Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 28. Januar 2014
Aktenzeichen: 11 U 111/12
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 28.01.2014, Az.: 11 U 111/12)
Durch die einmalige Präsentation eines Architektenplanes gegenüber potentiellen Kaufinteressenten durch den auftraggebenden Bauträger werden keine urheberrechtlichen Verwertungsrechte des Architekten verletzt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 13.09.2012, Az. 1 O 1559/12, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der klagende Architekt hatte im Auftrag der Beklagten Entwurfsplanungen für ein Mehrparteienwohnhaus gefertigt. Hierfür wurde vereinbarungsgemäß ein Honorar von 1.500 Euro bezahlt. Der genaue Auftragsumfang und die Umstände des Vertragsabschlusses sind zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat die vom Kläger gefertigten Entwürfe ohne ausdrückliche Absprache mit dem Kläger im Januar 2011 bei einer Präsentation gegenüber Kaufinteressenten vorgestellt. In der Folgezeit wurde ein anderer Architekt mit der Ausführung des Bauvorhabens beauftragt; die klägerischen Entwürfe fanden dabei keine Verwendung.
Der Kläger macht nunmehr urheberrechtliche Vergütungsansprüche geltend, die er nach den §§ 32 ff HOAI 2009 unter Zugrundelegung der Leistungsphasen 1-3 ermittelt.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Beklagte durch die Präsentation der klägerischen Entwürfe am 7.2.12 schuldhaft gegen das Veröffentlichungsrecht bzw. das Verwertungsrecht des Klägers verstoßen habe. Dem Kläger stehe jedenfalls mangels Schadens kein Schadensersatz nach der Lizenzanalogie zu. Maßgeblich sei insoweit, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vorgenommene Benutzung vereinbart hätten. Für die bloße Präsentation der Planentwürfe hätten jedoch vernünftige Vertragspartner keine zusätzliche Vergütung über die für den Entwurf vereinbarten 1.500 Euro hinaus vereinbart, so dass dem Kläger insoweit kein Schaden entstanden sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger davon Kenntnis gehabt habe, dass zwei weitere Architekturbüros neben ihm planten und nicht feststand, dass er den avisierten Architektenauftrag erhalten würde. Er hätte daher selbst für eine Präsentation gegenüber potentiellen Kaufinteressenten kein Honorar verlangt, sondern es wäre ihm darum gegangen, Zustimmung für seine Entwürfe zu erhalten.
Soweit der Kläger hilfsweise einen Mindestsatz gem. § 34 Abs. 1 HOAI geltend mache, habe er klar gestellt, dass es sich hierbei nur um eine andere Berechnung des Lizenzschadens handele und dass ein etwaiger vertraglicher Anspruch nicht geltend gemacht werde.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiter und erweitert die Klage im Übrigen um vorgerichtliche Anwaltskosten.
Er rügt, dass es das Kriterium €was vernünftige Vertragspartner als Vergütung € vereinbart haben€ nicht gebe. Sein Werk sei urheberrechtlich geschützt. Sein Urheberrecht sei durch die ohne seine Zustimmung erfolgte Präsentation gegenüber Bau- und Kaufinteressenten verletzt worden. Auf den Umfang der Auswertung komme es nicht an. Der Kläger habe auch nicht für potentielle Kaufinteressenten geplant, sondern für die Beklagte.
Des Weiteren hat er in der Berufungsbegründung ausgeführt, das Urteil sei auch deshalb fehlerhaft, weil es nicht berücksichtigt habe, dass dem Kläger jedenfalls ein Mindesthonoraranspruch nach der HOAI i.H.v. 40.340,27 Euro zustehe. Das Landgericht hätte prüfen müssen, ob Zahlungsansprüche auf Grund einer Verletzung der HOAI, etwa wegen Unterschreitens der Mindestsätze, gegeben seien.
Dem Kläger stehe auch deshalb ein Schadensersatzanspruch zu, weil die Beklagte ihm nicht umgehend nach der Präsentation am 7.2.2012 mitgeteilt habe, dass man sich für die Planung eines anderen Architekten entschieden habe, sondern dem Kläger umfangreiche Änderungswünsche mitgeteilt habe und ihn so zur Anfertigung eines zweiten Entwurfes veranlasst habe. Der hierdurch verursachte Arbeitsaufwand sei nach den Grundsätzen der HOAI zu bezahlen.
Auf Hinweis des Senats, dass es sich bei den in der Berufung angesprochenen vertraglichen Ansprüchen auf zusätzliche Vergütung wegen eines etwaigen Verstoßes gegen § 7 HOAI sowie auf Schadensersatz im Zusammenhang mit den beauftragten Änderungsplanungen um weitere Streitgegenstände handele und dass daher - da das von ihm errechnete Honorar nur einmal begehrt werde - ein Eventualverhältnis der drei Streitgegenstände anzugeben sei, hat der Kläger klargestellt, dass lediglich der urheberrechtliche Anspruch geltend gemacht werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Kassel vom 13.09.2012 Az. 1 AO 1559/12 aufzuheben und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 54.341,59 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2012 zu zahlen;
2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an den Kläger 1761,08 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
II.
1)
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Auch die Erweiterung der Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren (Berufungsantrag zu 2.) ist in der Berufungsinstanz nach den §§ 525, 264, 531 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Beklagte hat den entsprechenden Sachvortrag des Klägers in der Berufungsbegründung nicht bestritten, so dass dieser neue Prozessstoff in der Berufungsinstanz berücksichtigt werden kann (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rdnr. 23).
