Landgericht Gießen:
Urteil vom 2. November 2010
Aktenzeichen: 6 O 43/10

(LG Gießen: Urteil v. 02.11.2010, Az.: 6 O 43/10)

Die Abwicklung von Haftpflicht- und Kaskoschäden gehört auch nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Autohauses, so dass keine erlaubte Tätigkeit § 5 Abs. 1 RDG vorliegt.

Dabei kommt es nur darauf an, dass das Autohaus die Dienstleistung als eigene anbietet, nicht in welcher genauen rechtlichen Form eine Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten erfolgt.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, und/oder für solche zu werben, insbesondere wenn dies geschieht wie in Form von Schreiben gemäß der diesem Tenor beigefügten Anlage K 1.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 €.

Anlage K 1

Information zur Bearbeitung des Schadenfalls an Ihrem Fahrzeug

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Tatbestand

Die Klägerin ist das Selbstverwaltungsorgan aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in ihrem Kammerbezirk und übt über ihre Mitglieder die Berufsaufsicht aus.

Die Beklagte ist ein Autohaus. Sie bietet ihren Kunden gemäß der Anlage K 1 (Bl. 8 d. A) an, sie bei der Abwicklung eines Schadensfalles an deren Fahrzeug zu unterstützen. Wegen des Inhaltes der Anlage wird auf den Tenor des Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 26.1.2010 (Anlage K 2) wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte gab eine solche Erklärung nicht ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verstoße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, weil sie in der Anlage K 1 selbst Rechtsdienstleistungen anbiete und zu beachten sei, dass ein nichtanwaltliches Unternehmen sich eines Rechtsanwaltes auch nicht als Erfüllungsgehilfe bedienen dürfe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, und/oder für solche zu werben, insbesondere wenn dies geschieht wie in Form von Schreiben gemäß der Anlage K1.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage. Sie ist der Auffassung aus den Formulierungen in der Anlage K1 gehe hervor, dass nicht sie, sondern Rechtsanwälte die Ansprüche des Rechtssuchenden wahrnehmen würden. Es werde nicht der Eindruck erweckt, Rechtsanwälte seien ihre Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmer. Auch bei einem Verständnis des Schreibens entsprechend der Auffassung der Klägerin liege gemäß der Entscheidung des OLG Frankfurt, OLGReport 2008, 659 kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Klageschrift und den Schriftsatze der Klägerin vom 27.10.2010, jeweils nebst Anlagen und auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26.10.2010 und 2.11.2010, jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte darf zur Abwicklung von Schadenfällen an Fahrzeugen ihrer Kunden diesen keinen kostenfreien Service, wie in der Anlage K 1 beschrieben, anbieten, weil sie damit gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt und deshalb eine unlautere geschäftliche Handlung i. S. d. UWG vornimmt.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs (§ 8 Abs. 1 UWG) gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Hierzu folgt die Kammer der höchstrichterlichen Rechtsprechung, gemäß der die Kammern freier Berufe, also auch die Rechtsanwaltskammer, Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind, weil auch sie - ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung - die beruflichen Belange ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern haben (BGH GRUR 2002, 717 mit Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung). Die Richtigkeit dieser Auffassung ist auch in der Literatur anerkannt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage, § 8, Rz. 3.33; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., § 8, Rz. 275; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Auflage 2010, § 8, RZ 96)

Angesichts dieser gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung sieht die Kammer keinen Anlass, von der Klägerin nähere Darlegung zu den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu verlangen, zumal die Einwände der Beklagten, soweit sie nicht die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem bestätigten unmittelbaren tatbestandsmäßigen Voraussetzung betreffen, auch weitgehend nur schwer nachzuvollziehen sind. So kann es für die Aktivlegitimation nicht darauf ankommen, welche Auffassung die Klägerin gegenüber Modellen von Kfz-Händlerverbänden und Versicherungen zur Schadensabwicklung vertritt.

In der Sache besteht der Unterlassungsanspruch, weil die Beklagte mit ihrem Dienstleistungsangebot der Anlage K 1 gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstößt.

Die Beklagte bietet dort eine Rechtsdienstleistung i. S. d. § 2 Abs. 1 RDG an, die ihr nicht i. S. d § 3 RDG erlaubt ist.

Eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistungen liegt vor, wenn die ordnungsmäßige Erfüllung der Tätigkeit eine umfassende Beratung auf mindestens einem Teilgebiet des Rechtes auf der Grundlage von Kenntnissen und Fertigkeiten erfordert, die durch ein Studium oder durch langjährige Berufserfahrung vermittelt werden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4. Rz. 1165a). Das ist bei der angebotenen Abwicklung von Haftpflicht- und Kaskoschäden ohne weiteres der Fall. Die Abwicklung solcher Schäden gehört auch nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Autohauses, so dass keine erlaubte Tätigkeit § 5 Abs. 1 RDG vorliegt.

Schließlich sind die Vorschriften des RDG auch Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4, Rz. 11.63; BGH NJW 2009, 3242).

Die Beklagte bietet ihre Dienstleistung aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der eine Werbeaussage mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt, auch als eigene an. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut bietet sie in Kooperation mit genannten Partnern die beschriebenen Service an. Im Satz zuvor heißt es, das ihr Autohaus ... die Abwicklung des Schadenfalles ... so einfach und sorglos wie möglich gestalten möchte. Auch der letzte Satz, in dem es heißt; "Bitte helfen sie uns, den Schaden an ihrem Fahrzeug schnellstmöglich zu beheben....", umfasst die Aussage, dass es die Beklagte ist, die die Schadensabwicklung in die Hand nimmt und als ihr Geschäfts betreibt. Zwar wird bei dem Dienstleistungsangebot auch eine Kooperation der Beklagten mit Rechtsanwälten und der ... erwähnt. Es wird aber gerade nicht gesagt, dass die Beklagte ihre Kunden diesen Partnern nur vermittelt, und dass diese die Schadensabwicklung eigenständig betreiben. Sondern alles wird als eigenes Angebot der Beklagten dargestellt. Verstärkt wird dieser Eindruck, was die rechtliche Abwicklung betrifft, dadurch, dass in dem Angebot der Beklagten ein Rechtsanwaltsbüro namentlich bezeichnet wird, an das der Kunde sich wenden soll. Ihm wir damit eine von der Beklagten bereist ausgewähltes Rechtsanwaltsbüro vorgegeben.

Nach der Rechtsprechung des BGH, der die Kammer auch soweit folgt, ist auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes eine ohne entsprechende Erlaubnis vorgenommene Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Handelnde sich dabei der Hilfe eines zugelassenen Rechtsberaters bedient (BGH NJW 2009, 3242). Deshalb kommt es nur darauf an, dass die Beklagte die Dienstleistung als eigene anbietet, nicht in welcher genauen rechtlichen Form sie mit Rechtsanwälten zusammenarbeitet. Eine von der Beklagten herangezogene abweichende Entscheidung des OLG Frankfurt/Main ist, worauf bereits die Klägerin hingewiesen hat, durch den BGH (NJW 2008, 3069) aufgehoben worden.

Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich daraus, dass die Beklagte die Abgabe einer von der Klägerin geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat.

Die Androhung von Ordnungsmitteln hatte gemäß § 890 ZPO zu verfolgen.

Da die Beklagte unterlegen ist, muss sie die Kosten des Rechtsstreits tragen (§ 91 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Gießen:
Urteil v. 02.11.2010
Az: 6 O 43/10


Link zum Urteil:
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