Landgericht Mannheim:
Urteil vom 21. April 2006
Aktenzeichen: 7 O 208/05
(LG Mannheim: Urteil v. 21.04.2006, Az.: 7 O 208/05)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.860,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2005 zu bezahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt als Inhaberin des deutschen Patents DE 43 19 965 C 3 und des deutschen Gebrauchsmusters DE 94 04 291 die Beklagte wegen Verletzung dieser Schutzrechte in Anspruch, dabei in erster Linie auf Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns.
Die Beklagte wurde durch rechtskräftiges Versäumnisurteil der Kammer (Az.: 7 O 402/02), das den Parteien an Stelle der Verkündung am 13.05.2003 zugestellt wurde, zur Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung verurteilt. Gleichzeitig wurde die Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt.
Die Patentverletzung bezog sich auf die Produktion von Gehäusen, die mit einer gemäß Dispension aufgebrachten Abschirmdichtung versehen wurden und die in Telekommunikationssystemen Verwendung fanden. Die Beklagte übernahm die Produktion der patentverletzenden Gehäuse im Rahmen der Übertragung des Geschäftsbereichs Öffentliche Telekommunikationsnetz-Ausrüstungen und -Systeme (P1 Business) von der A. GmbH und der B. GmbH. Dies erfolgte als sog. Asset Deal, d.h. durch Übertragung der einzelnen Gegenstände dieses Geschäftsbereichs (Produkte, Forderungen und Verpflichtungen) und nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Die Übertragung erfolgte einzeln ohne Firmenfortführung mit Wirkung zum 01.02.2000.
Die Beklagte nahm auf Grund des Versäumnisurteils der Kammer vom Mai 2003 eine Rechnungslegung vor. Sie teilte am 14.07.2003 die Gesamtzahl der von September 1996 bis zum Rechnungslegungsdatum gelieferten Geräte vom Typ & wie folgt mit: Tabelle E., Zeitraum 05.09.1996 bis 23.04.1998, Menge 561, Kunden E.; Tabelle B., Zeitraum 20.02.1997 bis 26.01.1998, Menge 218, Kunden diverse; Tabelle S., Zeitraum 13.03.1998 bis 12.05.2003, Menge 3602, Kunden diverse; Summe Menge 4.381. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechnungslegung wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen. Am 26.09.2003 teilte die Beklagte den Gewinn in Euro unter Bezugnahme auf den Verkaufspreis wie folgt mit: VP = Herstellkosten (= Stoff + Fertigung Doppelraupe + Dämpfungsmasse) + Gemeinkosten + Gewinn; 129,62 = 84,92 (= 72,84 + 2,50 + 9,58) + 37,36 + 7,34. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Mitteilung wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.
Von den produzierten Gehäusen entfiel von der Gesamtmenge von 4.381 Stück auf den Zeitraum ab dem 01.02.2000 eine Liefermenge von 3.030 Stück (Anlage B 3).
Die Klägerin trägt vor,
dass sich ihr Verletzergewinn aus einer Stückzahl von 4.381 Gehäusen ergebe, so wie sich dies aus der eigenen Rechnungslegung der Beklagten ergebe. Der Verletzergewinn pro Gehäuse berechne sich aus der Differenz des Verkaufspreises und der Herstellungskosten, da die angegebenen Gemeinkosten kein Abzugsposten zu Gunsten der Beklagten darstellten. Hinsichtlich der Anzahl der zu berechnenden Geräte seien keine mangelhaften Retourgeräte in Ansatz zu bringen. Die Beklagte könne keine Kosten für eine Dispensieranlage in Abzug bringen, da aus dem Übernahmevertrag der Beklagten nicht hervorgehe, dass sie die Dispensor-Produktion übernommen habe. Die Fertigungsvorschrift der Firma B. & vom 30.10.1996 zeige zudem, dass die Firma B. bereits vor diesem Datum eine Dispensieranlage gehabt habe. Etwaige Inbetriebnahmekosten für eine derartige Anlage würden der Höhe nach bestritten. Die Dispensieranlage sei schließlich von der Beklagten an die Firma E. weiterverkauft worden. Aus dem Verletzergewinn von 44,70 Euro pro Gehäuse und einer Stückzahl von 4.381 Gehäusen errechne sich somit ein Verletzergewinn von 195.830,70 Euro. Hilfsweise sei der Anspruch der Klägerin nach der Lizenzanalogie wie folgt zu berechnen: Aus einer Rechnung der Firma A. vom 12.09.1996 ergebe sich ein Rechnungsbetrag von umgerechnet 50,11 Euro pro Dichtung. Ziehe man hiervon 2,50 Euro Materialkosten für die Doppelraupe ab, so errechne sich ein Betrag von 47,61 Euro. Multipliziere man diesen Betrag mit der Summe der abgesetzten Gehäuse von 4.381 Stück, ergebe sich ein Lizenzbetrag von 208.579,41 Euro.