Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. April 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 334/07

(BPatG: Beschluss v. 02.04.2009, Az.: 6 W (pat) 334/07)

Tenor

Das Patent 101 61 030 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

-neuer Patentanspruch 1 vom 26. März 2009, eingereicht als Hilfsantrag I,

-Patentansprüche 2 bis 8 wie erteilt,

-Beschreibung Spalten 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

-übrige Unterlagen wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das Patent 101 61 030, dessen Erteilung am 16. Oktober 2003 veröffentlicht wurde, ist mit Schriftsatz der Einsprechenden vom 8. Januar 2004, per Fax eingegangen am gleichen Tag, Einspruch erhoben worden.

Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit des Patentgegenstands.

Die Einsprechende bezieht sich in ihrer Einspruchsbegründung bezüglich des Patentanspruchs 1 auf folgende Druckschriften:

E1: DE 195 25 957 C2, E2: EP 0 190 537 A2, E3: DE 200 00 769 U1, E4: DE 40 11 122 A1, E5: DE 198 48 767 A1, E6, E8: Bestellkatalog 11, 2000, SCHÜCO ALUMINIUM-SYS-TEME FÜR FASSADEN UND LICHTDÄCHER, Seiten 1, 3 -2,9 -18 E6, E9: SCHÜCO ALUMINIUM-SYSTEME FÜR FASSADEN UND LICHTDÄCHER, Zeichnungskatalog, Seiten FF01-3, FF03-40, E7: SCHÜCO international KG, Untersuchungsbericht Nr.: BW-98-0192, Blatt 1, 3, Anlagen 1, 2, 3, E10: SCHÜCO international KG, Untersuchungsbericht Nr.: PW-99-0389, Inhaltsangabe u. Blatt 1 -20, Anlage 1 -19, E10': ift Rosenheim Forschungsvorhaben, Überprüfung des Einflusses von Stoßstellen bei Fassaden, Abschlussbericht November 2000, Deckbl., Inhaltsangabe, Seiten 1 -4, Seiten 1 -5, 47 -49, Anlage Blatt 58, 59 und Impressum, E11: Hans W. Bobran "Handbuch der Bauphysik", Ullstein Berlin Frankfurt/M, 1967.

Die Einsprechende führt in ihrer Einspruchsbegründung aus, dass der Patentgegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Sie beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen. Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

- neuer Patentanspruch 1 vom 26. März 2009, eingereicht als Hilfsantrag I,

- Patentansprüche 2 bis 8 wie erteilt,

- Beschreibung Spalten 1 bis 4, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,

- übrige Unterlagen wie erteilt.

Sie führt aus, dass ihrer Auffassung nach der Gegenstand nach dem nun geltenden Patentanspruch 1 gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass der Einspruch nicht ausreichend substantiiert und damit nicht zulässig sei und die E10 und E10' zum Anmeldetag des angegriffenen Patents der Öffentlichkeit nicht zugänglich gewesen seien.

Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 eine Fassade, bestehend aus Riegeln und Pfosten, bei der die Riegel und/oder Pfosten zumindest teilweise durch Anschlusselemente an einem Bauwerk befestigt sind, wobei zumindest die Pfosten im Bereich von Trennstellen durch jeweils einen Einschiebling bzw. ein Verbindungselement miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Einschiebling (13) mit einer Masse in Form von Betonverguss ausgefüllt ist, welche die Schallübertragung maßgeblich reduziert.

Hieran schließen sich die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 an, zu deren Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.

Nach Abs. [0007] der Patentschrift liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine Fassade der eingangs genannten Art derart zu verbessern, dass die Schallübertragung von einer Etage zur anderen Etage über die Pfosten so weit wie möglich reduziert wird. . Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).

2.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert, auf Widerrufsgründe gem. § 21 PatG gegründet und auch sonst zulässig.

Die Begründung muss nach § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG die Tatsachen im Einzelnen angeben, aus denen sich ergeben soll, dass der Einspruch gerechtfertigt, also das Patent ganz oder teilweise zu widerrufen ist und muss so abgefasst sein, dass ein Fachmann des Gebiets sie ohne unzumutbaren Aufwand richtig verstehen kann. Ein gewisser Interpretationsaufwand ist ihm aber zumutbar. Ausreichend ist die Auseinandersetzung mit dem Kern der patentierten Erfindung (vgl. dazu Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59 Rn. 93 ff.). Dieses Erfordernis ist hier erfüllt.

Es mag sein, dass die Ausführungen nur relativ geringen Raum einnehmen. Dies ist aber durch den relativ einfachen Gegenstand des Streitpatents und der Gegenstände der Entgegenhaltungen begründet.

Der Einspruchsschriftsatz geht insbesondere auf den Seiten 6 und 7 auf jedes Merkmal der Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 ein und nimmt auch Bezug auf Belegstellen in der E1, E7 und E3. Die maßgeblichen tatsächlichen Umstände, die den Einspruch rechtfertigen sind damit im Einzelnen ausreichend dargelegt.

3.

Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Der geltende Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem erteilten Patentanspruch 1. Unzulässige Erweiterungen sind von der Einsprechenden auch nicht geltend gemacht worden.

4.

