Landgericht Detmold:
Beschluss vom 31. Mai 2011
Aktenzeichen: 4 Qs 86/11
(LG Detmold: Beschluss v. 31.05.2011, Az.: 4 Qs 86/11)
Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren neben der Berufungsverfahrensgebühr auch wenn nur die Einziehung oder eine ihr verwandte Maßnahme Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 8. Dezember 2010 wird aufgehoben.
Der Festsetzung des Amtsgerichts Detmold vom 15. September 2010 wird dahingehend abgeändert, dass die dem Rechtsanwalt Dr. y erstattenden Gebühren und Auslagen für die zweite Instanz auf 805,63 EUR und damit die insgesamt zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 1.642,14 Euro festgesetzt werden.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Am 18. August 2009 erhob die Staatsanwaltschaft Detmold gegen den Verurteilten Anklage zum Amtsgericht - Schöffengericht - in Detmold wegen Diebstahls. Mit Beschluss vom 28. September 2009 wurde das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet und dem Angeklagten Rechtsanwalt Dr. y aus E als Pflichtverteidiger bestellt. Mit Urteil vom 27. Oktober 2009 verurteilte das Amtsgericht Detmold den Beschwerdeführer wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und zwei Wochen und ordnete den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.500,00 EUR an. Gegen dieses Urteil legte der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. November 2009 Berufung ein. Die Berufung wurde auf die Anordnung des Verfalls von Wertersatz beschränkt. Durch Urteil vom 7. April 2010 änderte die Berufungskammer des Landgerichts Detmold das Urteil dahingehend ab, dass die Anordnung des Verfalls entfiel. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 9. April 2010 reichte der Verteidiger eine Kostenaufstellung für eine Pflichtverteidigung erster Instanz und eine Wahlverteidigung zweiter Instanz ein und bat um Festsetzung des Rechnungsbetrages gegen die Landeskasse.
Auf Aufforderung des Amtsgerichts reichte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 15. Juni 2010 weiter eine Kostenaufstellung der Pflichtverteidigergebühren 2. Instanz ein und berechnete diese wie folgt:
Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren (Nr. 4124)
216,00 EUR
Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag (Nr. 4126)
216,00 EUR
Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (Nr. 4142)
338,00 EUR
Pauschale für die Herstellung von Dokumenten (83 Kopien) (Nr. 7000)
29,95 EUR
Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002)
20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer
155,79 EUR
Gesamt
975,74 EUR
Mit Festsetzung vom 15. September 2010 setzte das Amtsgericht die Pflichtverteidigergebühren für die erste Instanz auf 836,51 EUR und für die zweite Instanz auf 537,88 EUR und damit die dem Verteidiger insgesamt zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 1.374,39 EUR fest. Dabei ermäßigte es die Gebühr VV 4142 RVG für die erste Instanz unter Verweis auf § 49 RVG auf 225,00 EUR und setzte für die zweite Instanz die beantragte Gebühr VV 4142 RVG sowie die angesetzte Dokumentenpauschale ab, da es sich um dieselben 83 Kopien handele, die bereits erster Instanz geltend gemacht worden seien.
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 legte der Verteidiger gegen den Beschluss vom 15. September 2010 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, die Gebühr VV 4142 RVG falle auch für die zweite Instanz an. Dass es in der Berufungsinstanz allein noch um die Anordnung des Verfalls gegangen sei, ändere daran nichts. Außerdem falle auch die Dokumentenpauschale für jede Instanz an. Nach weiterer Stellungnahme des Bezirksrevisors erklärte der Verteidiger sich mit Schriftsatz vom 24. November 2010 mit der Absetzung der Dokumentenpauschale für die zweite Instanz und der Herabsetzung der Gebühr VV 4142 RVG für die erste Instanz auf 225,00 EUR einverstanden und beschränkte sein Rechtsmittel auf die Absetzung der Gebühr VV 4142 RVG für die zweite Instanz.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 legte das Amtsgericht Detmold das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel als Erinnerung aus und wies diese als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das Amtsgerichts aus, bei der Gebühr VV 4142 RVG handele es sich um eine besondere Verfahrensgebühr, mit der eine zusätzliche Tätigkeit des Rechtsanwalts im Hinblick auf eine mögliche Anordnung des Verfalls honoriert werden solle. Da es im Berufungsverfahren vorliegend allein um die Anordnung des Verfalls gegangen sei, sei eine besondere Tätigkeit, die eine zusätzliche weitere Gebühr neben der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren rechtfertige, nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2011 legte der Verteidiger gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Detmold sofortige Beschwerde ein.
