Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 19. Januar 2006
Aktenzeichen: 21 L 1464/05

(VG Köln: Beschluss v. 19.01.2006, Az.: 21 L 1464/05)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 15.000.000,00 (15 Millionen) Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. August 2005 (21 K 5175/05) gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 17. August 2005 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der von Gesetzes wegen gel- tenden sofortigen Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahmen (§ 137 Abs. 1 TKG) und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der angegriffene Beschluss der Antragsgegnerin in seinen wesentlichen Teilen rechtmäßig ist und die unter dem Aktenzeichen 21 K 5175/05 erhobene Hauptsacheklage insoweit voraussichtlich erfolglos bleiben wird (unter 1. und 2.). Soweit die Erfolgsaussichten der Klage bei der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung offen bleiben müssen, ergibt jedenfalls eine von den Erfolgsaussichten losgelöste Interessenabwägung ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs (unten unter 3.).

1. Soweit die Antragsgegnerin in Ziffer 1 ihres Beschlusses vom 17. August 2005 festgestellt hat, dass die Entgelte der Antragstellerin für die Überlassung von Teilnehmerdaten gemäß § 4 des Standardvertrages über die Überlassung von Teilnehmerdaten - im Folgenden: Standardvertrag - bzw. entsprechender Einzelverträge, die gleiche oder höhere Entgelte vorsehen, dem Grunde nach missbräuchlich sind und nicht den Maßstäben des § 28 TKG genügen, spricht - je- denfalls hinsichtlich der von der Antragstellerin selbst erhobenen Daten ihrer Teilnehmer - Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit dieser Beanstandung (unten unter 1.a). Soweit sich die Beanstandung auch auf die Entgelte für die Überlassung der sog. „Carrierdaten" bezieht, kann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens getroffen werden (unten unter 1. b).

Nach § 47 Abs. 1 TKG ist jedes Unternehmen, das Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringt und Rufnummern an Endnutzer vergibt, verpflichtet, unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen, jedem Unternehmen auf Antrag Teilnehmerdaten zum Zwecke der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen. Nach § 47 Abs. 4 TKG kann für die Überlassung der Teilnehmerdaten ein Entgelt erhoben werden, welches in der Regel einer nachträglichen Regulierung nach Maßgabe des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG unterliegt. Im Verfahren der nachträglichen Entgeltregulierung untersagt die Antragsgegnerin nach § 38 Abs. 4 TKG das nach dem Gesetz verbotene Verhalten und erklärt beanstandete Entgelte ab dem Zeitpunkt der Feststellung für unwirksam, sofern sie feststellt, dass Entgelte nicht den Maßstäben des § 28 TKG genügen.

1. a) Die von der Antragstellerin in § 4 des Standardvertrages erhobenen Entgelte unterliegen der Entgeltregulierung im Sinne dieser Vorschriften jedenfalls insoweit, als sie für die Überlassung von Daten über Teilnehmer im Netz der Antragstellerin, mithin Endkunden der Antragstellerin, erhoben werden. Für diese Daten gilt die Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 TKG unmittelbar, was unter den Beteiligten nicht streitig ist. In Bezug auf diese Daten spricht auch Überwiegendes dafür, dass die von der Antragstellerin in § 4 des Standardvertrages erhobenen Entgelte gegen § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG verstoßen.

Ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG liegt vor, wenn ein Anbieter von Telekommunikationsdiensten oder ein Betreiber von Telekommunikationsnetzen mit beträchtlicher Marktmacht seine Stellung bei der Forderung und Vereinbarung von Entgelten missbräuchlich ausnutzt. Dies ist bei den hier in Rede stehenden Entgelten für die Überlassung von Teilnehmerdaten nach § 47 Abs. 4 TKG jedenfalls dann der Fall, wenn die von der Antragstellerin verlangten Entgelte nicht den gemeinschaftsrechtlichen und nationalrechtlichen Maßstäben entsprechen. Diese Maßstäbe ergeben sich vorrangig aus Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) - URL - (Richtlinie 2002/22/EG), die der nationale Gesetzgeber u.a. in § 47 TKG umgesetzt hat. Danach müssen die Entgelte den Grundsätzen der Gerechtigkeit, Objektivität, Kostenorientierung und Nichtdiskriminierung genügen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 25. November 2004 (Rechtssache C-109/03) zur Konkretisierung dieser Maßstäbe entschieden, dass für Daten wie den Namen und die Anschrift der Personen sowie die Telefonnummern, die an sie vergeben wurden (sog. „Basisdaten"), nur die Kosten für das tatsächliche Zurverfügungstellen dieser Daten an Dritte in Rechnung gestellt werden dürfen, während für zusätzliche Daten, die der betreffende Anbieter nicht zur Verfügung stellen muss, auch die zusätzlichen Kosten, die der Anbieter selbst für den Erhalt dieser Daten aufwenden musste, in Rechnung gestellt werden können. Zwar ist diese Entscheidung zu Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (Richtlinie 98/10/EG) ergangen. Da auch nach dieser Vorschrift Informationen über Teilnehmerdaten zu „gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen" zur Verfügung zu stellen waren, dürfte aber nicht zweifelhaft sein - und wird von den Beteiligten dem Grunde nach auch nicht bezweifelt -, dass die in dieser Entscheidung entwickelten Maßstäbe auch den gültigen Rahmen für die Auslegung der „Nachfolgeregelung" in Art. 25 Abs. 2 URL abgeben.

Die genannte Entscheidung des EuGH beruht maßgeblich darauf, dass die vom Gerichtshof so bezeichneten „Basisdaten" für die Bereitstellung eines Aus- kunftsdienstes bzw. eines Teilnehmerverzeichnisses unerlässlich sind, weil nur durch sie eine Identifizierung der Teilnehmer ermöglicht wird. Eine über die Kosten der Datenübermittlung hinausgehende Entgeltpflichtigkeit scheidet insoweit aus, weil diese Daten dem verpflichteten Unternehmen ohnehin im Rahmen der Kundenbeziehung vorliegen, ohne dass diesem regelmäßig ein zusätzlicher Aufwand für die Beschaffung dieser Daten entsteht. Unabhängig von der Frage, ob der vom EuGH geprägte Begriff der „Basisdaten" sich auf Namen und Anschrift der Teilnehmer, Postleitzahl und Telefonnummer beschränkt oder ob er mit Blick darauf, dass es den Mitgliedstaaten frei steht, vorzusehen, dass den Nutzern weitere Daten zur Verfügung gestellt werden, eine nationalrechtliche Erweiterung - etwa im Sinne einzelstaatlich festgelegter „Pflichtdaten" - erhalten kann, steht jedenfalls fest, dass für die Daten, die zur Identifizierung der Teilnehmer erforderlich sind und die dem Unternehmen ohnehin im Rahmen der Kundenbeziehung vorliegen müssen, nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen nur die Kosten der Zurverfügungstellung (sog. Kostenkategorie 3), nicht aber die Kosten für den Erhalt und die Pflege des Datenbestandes (sog. Kostenkategorien 1 und 2), insbesondere nicht die Kosten für die diese Daten verwaltende Datenbank, erhoben werden können.

