Landgericht Hamburg:
Urteil vom 23. November 2005
Aktenzeichen: 401 O 47/05
(LG Hamburg: Urteil v. 23.11.2005, Az.: 401 O 47/05)
Tenor
Es wird festgestellt, dass der am 4.2.2005 zu TOP 2 gefasste Beschluss über die vereinfachte Kapitalherabsetzung des Grundkapitals durch Einziehung einer Aktie (§ 237 Abs. 3 AktG) und zum Zweck der Deckung von Verlusten durch Zusammenlegung von Aktien (§§ 229 f AktG) nichtig ist.
Es wird festgestellt, dass der am 4.2.2005 zu TOP 6 gefasste Beschluss über die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien und zur Veräußerung eigener Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts nichtig ist.
Es wird festgestellt, dass der am 4.2.2005 zu TOP 9 gefasste Beschluss über die Fortgeltung von Beschlüssen der Hauptversammlung im Insolvenzfall nichtig ist.
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Verschmelzung der beiden übertragenden Rechtsträger ...AG (Hamburg HRB 1976) und ...IV - alt - (Frankfurt/Main HRB 8748) auf den übernehmenden Rechtsträger ...IV - neu - (Hamburg GRB 83628) wird abgewiesen.
Die Klagen gegen den Beklagten zu 2) werden abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1), zu 2) und zu 8) trägt die Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 5) - 7) tragen diese zu ½ selbst und zu ½ die Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3) und 4) tragen diese zu 3/4 selbst und trägt zu ¼ die Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese zu ½ selbst und tragen zu ½ die Kläger zu 3) und 4) als Gesamtschuldner.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen die Kläger zu 3) und zu 4) zu 3/4 als Gesamtschuldner und die Kläger zu 5) bis 7) zu ¼ als Gesamtschuldner.
Von den Gerichtskosten tragen die Kläger zu 3) bis 7) ¼ als Gesamtschuldner, die Kläger zu 3) und zu 4) weitere ½ als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 1) ¼.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Über das Vermögen der Beklagten zu 1) ist am 28.2.2005 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet worden (Anlage B 1 in ursprünglich 401 O 48/05). Der Beklagte zu 2) ist Insolvenzverwalter.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit folgender auf der Hauptversammlung der Beklagten zu 1) vom 4.2.2005 beschlossener Beschlüsse:
TOP 2 (vereinfachte Kapitalherabsetzung des Grundkapitals durch Einziehung einer Aktie (§ 237 Abs. 3 AktG) und zum Zweck der Deckung von Verlusten durch Zusammenlegung von Aktien (§§ 229 f AktG):
a) Vereinfachte Herabsetzung des Grundkapitals (36.191.201 Euro eingeteilt in 36.191.201 auf den Inhaber lautende Stückaktien) durch Einziehung einer Aktie (§ 237 Abs. 3 Nr. 1 AktG) auf 36.191.200 Euro zum Zweck der Ermöglichung eines glatten Herabsetzungsverhältnisses der nachfolgenden Kapitalherabsetzung (b)
b) Das nach a) verbleibende Grundkapital (36.191.200 Euro eingeteilt in 36.191.200 Stückaktien) wird um 27.143.000 Euro auf 9.047.800 herabgesetzt. Die Herabsetzung erfolgt nach den Vorschriften über die vereinfachte Kapitalherabsetzung zu dem Zweck, Wertminderungen auszugleichen und sonstige Verluste zu decken (§§ 229 ff AktG). Die Herabsetzung erfolgt im Verhältnis 4 : 1 durch Zusammenlegung von jeweils 4 Stückaktien zu einer Stückaktie. Etwaige Spitzen, die dadurch entstehen, dass ein Aktionär eine nicht durch das Zusammenlegungsverhältnis teilbare Anzahl von Stückaktien hält, werden von der Gesellschaft mit anderen Spitzen zusammengelegt und von ihr für Rechnung der Beteiligten verwertet. Die Gesellschaft kann die Verwertung nach Maßgabe von § 226 Abs. 3 AktG oder freihändig vornehmen.
c) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die weiteren Einzelheiten der Kapitalherabsetzung gemäß a) + b) festzulegen.
d) § 4 (1) der Satzung wird wie folgt neu gefasst:
"Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 9.047.800 Euro und ist eingeteilt in 9.047.800 Stückaktien."
