Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Februar 2001
Aktenzeichen: 6 U 113/00
(OLG Köln: Urteil v. 21.02.2001, Az.: 6 U 113/00)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.05.2000 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Land- gerichts Köln - 33 O 95/00 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicher- heit in derselben Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, die von ihnen jeweils zu stellende Sicherheit auch in Form der unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. Die mit diesem Urteil verbundene Beschwer wird auf 650.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien befassen sich mit der Herstellung und mit dem Vertrieb von Arzneimitteln. Seit dem 01.04.1999 bringt die Beklagte das für die Behandlung der präsenilen (postmenopausischen) Osteoporose zugelassene Fertigarzneimittel Strafortin in der im nachfolgenden Antrag wiedergegebenen Aufmachung in den Verkehr. Bei Strafortin handelt es sich um ein aus der Kombination zweier Medikamente, nämlich einmal einem Röhrchen in der Größe von jeweils 20 oder 40 Brausetabletten Calciumcarbonat sowie zum anderen 20 oder 40 Retardtabletten Natriumfluorid in einer einheitlichen Therapiepackung gebildetes Arzneimittel. Die erwähnten Brausetabletten und Retardtabletten sind dabei für sich genommen als Einzelpräparate nicht arzneimittelrechtlich zugelassen, eine arzneimittelrechtliche Zulassung wurde ausschließlich für Strafortin als Fertigarzneimittel in der vorbeschriebenen Kombination erteilt. Nachdem die Beklagte auf der äußeren Umhüllung von Strafortin sowohl für die Brausetabletten als auch für die Retardtabletten zunächst jeweils eine Zuzahlungsstufe, insgesamt also zwei Zuzahlungsstufen angegeben hatte, ging sie ab dem 15.04.1999 dazu über, nur noch eine Zuzahlungsstufe, nämlich entweder N 1 bei jeweils 20 miteinander kombinierten Brause- und Retardtabletten oder N 2 bei jeweils 40 zusammengestellten Brause- und Retardtabletten anzugeben. Dies ist Gegenstand der Beanstandung der Klägerin, die hierin einen Verstoß gegen die §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 der Verordnung über die Zuzahlung bei der Abgabe von Arznei- und Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (im folgenden: ZuzahlungsVO; abgedruckt in Kloesel/Cyran, AMG, B 3.18 b) sieht, der zugleich den Vorwurf eines nach den Maßstäben des § 1 UWG unter dem Aspekt des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch wettbewerblich unlauteren Verhaltens rechtfertige.
In einem bei dem Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 31 O 432/99 geführten Verfahren hat die Klägerin - gestützt auf § 1 UWG i.V. mit § 1 Abs. 2 ZuzahlungsVO - eine durch Urteil vom 10.06.1999 erlassene einstweilige Verfügung erwirkt, mit welcher der Beklagten verboten wurde, das Fertigarzneimittel Strafortin in den Verkehr zu bringen, ohne auf der äußeren Umhüllung jeweils gesondert für die Brausetabletten sowie die Retardtabletten eine Zuzahlungsstufe anzugeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat der erkennende Senat die landgerichtliche Entscheidung mit Urteil vom 04.02.2000 ( 6 U 115/99) abgeändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Wettbewerbsverstoß mangels Zuwiderhandlung gegen die §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 der ZuzahlungsVO nicht gegeben sei; es stelle keinen Verstoß gegen die vorbezeichneten Bestimmungen der ZuzahlungsVO dar, dass die Beklagte auf der Umhüllung ihres als abgabefertige Kombinationspackung in den Verkehr gebrachten, als solches zugelassenen Fertigarzneimittels Strafortin lediglich eine Zuzahlungsstufe angebe. Bei dem vorliegenden Klageverfahren handelt es sich um die Hauptsache zu dem vorbezeichneten einstweiligen Verfügungsverfahren, mit der die Klägerin das in letzterem bereits geltend gemachte Unterlassungsbegehren nunmehr klageweise verfolgt sowie die Beklagte daneben auf Auskunft in Anspruch nimmt und überdies ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt wissen will.