Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Oktober 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 53/02

(BPatG: Beschluss v. 14.10.2003, Az.: 24 W (pat) 53/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Juli 2000 und vom 31. Januar 2002 aufgehoben.

Die Löschung der Marke 397 34 033 wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 027 369 wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Marke B E R K A C E L L ist unter der Nummer 397 34 033 für folgende Waren und Dienstleistungen in das Register eingetragen worden:

"glasartige, thermisch isolierende Dämm- und Füllstoffe in Granulatform auch aus Altstoffen, wie Steinmehl oder Altglas zur Verwendung im Straßen-, Tief- und Hochbau; Füll- und Isolierstoffe für den Innenausbau, nämlich Trockenbau; aus den Granulaten gebildete Belagstoffe für Naß- und Gründächer sowie Füll- und Isolierstoff für den Ausbau wasserferner Räume in Wasserfahrzeugen; Ausarbeitung von Projekten der bautechnischen Zuordnung der Dämmstoffe und Anwendungsberatung über die normale Verkaufsberatung hinaus".

Hiergegen ist Widerspruch erhoben von der Inhaberin der Marke 2 027 369 FERMACELL die für

"Baustoffe (nicht aus Metall), Gips, insbesondere zur Verwendung als Fugenspachtel und als Plaster zum Anbringen von Bauplatten, insbesondere Verbundplatten, Porenbeton in Granulatform, insbesondere zur Verwendung als Ausgleichsschüttung, Bauplatten aus Porenbeton, insbesondere als Grundlage für Estrich; Klebstoffe für Bauzwecke, insbesondere Fugen- und Montagekleber für Bauplatten; Nägel, Schrauben, insbesondere Schnellbauschrauben, auch mit Bohrspitze; Handwerkzeuge, insbesondere Trenn- und Reißwerkzeuge für den Zuschnitt von Bauplatten"

eingetragen ist.

Nach dem Vorbringen der Widersprechenden wird die Widerspruchsmarke seit Mitte der 70er Jahre intensiv benutzt. Sie genieße einen sehr guten Ruf und weise eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Dies ergebe sich auch aus den von der Firma H... GmbH - Abteilung Marktforschung - durchgeführten "Fabrikatswahl"-Verkehrsbefragungen für die Jahre 1996, 1997, 1998 und 2000.

Die Markeninhaberin hat die behauptete Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 24. Juli 2000 und vom 31. Januar 2002, von denen der letztere im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar liege zwischen den von den Vergleichsmarken erfaßten Waren und Dienstleistungen teilweise Identität und im übrigen eine hochgradige bzw. beachtliche Ähnlichkeit vor. Von einer mehr als durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke könne aber nicht ausgegangen werden. Das diesbezügliche Vorbringen der Widersprechenden sei von der Markeninhaberin bestritten worden, so daß die behauptete Verkehrsbekanntheit nicht liquide sei. Im übrigen sei der Vortrag der Widersprechenden anhand der eingereichten Unterlagen auch nicht verifizierbar. Den danach an den Abstand der Vergleichsmarken zu stellenden Anforderungen werde die angegriffene Marke gerecht. Die in den beiden Marken enthaltene Schlußsilbe "-CELL" sei auf dem vorliegenden Warengebiet verbraucht und weise auch deutliche beschreibende Anklänge auf. Die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise richte sich daher vor allem auf die schon generell stärker beachteten Wortanfänge. Insoweit gewährleiste die abweichende Konsonantenstruktur eine hinreichende Unterscheidbarkeit der beiden Marken. Auch schriftbildliche Verwechslungen seien nicht zu besorgen.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, daß die Markenstelle zu Unrecht eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke verneint habe. Es treffe auch nicht zu, daß die Endsilbe "-CELL" auf dem vorliegenden Warengebiet verbraucht und insoweit kennzeichnungsschwach sei.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der Marke 397 34 033 anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Beschlüsse der Markenstelle und wendet sich insbesondere gegen die von der Widersprechenden behauptete Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und auch in der Sache begründet. Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken zu Unrecht verneint (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfaßten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 2003, 712, 713 "Goldbarren"; GRUR 2002, 1067, 1068 "DKV/OKV", jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, besteht zwischen den von den beiden Marken erfaßten Waren im Hinblick auf den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Oberbegriff "Baustoffe (nicht aus Metall)" Identität. Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke weisen mittlere Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke auf. Dies wird von der Markeninhaberin auch nicht in Frage gestellt.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist von Hause aus durchschnittlich. Soweit man der Widerspruchsmarke gewisse beschreibende Anklänge entnehmen kann ("FERMA-" als Hinweis auf eine besondere Festigkeit, von lateinisch "firmus", und "-CELL" als Hinweis auf die Verwendung von Zellulosefasern bei der Herstellung der betreffenden Baumaterialien, s. dazu auch unten), treten diese jedenfalls nicht so deutlich hervor, daß es gerechtfertigt wäre, der Widerspruchsmarke insgesamt nur eine unterdurchschnittliche originäre Kennzeichnungskraft zuzumessen. Andererseits kann aber auch nicht ohne weiteres von einer erhöhten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Dem steht zwar nicht schon entgegen, daß die Markeninhaberin eine besondere Bekanntheit der Widerspruchsmarke bestritten hat. Wie der Senat bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt hat, kann eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auch gegen das Bestreiten des angegriffenen Markeninhabers im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden, sofern die entsprechenden tatsächlichen Grundlagen vom Widersprechenden glaubhaft gemacht werden (BPatG GRUR 1997, 840, 842 "Lindora/Linola"; vgl. auch BPatG GRUR 2001, 513, 514 "CEFABRAUSE/CEFASEL"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 301). Daran jedoch fehlt es hier.