TOP 3 (Erhöhung des herabgesetzten Grundkapitals durch Ausgabe von stimmberechtigten Vorzugsaktien gegen Bareinlagen sowie über die Änderung der Satzung im Hinblick auf den Gewinnvorzug der Vorzugsaktien):
a) Das neue Grundkapital von 9.047.800 Euro wird gegen Bareinlagen um bis zu 54.286.800 Euro auf bis zu 63.334.600 Euro erhöht durch Ausgabe von bis zu 54.286.800 neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit Gewinnvorzug (Vorzugsaktien). Die Vorzugsaktien werden zum Ausgabebetrag von 1 Euro je Vorzugsaktie ausgegeben und sind ab dem 1.1.2005 gewinnberechtigt. Sie sind stimmberechtigt und gemäß § 18 (8) der Satzung in der unter nachstehender Ziff. c) vorgeschlagenen Fassung mit einem befristeten Gewinnvorzug ausgestattet. Dieser Gewinnvorzug besteht in einem nachzahlbaren Vorausgewinnanteil von 0,10 Euro je Vorzugsaktie und ist letztmalig für das am 31.12.2009 endende Geschäftsjahr zu zahlen. Die Vorzugsaktien sind zunächst den Aktionären zum Bezugspreis von 1 Euro je Vorzugsaktie zum Bezug anzubieten. Das Bezugsverhältnis beträgt 1 : 6, d.h. Aktionäre der Gesellschaft können 6 neue Vorzugsaktien auf je eine alte Stückaktie der Gesellschaft (bezogen auf das Grundkapital nach Durchführung der Kapitalherabsetzung) beziehen. Die Bezugsfrist wird mindestens 2 Wochen betragen.
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats weitere Einzelheiten der Kapitalerhöhung und ihrer Durchführung festzulegen. Dazu gehört auch die Festlegung der Bedingungen, zu denen nach Ablauf der für alle Aktionäre geltenden Bezugsfrist Aktionäre über ihr Bezugsrecht hinaus sowie Dritte die nicht gezeichneten Vorzugsaktien zeichnen und beziehen können. Die Kosten der Kapitalerhöhung und ihrer Durchführung trägt die Gesellschaft.
Der Beschluss über die Kapitalerhöhung wird ungültig, wenn bis zum Ablauf des 31.5.2005 nicht mindestens 11.000.000 Vorzugsaktien gezeichnet worden sind.
b) § 4 (1) der Satzung wird wie folgt neu gefasst: "...."
c) § 18 der Satzung wird wie folgt geändert: "...."
TOP 6 (Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien und zur Veräußerung eigener Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts):
Die Gesellschaft wird ermächtigt, bis zum 3.8.2006 eigene Aktien im Umfang bis zu 10 % des Grundkapitals der Gesellschaft zu erwerben. Der Kaufpreis einer Aktie (ohne Erwerbsnebenkosten) darf den durchschnittlichen Schlussauktionspreis der Aktien im X-Handel (oder einem an die Stelle des X-Systems tretenden Nachfolgesystem) an der Frankfurter Börse an den jeweils 5 vorangegangenen Börsentagen um nicht mehr als 5 % übersteigen oder unterschreiten; im Falle eines öffentlichen Kaufangebots darf der Angebotspreis (ohne Erwerbsnebenkosten) den durchschnittlichen Schlussauktionspreis der Aktien 5 Börsentage vor dem Datum der Veröffentlichung des Angebots um nicht mehr als 10 % übersteigen oder unterschreiten.