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, aus § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten, auf der äußeren Umhüllung der Kombinationspackung jeweils gesondert sowohl für die Brausetabletten als auch die Retardtabletten eine Zuzahlungsstufe anzugeben. Indem die Beklagte jedoch nicht für die jeweiligen Einzelpackungen, sondern stattdessen nur für das kombinierte Fertigarzneimittel Strafortin eine Zuzahlungsstufe angebe, könne dieses Präparat im Vergleich zu den - nach Auffassung der Klägerin zutreffend - mit zwei Zuzahlungsstufen gekennzeichneten konkurrierenden Kombinationsprodukten billiger abgegeben werden, woraus sich die wettbewerbliche Relevanz der Falschkennzeichnung ergebe.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines
für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht fest-
setzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM -
ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis
zu sechs Monaten zu unterlassen, das Fertigarzneimittel
Strafortin wie nachstehend wiedergegeben
anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst
in den Verkehr zu bringen, ohne dass auf der
äußeren Umhüllung die Zuzahlungsstufen gemäß
§ 1 Abs. 2 Zuzahlungsverordnung gesondert für die
Brausetabletten und die Retardtabletten angegeben
werden,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin,
Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang
sie die im Klageantrag zu 1) bezeichneten Hand-
lungen begangen hat und zwar unter Angabe der
Anzahl der in den Verkehr gebrachten sogenannten
Kombi- Packungen Strafortin, aufgeschlüsselt nach
Packungen mit jeweils 20 Brausetabletten und
Retardtabletten und Packungen mit jeweils 40
Brausetabletten und Retardtabletten;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der
ihr durch die im Klageantrag zu 1) bezeichneten
Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen
wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei Strafortin nicht - wie von § 1 Abs. 2 ZuzahlungsVO für die Angabe mehrerer Zuzahlungsstufen auf der äußeren Umhüllung aber gefordert - um zwei Arzneimittel in unterschiedlichen Darreichungsformen, sondern um lediglich ein einziges Arzneimittel handele. Auch im übrigen lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ZuzahlungsVO nicht vor, weil die beiden Einzelpräparate nicht gesondert zur Anwendung gelangten.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.05.2000 unter Bezugnahme auf das in dem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Senatsurteil und die darin zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung abgewiesen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Zur Begründung ihres Rechtsmittels wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und setzt sich vor allem mit der durch den Senat in seinem zu dem einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung auseinander, die sie aus im einzelnen dargestellten rechtlichen Erwägungen sowie mit Blick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen für unzutreffend hält.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.05.2000
- 33 O 95/00 - abzuändern und die Beklagte gemäß
den vorstehend dargestellten erstinstanzlichen
Anträgen zu verurteilen mit der Maßgabe, dass
sich der Unterlassungsantrag lediglich auf das
Inverkehrbringen des Fertigarzneimittels in der
im einzelnen beanstandeten Aufmachung erstreckt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Instanzen jeweils gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Die Akte des einstweiligen Verfügungsverfahrens 31 O 432/99 - LG Köln (= 6 U 115/99 OLG Köln) - lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil der Klägerin weder das mit der Klage verfolgte Unterlassungspetitum, noch die daneben geltend gemachten Annexansprüche auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht zuerkannt. Der Klägerin stehen diese auf § 1 UWG unter dem Aspekt des Rechtsbruchs gestützten Klageforderungen mangels des insoweit erforderlichen Normverstoßes nicht zu. Die Voraussetzungen des von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführten und nach dem Sachverhalt auch allein in Betracht zu ziehenden Verstoßes gegen die §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 ZuzahlungsVO liegen nicht vor.