Bei den nach Anlage C des Standardvertrages („Schnittstellenbeschreibung") den Datenabnehmern („Kunden") von der Antragstellerin gelieferten Daten handelt es sich - jedenfalls weit überwiegend - um „Basisdaten" in diesem Sinne, weil diese Daten sich zum Einen nur auf Namen, Anschrift und Telefonnumer der Teilnehmer beziehen und zum Anderen bereits für die Abwicklung der Kundenbeziehung zwi- schen der Antragstellerin und ihren Endkunden erhoben und vorgehalten werden müssen, ohne dass für den Erhalt dieser Daten der Antragstellerin ein zusätzlicher Aufwand entsteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der „Teilnehmerda- ten", wie er in Art. 25 Abs. 2 URL und §§ 47, 104 TKG zu Grunde gelegt ist, ersicht- lich zunächst nur solche Daten erfasst, die einen objektiven Informationsgehalt für die Nutzer des Auskunftsdienstes oder des Telefonverzeichnisses besitzen - wie etwa die Angaben zu Namen, Anschriften und Telefonnummern. Primär auf diese - materielle Informationen über Teilnehmer enthaltenden - Daten bezieht sich der er- wähnte Regelungsrahmen, denn nur bezüglich dieser Daten besteht auch das kor- respondierende Recht eines jeden Teilnehmers auf Eintragung in ein umfassendes Teilnehmerverzeichnis gem. Art. 25 Abs. 1 URL und § 21 TKV. Daten, die der Ver- knüpfung, Zuordnung und Verwaltung dieser Daten in einer - vorgegebenen - Da- tenbankstruktur dienen, sind sowohl für den die Daten betreffenden Teilnehmer als auch für die Nutzer des Auskunftsdienstes ohne Bedeutung. Derartige Daten sind - sofern man sie den Teilnehmerdaten zurechnen will - damit jedenfalls keine „zusätz- lichen Daten" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, für deren Erhalt dem ver- pflichteten Unternehmen zusätzliche Kosten entstehen. Vielmehr ist jedes Unter- nehmen, das in erheblichem Umfang Daten erhebt und verwaltet, darauf angewie- sen, diese in elektronischer Form zu verarbeiten, wobei es für den Umfang der Wei- tergabeverpflichtung und die daran anknüpfende Entgeltpflichtigkeit keine Bedeutung haben kann, in welcher Form und technischen Ausgestaltung das Unternehmen die bei ihm vorliegenden Daten verwaltet und ggf. weitergibt. Es versteht sich von selbst, dass jedes Unternehmen zunächst bestrebt sein wird, die Daten möglichst in der bei ihm ohnehin vorliegenden Form einschließlich der an die eigene Datenbankstruktur angepassten Zuordnungen und Verknüpfungen an die Abnehmer weiterzugeben, die dann ihrerseits dafür Sorge zu tragen haben, dass sie über eine bei ihnen einzurich- tende geeignete elektronische Schnittstelle die so gelieferten Daten weiter verarbei- ten können. Diese Abstimmung zwischen dem Datenlieferanten und dem Datenab- nehmer über die technischen Details der Datenübermittlung ist in Art. 25 Abs. 2 URL in dem Erfordernis der Weitergabe der Teilnehmerdaten „in einem vereinbarten For- mat" angelegt und in § 47 Abs. 2 TKG in dem Erfordernis der Weitergabe in „kun- dengerechter Form" umgesetzt. Dementsprechend beschränkt sich die Anlage C zum Standardvertrag auch nicht auf eine Auflistung der vom Vertrag erfassten mate- riellen Teilnehmerdaten, sondern enthält eine technische „Schnittstellenbeschrei- bung" für die Überlassung von Teilnehmerdaten. Für die Frage, ob es sich bei den überlassenen Teilnehmerdaten um „zusätzliche Daten" im Sinne des EuGH handelt, ist die technische Ausgestaltung der elektronischen Datenübermittlung aber ebenso wenig von Bedeutung wie die Frage, ob die Datenabnehmer unmittelbar aus der Kundendatenbank der Antragstellerin - ANDI - oder aus der Teilnehmerdatenbank - DARED - beliefert werden. Entscheidend ist allein der materielle Informationsgehalt der Datensätze und die sich darauf beziehende Frage, ob es sich insoweit um „Ba- sisdaten" oder um „zusätzliche Daten" handelt, wobei letztere solche sind, die dem Unternehmen im Rahmen der gewöhnlichen Kundenbeziehung nicht notwendig vor- liegen müssen und für deren Erhalt ein zusätzlicher Aufwand entsteht.