Die Gesellschaft wird ermächtigt, die von der Gesellschaft gehaltenen eigenen Aktien in anderer Weise als über die Börse oder durch ein Angebot an alle Aktionäre zu veräußern. Insoweit wird der Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen,
a) wenn die erworbenen Aktien zu einem Preis veräußert werden, der den Börsenkurs von Aktien der Gesellschaft gleicher Ausstattung zum Zeitpunkt der endgültigen Festlegung des Verkaufspreises nicht wesentlich im Sinne von § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG unterschreitet (vereinfachter Bezugsrechtsausschluss); als maßgeblicher Börsenkurs gilt dabei der durchschnittliche Schlussauktionspreis der Aktien im X-Handel (...) an der Frankfurter Wertpapierbörse während der letzten 5 Börsentage vor der endgültigen Festlegung des Verkaufspreises der Aktien;
b) soweit die Veräußerung im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen oder des Erwerbs von Unternehmen, Beteiligungen oder sonstigen Vermögensgegenständen im Rahmen des Unternehmensgegenstands der Gesellschaft erfolgt.
TOP 9 (Fortgeltung von Beschlüssen der Hauptversammlung):
Für den Fall, dass vor der vollständigen Durchführung bzw. dem Wirksamwerden eines oder mehrerer der gemäß den TOP 2 - 6 der Hauptversammlung vom 4.2.2005 gefassten Beschlüsse das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ...IV R E AG eröffnet wird, soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der (weiteren) Durchführung bzw. dem Wirksamwerden des jeweiligen Beschlusses bzw. der jeweiligen Beschlüsse nicht entgegenstehen.
Die Kläger zu 3) und zu 4) wollen ferner die Nichtigkeit der Verschmelzung festgestellt wissen.
Die Kläger tragen vor,
die Beschlüsse seien nichtig und anfechtbar. Die Einladung zur Hauptversammlung sei fehlerhaft gewesen (§ 241 Nr. 1 AktG), der Beschluss sei nicht ordnungsgemäß beurkundet worden (§ 241 Nr. 1 AktG), es sei gegen Stimmverbote verstoßen worden (§ 241 Nr. 3 AktG). Der Beschluss sei gemäß § 241 Nr. 3 und 4 AktG nichtig, weil die Verschmelzung nichtig sei, weil ein Insolvenzplanverfahren habe durchgeführt werden sollen und wegen Verweigerung von Informationen.
Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 3 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Kläger zu 1) beantragt,
den am 4.2.2005 gefassten Beschluss zu TOP 2 für nichtig zu erklären,
hilfsweise, dessen Nichtigkeit festzustellen,
Der Kläger zu 2) beantragt,
den am 4.2.2005 gefassten Beschluss zu TOP 2 und zu TOP 6 für nichtig zu erklären,
Die Kläger zu 3) und 4) beantragen,
den am 4.2.2005 gefassten Beschluss zu TOP 2, zu TOP 6 und zu TOP 9 für nichtig zu erklären;
festzustellen, dass die Verschmelzung der beiden übertragenden Rechts träger ...AG (Hamburg HRB 1976) und ...IV - alt - (Frankfurt/Main HRB 8748) auf den übernehmenden Rechtsträger ...IV - neu- (Hamburg GRB 83628) nichtig ist.
Die Kläger zu 5) bis 7) beantragen,
den am 4.2.2005 gefassten Beschluss zu TOP 2 für nichtig zu erklären, hilfsweise, dessen Nichtigkeit festzustellen,
Der Kläger zu 8) beantragt,
den am 4.2.2005 gefassten Beschluss zu TOP 2 für nichtig zu erklären,
hilfsweise, dessen Nichtigkeit festzustellen,
Die Beklagten zu 1) und zu 2) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor,
aus dem Teilnehmerverzeichnis ergebe sich nicht, dass die Kläger der ursprünglichen Verfahren 401 O 49/05 und 401 O 59/05 an der Hauptversammlung teilgenommen, Fragen gestellt und Widerspruch erklärt hätten. Dies werde daher mit Nichtwissen bestritten, genauso wie ihre Aktionärsstellung im Zeitpunkt der Hauptversammlung.