2)
Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch nach § 97 UrhG zu.
a) Dabei kann offen bleiben, ob die auf den streitgegenständlichen Plänen dargestellten Bauten eine ausreichende eigenschöpferische Originalität und Individualität aufweisen, um nach § 2 Nr. 4 UrhG als Werke der Baukunst schutzfähig zu sein, und ob diese individuellen Züge bereits im Entwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Nur in diesem Fall wären die streitgegenständlichen Pläne überhaupt urheberrechtlich geschützt (zu den Anforderungen an die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Bauwerks und der zugrundeliegenden Pläne vgl. zuletzt etwa OLG Karlsruhe NZBau 2013, 712 m.w.Nw.).
b) Auch wenn man die Urheberrechtsschutzfähigkeit unterstellt, so hat die Beklagte jedenfalls durch die Präsentation der Pläne gegenüber Kaufinteressenten kein Verwertungsrecht des Klägers i.S. der §§ ff. 15 UrhG verletzt.
aa) Die Beklagte hat die Pläne nicht in körperlicher Form verwertet (§ 15 Abs. 1 UrhG); sie hat sie weder vervielfältigt (§ 16 UrhG) noch verbreitet (§ 17 UrhG), noch ausgestellt (§ 18 UrhG).
Unter €Vervielfältigung" i.S.d. § 16 UrhG ist die Herstellung von Vervielfältigungsstücken zu verstehen; gleichbedeutend ist nach § 16 Abs. 2 UrhG die Übertragung des Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe. Bei Architektenplänen ist auch die Ausführung des auf den Plänen dargestellten Bauwerkes als Vervielfältigung zu werten (OLG Karlsruhe aaO, BGH NJW 2004, 666, 668 - Staatsbibliothek). €Verbreitung" im Sinne des § 17 UrhG ist das Anbieten des Werkes in der Öffentlichkeit oder das Inverkehrbringen.
Keines von beiden ist hier erfolgt. Es ist weder ersichtlich, dass die Beklagte Vervielfältigungsstücke - und sei es in Form des Nachbaus - hergestellt hätte, noch dass sie die Pläne öffentlich angeboten hätte. Die Beklagte wollte nicht die Pläne des Klägers verkaufen, sondern sie beabsichtigte, selbst Eigentumswohnungen zu errichten. Das Vorzeigen der Pläne des Klägers sowie anderer Architekten diente lediglich der Feststellung, welche Art von Wohnungen bei dem potentiellen Käuferkreis auf Akzeptanz stoßen würde, und sollte damit der Beklagten eine Grundlage für ihre eigene Auswahlentscheidung bieten.
Auch die Voraussetzungen des § 18 UrhG sind nicht erfüllt. Dabei ist bereits fraglich, ob dieser Tatbestand überhaupt auf Bauwerke und deren Entwürfe anwendbar ist, oder nicht vielmehr auf Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke im engeren Sinne beschränkt ist (so Vogel in: Schricker/Löwenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 18 UrhG Rdnr. 12). Jedenfalls beinhaltet das einmalige Vorzeigen der Pläne gegenüber einem festen Adressatenkreis (Kaufinteressenten) zum Zwecke der Meinungsbildung über ein von der Beklagten geplantes Bauprojekt noch kein öffentliches Zur-Schau-Stellens i.S.d. § 18 UrhG i.v.m. § 15 Abs. 3 UrhG.
cc) Die Wiedergaberechte des § 15 Abs. 2 i.V.m. §§ 19 ff UrhG sind vorliegend schon deshalb nicht tangiert, weil diese lediglich die Wiedergabe von Werken in unkörperlicher Form betreffen, etwa mittels Funk oder unter Zuhilfenahme von Bild- und Tonträgern (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 15 Rdnr. 29).
c) Eine allenfalls in Betracht kommende Verletzung des Veröffentlichungsrechtes des Klägers i.S.d. § 12 UrhG vermag der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Wenn man annimmt, dass die Pläne durch die Präsentation gegenüber den Kaufinteressenten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (§ 6 Abs. 1 UrhG), und wenn man weiter unterstellt, dass der Kläger hierzu noch nicht bereits durch die Überlassung der Pläne an die Beklagte eine konkludente Zustimmung erteilt hat, so könnte zwar das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers tangiert sein. Denn dieses umfasst auch das Recht des Urhebers darüber zu bestimmen, ob, wann, wo und in welcher Form er sein Werk der Öffentlichkeit offenbart.
Eine etwaige Verletzung dieses Rechts könnte jedoch allenfalls zu einem immateriellen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG führen. Abgesehen davon, dass ein solcher Anspruch vorliegend nicht geltend gemacht wird, ist auch nicht ersichtlich, dass dessen Voraussetzungen hier erfüllt sind. Insbesondere dürfte angesichts der geringen Intensität eines etwaigen Eingriffs in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers insoweit eine Entschädigung in Geld nicht der Billigkeit entsprechen.
d) Da dem Kläger der begehrte Schadensersatzanspruch nicht zusteht, kann er auch keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren verlangen.
3)
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtssätze im konkreten Einzelfall.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 28.01.2014
Az: 11 U 111/12
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