Der Bezirksrevisor hat am 6. Juli 2010, am 9. August 2010, am 11. November 2010 und am 16. Februar 2011 Stellung genommen. Er vertritt die Auffassung, die angemeldete Gebühr nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG sei im Berufungsverfahren nicht angefallen. Es handele sich bei der Gebühr um eine zusätzliche Verfahrensgebühr, die dazu dienen solle, eine besondere zusätzliche Tätigkeit des Verteidigers angemessen zu honorieren. Im vorliegenden Fall sei es im Berufungsverfahren allerdings allein um die Anordnung des Verfalls gegangen. Eine besondere weitere Tätigkeit, die eine zusätzliche Gebühr neben der Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens rechtfertige, liege damit nicht vor.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 56 RVG zulässig und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Aufhebung des auf die Erinnerung ergangenen Beschlusses und Abänderung der Festsetzung vom 15. September 2010 hinsichtlich der Pflichtverteidigergebühren für die zweite Instanz.
Dem Verteidiger steht die angemeldete Gebühr nach Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG auch für das Berufungsverfahren zu, allerdings gemäß § 49 RVG nur in Höhe von 225,00 EUR.
Bei der Gebühr VV 4142 RVG handelt es sich um eine als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr, die für Tätigkeiten des Rechtsanwalts bei Einziehung und verwandten Maßnahmen entsteht. VV 4142 RVG ist dabei an die Stelle des früheren § 88 BRAGO getreten. Während jedoch dieser als Ermessensvorschrift ausgestaltet war und die Überschreitung des Gebührenrahmens nur erlaubte, wenn dieser nicht ausreichte, um die Tätigkeit des Rechtsanwaltes angemessen zu berücksichtigen, so wurde mit der neuen VV 4142 RVG diese Ermessensregelung aufgegeben. Nach der neuen Vorschrift entsteht die zusätzliche Gebühr immer im Falle einer Tätigkeit, die sich auf die Einziehung oder verwandte Maßnahmen bezieht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gebührenrahmen der jeweiligen Verfahrensgebühr ausreicht, um die Tätigkeiten des Rechtsanwalts angemessen zu berücksichtigen (Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage, München 2010, VV 4142, Rdnr. 1, 2; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Auflage, München 2005, VV Teil 4 Abschnitt 1, Rdnr. 125).
Vorliegend war eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf eine der Einziehung verwandte Maßnahme, nämlich den Verfall richtete, auch im Berufungsverfahren gegeben, denn Gegenstand der eingelegten Berufung war der angeordnete Verfall. Weitergehende Voraussetzungen für das Anfallen der Gebühr sieht die Vorschrift nicht vor. Insbesondere hängt ihr Entstehen nicht davon ab, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht bereits durch die normale Verfahrensgebühr hinreichend honoriert wird. Danach kann nach Auffassung der Kammer das Entstehen der Gebühr nicht mit der Begründung verneint werden, das Berufungsverfahren habe sich auf den Verfall beschränkt, es handele sich also nicht um eine zusätzliche Tätigkeit.
Die Gebühr ist allerdings gemäß § 49 RVG nur in Höhe von 225,00 EUR entstanden, da der Gegenstandswert hinsichtlich der Verfallsanordnung auf 5.500,00 EUR festgesetzt worden ist.
Nach alledem waren die Gebühren für die Pflichtverteidigung zweiter Instanz abweichend von der angefochtenen Kostenfestsetzung wie folgt festzusetzen:
Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren (Nr. 4124)
216,00 EUR
Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag (Nr. 4126)
216,00 EUR
Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (Nr. 4142)
225,00 EUR
Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002)
20,00 EUR
19 % Umsatzsteuer
128,63 EUR
Gesamt
805,63 EUR
Zuzüglich der unbeanstandet festgesetzten Gebühren und Auslagen für die Pflichtverteidigung erster Instanz in Höhe von 836,51 EUR ergaben sich insgesamt festzusetzende Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.642,14 EUR.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage hat die Kammer gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 RVG die weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 56 Abs. 2 RVG.
LG Detmold:
Beschluss v. 31.05.2011
Az: 4 Qs 86/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5956a1988dd1/LG-Detmold_Beschluss_vom_31-Mai-2011_Az_4-Qs-86-11