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 195.830,70 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins p.a. ab 19.08.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor,
dass die Berechnung des Verletzergewinns zunächst von einer geringeren Zahl zu berechnender Gehäuse auszugehen habe. Die Klägerin habe nur für die Gehäuse einzustehen, die auf die Zeit nach der Produktionsübernahme durch sie am 01.02.2000 entfalle, da sie für Verletzungshandlungen der Firma B. mangels Firmenübernahme nicht in Anspruch genommen werden könne. Zudem seien die in den Tabellen E. und B. vermerkten Liefermengen von zusammen 779 Stück nur Testgehäuse gewesen, deren Bestellungen storniert worden seien und bezüglich derer es folglich keinen Gewinn gegeben habe. Die Beklagte selber habe seit dem 01.02.2000 3.030 Gehäuse geliefert. Hinsichtlich des Gewinns pro Gehäuse seien nicht alle Gemeinkosten zu eliminieren. Zu berücksichtigen sei ein von der Firma B. angeschafftes spezielles und nur für die streitgegenständliche Gehäuseproduktion verwendbares Dispensiergerät, für das 61.355 Euro bezahlt worden seien und das Inbetriebnahmekosten von 19.000 Euro verursacht habe. Ein Weiterverkauf an die Firma E. habe nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Dispensieranlage seien produktbezogene Gemeinkosten gegeben. Im Übrigen sei der Gewinn pro Gehäuse nur deshalb entstanden, weil die Beklagte komplette Telekommunikationssysteme verkauft habe, für die zahlreiche eigene Schutzrechte bestünden. Die Lieferung sei zudem nur an Konzerngesellschaften und langjährige Kunden erfolgt. Das streitgegenständliche Gehäuse sei problemlos durch ein nicht schutzrechtverletzendes Gehäuse zu ersetzen gewesen. Den Abnehmern der kompletten Telekommunikationssysteme sei es völlig gleichgültig gewesen, mit welchem Gehäuse sie die Gesamtanlagen erworben hätten. Die hilfsweise Lizenzberechnung der Klägerin sei im tatsächlichen zu bestreiten und überdies nicht ansatzweise nachvollziehbar.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie alle sonstigen Aktenteile.
Gründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I.
Der Klägerin steht unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des Verletzergewinns ein Zahlungsanspruch in Höhe von 33.860,25 Euro zu.
1. Die Herausgabe des Verletzergewinns ist als Schadensersatzanspruch unter Einbeziehung von Elementen unechter Geschäftsführung analog §§ 687 Abs. 2, 667 BGB anerkannt (Mes, Patengesetz, 2. Auflage 2005, § 139, Rdnr. 91 f; BGH, GRUR 1995, 349 - Objektive Schadensberechnung; BGH, GRUR 1961, 401 - Kreuzbodenventilsäcke III). Dabei muss ein tatsächlicher Schaden des Verletzten festgestellt werden, da es sich nur um eine Berechnungsart handelt und nicht um einen selbständigen Schadensgrund (BGH, GRUR 1995, 349 - Objektive Schadensberechnung). Ist wie im vorliegenden Fall ein Verletzergewinn vorhanden, wird nach der Lebenserfahrung fingiert, dass dem Verletzten entsprechende eigene Gewinnmöglichkeiten entgangen sind (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil).
2. Im konkreten Fall berechnet sich der Verletzergewinn ausgehend von einer Stückzahl von 3.030 Gehäusen.
Hinsichtlich der Menge der schutzrechtsverletzenden Gehäuse ist unstreitig, dass von der ursprünglich mitgeteilten Gesamtmenge von 4.381 Gehäusen nur 3.030 Gehäuse nach dem 01.02.2000 ausgeliefert wurden, wobei die Beklagte die Produktion der streitgegenständlichen Gehäuse erst ab dem 01.02.2000 von zwei Unternehmen der B.-Gruppe erworben hat.