Darüber hinaus werde mit Nichtwissen bestritten, dass sämtliche Kläger in sämtlichen Verfahren überhaupt noch im Besitz von Aktien der Beklagten zu 1. seien und dies auch seit der Hauptversammlung die ganze Zeit gewesen seien.
In den ursprünglichen Verfahren 401 O 49/05 und 401 O 59/05 sei die Klage erst am 7. März 2005 anhängig gemacht, im ursprünglichen Verfahren 401 O 50/05 sogar erst am 9. März 2005 und damit nach Fristablauf eingereicht worden.
Die Beschlüsse seien wirksam zustande gekommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Gründe
Die Klagen sind hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 2, 6 und 9 gegenüber der Beklagten zu 1) begründet. Bezüglich TOP 3 haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klagen gegenüber dem Beklagten zu 2) sind nicht begründet. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der Verschmelzung unbegründet.
I.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1) führt nicht zur Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 240 ZPO. Denn gemäß § 240 ZPO wird der Rechtsstreit nur unterbrochen, wenn er die Insolvenzmasse betrifft. Bei den vorliegenden Klagen handelt es sich jedoch nicht um Masseverbindlichkeiten, sondern um gesellschaftsrechtliche Angelegenheiten. Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und Herabsetzung sind aus dem Eigenkapital (im Gegensatz zum Fremdkapital) abgeleitet. Zuständig sind die Gesellschaftsorgane, nicht der Insolvenzverwalter (vgl. Ott ZIP 2004, 2120). Die Gläubiger werden nicht durch die Kapitalherabsetzung gefährdet, sondern durch die bereits entstandenen Verluste (Hüffer, AktG, § 229 AktG Rz. 2).
II.
Der Rechtsstreit ist nicht gemäß § 148 ZPO wegen des Auskunftsverfahrens auszusetzen. Denn es besteht keine Vorgreiflichkeit. Selbst ein ablehnender Beschluss im Auskunftserzwingungsverfahren entzieht den Vorstandsbeschluss, Auskunft zu verweigern, nicht der rechtlichen Nachprüfbarkeit (BGH NJW 193, 878 ff).
III.
Der Beklagte zu 2) ist nicht passivlegitimiert. Denn nach Insolvenzeröffnung ist der Insolvenzverwalter nur dann Partei kraft Amtes, wenn die Insolvenzmasse negativ betroffen ist (MünchKomm § 246 Rz. 54). Das ist hier, wie oben ausgeführt (I.), nicht der Fall.
IV.
Die Kläger sind aktivlegitimiert, da ihre Aktionärsstellung inzwischen für alle durch Bankauskünfte belegt ist.
Desgleichen haben alle Kläger nachgewiesen, dass sie gemäß § 245 Nr. 1 AktG Widerspruch erklärt haben.
Die einmonatige Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG lief nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 4. März 2005 (Beschluss: 4.2.2005) ab. Sie ist in allen Verfahren gewahrt, da jeweils fristwahrende Faxe eingegangen sind.
V.
Zur Wirksamkeit der einzelnen Tagesordnungspunkte im einzelnen:
1.
Der zu TOP 2 (Kapitalherabsetzung) gefasste Beschluss ist wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht gemäß § 241 Nr. 3 und 4 AktG nichtig. Die massive Verletzung der Informationspflicht stellt einen Verstoß gegen die guten Sitten und eine Verletzung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre dar:
Gemäß § 229 Abs. 1 AktG kann eine Herabsetzung des Grundkapitals, die dazu dienen soll, Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken oder Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen, in vereinfachter Form vorgenommen werden. Im Beschluss ist festzusetzen, dass die Herabsetzung zu diesen Zwecken stattfindet. Gemäß § 229 Abs. 2 AktG ist die vereinfachte Kapitalherabsetzung jedoch nur zulässig, nachdem der Teil der gesetzlichen Rücklage und der Kapitalrücklage, um den diese zusammen über zehn vom Hundert des nach der Herabsetzung verbleibenden Grundkapitals hinausgehen, sowie Gewinnrücklagen vorweg aufgelöst sind. Sie ist nicht zulässig, solange ein Gewinnvortrag vorhanden ist.