Die Widersprechende stützt ihr diesbezügliches Vorbringen im wesentlichen auf vier "Fabrikatswahl"-Untersuchungen der Firma H... GmbH - Abteilung Markt- forschung - aus den Jahren 1996, 1997, 1998 und 2000. Die Widerspruchsmarke erzielte insoweit zwar bei der Frage, wie oft Innenwände der Marke "FERMACELL" verwendet worden seien, beachtliche Werte (1996: 23,2%; 1997: 20,8%; 1998: 22,7% und 2000: 18%). Bei dieser Umfrage wurden jedoch ausweislich der jeweiligen "Vorbemerkungen" nur private Bauherren berücksichtigt, die im Vorjahr den Informationsdienst der H... GmbH in Anspruch genommen hatten und mit Baumaßnahmen bereits begonnen hatten oder in den nächsten Monaten beginnen wollten. Die Umfragen berücksichtigten daher jeweils nur den engsten Kreis des angesprochenen Verkehrs. Auch eine repräsentative Auswahl der Befragten war nicht gewährleistet.

Andererseits ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der "durchschnittlichen" Kennzeichnungskraft einer Marke nicht um einen exakten Mittelwert zwischen den Bereichen unterdurchschnittlicher und überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft handelt. Der Begriff der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft bezeichnet vielmehr seinerseits einen gewissen Bereich. So sind etwa von Hause aus "durchschnittlich" kennzeichnungskräftige, aber unbenutzte Marken im allgemeinen eher am unteren Rand dieses Bereichs anzusiedeln (vgl. BPatG GRUR 1997, 840, 842 "Lindora/Linola"; Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rn. 289). Die Widerspruchsmarke wird demgegenüber nach dem insoweit unbestrittenen Vorbringen der Widersprechenden seit etwa 30 Jahren insbesondere auf dem Gebiet der Baumaterialien für den Innenausbau benutzt. Darüber hinaus lassen die vorgelegten "Fabrikatswahl"-Befragungen jedenfalls erkennen, daß die Widerspruchsmarke eine nicht unerhebliche Stellung auf dem relevanten Markt einnimmt. Es ist daher gerechtfertigt, von einer gut im Markt eingeführten Marke auszugehen, deren Kennzeichnungskraft sich im oberen Bereich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft bewegt.

Bei dieser Ausgangslage hat die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten. Diesen Anforderungen wird sie nicht gerecht.

Allerdings ist mit der Markenstelle davon auszugehen, daß der gemeinsamen Endsilbe "-CELL" ein gewisser beschreibender Sinngehalt zukommt. Wie dem von der Widersprechenden selbst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Artikel "Baustoffmarkt online" unter Ziffer 2. zu entnehmen ist, werden bei der Herstellung der hier vor allem in Betracht zu ziehenden Platten für den Innenausbau u.a. Zellulosefasern verwendet. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in der Endsilbe "-CELL" einen beschreibenden Hinweis auf diesen Umstand zu sehen, wie er nach den Feststellungen der Markenstelle in einer größeren Anzahl von Marken der Klasse 19 vorkommt. Es ist daher weiter davon auszugehen, daß die angesprochenen Verkehrskreise - hier im wesentlichen Fachkreise und interessierte Laien (Heimwerker) - ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die Wortanfänge der Vergleichsmarken richten. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Endsilbe "-CELL" bei der Beurteilung des maßgeblichen Gesamteindrucks der beiden Marken gänzlich vernachlässigt werden darf (vgl. Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rn. 330).

Im phonetischen Gesamteindruck der Marken überwiegen die Übereinstimmungen deutlich. Die Marken "BERKACELL" und "FERMACELL" weisen dieselbe Silbenzahl, denselben Sprechrhythmus, dieselbe klangtragende Vokalfolge und an der jeweils gleichen Stelle den Konsonanten "R" auf. Darüber hinaus stimmen sie in der - wenngleich kennzeichnungsschwachen - Endsilbe überein. Die Unterschiede beschränken sich auf die Konsonanten "B - K -" gegenüber "F - M -". Diese Konsonanten sind zwar bei isolierter Betrachtung nicht sehr ähnlich. Im Gesamtklangbild schaffen diese Abweichungen aber nicht den deutlichen Abstand, den die Widerspruchsmarke unter den vorstehend dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen fordern kann.

Daher waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Es bestand kein Anlaß, einem der Beteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Hacker Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.10.2003
Az: 24 W (pat) 53/02


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