Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Januar 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 71/01

(BPatG: Beschluss v. 23.01.2002, Az.: 28 W (pat) 71/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 5. August 1998 und vom 12. September 2000 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 004 765 wird die Löschung der angegriffenen Marke 396 14 218 für die Waren "Tabak, Raucherartikel, nämlich Tabakdosen" angeordnet.

Der weitergehende Widerspruch und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 16. Juli 1996 u.a. für die Waren

"Tabak; Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, Zigarren- und Zigarettenetuis, Aschenbecher, Pfeifenständer, Pfeifenreiniger, Zigarrenabschneider, Pfeifen, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Streichhölzer"

eingetragene Wortmarke SINGLE ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Widerspruchsmarke 2 004 765 SINGLETON'S die seit dem 8. Oktober 1991 für die Waren "Schnupftabak, Schnupftabakdosen" eingetragen ist.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, nach Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung die Benutzung aber für Schnupftabak und Schnupftabakdosen anerkannt.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patentamts hat dem Widerspruch zunächst teilweise stattgegeben und die Löschung der angegriffenen Marke im Umfang der gesamten Warenklasse 34 angeordnet, auf die Erinnerung der Markeninhaberin aber den Widerspruch insgesamt mit der Begründung zurückgewiesen, daß angesichts deutlicher Unterschiede der Marken im Gesamteindruck auch bei sich gegenüberstehenden identischen Waren eine Verwechslungsgefahr ausscheide, zumal die Widerspruchsmarke keinen Schutz für das Wort "single" beanspruchen könne.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie darauf hinweist, daß nicht nur die Marken im betonten und prägenden Wortanfang identisch seien, sondern teilweise auch Warenidentität bzw. hochgradige Warenähnlichkeit bestünde. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Widerspruchsmarke aufgrund intensiver über 10-jähriger Benutzung und mit ihr erzielter hoher Umsätze ein erhöhter Kennzeichnungsgrad zukomme.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Nach Auffassung des Senats kommt die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke zumindest im Bereich identischer Waren verwechselbar nahe im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach der genannten Vorschrift ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfaßten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke, wobei letztlich eine Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren besteht, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr im genannten Umfang nicht ausgeschlossen werden.

Was die sich gegenüberstehenden Waren betrifft, sind diese - nachdem die Benutzung für Schnupftabak und Schnupftabakdosen nicht mehr streitig ist - im Oberbegriff zu Tabak bzw. Tabakdosen identisch, im übrigen, dh. zu den Raucherbedarfsartikeln der Klasse 34, wohl noch ähnlich mit einem allerdings erheblichen gruppenmäßigen Abstand (vgl. BGH GRUR 1999,476 Tifanny). Vor diesem Warenhintergrund sind unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Einbeziehung von Endabnehmern als maßgebliche Verkehrskreise an den von den Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr noch einzuhaltenden Abstand damit im Bereich der Warenidentität sehr strenge, im übrigen aber eher unterdurchschnittliche Anforderungen zu stellen, die von den Vergleichszeichen vorliegend nur bei identischen Waren nicht eingehalten werden.

Auszugehen ist dabei von dem für das Kennzeichnungsrecht maßgeblichen Grundsatz, daß zur Beurteilung der Ähnlichkeit wie der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr der beiden gegenüberstehenden Bezeichnungen auf deren jeweiligen Gesamteindruck abzustellen ist. Dieser Rechtssatz gilt gleichermaßen und unabhängig davon, ob sich mehrgliedrige Wort- oder Wort/Bildzeichen gegenüberstehen oder ob ein mehrgliedriges Zeichen mit einem Zeichen aus nur einem Bestandteil zu vergleichen ist und welches der beiden Vergleichszeichen prioritätsälter ist. Der Schutz eines aus einem Zeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil etwa das Widerspruchszeichen buchstabengetreu in der angegriffenen Marke oder - wie vorliegend - umgekehrt enthalten ist.

Markeninhaberin und Markenstelle haben indes nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Übereinstimmung der Marken im vom Verkehr regelmäßig stärker beachteten Wortanfang bei mündlicher Benennung etwa bei Empfehlungen oder in der Rundfunkwerbung zu einer stark angenäherten Klangkonstellation führt, da die zusätzliche Silbe "ton's" in der Widerspruchsmarke bei schneller und unbetonter Sprechweise leicht "verschluckt" werden kann bzw. kaum hörbar wird. Für den Verkehr steht akustisch damit aber die Klangfolge "single" im Vordergrund, zumal sich hiermit auch noch ein allgemein geläufiger Begriffsinhalt verbindet. Im Gegensatz zur Begründung des angegriffenen Beschlusses führt die zusätzliche Schlußsilbe in der Widerspruchsmarke nicht zwingend zu einer deutlichen Abweichung in der Anzahl der Sprechsilben und damit einhergehend im Sprechrhythmus und in der Wortlänge, so dass nicht argumentiert werden kann, es entstehe hier ein noch ausreichend verschiedener Gesamteindruck der akustisch leicht erfaßbaren Markenwörter. Eine solchen Betrachtungsweise verbietet sich bei identischen Waren schon aus Rechtsgründen, um der insoweit vom Gesetz bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr vorgegebenen Wechselwirkung von Waren- und Markenähnlichkeit gerecht zu werden.

Anders liegen die Dinge im Bereich der übrigen Waren, die als Raucherbedarfsartikel im Verhältnis zum Schnupftabak ohnehin eher am Rande des Ähnlichkeitsbereichs stehen, da insoweit die bei den Marken durchaus gegebenen Unterschiede vor allem in der Wortlänge den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr dann noch zu fordernden eher geringen Anforderungen genügen.

Die Beschwerde hatte damit insoweit Erfolg, als sich die Marken bei identischen Waren in klanglicher Hinsicht zu nahe kommen, und hier eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen war. Die weitergehende Beschwerde war hingegen zurückzuweisen. Für die Auferlegung von Kosten bestand für den Senat keine Veranlassung (MarkenG § 71 Abs 1).

Stoppel Martens Voit Bb






BPatG:
Beschluss v. 23.01.2002
Az: 28 W (pat) 71/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/594e3732c688/BPatG_Beschluss_vom_23-Januar-2002_Az_28-W-pat-71-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share