Damit folgt schon aus allgemeinen Grundsätzen, dass die Beklagte selbst zunächst nur für die Anzahl an patentverletzenden Geräten einzustehen hat, die produziert worden sind, als sie Inhaberin der Produktion war. Denn passivlegitimiert für den Schadensersatzanspruch nach § 139 Abs. 2 PatG ist nur der Patentverletzer (Mes, a.a.O, § 139, Rdnr. 63), d.h. derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Patentverletzung mitgewirkt hat (Schulte, Patentgesetz, 6. Auflage 2001, § 139, Rdnr. 19). Hiervon kann bezüglich der Beklagten aber für einen Zeitraum vor dem 01.02.2000 nicht die Rede sein, zu dem sie die streitgegenständliche Produktion noch gar nicht übernommen hatte.
Eine Haftung der Beklagten für die vor dem 01.02.2000 produzierten Gehäuse ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 1 HGB. Hiernach haftet der Erwerber eines Geschäfts für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten, wenn er ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt. Im vorliegenden Fall fehlt es indessen an einer Firmenfortführung der Beklagten, die die Firma der früheren Geschäftsinhaberin gerade nicht übernahm. Für eine Haftung nach § 25 Abs. 3 HGB gibt es keine Anhaltspunkte.
Sind hiernach nur die nach dem 01.02.2000 produzierten Gehäuse für die Berechnung des Verletzergewinns von Belang, kann es dahingestellt bleiben, ob die 779 unter den Tabellen E. und B. gemäß Anlage K 2 erfassten Geräte retourniert worden sind oder nicht. Denn diese Lieferungen fanden gemäß Anlage K 2 unbestritten vor dem 01.02.2000 statt und sind wie oben ausgeführt schon aus diesem Grund vorliegend nicht zu berücksichtigen.
3. Bei der Berechnung des Verletzergewinns ist weiterhin von einem Verkaufspreis von 129,62 Euro abzüglich 84,92 Euro Herstellungskosten pro verkauftem Gehäuse auszugehen, also einem Betrag von 44,70 Euro. Der Verkaufspreis von 129,62 Euro und die Herstellungskosten von 84,92 Euro pro verkauftem Gerät sind zwischen den Parteien unstreitig. Ein Abzug von Gemeinkosten findet nicht statt.
a) Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Dabei dient die Abschöpfung des Verletzergewinns auch der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise auch der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte. Im Hinblick auf diese Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist der Verletzergewinn von dem Gewinn eines Unternehmens, das auch seine Gemeinkosten erwirtschaften muss, um lebensfähig zu bleiben, zu unterscheiden. Nach Sinn und Zweck des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns ist es grundsätzlich gerechtfertigt, bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den erzielten Erlösen nur die variablen (d.h. vom Beschäftigungsgrad abhängigen) Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände abzuziehen, nicht auch Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen Beschäftigung unabhängig sind wie z.B. Mieten oder zeitabhängige Abschreibungen für Anlagevermögen (ebenda; Lehmann, BB 1988, 1680).
b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sind die vorprozessual mit 37,36 Euro bezifferten Gemeinkosten nicht abzugsfähig. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Überlegung, dass für diese Kosten ohne Verletzung ein entsprechender Kostenbeitrag erwirtschaftet worden wäre, indem man ein schutzrechtsfreies Gehäuse produziert hätte. Denn nach dem oben ausgeführten Sinn und Zweck der Herausgabe des Verletzergewinns soll nach dem Gemeinkostenurteil des Bundesgerichtshofs dem Verletzer auf Grund der Verletzung gerade kein Deckungsbeitrag zu seinen Gemeinkosten verbleiben (BGH, a.a.O.).
c) Die Beklagte kann nicht die Kosten für ein Dispensiergerät zuzüglich Inbetriebnahmekosten in Abzug bringen, da es sich hierbei nicht um bei der Beklagten angefallene Kosten handelt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Anschaffungs- und Inbetriebnahmekosten der Dispensieranlage im Jahre 1996 angefallen sind, also zu einem Zeitraum, als nicht die Beklagte, sondern die B.-Firmengruppe Inhaberin der Produktion war. Mithin sind diese Kosten der B.-Firmengruppe entstanden und nicht der Beklagten. Eine Abzugsmöglichkeit von Kosten der vormaligen Produktionsinhaberin besteht damit nicht, zumal sich die Beklagte auch darauf beruft, für Verletzungshandlungen der vormaligen Produktionsinhaberin nicht einstehen zu müssen.
