Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. Dezember 1993
Aktenzeichen: 6 U 75/93
(OLG Köln: Urteil v. 22.12.1993, Az.: 6 U 75/93)
1. Eine "Wiedergabe" i.S. von § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG liegt gemäß § 21 UrhG dann vor, wenn urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar gemacht werden. Dabei ist unerheblich, ob dies durch zentrale Verteilung oder dadurch geschieht, daß der Nutzer ein ihm zur Verfügung stehendes Óbertragungsgerät selbst einschaltet und das Programm auswählen kann.
2. Erfolgt eine solche Wiedergabe von Sendungen in Zweibettzimmern medizinischer Einrichtungen, handelt es sich um "öffentliche" Wiedergabe, die vergütungspflichtig ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Februar 1993 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 0 485/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens wer- den der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte hinsichtlich der Kosten durch Sicher- heitsleistung in Höhe von 9.500,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ih-rerseits vor der Vollstreckung Sicher- heit in dieser Höhe leistet. Die Sicherheiten können von beiden Par-teien auch durch selbstschuldnerische Bürgschaften einer im Gebiet der Bundes republik Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden. Die Beschwer der Klägerin wird auf 525.161,50 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin ist Trägerin der medizinischen Ein- richtungen der
... Hochschule A.. Diese medizini- schen Einrichtungen haben u.a.
483 Zweibett-Zim- mer, die jeweils mit einem Fernsehgerät
ausgestat- tet sind. Die Patienten können diese Geräte indi-
viduell an- und abstellen und verschiedene Sender wählen. Die
Tonübertragung erfolgt über Kopfhörer.
Die Klägerin hat alle 483 Fernsehgeräte angemeldet und zahlt
hierfür die entsprechenden Rundfunk- und Fernsehgebühren.
Die Beklagte, ein wirtschaftlicher Verein kraft staatlicher
Verleihung, ist die Verwertungsgesell- schaft für musikalische
Urheberrechte in Deutsch- land. Aufgrund von Berechtigungsverträgen
mit den ihr angeschlossenen Komponisten, Textdichtern und
Musikverlegern sowie aufgrund der mit den auslän- dischen
Wahrnehmungsgesellschaften geschlossenen Gegenseitigkeitsverträge
vertritt die Beklagte das gesamte Weltrepertoire an geschützter
Unterhal- tungs- und Tanzmusik.
Die Beklagte legte der Klägerin den Vertragsent- wurf zu 233504
FS 006 zur Unterzeichnung vor. In diesem Vertragsentwurf ist der
Erwerb des Rechts der öffentlichen Wiedergabe von Fernsehsendungen
in 483 Zweibett-Zimmern der medizinischen Einrich- tungen der
Klägerin gegen eine Vergütung in Höhe von 21.006,46 DM pro Jahr
vorgesehen. Wegen der weiteren Ausgestaltung des Vertragsentwurfs
wird auf die zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie (Bl. 8 des
Anlagenheftes) Bezug genommen.
Die Klägerin, die die Auffassung vertritt, die Wiedergabe von
Rundfunk- und Fernsehsendungen in Mehrbett-Zimmern stelle keinen
nach dem Urheber- gesetz vergütungspflichtigen Sachverhalt dar, be-
gehrt Feststellung, daß der Beklagten derlei An- sprüche nicht
zustehen, nachdem die Beklagte vor- prozessual auf der
Verpflichtung der Klägerin zur Unterzeichnung des Vertragsentwurfs
bestanden hat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei
Fernsehsendungen in Zweibett-Zim- mern ihrer medizinischen
Einrichtungen nicht um öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 52
Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 und 3 UrhG, da eine Wiedergabe von Werken
nur dann öffentlich sei, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen
bestimmt sei und dieser Personenkreis weder abgegrenzt noch
untereinander oder zu dem Veranstalter in einer persönlichen Be-
ziehung stünde.
Unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesge- richtshofes
(BGHZ 36, 171, 177) hat die Klägerin weiterhin die Ansicht
vertreten, der Patient genieße in seinem Patientenzimmer ebenso wie
ein Hotelgast im Hotelzimmer eine private Sphäre. Die medizinische
Betreuung sowie die intensive Behandlung ändere nichts an dem
privatrechtlichen Charakter der Nutzung. Zwischen den Patienten in
einem Zweibett-Zimmer bestehe ein intensiver sozialer Kontakt, da
es sich um eine Schicksalsge- meinschaft handele. Da jeder Patient
in der Lage sei zu bestimmen, ob er eine Sendung hören oder
empfangen möchte, und der Empfang des Tons ohnehin nur über
Kopfhörer erfolge, habe kein Dritter die Möglichkeit, die
entsprechenden Sendungen zu emp- fangen.
Die Beklagte verstoße darüber hinaus mit ihrem Vertragsentwurf
gegen die bisherigen Vereinbarun- gen einer zwischen den Parteien
geschlossenen Rahmenempfehlung, wonach nur in Gemeinschafts- und
Aufenthaltsräumen der Betrieb entsprechender Wie- dergabegeräte
vergütungspflichtig sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Beklagten gegen die Klägerin keine
Ansprüche nach der Maßgabe des Vertragsentwurfs zu 233504 FS 006 in
Höhe von 21.006,46 DM per anno zustehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß sämtliche Voraussetzungen
für eine Vergütungspflicht gemäß § 52 Abs. 1 UrhG im Hinblick auf
die Wiedergabe von Fernsehsendungen in den Zweibett-Zimmern gege-
ben seien. Bei der Wiedergabe dieser Sendungen in Patientenzimmern
durch eine Verteileranlage hande- le es sich um eine öffentliche
Wiedergabe, welche dem Erwerbszweck der Klägerin diene. Eine
Werkwie- dergabe sei gemäß § 15 Abs. 3 UrhG schon öffent- lich,
wenn sie für eine Mehrzahl von Personen be- stimmt sei. Hierzu
reichten bereits zwei Personen aus. Eine Ausnahme läge nur vor,
wenn der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt sei und diese
durch gegenseitige Beziehung oder durch Beziehung zum Veranstalter
persönlich untereinander verbun- den seien. Eine persönliche
Verbindung der Patien- ten untereinander läge gerade nicht vor; es
hande- le sich vielmehr um eine anonyme Menschenzahl, die sich
zufällig in demselben Zimmer aufhielte.
Auch die Tatsache, daß die Patienten die Sendung über Kopfhörer
empfangen könnten, ändere nichts daran, daß diese Wiedergabe
öffentlich sei. Der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe sei auch
dann gegeben, wenn der einzelnen Wiedergabe - auf- grund
technischer Gegebenheiten - nur eine Person beiwohnen könne, wobei
die Wiedergabe aber fort- laufend und für wechselnde Personen
stattfände.
Schließlich führe auch die Tatsache, daß der Patient allein das
Fernseh-Wiedergabegerät an- schalten können, zu keinem anderen
Ergebnis, da es primär darauf ankomme, daß die Wiedergabe nur
aufgrund des Betriebs der Fernsehanlage durch die
Krankenhausleitung möglich sei. Die Zuleitung der Fernsehsendungen
stelle sich deshalb als öffent- lich dar, weil die Hörbarmachung
der Sendungen für jeden beliebigen Patienten erfolge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien vor
dem Landgericht wird auf die erstin- stanzlichen Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Durch Urteil vom 3. Februar 1993 hat die 28. Zi- vilkammer des
Landgerichts Köln die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Urteil
ist im wesent- lichen damit begründet, daß es sich bei der Wie-
dergabe von Fernsehsendungen in Zweibett-Zimmern um eine
öffentliche Wiedergabe handele, die gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2
UrhG vergütungspflichtig sei. Eine Ausnahme nach § 52 Abs. 1 Satz 3
UrhG läge nicht vor. Im übrigen wird auf die Entschei- dungsgründe
des angefochtenen Urteils Bezug ge- nommen.