Die E10' wurde in der mündlichen Verhandlung in der Originalausgabe mit Druckund Ausgabezeitpunkt, November 2000, vorgelegt. Der Senat konnte die von der Patentinhaberin vorgetragenen Gründe und Erwägungen, die trotz eindeutigen Impressums in der E10' gegen eine Vorveröffentlichung der E10' sprächen, nicht nachvollziehen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die in Büchern und gedruckten Fachpublikationen vermerkten Ausgabedaten auch deren Veröffentlichungszeitpunkt mit beinhalten. Ist nach der Art des Dokuments eine alsbaldige Verteilung typisch, so kann -wenn ein ausreichender Zeitraum zwischen Datum des Dokuments und Prioritätsdatum des Patents liegt -prima facie von der öffentlichen Zugänglichkeit ausgegangen werden (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 59 Rn. 105). Spezielle Gründe, weshalb dies im vorliegenden Fall anders verlaufen sein soll, wurden nicht genannt und sind auch dem Senat nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Bestellliste 2001, in der der Abschlussbericht E10'enthalten ist, Preise in Euro aufweist, kann daran nichts ändern. Denn der Euro wurde bereits am 1. Januar 1999 als Buchgeld und am 1. Januar 2002 in Deutschland erstmals als Bargeld eingeführt, so dass es naheliegt, in der Preisliste 2001 bereits die Eurobeträge anzugeben.

Der Senat geht daher davon aus, dass die E10' damit zum Stand der Technik gehört.

Letztlich kommt es aber auf die öffentliche Zugänglichkeit der E10' nicht an, weil -selbst wenn man diese zu Gunsten der Einsprechenden unterstellt -diese Entgegenhaltung der antragsgemäßen beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegensteht.

5.

Der Durchschnittsfachmann ist vorliegend ein Bauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Fassadenund Fensterkonstruktion sowie deren Fertigung.

6.

Auf den Einspruch ist das Patent antragsgemäß beschränkt aufrecht zu erhalten, weil der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem angeführten Stand der Technik patentfähig ist.

6.1 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften einen Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 zeigt. Einen Einschiebling mit einer Füllmasse in Form von Betonverguss ist keiner der Entgegenhaltungen zu entnehmen.

6.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die E10' ist ein Abschlußbericht der ift Rosenheim, in dem Untersuchungsergebnisse über den Einfluss von Stoßstellen insbesondere in Fassadenpfosten dokumentiert sind. Untersucht wurden Fassaden, die aus Riegeln und Pfosten bestehen (vgl. Anlage Blatt 58, Bild 59). Dabei sind die Riegel und/oder Pfosten zumindest teilweise durch Anschlusselemente an einem Bauwerk befestigt. Im Bereich von Trennstellen der Pfosten sind die Pfosten durch jeweils einen Einschiebling -entsprechend der E1 -miteinander verbunden (vgl. Anlage Blatt 58, Bild 59). Der Einschiebling dort ist in einer Ausbildungsform mit einer Masse in Form von Bauschaum ausgefüllt ist.

Anregungen oder Hinweise, eine Masse in Form von Betonverguss zu verwenden, sind der E10' nicht zu entnehmen. Denn der in der E10' verwendete Bauschaum legt als einzig dokumentierte Füllmasse wegen seines geringen Raumgewichts, das nur ca. 1/100 von Beton beträgt, die Größenordnung der dort zum Ausfüllen der Einschieblinge in Frage kommenden Massen fest. Außerdem war die damit erreichte Schalldämmung so minimal, dass ein Fachmann eine solche Lösung nicht als Vorbild ansehen würde.

Die E3, die in der Beschreibung Seite 2, Abs. 3 und Seite 3, Abs. 1, u. a. von Fassadenprofilen, deren Hohlräume durch Füllung mit Sand schallgedämmt ausgebildet sind, ausgeht, kann keine Hinweise auf mit Betonverguss ausgefüllte Einschieblinge geben, weil dort keine Einschieblinge vorhanden sind und auch nicht an eine Schalldämmung der Pfostenstöße zur Verminderung der Schallübertragung in vertikaler Richtung gedacht wurde. Im Übrigen wird dabei der komplette Hohlraum gefüllt, was zu einer enormen Gewichtserhöhung führt. Sand ist durch die E3 zwar als Füllmasse bekannt. Aber von dieser Füllmasse auf Beton zu kommen, liegt nicht nahe, da es sich bei Sand im Gegensatz zum Beton um einen rieselfähigen ungebundenen Baustoff handelt. Ein nur teiloder abschnittsweises Befüllen ist damit ohne zusätzliche Maßnahmen nicht möglich.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften, E2 und E4 bis E10, wurden zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen, und die Prüfung dieser Druckschriften durch den Senat hat ergeben, dass die dort beschriebenen Fassaden keine weitergehenden Anregungen auf die Lehre des Patents geben können, weil sie entweder keinen Einschiebling oder keine Masse für den Einschiebling aufweisen oder nichts über die E10' hinausgehendes offenbaren. Von daher kann es auch dahinstehen, ob und unter welchen Umständen die mit E6 bis E10 bezeichneten Druckschriften zur Veröffentlichung gelangt sind.

Der geltende Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.

7. Mit der Gewährbarkeit des geltenden Patentanspruchs 1 sind auch die auf nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Patengegenstandes gerichteten Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar.

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Az: 6 W (pat) 334/07


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