In seinem in dem erwähnten einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteil hat sich der erkennende Senat bereits mit der auch hier entscheidungserheblichen Frage befasst, ob der Beklagten nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 ZuzahlungsVO die gesonderte Angabe jeweils einer Zuzahlungsstufe für die in der äußeren Umhüllung ihres als Kombination zugelassenen Fertigarzneimittels Strafortin zusammengestellten Einzelpräparate abzuverlangen ist, und diese Frage sodann mit der nachfolgenden Begründung verneint:
"Zu Unrecht sind....die Antragstellerin (sc: die Klägerin)... von einem den wettbewerblichen Unlauterkeitsvorwurf des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch begründenden Verstoß der Antragsgegnerin (sc: der Beklagten) gegen die §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 3 der Zuzahlungsverordnung vom 12.09.1997 ausgegangen, weil die Antragsgegnerin auf der äußeren Umhüllung ihres Fertigarzneimittels Strafortin nur eine Zuzahlungsstufe angegeben hat. Ungeachtet des Umstandes, dass die Antragsgegnerin in der äußeren Umhüllung ihres als abgabefertige Kombinationspackung angebotenen und in dieser Form zugelassenen Fertigarzneimittels Strafortin zwei nacheinander zu verabreichende verschiedene Arzneimittel, nämlich einmal Brausetabletten und zum anderen Retardtabletten anbietet, ist nach den hier anwendbaren Bestimmungen der Zuzahlungsverordnung...vielmehr nur eine Zuzahlungsstufe anzugeben.
Die auf der Grundlage von § 31 Abs. 4 SGB V durch den Bundesminister für Gesundheit erlassene ZuzahlungsVO konkretisiert die wiederum in § 31 Abs. 3 SGB V festgelegte Pflicht zur Selbstbeteiligung der (volljährigen) gesetzlich Krankenversicherten an den Kosten der zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordneten Arznei- und Verbandmittel. Gemäß § 1 Abs. 1 der ZuzahlungsVO ist diese Selbstbeteiligung bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG, die von einem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt verordnet worden sind, in Form einer Zuzahlung zu leisten, deren jeweilige Höhe nach der Packungsgröße in verschiedene Zuzahlungsstufen gestaffelt ist. Die für die einzelne Zuzahlungsstufe maßgebliche Packungsgröße (§ 1 Abs. 1 Nrn. 1 - 3 ZuzahlungsVO) korrespondiert dabei mit der in § 12 AMG aufgeführten Dreiteilung in kleine Packungsgröße für kurze Anwendungsdauer oder Verträglichkeitstest (N 1), mittlere Packungsgröße für mittlere Anwendungsdauer (N 2) und große Packungsgröße für längere Anwendungsdauer (N 3). Die solcherart zu ermittelnde jeweilige Zuzahlungsstufe ist von dem pharmazeutischen Unternehmer mit den Bezeichnungen N 1, N 2 oder N 3 auf dem Behältnis des Fertigarzneimittels bzw. -
soweit verwendet - auf dessen äußerer Umhüllung anzugeben (§ 5 Abs. 1 S. 3 ZuzahlungsVO), wobei § 5 Abs. 3 der ZuzahlungsVO weiter bestimmt, daß ohne diese Angabe der Zuzahlungsstufe Fertigarzneimittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden dürfen. § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO sieht schließlich vor, dass für solche Fertigarzneimittel, in deren äußerer Umhüllung mindestens zwei Arzneimittel unterschiedlicher Darreichungsform enthalten sind, die gesondert zur Anwendung kommen, die Zuzahlungsstufe für jedes enthaltene Arzneimittel zu ermitteln und anzugeben ist.
Obwohl die Antragsgegnerin in der Umverpackung ihres Fertigarzneimittels Strafortin zwei verschiedene Einzelarzneimittel anbietet, sind die Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung im Streitfall indessen nicht erfüllt.