Die Kosten für Anschaffung und Inbetriebnahme der Dispensieranlage können auch nicht unter dem Gesichtspunkt berücksichtigt werden, dass hierauf ein Teil des Kaufpreises der Gesamtproduktion bei Übernahme der Produktion von der B.-Gruppe entfallen ist. Hierfür fehlt es an einem erheblichen Vorbringen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Kaufvertrag (Anlage B 1) ergibt sich nur ein Kaufpreis für die Gesamtproduktion von 148.275.00,00 Euro. Welcher Anteil von diesen rund 150 Mio. Euro auf die Dispensieranlage entfällt, ist weder vorgetragen noch aus den Unterlagen ersichtlich. Dahingehend fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt dafür, welche Kosten der Beklagten für die Dispensiermaschine entstanden sein sollen.
4. Von dem durch Multiplikation der maßgeblichen Anzahl gelieferter Gehäuse (3.030 Stück) mit dem Gewinn pro Stück (44,70 Euro) ermittelten Verletzergewinn von 135.441,00 Euro ist nur ein Anteil von 25 % als Schaden der Klägerin zu betrachten, da nur dieser Teil ursächlich darauf zurückzuführen ist, dass die schutzrechtsverletzenden Gehäuse von der Lehre des Patents und des Gebrauchsmusters der Klägerin Gebrauch gemacht haben.
a) Bei der notwendigen Kausalbeziehung zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem Anspruch auf Herausgabe des Verletztergewinns muss der Gewinn des Patentverletzers in einer solchen Beziehung zu dem Patent und der Patentverletzung stehen, dass er eben deshalb billigerweise - sei es unter dem Gedanken der "Entschädigung" für den Eingriff in das Recht des Patentinhabers, sei es unter dem Gedanken der Patentbenutzung als Besorgung eines dem Patentinhaber vorbehaltenen Geschäfts - dem Patentinhaber gebührt (BGH, GRUR 1962, 509 - Dia-Rähmchen II). Der herauszugebende Gewinn muss also gerade "durch die Patentverletzung" (RGZ 156, 65, 67) und "durch die rechtswidrige Benutzung des fremden Patents" (vgl. BGHZ 34, 320, 323) erzielt sein, d. h. einen Gewinn gerade aus den Handlungen darstellen, durch die das Patent verletzt worden ist (BGH, GRUR 1962, 509 - Dia-Rähmchen II). Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Gemeinkostenanteil betont, dass der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der Rechtsverletzung beruht (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Die Gemeinkostenentscheidung des Bundesgerichtshofs kann mithin nicht so verstanden werden, dass der Verletzergewinn unabhängig von der Ursächlichkeit der Verletzung für den Gewinn herauszugeben ist (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 251 - Lifter; OLG Frankfurt, GRUR 2003, 274; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 9, Rdnr. 1.45; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, vor §§ 14-19, Rdnr. 114). Inwieweit der Verletzergewinn gerade auf der Verletzung der technischen Lehre des Schutzrechts bei der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen sind, kann nur im Wege der tatrichterlichen Schätzung gem. § 287 ZPO ermittelt werden (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ein nicht schutzrechtsverletzendes Gehäuse hätte produzieren können. Wie eingangs dargelegt zielt der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat, wobei die Abschöpfung des Verletzergewinns zudem auch der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens dient (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Dahingehend ist auch der Ursachenzusammenhang zwischen Schutzrechtsverletzung und Verletzergewinn nicht im Sinne adäquater Kausalität, sondern wertend zu verstehen (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund kann der Einwand eines hypothetischen Kausalverlaufs ohne Schutzrechtsverletzung keine Berücksichtigung finden. Denn dadurch würde überspielt, dass die Beklagte tatsächlich Schutzrechtsverletzungen begangen hat und tatsächlich einen Gewinn erzielt hat. Zugleich würde der Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns nicht genügend Rechnung getragen, da bei Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs gerade kein billiger Ausgleich im Hinblick auf einen real erzielten Gewinn auf Seiten des Verletzers gewährleistet wäre.
c) Entscheidend ist für den vorliegenden Fall mithin die konkrete Bestimmung des Anteils der Schutzrechtsverletzung am erzielten Gewinn.