Die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§ 229 AktG) ist damit lediglich zu Sanierungszwecken zulässig und das auch nur, soweit nicht durch Auflösung von Rücklagen oder Verwendung eines Gewinnvortrags geholfen werden kann (§ 229 Abs. 2 AktG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss von der Hauptversammlung nachgeprüft werden können. Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ein bilanzieller Verlust tatsächlich bestehen und der Verlust nachhaltig sein muss. Entscheidend ist dafür eine gewissenhafte Prognose, andernfalls ist der Beschluss anfechtbar (Hüffer, AktG, § 229 Rz. 8 m.w.N.).
Bei der außerordentlichen Hauptversammlung der ...IV R E G vom 4. Februar 2005 wurden den Aktionären zur Entscheidung über TOP 2 (Kapitalherabsetzung) und TOP 3 (Kapitalerhöhung) nur Zahlen bis zum Jahr 2002 zur Verfügung gestellt, hingegen nicht für die Jahre 2003 und 2004. Für einen objektiv urteilenden Aktionär sind nachvollziehbare Auskünfte zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft für die Entscheidung über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung erforderlich. Dazu gehören für die im Jahr 2005 zu treffende Entscheidung verbindliche Zahlen für das Jahr 2003 und für das Jahr 2004. Die Beklagte zu 1) hat ihre Informationspflicht verletzt, indem weder der ursprüngliche Jahresabschluss 2003 noch der Testatentwurf KPMG noch die betriebswirtschaftliche Auswertung per 31. Dezember 2003 vorgelegt wurden noch die Quartalszahlen für die ersten 3 Quartale 2004; weder die Grundzüge des Insolvenzplans noch die Fälligkeit der größten Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft sind den Aktionären bekannt gegeben worden. Die Frage nach dem Jahresergebnis 2003 ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nur per Stand März 2004 beantwortet worden, was im Februar 2005 unmaßgeblich ist. Einen vorläufigen Jahresabschluss für 2004 gab es nicht. Einen Zwischenabschluss per 30. November 2004 gab es nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten zu 1) nicht, weder zu Liquidationswerten noch zu Fortführungswerten. Ein für diesen Zeitpunkt erstellter Liquiditätsstatus ist nicht vorgelegt worden. Fragen nach Verlust und Eigenkapital zum 31.12.2004 waren offen. Unstreitig hat die Beklagte zu 1) auch keine konkreten Zahlen zum Liquiditätsbedarf genannt. Mit der Aussage des Vorstandes, dass das Grundkapital aufgebraucht sei, ist nicht die wesentliche Information gegeben. Positionen der Überschuldungsbilanz zu diesem Stichtag waren für die Einschätzung der wirtschaftlichen Prognose erforderlich.
Des weiteren waren nach dem eigenen Vortrag der Beklagten zu 1) nicht einmal sämtliche Verluste der Tochtergesellschaften bekannt, ebenso nicht die Höhe der erforderlichen Verzichte, die erforderlich sind, um das Kapital wieder auf Null zu bringen, was das Ziel des Insolvenzplanes ist. Es mag sein, dass hinsichtlich der Details des Insolvenzplans ein Geheimhaltungsrecht besteht. Hier wurden jedoch nicht einmal die gröbsten Grundzüge mitgeteilt.
Desgleichen ist der Liquiditätsbedarf, nämlich die Frage, in welcher Höhe Liquidität zugeführt werden muss, um die Zahlungsfähigkeit der ...IV für das Geschäftsjahr 2005 und auf einen mittleren Zeitraum von fünf Jahren zu sichern, nicht beantwortet worden, weil auch hierzu zuverlässige Grundlagen fehlten, mit der Begründung, dass sie ganz maßgeblich von der Person des Investors, der von ihm investierten Summe und des von ihm verfolgten Ziels abhingen. Inwiefern der Mindestzeichnungsbedarf von Euro 11 Mio. ausreichen würde (Antwort 118), um die Gesellschaft auch langfristig zu sanieren, ist nicht nachvollziehbar.