Der Wortlaut der unter § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO getroffenen Regelung spricht dabei nur scheinbar für den von der Antragstellerin vertretenen Standpunkt, wonach auf der Umverpackung des zwei verschiedene Arzneimittel (Brausetabletten/Retardtabletten) enthaltenden Fertigarzneimittels Strafortin der Antragsgegnerin die Angabe zweier Zuzahlungsstufen vorzunehmen sei. Bei den in der Verpackung von Strafortin enthaltenen Präparaten handelt es sich zwar zweifellos um Arzneimittel im Sinne der Definition des § 2 Abs. 1 AMG. Denn ob diese einzelnen Produkte jeweils für sich genommen wirksam und/oder zugelassen und damit verkehrsfähig sind, stellt keine Frage des Arzneimittelbegriffs im Sinne der Definition des § 2 AMG dar und kann aus diesem Grund der Arzneimitteleigenschaft der in der gemeinsamen äußeren Verpackung des Fertigarzneimittels Strafortin jeweils enthaltenen Einzelpräparate nicht entgegengehalten werden. Scheint damit der Wortlaut der hier in Rede stehenden Bestimmung des § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO dafür zu sprechen, die Brausetabletten und die Retardtabletten ungeachtet ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung als Einzelpräparate jeweils als Arzneimittel einzuordnen, für die gesonderte Zuzahlungsstufen auf der Umverpackung des als Kombinationsprodukt zugelassenen Fertigarzneimittels Strafortin auszuweisen sind, ist dem sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund der der ZuzahlungsVO als Ermächtigungsgrundlage zugrundeliegenden Vorschrift des § 31 SGB V jedoch etwas anderes zu entnehmen und spricht danach alles dafür, die Angabe von mehreren Zuzahlungsstufen nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsvO nur dann zu verlangen, wenn (auch) die in der Umverpackung eines Fertigarzneimittels enthaltenen verschiedenen Arzneimittel jeweils für sich genommen als Einzelpräparate über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügen. Da die Antragsgegnerin - wie unstreitig ist - für die in der äußeren Umhüllung des Fertigarzneimittels Strafortin kombinierten Arzneimittel (Brausetabletten/Retardtabletten) indessen keine Einzelzulassung erwirkt hat, sondern eine arzneimittelrechtliche Zulassung nur für die als Fertigarzneimittel zugelassene Kombination als solche erteilt wurde (vgl. Ziffer 2 des Zuzahlungsbescheides vom 22.04.1985, Anlage AG 3 zur Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 20.04.1999), liegt danach im Sinne der hier in Rede stehenden Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 der ZuzahlungsVO nur ein einziges als abgabefertige Kombinationspackung angebotenes Fertigarzneimittel vor, für das folglich auch nur eine Zuzahlungsstufe angegeben werden muss.
Ziel der in § 31 Abs. 3 SGB V formulierten Selbstbeteiligungspflicht der gesetzlich Krankenversicherten an den Kosten der Arznei- und Verbandmittel ist es, das Ausgaben- und Preisbewusstsein der Versicherten zu stärken und einem überhöhten Verbrauch von Arzneimitteln entgegenzuwirken ( vgl. Höfler, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band I, 2. Auflage, Rdn. 18 zu § 31 SGB V m.w.N.). Auf diese Weise soll indessen nicht nur eine Stärkung der Eigenverantwortung der gesetzlich Krankenversicherten bewirkt ( vgl. Schneider in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band I, § 22 Rdn. 202), sondern vor allem auch auf der Basis des Wirtschaftlichkeitsgebots unmittelbar eine Kostenentlastung der Krankenversicherer und mittelbar eine solche der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten herbeigeführt werden. Der dargestellte Gesichtspunkt der Kostenentlastung setzt indessen notwendig das Bestehen der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherungen voraus, anderenfalls weder diesen, noch der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten Kosten entstehen können, zu deren Verringerung die Selbstbeteiligung der Versicherten einen Beitrag leisten soll.
Die an die Verordnung eines an der gesetzlichen Krankenversicherung teilnehmenden Vertrags- bzw. Kassenarztes gebundene Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen in bezug auf Arzneimittel setzt ihrerseits die kassenärztliche Verordnungsfähigkeit dieser Arzneimittel voraus. Das die gesetzliche Krankenversicherung beherrschende Prinzip "Keine Verordnung nicht zugelassener Arzneimittel" ( vgl. Höfler a.a.O., Rdn. 5 zu § 31 SGB V) spricht dabei wiederum dafür, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels an dessen arzneimittelrechtliche Zulassung zu knüpfen mit der Folge, dass im Grundsatz hinsichtlich eines gleichwohl verordneten nicht zugelassenen Arzneimittels keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, mithin ebenfalls der Gesichtspunkt der Selbstbeteiligung der Versicherten in Form der Zuzahlung nicht greifen kann. Setzt die Selbstbeteiligung der Versicherten in Form der Zuzahlung grundsätzlich aber nur bei solchen Arzneimitteln an, die zugelassen sind, lässt dies wiederum den Rückschluss darauf zu, dass - sind mehrere Arzneimittel in der Umverpackung enthalten - nur dann mehrere Zuzahlungsstufen anzugeben sind, wenn die in der als Fertigarzneimittel angebotenen abgabefertigen Kombinationspackung enthaltenen verschiedenen Arzneimittel für sich genommen verordnungsfähig, also zugelassen sind.