aa) Schon im Ansatz ist zu berücksichtigen, dass bei der Verletzung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten durch den Verkauf von Maschinen, technischen Geräten oder Gebrauchsgegenständen kein Anhalt dafür besteht, dass der Verletzergewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass fremde technische Schutzrechte benutzt worden sind. Denn meist geht es bei technischen Schutzrechten nicht um neue Grundlagenerfindungen, sondern um Detailverbesserungen bei bereits bekannten und durchaus tauglichen Vorrichtungen und Verfahren (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Abwägung, welcher Teil des Verletzergewinns nun konkret auf die Verletzung des Schutzrechts entfällt, ist äußert schwierig und kann deshalb nur im Wege tatrichterlicher Schätzung gem. § 287 ZPO erfolgen, wobei an die Voraussetzungen für eine Schadensschätzung nur geringe Anforderungen gestellt werden können (ebenda). Einzubeziehen sind hierbei alle Umstände des Einzelfalls.
bb) Bei der Bemessung des konkreten Anteils ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei den in Rede stehenden Schutzrechten der Klägerin nicht um die Grundlagenerfindung eines abgeschirmten Gehäuses handelt, sondern lediglich um eine Weiterentwicklung im Hinblick auf die Abdichtung des Gehäuses.
Das Patent DE 43 19 965 C 3 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines eine Abschirmung gegenüber elektromagnetischer Abstrahlung aufweisenden Gehäuses. Nach der Patentschrift sind derartige Gehäuse, die nach Art eines Faradayschen Käfigs wirken, im Stand der Technik bekannt. Bei diesen Gehäusen handelt es sich nach der Patentschrift meist um mehrteilige Konstruktionen, bei denen zumindest ein gelegentliches Öffnen wie etwa zu Wartungszwecken möglich sein muss. Hierfür sind Gehäuseteile mit elastischen leitfähigen Dichtungen erforderlich. Auch derartige Dichtungen sind nach der Patentschrift schon im Stand der Technik vorhanden, wie etwa federartige metallische Abdichtungen, flexible Dichtprofile aus leitfähigem oder leitend gemachtem Elastomaterial, die jedoch als separate Dichtungen gefertigt werden. Das Patent kritisiert den Stand der Technik u.a. dahingehend, dass das Vorgehen mit separaten Dichtungen zu arbeitsaufwendig ist, bei kleinen Gehäusen separate Dichtungen schwierig zu handhaben sind, kompliziert geformte Dichtungen spezielle Einlegevorrichtungen benötigen und Dichtungen unter Verwendung von Pressformen mit hohem Druck und hoher Temperatur bei temperatur- und druckempfindlichen Teilen wie etwa Leiterplatten nicht angewendet werden können. Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren zur Erzeugung von Abschirmungen - insbesondere im Bereich von Trennfugen von einander lösbaren Gehäuseteilen - anzugeben, welches sich unterschiedlichsten Anforderungen auf einfache Weise - und insbesondere bei miniaturisierter Bauweise - anpassen lässt. Diese Aufgabe löst das Patent durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen: Verfahren zur Herstellung eines Gehäuses mit elektromagnetischer Abschirmung, insbesondere zur Aufnahme elektronischer Funktionselemente, mit einer einen Spalt zwischen zwei benachbarten Gehäuseteilen ausfüllenden Abschirmdichtung, bestehend aus elastischem und elektrisch leitfähigem Kunststoffmaterial, dadurch gekennzeichnet, dass als elastisches sowie leitfähiges Kunststoffmaterial ein schnell luft- und raumtemperaturtrocknendes Silikonpolymer eingesetzt wird, das in einem pastösen Ausgangszustand mittels Druck aus einer Nadel bzw. Düse, die über dem zu dichtenden geometrischen Verlauf eines Gehäuseabschnitts geführt wird, direkt auf diesen Abschnitt eines Gehäuseteils ohne Formwerkzeug ein Abschirmprofil bildend aufgebracht wird und sich dort unter Anhaften an dessen Oberfläche elastisch verfestigt, derart, dass das Abschirmprofil auch nach wiederholtem Öffnen des Gehäuses eine gute Beständigkeit aufweist. Das Patent enthält weitere abgeleitete Unteransprüche.
Das Gebrauchsmuster DE 94 04 291 betrifft, anders als das Patent, nicht ein Verfahren zur Herstellung eines Gehäuses, sondern ein abgeschirmtes Gehäuse als Erzeugnis. Gekennzeichnet ist es im wesentlichen dadurch, dass das Abschirmprofil zumindest bereichsweise aus über- oder über- und nebeneinander angeordneten Materialsträngen aufgebaut ist.
