesverfassungsgericht zählt zu den Verfahrensgrundrechten, die der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards dienen, Art. 101 Abs. 1 GG. Es folgert daraus, dass in einem Rechtsstaat die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung dieses Verfahrensgrundrechts bestehen muss (BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926). Dabei haben zunächst die Fachgerichte die Aufgabe, einen Grundrechtsverstoß durch Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG selbst zu beseitigen (BVerfGE 49, 252, 258; 63, 77, 79). Der Senat hat deshalb erwogen, § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG auch auf den Fall eines Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter anzuwenden. Er hat sich einer entsprechenden Auslegung der Vorschrift gleichwohl nicht anschließen können.
(2) Die Bestimmung des § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG eröffnet nach ihrem Wortlaut die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur im Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des beschließenden Gerichts. Die Vorschrift ist § 100 Abs. 3 Nr. 1 PatG nachgebildet worden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 106) und entspricht inhaltlich § 547 Nr. 1 ZPO. Anders als § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG und § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG, die an einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG anknüpfen, stellen § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG, § 100 Abs. 3 Nr. 1 PatG und § 547 Nr. 1 ZPO nicht auf einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ab. Dementsprechend hat es der Bundesgerichtshof bislang abgelehnt, die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde, in der ebenfalls ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter liegen kann (vgl. BVerfG, GRUR 2012, 601 Rn. 19), als Grund für eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts anzuerkennen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 1964 - Ia ZB 218/63, GRUR 1964, 519, 521 - Damenschuh-Absatz; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 16 - Walzenformgebungsmaschine). Auch den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO hat der Bundesgerichtshof auf den Fall einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts in der letzten mündlichen Verhandlung beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, NJW 1998, 377, 378; Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210 Rn. 14; ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 547 Rn. 5; Krüger in MünchKomm.ZPO, 4. Aufl., § 574 Rn. 5; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 547 Rn. 3; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 6. Aufl., § 547 Rn. 6; Zöller/Heßler aaO § 547 Rn. 2).
Auch der Sinn und Zweck des § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG spricht gegen eine Anwendung der Bestimmung auf die Verletzung der Vorlagepflicht. Durch die Eröffnung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG soll sichergestellt werden, dass eine Entscheidung durch einen Senat des Bundespatentgerichts getroffen wird, der gemäß § 67 Abs. 1 MarkenG als Beschwerdesenat eingerichtet ist und dessen Besetzung unter Einhaltung der Regeln des Geschäftsverteilungsplans (§ 21e GVG) und der senatsinternen Mitwirkungsregeln (§ 21g GVG) gebildet worden ist. Erfasst wird hiervon, dass ein Richter mitgewirkt hat, der nicht hätte mitwirken dürfen oder dass ein Richter nicht mitgewirkt hat, der hätte mitwirken müssen (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 83 Rn. 25; Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 83 Rn. 34). Gegenstand der Rüge des § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG ist damit die personelle Zusammensetzung der Richterbank. Dazu rechnet nicht die - auch willkürlich - unterbliebene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
cc) Eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV kann jedoch gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das Bundespatentgericht habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen, mit dem dieser geltend gemacht habe, der Streitfall werfe eine Zweifelsfrage zur Auslegung des Unionsrechts auf, so dass entweder die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG zuzulassen oder die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen sei. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ferner vor, wenn das Bundespatentgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ohne einen vorherigen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten unterlässt, sofern ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen - damit nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH, GRUR 2010, 1034 Rn. 11 - LIMES LOGISTIK, mwN).
dd) Im Streitfall fehlt es an einem Gehörsverstoß in Bezug auf eine Vorlagefrage. Die Rechtsbeschwerde hat nicht dargelegt, das Bundespatentgericht habe Vorbringen der Einsprechenden zu 3 übergangen, mit dem diese geltend gemacht habe, dass sich im Streitfall Zweifelsfragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, die im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vom Gerichtshof der Europäischen Union zu klären seien. Die Rechtsbeschwerde hat auch nicht geltend gemacht, dass das Bundespatentgericht insoweit seine Hinweispflicht verletzt hat.
2. Mit Erfolg macht die Rechtsbeschwerde dagegen geltend, das Bundespatentgericht habe den Anspruch der Einsprechenden zu 3 auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihr Vorbringen zur fehlenden Erforderlichkeit einer Kontrolle des Aufschneidens und Verpackens innerhalb des Erzeugungsgebietes unberücksichtigt gelassen habe.