Der Umstand, daß der vorbezeichnete Grundsatz "keine Verordnung nicht zugelassener Arzneimittel" Ausnahmen kennt (vgl. Höfler, a. a. O., Rnr. 5 zu § 31 SGB V m. w. N.), steht dieser Wertung nicht entgegen. Die genannten Ausnahmen betreffen besondere, hier nicht einschlägige Fallkonstellationen, in denen bei Fertigarzneimitteln eine Zulassung beantragt wurde, über die noch nicht entschieden ist, oder bei denen - trotz Versagung der Zulassung - die wissenschaftlich ernsthaft begründete Möglichkeit eines Therapieerfolgs erkennbar oder das Mittel erfolgreich zu einem anderen als dem angegeben Verwendungszweck im Einzelfall eingesetzt worden ist. Die genannten Ausnahmefälle stellen jeweilige individuelle Sachverhaltskonstellationen dar, in denen - im Falle vertragsärztlicher Verordnung - das Eingreifen der Leistungs- bzw. Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen eigens zu prüfen und festzustellen ist. Diese Ausnahmefälle können indessen nicht dazu führen, die auf der Grundlage von § 31 Abs. 3 SGB V i. V. m. der ZuzahlungsVO generell festgelegte, an das Eingreifen der Leistungsverpflichtung der Krankenkassen geknüpfte Pflicht zur Selbstbeteiligung der Versicherten auf jegliches Arzneimittel zu erstrecken, auch wenn es nicht zugelassen ist, evtl. nicht einmal zugelassen werden könnte.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann auch die bloße Zulassungsfähigkeit der in der Umverpackung des als abgabefertige Kombinationspackung angebotenen Fertigarzneimittels enthaltenen verschiedenen Arzneimittel nicht ausreichen. Denn dies führte dazu, vor der Angabe der die Selbstbeteiligung der Versicherten konkretisierenden Zuzahlungsstufen nach Maßgabe der ZuzahlungsVO eine umfangreiche, der Kompetenz des BFArM unterfallende materielle Prüfung vorzunehmen, die mit dem Sinn und Zweck der ZuzahlungsVO als eine die Pflicht zur Zuzahlung lediglich näher regelnde Bestimmung nicht vereinbar ist.