Selbst wenn teilweise keine verbindlichen Zahlen vorlagen, hätte man jedenfalls die vorhandenen Zahlen mit dem Hinweis auf deren begrenzte Verbindlichkeit vorlegen müssen. Denn auch aus dem Vergleich dieser Zahlen mit den verbindlichen Zahlen kann sich ein Aktionär ein gewisses Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft machen. Da keine annähernd verbindlichen Zahlen vorlagen, war überhaupt kein verantwortlicher Beschluss möglich und ist das zur Abstimmung Stellen der Kapitalherabsetzung als Verstoß gegen die guten Sitten und als Verletzung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre anzusehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Fragerechts des Aktionärs. Es ist unzureichend und unzumutbar, unter Verzicht auf Vorlage des Minimums an Unterlagen und Zahlenmaterial den Aktionär auf ein mündliches Frage- und Antwortspiel in der Hauptversammlung zu verweisen. Wie ungeeignet diese Vorgehensweise ist, zeigt die immense Dauer der Versammlung. Die Aktionäre hätten sich erst die Mindestgrundlagen für ihre zu treffende Entscheidung erfragen müssen und hatten damit gar keine Gelegenheit für echte Nachfragen. Das aber ist nicht Sinn des Fragerechts des Aktionärs auf der Hauptversammlung.
Nicht zu prüfen ist die Frage, ob die Auskunftsverweigerung kausal für die Abstimmungsentscheidung gewesen ist. Vielmehr ist auf die Relevanz für das Beschlussergebnis abzustellen, d.h. zu fragen, ob es bei wertender Betrachtungsweise möglich oder ausgeschlossen ist, dass sich der Verfahrensfehler auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat. Diese Frage ist bei der Auskunftsverweigerung regelmäßig zu bejahen. Dies folgt bereits daraus, dass eine Auskunftsverweigerung nur vorliegt, wenn die Auskunft im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich war. Wird aber die Erforderlichkeit bejaht, so ist damit zugleich in aller Regel entschieden, dass die Relevanz für das Beschlussergebnis vorliegt (Hans OLG, Urt. v. 30.12.2004, Az. 11 U 98/04 m. w. N. betr. BGH). Dass hier aus besonderen Gründen eine andere Wertung angebracht sein könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Verletzung dieser Auskunftspflicht erscheint als hinreichend schwer, um die Nichtigerklärung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses als nicht unangemessene Rechtsfolge erscheinen zu lassen.
2.
Auch der zu TOP 6 gefasste Beschluss (Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien und zur Veräußerung eigener Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts) ist nichtig.
Gemäß § 186 Abs. 1 Satz 1 AktG muss jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seinem Anteil an dem bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden. Gemäß § 186 Abs. 3 AktG kann das Bezugsrecht nur im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals ausgeschlossen werden. Der Bezugsrechtsausschluss ist untrennbarer Bestandteil des Kapitalerhöhungsbeschlusses (Hüffer, § 186 AktG Rz. 20). Die Wirksamkeit des Bezugsrechtsausschlusses scheitert hier bereits daran, dass ein wirksamer Erhöhungsbeschluss nicht vorliegt. Der Kapitalerhöhungsbeschluss (TOP 3) ist nämlich aus denselben Gründen wie der Kapitalherabsetzungsbeschluss (TOP 2) nichtig (§ 241 Nr. 4 AktG). Auch für die Kapitalerhöhung lagen keine ausreichenden Informationen vor. Abgesehen davon ist der Kapitalerhöhungsbeschluss schon deshalb gegenstandslos, weil der Kapitalherabsetzungsbeschluss nichtig ist. Damit scheidet die Erhöhung des "herabgesetzten Grundkapitals" schon kraft Natur der Sache aus.
3.
Schließlich ist der zu TOP 9 (Fortgeltung von Beschlüssen der Hauptversammlung für den Insolvenzfall) gefasste Beschluss nichtig, da bereits die Beschlüsse, um deren Fortgeltung es geht, nichtig sind (s.o.).
VI.
Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verschmelzung von HABAG R E AG, Hamburg (...AG) und ...IV R E AG, Frankfurt (...IV alt) auf die ...IV R E AG (NewCo), Hamburg (...IV neu) ist nicht zulässig. Die Kläger haben kein berechtigtes Interesse an der gesonderten Feststellung der behaupteten Nichtigkeit der Verschmelzung. Denn das Hanseatische Oberlandesgericht hat für die vorliegende Verschmelzung bereits rechtskräftig entschieden, dass eine Änderung des Registers hinsichtlich der Verschmelzung nicht in Betracht kommt (s.u.). Im Rahmen etwaiger Schadensersatzansprüche der Kläger wegen einer Nichtigkeit der Verschmelzung kann die behauptete Nichtigkeit ohne weiteres inzident geprüft werden. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat zudem die Unwirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses bereits ausdrücklich festgestellt und die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach ausdrücklich bejaht (Urteil vom 16.4.2004, Az. 11 U 11/03 = ZIP 2004, 906 ff). Insbesondere vor diesem Hintergrund besteht kein berechtigtes Interesse der Kläger an einer gesonderten Feststellung Nichtigkeit einer Verschmelzung.
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 20.8.2003, Az. 11 W 39/03 (s.S. 3, II. 1.), für die hier streitige Verschmelzung ausgeführt, dass im Falle der Verschmelzung eine Änderung der Registereintragung nicht möglich ist, auch dann nicht, wenn zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Denn mit der Eintragung ist die Verschmelzung ungeachtet vorhandener Mängel gemäß § 20 Abs. 2 AktG wirksam geworden. Gemäß § 20 Abs. 2 UmwG lassen Mängel der Verschmelzung die Wirkungen der Eintragung nach Abs. 1 unberührt.
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat ferner in seinem Urteil vom 16.4.2004, Az. 11 U 11/03, (ZIP 2004, 906 ff) für die vorliegende Verschmelzung ausgeführt, dass aus § 20 Abs. 2 und § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG das Verbot der Entschmelzung folgt und lediglich Schadensersatzansprüche bestehen. Als Ersatz des Schadens kann nach der ausdrücklichen gesetzlichen Normierung in § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG nicht die Beseitigung der Wirkungen der Eintragung der Verschmelzung im Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers verlangt werden. Demgemäß scheidet nach herrschender Meinung eine Entschmelzung ausnahmslos aus; dabei ist es ohne Belang, welcher Art der Mangel ist und welche Rechtshandlung mit Mängeln behaftet ist (vgl. Dehmer, UmwG, 2. Aufl., § 20 Rz. 94 ff m.w.N.; Kallmeyer, UmwG, 2. Aufl., § 20 UmwG Rz. 47 m.w.N.; Lutter, UmwG, 1996, § 20 Rz 75 m.w.N.).
Etwas anderes, insbesondere ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Kläger, ergibt sich auch nicht aus den Sonderregeln des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes. Denn sie sind für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich, da der Bereich der Landwirtschaft hier nicht betroffen ist und es sich bei den Vorschriften um Sonderregeln gerade für den landwirtschaftlichen Bereich handelt. Hätte man diese als allgemeine Vorschriften gewollt, hätte man sie nicht als Sonderregeln gefasst.
Auch die Europäischen Richtlinien führen zu keinem anderen Ergebnis, insbesondere nicht zu einem berechtigten Feststellungsinteresse der Kläger.
VII.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 91 a, 709 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend hinsichtlich des TOP 3 (Kapitalerhöhung) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, trägt die Beklagte zu 1) die Kosten. Denn die hierauf gerichteten Klagen waren bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet, da auch der Kapitalerhöhungsbeschluss nichtig war (s.o. III.2.).
Der Streitwert wird für diese Instanz wie folgt festgesetzt:
Antrag TOP 2, Antrag TOP 3, Antrag TOP 6, Antrag TOP 9 zusammen: 50.000,00 Euro
Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verschmelzung: 50.000,00 Euro
LG Hamburg:
Urteil v. 23.11.2005
Az: 401 O 47/05
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