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 86, 133, 144; BGH, Beschluss vom 9. September 2010 - I ZB 81/09, GRUR 2011, 654 Rn. 11 = WRP 2011, 753 - Yoghurt-Gums). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt deshalb voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, NJW 2009, 1584 Rn. 14 mwN).
b) Die Einsprechende zu 3 hat vorgetragen, beim Schwarzwälder Schinken gebe es - anders als in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union in dem Verfahren "Prosciutto di Parma" zu beurteilenden Sachverhalt - keine produktspezifischen Besonderheiten, die es erforderlich machten, den Vorgang des Schneidens und Verpackens zum Schutz des Rufs des Produktes einer eingehenden Kontrolle zu unterwerfen. Der Änderungsantrag enthalte keinerlei Anforderungen an die Verarbeitung, die spezifisches fachmännisches Wissen in Bezug auf Schwarzwälder Schinken voraussetzten und die daher eine Kontrolle im Schutzgebiet rechtfertigen könnten. Es sei auch nicht ersichtlich, warum das Risiko, dass anderer Schinken als Schwarzwälder Schinken geschnitten werde, außerhalb des Schutzgebietes größer sei als innerhalb des Schutzgebiets. Die Einsprechende zu 3 hat ferner vorgetragen, dass bereits durch die allgemeinen lebensmittelrechtlichen und hygienischen Anforderungen an die Fleischverarbeitung sowie die von dem weit überwiegenden Anteil der Lieferanten des Einzelhandels freiwillig geübten Anforderungen höchste Kontrollintensität und Rückverfolgbarkeit gewährleistet seien. In Deutschland fordere das QS-System, dem mehr als 120.000 Systempartner - unter diesen der größte Teil der Fleischwarenindustrie - angehörten, ohnehin eine Rückverfolgbarkeit über sämtliche Herstellungs- und Handelsstufen hinweg. Die Einhaltung des Systems werde im Rahmen von zweijährigen Audits sowie im Wege unangemeldeter Stichprobenkontrollen überprüft. Die Rückverfolgbarkeit von Schwarzwälder Schinken sei zudem aufgrund der Bestimmung des Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit sichergestellt. Mit diesem Vorbringen, das den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags der Einsprechenden zu 3 betrifft, hat sich das Bundespatentgericht nicht auseinandergesetzt.
c) Das von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügte Vorbringen ist auch entscheidungserheblich und für das Verfahren von zentraler Bedeutung.
aa) Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92, der zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags beim Deutschen Patent- und Markenamt galt und an dessen Stelle zunächst Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung (EG) 510/2006 getreten ist, der nunmehr durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der VO 1151/2012 abgelöst ist, muss die antragstellende Vereinigung eine hinreichende produktspezifische Rechtfertigung dafür liefern, dass die Aufmachung in dem abgegrenzten geographischen Gebiet erfolgen muss, um die Qualität zu wahren oder den Ursprung oder die Kontrolle zu gewährleisten. Dabei ist dem Unionsrecht, insbesondere den Vorschriften über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, Rechnung zu tragen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e VO 1151/2012, zuvor Art. 8 und Erwägungsgrund 8 der Verordnung (EG) Nr. 1898/2006 der Kommission vom 14. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur VO 510/2006). Die beantragte Änderung betrifft eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 29 EGV/Art. 35 AEUV (vgl. EuGH, GRUR 2003, 616 Rn. 59 - Prosciutto di Parma). Ihre Zulässigkeit setzt wegen der Auswirkungen auf den freien Warenverkehr voraus, dass sie zur Erhaltung des Ansehens der geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (EuGH, GRUR 2003, 616 Rn. 66 - Prosciutto di Parma).
bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundespatentgericht bei Berücksichtigung des von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügten Vorbringens zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass die Erfordernisse des Aufschneidens und Verpackens im Schutzgebiet für die Gewährleistung des Ursprungs oder der Kontrolle nicht erforderlich, jedenfalls aber mit Blick auf die notwendige Abwägung mit dem betroffenen Schutzgut der Waren- und Dienstleistungsfreiheit nicht verhältnismäßig sind. Dies gilt umso mehr, als das Bundespatentgericht angenommen hat, dass der Gesichtspunkt der Qualitätssicherung die beanstandete Angabe in der Produktspezifikation nicht zu rechtfertigen vermag, weil die Vorschriften nicht mit besonderen Qualitätsmerkmalen des Produkts in Zusammenhang stehen, sondern sich im Rahmen der bei der Verarbeitung von Fleischerzeugnissen üblicherweise einzuhaltenden Hygienemaßnahmen bewegen.
D. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Richter am BGH Pokrant ist in Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben.
Büscher Büscher Kirchhoff Löffler Schwonke Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.10.2011 - 30 W(pat) 33/09 -
BGH:
Beschluss v. 03.04.2014
Az: I ZB 6/12 (Schwarzwälder Schinken)
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