Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 11. Dezember 2008
Aktenzeichen: 31 Wx 85/08

(OLG München: Beschluss v. 11.12.2008, Az.: 31 Wx 85/08)

Tenor

I. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 11, 19 und 28 bis 37 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Mai 2008 werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller zu 11, 19 und 28 bis 37 tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 348.000 € festgesetzt.

IV. Die von der Antragsgegnerin zu erstattende Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.455,37 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung aufgrund des am 15.12.2004 beschlossenen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre der KH AG.

Die Antragsgegnerin war Hauptaktionärin der KH AG (im Folgenden: Gesellschaft), deren Unternehmensgegenstand die Fabrikation und der Vertrieb von Werkzeugen und Hartstoffen sowie der Verkauf von Maschinen und Anlagen ist. Sie hielt 99,3 % des Grundkapitals der Gesellschaft in Höhe von 38.346.891,09 €, das in 1.377.500 auf den Inhaber lautende Stammstückaktien und 122.500 auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsstückaktien aufgeteilt war. Beide Aktiengattungen wurden an der Börse im amtlichen Markt gehandelt. Die Hauptversammlung beschloss am 15.12.2004, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 316,07 € je Stammstückaktie und von 301,76 € je Vorzugsstückaktie auf die Hauptaktionärin zu übertragen. Die von der Hauptaktionärin angebotenen Beträge entsprachen dem durchschnittlichen gewichteten Börsenpreis in den drei Monaten vor Ankündigung der Maßnahme. Die mit der Bewertung beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kam unter Anwendung des Ertragswertverfahrens zu einem Unternehmenswert von 377,9 Mio. € und zu einem Wert von 251,94 € je Aktie, wobei sie nicht zwischen den Aktiengattungen unterschied. Der sachverständige Prüfer befand die angebotene Barabfindung für angemessen. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs im Anfechtungsverfahren erhöhte die Hauptaktionärin die Barabfindung auf 324,07 € bzw. 309,76 €; bei Verzicht auf ein Spruchverfahren wurde eine weitere Erhöhung der Abfindung um 12 € angeboten. Der Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre wurde am 28.4.2005 in das Handelsregister eingetragen; die Bekanntmachung erfolgte am 7.5.2005.

Die Antragsteller zu 1 bis 10 und 12 bis 38 beantragten mit unterschiedlichen Begründungen die Festsetzung einer höheren Barabfindung. Der Antragsteller zu 11 führte in seinem Antrag vom 28.7.2005 aus, er halte den angebotenen Betrag für nicht angemessen und beantrage dessen gerichtliche Festsetzung. Vor der Begründung bitte er dem Antragsgegner gemäß § 7 Abs. 3 SpruchG aufzugeben, den Übertragungsbericht und den Bericht des sachverständigen Prüfers zur Verfügung zu stellen, da diese nicht vorlägen. Es werde um eine Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat nach Vorliegen der Unterlagen gebeten. Vorsorglich werde auf die in dieser Sache bereits vorliegenden Anträge und deren Begründungen Bezug genommen.

Das Landgericht holte eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme des sachverständigen Prüfers ein und hörte diesen in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 an. Mit Beschluss vom 28.5.2008 wies das Landgericht den Antrag des Antragstellers zu 11 als unzulässig zurück und setzte die angemessene Barabfindung auf 347,42 € fest. Gegen den Beschluss des Landgerichts legten die Antragsteller zu 11, 19 und 28 bis 37 sofortige Beschwerde ein.

II.

Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers zu 11 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil er keine konkreten Einwendungen gegen die Unternehmensbewertung enthielt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG).

a) Die Antragsbegründung ist Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. OLG Frankfurt AG 2007, 448; OLG Stuttgart NZG 2004, 1162; Büchel NZG 2003, 793;Luttermann EWiR 2005, 51; Simon SpruchG § 4 Rn. 35; BT-Drucks. 15/371, S. 13). Sie hat konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation oder den als Grundlage für diese ermittelten Unternehmenswert zu enthalten, soweit hierzu Angaben in den in § 7 Abs. 3 SpruchG genannten Unterlagen enthalten sind. Das Begründungserfordernis des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SpruchG wurde eingeführt, um das Spruchverfahren wesentlich zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 15/371, S. 13). Durch das Erfordernis einer konkreten Bewertungsrüge soll vermieden werden, dass mit pauschalen unspezifischen Rügen ein aufwendiges Spruchverfahren in Gang gesetzt werden kann (vgl. Hüffer AktG 8. Aufl. Anhang zu § 305, § 4 SpruchG Rn. 6 und 9; Simon § 4 Rn. 34). Der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) tritt insoweit zurück (KG NZG 2008, 469; Winter/Nießen NZG 2005, 13).

b) Der vom Antragsteller zu 11 eingereichte Antrag beschränkt sich auf die Mitteilung, er halte den angebotenen Betrag nicht für angemessen. Dieser Vortrag, der keine konkrete Einwendung darlegt, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, ebenso wenig die pauschale Bezugnahme auf €in dieser Sache bereits vorliegende Anträge und deren Begründungen€ (vgl. KG NZG 2008, 469/470; KK SpruchG/Wasmann 1. Aufl. § 4 Rn. 17). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war das Landgericht nicht gehalten, auf die Unzulänglichkeit der Begründung bereits nach Eingang des Antrags hinzuweisen, zumal der Antragsteller € wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist € regelmäßig an Spruchverfahren beteiligt ist. Es ist Sache des Antragstellers, die gesetzlichen Anforderungen an den Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens einzuhalten. Im Übrigen hat das Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 auf die Unzulässigkeit dieses Antrags hingewiesen und damit dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, den Antrag vor der gerichtlichen Entscheidung zurückzunehmen.