Hiervon ausgehend enthalten die von der Anlage C des Standardvertrages erfassten Informationen - mit nur sehr wenigen denkbaren Ausnahmen - keine zusätzlichen Daten, für die ein über die Kosten der Zurverfügungstellung hinausgehendes Entgelt erhoben werden kann. Die Datenfelder 1 und 2 betreffen die Identifikationsnummer und die Einordnung des Datensatzes; sie sind rein technischer Natur und keine zusätzlichen Teilnehmerdaten. Die in den Datenfeldern 3 bis 9 enthaltenen Informationen sind allesamt der Rufnummer des Teilnehmers zuzuordnen. Die Angaben in den Feldern 12 - 34 betreffen - mit Ausnahme der in den Feldern 18, 26 und 34 (und im weiteren im Feld 67) enthaltenen Angaben zum Beruf - den Namen des Teilnehmers bzw. der Teilnehmer bei Personenmehrheiten einschließlich etwa vorhandener Namenszusätze. In den Datenfeldern 35 bis 42 sind die Adressenangaben der Teilnehmer enthalten. Die Angaben in den Feldern 43 bis 57 betreffen die Zeitdauer des Anschlusses und absehbare Änderungen; auch sie enthalten keine über Namen, Anschrift und Rufnummer hinausgehenden zusätzlichen Teilnehmerdaten. In den Feldern 58 bis 63 werden Informationen über die „Freigabe" der Teilnehmerdaten übermittelt, also darüber, ob und in welcher Form der Teilnehmer Restriktionen für die Bekanntgabe seiner Daten bestimmt hat. Diese Daten sind Ausfluss des Rechts eines jeden Teilnehmers, der Veröffentlichung seiner Daten ganz oder teilweise zu widersprechen. Sie sind damit notwendiger Bestandteil der vom jeweiligen Teilnehmernetzbetreiber zu erhebenden Kundendaten und müssen bei jeder Weitergabe übermittelt werden; sie stellen nicht ihrerseits zusätzliche Teilnehmerdaten i.S. der Rechtsprechung des EuGH dar. Die Datenfelder 64 und 65 können Angaben dazu enthalten, unter welchen Kategorien der Eintrag geführt werden kann; das Feld 66 betrifft wiederum den Namen des Teilnehmers; das Feld 68 ist der Anschrift zuzuordnen, während das Feld 69 eine weitere Angabe zur „Freigabe" der Daten enthält. Die Datenfelder 70 bis 72 sind bloße „Platzhalter", die nach der Schnittstellenbeschreibung für zusätzliche Informationen Verwendung finden können, standardmäßig aber leer bleiben.

Dies erhellt, dass über das von der Antragstellerin so genannte „Satzlayout Teilnehmerdaten" fast ausschließlich Angaben zum Namen, zur Anschrift und zur Rufnummer der Teilnehmer übermittelt werden. Allenfalls bezüglich der Angaben zum Beruf des Teilnehmers in den Datenfeldern 18, 26, 34 und 67, der Tarifinformationen bei Mehrwertdiensten im Feld 10, den Angaben zur Teilnehmerart (privat/ Firma/ Behörde bzw. Institution) im Feld 11 und über Mitbenutzer im Feld 66 wäre weiter zu prüfen, ob es sich dabei um „zusätzliche Daten" im Sinne der Recht- sprechung des EuGH handelt und ob - unterstellt, dies wäre der Fall - § 47 Abs. 2 TKG einer gesonderten Entgeltpflichtigkeit der für die Beschaffung und die Pflege dieser Daten der Antragstellerin entstehenden Kosten entgegensteht. Dies muss jedoch ggf. der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