Die vorgehende Betrachtung zeigt, dass es sich bei den Schutzrechten der Klägerin nicht um Erfindungen handelt, mit denen ein völlig neues Verfahren oder ein völlig neues Erzeugnis hervorgebracht wurde. Denn die Klägerin hat weder den Faradayschen Käfig erfunden, noch das Prinzip des elektromagnetisch abschirmenden Gehäuses, noch das mittels leitfähiger Dichtungen wiederverschließbare abschirmende Gehäuse. Bei den streitgegenständlichen Erfindungen geht es vielmehr um die Detailverbesserung bereits vorhandener abschirmender Gehäuse, die durchaus tauglich gewesen sind. Dies belegt, dass der Verletzergewinn bezüglich des einzelnen Gehäuses nicht in vollem Umfang auf der Benutzung der Schutzrechte der Klägerin beruht.
cc) Bei der Gesamtabwägung ist zudem zu berücksichtigen, dass die patentgemäße Lösung ohne weiteres dadurch ersetzt werden kann, dass man wie im Stand der Technik vorbekannt Dichtungen manuell einbringt. Die Beklagte hat allerdings nicht vorgetragen, wie ihre konkreten Lösungen vor der Verwendung der Schutzrechte der Klägerin und nach Aufgabe der Benutzung der Schutzrechte der Klägerin ausgesehen haben und wie sich der Absatz seit der Aufgabe der Patentverletzung entwickelt hat. Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass die streitgegenständlichen Gehäuse in Gesamteinrichtungen der Beklagten verkauft worden sind, d.h. ohne die Verwendung in Gesamtvorrichtungen der Beklagten die unstreitigen Produktmengen in diesem Umfang gar nicht nachgefragt worden wären. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Gehäuse auf die Gewinnerzielung überhaupt keinen Einfluss gehabt hätten, zumal die Beklagte schon auf die konkreten Gehäuse bezogene Anteile an Umsatz und Gewinn ausgewiesen hat. Unter Abwägung aller genannten Faktoren ist der Anteil der Schutzrechtsverletzung am Gewinn dahingehend auf 25 % zu schätzen.
dd) Das aus dieser Schätzung gewonnene Ergebnis von 25 % am Gesamtgewinn von 135.441,00 Euro (3.030 Gehäuse x 44,70 Euro Gewinn pro Gehäuse) = 33.860,25 Euro wird dadurch bestätigt, dass sich dieser Betrag im Bereich von 8 % bis 9 % des Umsatzes bewegt. Dabei handelt es sich um einen Anteil, der in der Größenordnung des Schadensersatzanspruchs auf Grundlage der Lizenzanalogie liegt, da im Maschinenbau Lizenzsätze im Bereich von 5 % bis 10 % anzunehmen sind (Mes, a.a.O., § 139, Rdnr. 78; OLG Düsseldorf, Mitt. 1998, 27). Mit dieser Kontrollüberlegung soll und wird allerdings nicht in Frage gestellt, dass der Verletzergewinn im Einzelfall die angemessene Lizenzgebühr übersteigen kann.
II.
Ein höherer Betrag ergibt sich auch nicht auf Grund der von der Klägerin vorgelegten Berechnung auf Grundlage einer Lizenzanalogie. Die Lizenzanalogie ist hypothetisch und beruht darauf, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages vereinbart hätten, wenn sie die künftige Entwicklung sowie den Umfang der Rechtsverletzungen vorhergesehen hätten (Mes, a.a.O., BGH, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II). Der Sachvortrag der Klägerin ist hierzu schon im Ansatz unschlüssig. Denn inwiefern die Lieferung von Dichtungen Rückschlüsse auf eine Lizenzvereinbarung in Höhe des Lieferpreises der Dichtungen geben soll, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund war auch dem angebotenen Beweisangebot der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen. Im Übrigen wäre der Schadensersatz bei Zugrundelegung eines schon hoch angesetzten Lizenzsatzes von 8,5 % am Umsatz von 392.748,60 Euro und damit in Höhe von 33.383,63 Euro summenmäßig nicht höher als die auf Grundlage des Verletzergewinns ermittelte Summe ausgefallen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
LG Mannheim:
Urteil v. 21.04.2006
Az: 7 O 208/05
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