Zu den dargestellten, an Sinn und Zweck der Selbstbeteiligung der gesetzlich Krankenversicherten anknüpfenden Erwägungen tritt aber noch der folgende, die Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Regelung der näheren Einzelheiten der Zuzahlung betreffende Aspekt hinzu:
Da § 31 Abs. 3 SGB V die Zuzahlungspflicht an die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arzneimittel knüpft, ist maßgeblich auf den Inhalt der Verordnung des Kassenarztes abzustellen. Dieser verordnet jedoch in den Fällen, in denen ein Fertigarzneimittel als abgabefertige, verschiedene Arzneimittel enthaltende Kombinationspackung angeboten wird, lediglich ein Fertigarzneimittel. Diese nach § 31 Abs. 3 SGB V an die kassenärztliche Verordnung gebundene Zuzahlungspflicht definiert und beschränkt dabei den Rahmen der die Einzelheiten der Zuzahlung bestimmenden ZuzahlungsVO. Letztere kann keine gegenüber ihrer Ermächtigungsgrundlage weitergehenden und die Zuzahlungspflicht abändernden Regelungen betreffend die Ermittlung und Angabe von Zuzahlungsstufen treffen. Auch wenn die Ermächtigung des Verordnungsgebers dabei die Befugnis zur Normierung von Tatbeständen umfasst, mit denen die Umgehung und/oder der sonstige Missbrauch des in der Ermächtigungsgrundlage geregelten Sachverhalts möglichst ausgeschlossen werden soll, und § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO weiter als ein solcher normierter Tatbestand zu verstehen sein sollte, führt dies im Streitfall nicht zu einem von der obigen Würdigung abweichenden Ergebnis. Denn handelt es sich bei § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO um einen "normierten Umgehungstatbestand" , so ist dieser als eng auszulegende Ausnahmebestimmung zu der Regelung zu sehen, dass grundsätzlich bei der kassenärztlichen Verordnung nur eines Arzneimittels auch nur eine Zuzahlung zu leisten ist. Der dargestellte sozialversicherungsrechtliche Hintergrund der Zuzahlungsverpflichtung der gesetzlich Krankenversicherten, die nur bei verordnungsfähigen Arzneimitteln eingreift, lässt dabei aber eine Anwendung der Vorschrift des § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO nur in den Fällen gerechtfertigt erscheinen, in denen die in der als Fertigarzneimittel zugelassenen Kombinationspackung enthaltenen verschiedenen Arzneimittel als solche verordnungsfähig, mithin jeweils einzeln zugelassen sind. Dass es sich bei dieser Konstellation auch nicht lediglich um einen realitätsfernen, vom Verordnungsgeber bei der Regelung des § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO außer Acht gelassenen Sachverhalt handelt, belegt u.a. die von der Antragstellerin genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20.01.1993 (vgl. auch Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band I, Anm. 56 zu § 22 AMG und Anm. 17 zu § 21 AMG).
Auch das eigene Verhalten der Antragsgegnerin rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Die Antragsgegnerin hat zwar zunächst für ihr Fertigarzneimittel Strafortin zwei Zuzahlungsstufen in der Lauertaxe eintragen lassen. Mit Blick auf die oben dargestellte Problematik des sozialversicherungsrechtlichen Hintergrundes der ZuzahlungsVO kann die Angabe von zwei Zuzahlungsstufen auf der Umverpackung des Arzneimittels Strafortin jedoch nicht als Anhaltspunkt dafür gewertet werden, dass § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO eindeutig die Angabe mehrerer Zuzahlungsstufen für Arzneimittel ungeachtet ihrer jeweiligen kassenärztlichen Verordnungsfähigkeit als Einzelprodukte zugrundelegt."
An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin mit ihrer Berufung vorgebrachten Einwände und Gegenargumente fest.
Soweit die Klägerin einwendet, der erkennende Senat habe bei zwar zutreffender Anknüpfung an den sozialversicherungsrechtlichen Hintergrund der ZuzahlungsVO die darin unter § 1 Abs. 2 getroffene Regelung gleichwohl fehlinterpretiert, vermag das keine abweichende Würdigung herbeizuführen. Die Klägerin bringt in diesem Zusammenhang vor, gerade der mit der ZuzahlungsVO verfolgte Gesichtspunkt der Kostenentlastung hätte den Senat veranlassen müssen, die Angabe zweier Zuzahlungsstufen zu fordern. Denn solange der Patient die in dem Kombinationspräparat enthaltenen Arzneimittel in Form stoffidentischer Wettbewerbsprodukte einzeln erwerben könne und damit einer zweifachen Zuzahlungspflicht unterliege, werde er zu dem - teureren - Kombinationspräparat hingezogen und gebe deshalb im Ergebnis doch mehr Geld zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherer aus (Bl. 120 d.A.). Selbst wenn dieser klägerseits dargestellte Sachverhalt zutreffen sollte, so wird dadurch jedoch das systematische Argument nicht entkräftet, dass eine Kostenentlastung der Krankenversicherer nur dort denkbar ist, wo überhaupt eine Leistungspflicht der Krankenversicherer besteht. Auch wenn dabei Maßnahmen denkbar und ggf. sogar wünschenswert sind, die eine noch größere Kostenentlastung der gesetzlichen Krankenversicherer bewirken könnten, darf dieser Anknüpfungspunkt der Selbstbeteiligung der gesetzlich Krankenversicherten nicht aus den Augen verloren werden. Das Eingreifen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherer, die wiederum eine an die Zulassung des Arzneimittels anknüpfende Verordnungsfähigkeit voraussetzt, definiert aber das grundsätzliche Verständnis der Selbstbeteiligung der Versicherten, zu deren Zweck die ZuzahlungsVO erlassen worden ist; mit dieser kann daher keine weitergehende Kostenentlastung der Versicherer bewirkt werden, als die Leistungspflicht besteht.