1. b) Weniger eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob auch die Entgelte für die Überlassung der Daten von Teilnehmern anderer Teilnehmernetze, die die Antragstellerin von den Betreibern dieser Netze erhält (sog. „Carrierdaten") der Entgeltregulierung nach § 47 Abs. 4 TKG i.V.m. § 38 Abs. 2 bis 4 TKG bzw. § 31 TKG unterliegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn auch diese Daten von der Weitergabeverpflichtung nach § 47 Abs. 1 TKG erfasst werden. Dafür, dass dies der Fall ist, kann der Wortlaut dieser Vorschrift angeführt werden, der von Teilnehmerdaten allgemein spricht und nicht nur von solchen Daten, die das betreffende Unternehmen von seinen eigenen Kunden erhoben hat. Andererseits verpflichtet § 47 Abs. 1 TKG nur solche Unternehmen, die Rufnummern vergeben, was dafür sprechen könnte, dass sich diese Verpflichtung auch nur auf die von diesen Unternehmen selbst vergebenen Rufnummern erstreckt. Auch ein Rückgriff auf den in § 47 Abs. 2 TKG näher bestimmten Umfang der Verpflichtung zur Überlassung von Teilnehmerdaten führt insoweit zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar könnte man für eine auch die Carrierdaten einbeziehende Verpflichtung anführen, dass nach § 47 Abs. 2 TKG zu den weiterzugebenden Teilnehmerdaten ohne Einschränkungen alle dem Unternehmen vorliegenden Angaben gehören. Andererseits könnte man die Reichweite des Zusatzes in Satz 2 „... soweit sie dem Unternehmen vorliegen" sprachlich auch zwanglos auf die in dieser Vorschrift genannten „zusätzlichen Angaben" beschränken. Auch der Sache nach ist es für die Bereitstellung eines umfassenden Auskunftsdienstes bzw. der Herausgabe eines umfassenden Teilnehmerverzeichnisses nicht unbedingt erforderlich, dass die Antragstellerin auch die Carrierdaten weitergibt, da auch die anderen Netzbetreiber ihrerseits zur Weitergabe der von ihnen erhobenen Teilnehmerdaten ihrer Kunden nach § 47 Abs. 1 TKG verpflichtet sind und dementsprechend auch die von ihnen für die Überlassung erhobenen Entgelte einer Regulierung nach § 47 Abs. 4 TKG unterliegen. Die Betreiber von Auskunftsdiensten bzw. Herausgeber von Teilnehmerverzeichnissen können sich die Carrierdaten somit grundsätzlich auch bei den betreffenden Netzbetreibern selbst zu angemessenen Bedingungen beschaffen. Andererseits streitet für die umfassende Weitergabeverpflichtung der Antragstellerin ein praktisches Bedürfnis, das mit den historischen Gegebenheiten und mit dem vom Gesetzgeber bei Erlass des Telekommunikationsgesetzes 2004 vorgefundenen Gegebenheiten korrespondiert. Zu prüfen wäre weiter, ob eine auch die Carrierdaten umfassende Verpflichtung möglicherweise der Stellung der Antragstellerin als Universaldienstleistende nach § 78 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 und 3 TKG und ihrer Verpflichtung aus § 78 Abs. 3 TKG entspricht. Letztlich wird aber auch die Klärung dieser Rechtsfrage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen.

2. Soweit die Antragsgegnerin in Ziffern 1.1. und 1.2. des angegriffenen Beschlusses die Beanstandung der Überlassungsentgelte beschränkt und dabei Entgelte ermittelt hat, die den Kosten der reinen Datenübermittlung (sog. Kostenkategorie 3) entsprechen, wirkt sich dies grundsätzlich zu Gunsten der Antragstellerin aus. Ob die Antragsgegnerin damit - entgegen ihren Ausführungen auf S. 46 des angegriffenen Beschlusses - gleichwohl eine Entgeltanordnung nach § 47 Abs. 4 Satz 1 TKG i.V.m. § 38 Abs. 4 Satz 2 TKG getroffen hat, kann offen bleiben, denn jedenfalls hat die Antragstellerin die so ermittelte Entgelthöhe nicht angegriffen, sondern sich nur dagegen gewehrt, dass bei der Kalkulation der Entgelte die Kosten der Kategorie 1 und 2 unberücksichtigt geblieben sind.

Die in Ziffer 2 des angegriffenen Beschlusses getroffene Untersagung des miss- bräuchlichen Verhaltens und die in Ziffer 3 des Beschlusses getroffene Unwirksam- keitsfeststellung beruhen auf § 38 Abs. 4 Satz 1 TKG und sind in dem Umfang offen- sichtlich rechtmäßig, in dem auch die Beanstandung der Entgelte rechtmäßig ist.