2. Das Landgericht hat zu Recht dem Antragsteller zu 11 die beantragte Fristverlängerung nicht gewährt.

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Satz 2 SpruchG kann auf Antrag die Frist angemessen verlängert werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, über die Unterlagen nach § 7 Abs. 3 SpruchG nicht zu verfügen, und gleichzeitig Abschrifterteilung verlangt.

Der Antragsteller zu 11 hat in seinem Antrag vom 28.7.2005 lediglich vorgetragen, dass ihm der Übertragungsbericht und der Bericht des sachverständigen Prüfers nicht vorlägen. Das ist nicht ausreichend. Denn nachdem keine Gründe dafür genannt werden, weshalb der Antragsteller zu 11 nicht über die Unterlagen verfügt, kann auch nicht beurteilt werden, ob er diesen Umstand zu vertreten hat.

Dabei hat es regelmäßig der Antragsteller zu vertreten, wenn ihm Unterlagen deshalb nicht vorliegen, weil er die ihm zustehenden Informationsrechte (etwa aus § 293 f Abs. 2, § 319 Abs. 3, § 320 Abs. 4, § 327 c Abs. 4 AktG) nicht wahrgenommen hat (vgl. Hüffer Anh. § 305 § 4 SpruchG Rn. 8). Das verkennt der Antragsteller zu 11, wenn er darauf verweist, dass ein Aktionär grundsätzlich nicht verpflichtet sei, Unterlagen von der Gesellschaft anzufordern oder an Hauptversammlungen teilzunehmen. Das trifft für sich genommen zu, hat aber zur Folge, dass der sich passiv verhaltende Aktionär dann hinzunehmen hat, den Zulässigkeitsanforderungen für einen Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens nicht genügen zu können. Sofern der Antragsteller seine Aktien erst nach der Hauptversammlung erwirbt, hat er zwar keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Abschrifterteilung. In diesem Fall ist er aber gehalten, die Gesellschaft vor Antragstellung um Übersendung der Unterlagen zu bitten, um das ihm Mögliche und Zumutbare für die Beschaffung der notwendigen Unterlagen zu tun (vgl. Simon/Leuering § 4 Rn. 54; Bungert/Mennecke BB 2003, 2021/2026).

13b) Der Antragsteller hat, wenn er in seinem Antrag nicht konkrete Einwendungen gegen die Bewertung erhebt, bereits bei Antragstellung, jedenfalls aber innerhalb der Antragsfrist (§ 4 Abs. 1 SpruchG) darzulegen und glaubhaft (§ 15 Abs. 2 FGG) zu machen, dass er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht über die Unterlagen verfügt. Nur dann kann das Gericht auf entsprechenden Antrag die Begründungsfrist angemessen verlängern und der Antragsgegnerin gem. § 7 Abs. 3 SpruchG aufgeben, dem Antragsteller die Berichte zu übersenden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antrag vom 28.7.2005 nicht, so dass eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht in Betracht kam. Das Landgericht hatte deshalb auch keinen Anlass, sich mit § 7 Abs. 3 SpruchG auseinanderzusetzen. Werden innerhalb der Antragsfrist weder konkrete Einwendungen gegen die Bewertung erhoben noch Umstände dargelegt und glaubhaft gemacht, aus denen es dem Antragsteller ohne sein Verschulden nicht möglich ist, konkrete Einwendungen zu erheben, ist der Antrag unzulässig. Darlegungen, die erst nach Ablauf der Antragsfrist erfolgen, sind nicht geeignet, einen unzulässigen Antrag nachträglich zulässig zu machen oder eine Verlängerung der Begründungsfrist zu ermöglichen. Schon aus diesem Grund geht der Hinweis der Beschwerde auf die mit dem nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht mit Schriftsatz vom 8.12.2006 eingereichten Erläuterungen fehl. Im Übrigen ist der Vortrag des Antragstellers, er sei auf der Hauptversammlung nicht zugegen gewesen und habe erst durch Ausbuchung seiner Aktien vom Squeeze-Out erfahren, ohnehin - wie bereits oben ausgeführt - nicht geeignet, eine Verlängerung der Begründungsfrist zu tragen.

2. Auch die übrigen sofortigen Beschwerden waren zurückzuweisen, da die vom Landgericht festgesetzte Barabfindung angemessen ist.

Das Landgericht hat sich in seiner Entscheidung eingehend mit zahlreichen Einzelfragen zur Bewertung der Gesellschaft befasst. Seine Ausführungen sind nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die Erwägungen des Landgerichts Bezug, gegen die im Übrigen keiner der Beschwerdeführer konkrete sachliche Einwände erhoben hat. Den Kapitalisierungszinssatz hat das Landgericht € abweichend von Bewerter und sachverständigem Prüfer € auf 5,05 % bzw. 4.05 % geschätzt. Dabei hat es einen Basiszins von 4,77 %, einen Risikozuschlag von 3 % und einen Wachstumsabschlag von 1 % zugrunde gelegt. Die diesbezüglichen Annahmen des Landgerichts, die sich zu Gunsten der Antragsteller auswirken und von diesen auch nicht angegriffen werden, stehen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats.

3. Es entspricht der Billigkeit, die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (§ 15 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz SpruchG), denn die Beschwerden enthalten in der Sache keine konkreten Beanstandungen zu der ausführlich begründeten landgerichtlichen Entscheidung. Aus denselben Gründen wird davon abgesehen, nach § 15 Abs. 4 SpruchG eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer durch die Antragsgegnerin anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG. Die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre ist gemäß § 6 Abs. 2 SpruchG auf 1.455,37 € festzusetzen (RVG VV Nr. 3500, 7002, 7008).






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Beschluss v. 11.12.2008
Az: 31 Wx 85/08


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