Auch das weitere, mit Blick auf die auf S. 13, 2. Absatz dieses Urteils dargestellten Ausführungen des Senats vorgebrachte Argument, der Arzt verordne auch bei einem - als solches zugelassenen - Fertigarzneimittel, das wiederum aus jeweils einzeln zugelassenen Fertigarzneimitteln kombiniert sei, letztlich nur ein Fertigarzneimittel, rechtfertigt keine abweichende Würdigung. Allerdings trifft es zu, dass der Arzt - verordnet er ein aus zwei einzeln zugelassenen Fertigarzneimitteln zusammengestelltes Produkt, das seinerseits als Kombinationsprodukt der eigenen Zulassung bedarf - im formalen Sinn nur ein Fertigarzneimittel verordnet. Das ändert jedoch nichts daran, dass es bei § 1 Abs. 2 der ZuzahlungsVO um die Formulierung eines normierten Umgehungstatbestandes geht, der seinem Zweck nach nur dort greift, wo einzelne Produkte, die für sich genommen verordnungsfähig sind und daher eine Zuzahlungspflicht auslösen, in einer Verpackung kombiniert angeboten werden. In diesem Fall würde die für die isolierten Produkte bestehende mehrfache Zuzahlungspflicht durch das Angebot als Kombination umgangen. Eine solche Umgehung kann aber nicht drohen, wo die einzelnen Produkte für sich genommen nicht verordnungsfähig und daher auch nicht zuzahlungspflichtig sind, sondern die Zuzahlungspflicht erst durch Abgabe in einer als solche zugelassenen Kombinationspackung entsteht.
Der Befürchtung der Klägerin, dass damit dem Missbrauch "Tür und Tor geöffnet" sei, weil dann die pharmazeutischen Unternehmer keine Einzelzulassungen mehr erwirkten, sondern massenweise dazu übergingen, nur noch Kombinationszulassungen zu beantragen, vermag der Senat ebenfalls nicht beizutreten. Denn ungeachtet der Frage, dass auch die Zulassung eines Kombinationspräparats an den Wirksamkeitsnachweis geknüpft ist, was es zumindest nahelegt, den Nachweis der Wirksamkeit gerade der Kombination der zusammengestellten Einzelarzneimittel zu verlangen, scheint es fernliegend, dass Unternehmer sich allein mit Blick auf die Angabe der Zuzahlungsstufen für eine solche Vorgehensweise entscheiden und auf den Vorteil der Verkehrs- und Verordnungsfähigkeit von auch als Einzelarzneimittel therapeutisch sinnvoll einsetzbaren und vermarktbaren Produkte verzichten.
Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit (Bl. 68 d.A.) steht der Beurteilung, wie sie in der vorstehenden Senatsentscheidung zum Ausdruck gebracht ist, schließlich ebenfalls nicht entgegen. Das erwähnte Schreiben des Bundesministeriums bezieht sich auf eine allgemein gehaltene Anfrage der Klägerin (vgl. Bl. 67 d.A.) und geht auf die Besonderheit der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht ein, die dadurch gekennzeichnet ist, dass zwei als solche nicht zugelassene und daher nicht verordnungsfähige Fertigarzneimittel in einem Kombinationspräparat zusammengestellt sind, das nur als solches zugelassen und daher verordnungsfähig ist.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert der Klagebegehren, mit denen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit unterlegen ist.
Streitwert: 650.000,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 21.02.2001
Az: 6 U 113/00
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