3. Die somit weiter zu treffende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstel- lerin aus. Dabei war zunächst und entscheidend zu berücksichtigen, dass - wie aus- geführt - der angegriffene Beschluss in seinen wesentlichen Teilen bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Interessenabwägung insoweit zu Lasten der Antragstellerin bereits vorgeprägt ist. Soweit die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann - das gilt im Hinblick auf sehr wenige von der Anlage C zum Standardvertrag erfasste Daten und hinsichtlich der Carrierdaten - sind die Auswirkungen dieser Unsicherheiten von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Zum einen ist es nicht ersichtlich, dass die Angaben zum Beruf der Teilnehmer, zu Mitbenutzern, zur Teilnehmerart und zu Tarifen bei Mehr- wertdiensten im Gesamtgefüge der übermittelten Daten ausscheidbare Kosten in nennenswertem Umfang verursachen. Jedenfalls wäre zu Lasten der Antragstellerin insoweit auch der Umstand mit in die Abwägung einzustellen, dass sie ihren Daten- abnehmern offenbar nicht die Möglichkeit gibt, Teilnehmerdatensätze auch ohne die- se Angaben zu beziehen. Zum anderen dürfte auch die Übermittlung der Carrierda- ten zahlenmäßig nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil - wie die Antragsgegne- rin in ihrem Schriftsatz vom 05. Oktober 2005 unwidersprochen vorgetragen hat - die Antragstellerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch über ca. 95 % der Teilnehmeran- schlüsse verfügt und somit nur ca. 5 % des gesamten Datenbestandes auf Carrierda- ten entfallen.

Sollte bezüglich dieser von dem angegriffenen Beschluss erfassten Teile die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen, so hat sie zwar grundsätzlich das Risiko der Insolvenz ihrer Datenabnehmer zu tragen. Dieses wird in seiner Bedeutung jedoch weiter erheblich dadurch gemindert, dass - dem Vortrag der Antragstellerin folgend - von den bis zum Erlass der streitgegenständlichen Beschlusses anerkannten „umlagefähigen" Kosten der Bereitstellung der Teilnehmerdaten in Höhe von jährlich 49 Millionen Euro der weitaus größte Teil, nämlich 44,4 Millionen Euro, auf eigene konzerninterne Abteilungen bzw. Tochtergesellschaften entfällt, bei denen kein Insolvenzrisiko besteht bzw. bei denen sich ein solches für die Antragstellerin wirtschaftlich nicht auswirkt. Tatsächlich besteht somit (bezogen auf das Jahr 2004 und sämtliche Teilnehmerdaten) ein Ausfallrisiko für die Antragstellerin in einer maximalen Höhe von 4,6 Millionen Euro - bezüglich der Carrierdaten wären etwa 5 % von dieser Summe, also etwa 230.000,00 Euro jährlich, anzusetzen. Zwar ist nach Lage der Dinge davon auszugehen, dass umgekehrt die Datenabnehmer von ihnen überzahlte Kosten nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens in vollem Umfang von der Antragstellerin zurück erhalten können. Diese Ungleichgewichtung des Ausfallrisikos ist angesichts seiner somit stark reduzierten Höhe der Antragstellerin jedoch zuzumuten, weil sie anderenfalls - bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung - in die Lage versetzt würde, die aller Voraussicht nach rechtswidrig überhöhten Entgelte in vollem Umfang auch noch weiterhin von ihren Datenabnehmern zu vereinnahmen und dadurch die Marktchancen der übrigen Anbieter von Auskunftsdiensten und Herausgeber von Teilnehmerverzeichnissen zu beeinträchtigen. Folge davon wäre - wie die Antrags- gegnerin vorgetragen hat - , dass es einigen Anbietern von Auskunfts- und Verzeichnisdiensten nicht mehr möglich wäre, ihre Angebote am Markt zu platzieren bzw. aufrecht zu erhalten, womit eine Verhinderung bzw. Verzögerung der ange- strebten Wettbewerbsbelebung auf diesem Markt verbunden wäre. Insgesamt ist damit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der Vorrang zu geben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung entspricht der von der Antragstellerin in der Antragsschrift dargelegten wirtschaftlichen Bedeutung der Streitsache. Nach ihren Angaben führt der angegriffene Beschluss zu Mindereinnahmen in einer Höhe von ca. 48 Millionen Euro jährlich. Im Hauptsacheverfahren ist somit gemäß § 29 Abs. 2 GKG ein Streitwert in Höhe von 30 Millionen Euro anzusetzen. Das Gericht hat für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte dieses Betrages in Ansatz gebracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 i.V.m. § 132 TKG.






VG Köln:
Beschluss v. 19.01.2006
Az: 21 L 1464/05


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