Gegen dieses ihr am 17. Februar 1993 zugestellte Urteil hat die
Klägerin mit einem am 15. März 1993 bei Gericht eingegangenen
Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender
Verlänge- rung der Begründungsfrist mit einem am 17. Mai 1993
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstin- stanzliches
Vorbringen; sie vertritt die Ansicht, in ihren medizinischen
Einrichtungen finde eine "Wiedergabe" von Sendungen nicht statt, da
die einzelnen Zimmer zwar mit Fernsehgeräten ausge- stattet seien,
diese Geräte jedoch individuell an- und abgestellt würden und jeder
einzelne Kranke wählen könne, welche Sendung er sich ansehen woll-
te. Damit handele es sich nicht um eine zentrale Verteilung, die
durch sie - die Klägerin - veran- laßt würde.
Durch § 52 UrhG solle nur verhindert werden, daß eine
Einrichtung lediglich einen Fernsehanschluß erhielte, gleichzeitig
aber regelmäßig einer Vielzahl von Benutzern die Sendungen
zugänglich gemacht würden. Da sie sämtliche Fernsehgeräte an-
gemeldet habe und hierfür auch die entsprechenden Rundfund- und
Fernsehgebühren zahle, läge ein sol- cher Fall nicht vor. Durch die
von ihr gezahlten Gebühren seien die Urheberrechte der Künstler mit
abgegolten, da die Rundfunk- und Fernsehanstalten in erheblichem
Umfang Vergütungen an die Verwer- tungsgesellschaften
abführten.
Darüber hinaus vertritt die Klägerin die Auffas- sung, selbst
wenn eine Wiedergabe vorläge, sei diese nicht "öffentlich", da in
jedem Doppelzimmer ein eigenes Gerät stehe. Die beiden Benutzer
seien auch persönlich und rechtlich dadurch miteinander verbunden,
daß sie nur gemeinsam darüber entschei- den könnten, welches
Programm sie sehen wollten. Da der Patient die Sendung auch nur
über Kopfhö- rer empfinge, könne kein Dritter diese Sendung
mitverfolgen. Die beiden Patienten seien bis in den privatesten
Bereich hinein für die Dauer ihres Aufenthalts in den medizinischen
Einrichtungen miteinander verbunden; jeder Dritte sei aus diesem
Privatbereich ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvor- bringens der
Klägerin wird auf die Berufungsbe- gründungsschrift vom 17. Mai
1993 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Ur- teils nach dem im ersten
Rechtszug ge- stellten Schlußantrag zu erkennen,
hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangs- vollstreckung auch
durch Sicherheits- leistung abzuwenden, die auch in Form der
selbstschuldnerischen Bürgschaft ei- ner deutschen Großbank oder
öffentlich- rechtlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangs- vollstreckung auch
durch Sicherheits- leistung abzuwenden, die auch in Form der
selbstschuldnerischen Bürgschaft ei- ner deutschen Großbank oder
öffentlich- rechtlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstin- stanzliches
Vorbringen und verteidigt das ange- fochtene Urteil. Darüber hinaus
behauptet sie, die Klägerin habe eine zentrale Empfangsstelle und
ma- che über ein Verteilernetz die von ihr empfangenen
Fernsehsendungen für die Patienten in den Zwei- bett-Zimmern
zugänglich.
Sie vertritt die Ansicht, eine Wiedergabe läge schon dann vor,
wenn urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar gemacht würden,
d.h. die Mög- lichkeit eröffnet werde, die Werke unmittelbar
erkennbar und erfahrbar zu machen. Dabei sei es gleichgültig, ob
dies durch eine zentrale Vertei- lung oder dadurch geschehe, daß
der einzelne Pa- tient selbst das gewünschte Programm auswähle oder
das Gerät abschalte.
Diese öffentliche Wiedergabe sei auch vergütungs- pflichtig nach
§ 52 Abs. 1 Satz 2 UrhG. Die Wie- dergabe in Zweibett-Zimmern sei
öffentlich, da sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt sei,
wozu zwei Personen ausreichten, die von der Sendung gleichzeitig
erreicht werden.
Eine Ausnahme von einer öffentlichen Wiedergabe läge nicht vor,
da zwischen Patienten in Zwei- bett-Zimmern keine gegenseitige
Beziehung bestehe. Der Patient werde zwangsweise und ohne eigene
Ent- scheidungsmöglichkeit in ein Zimmer gelegt, in dem gerade ein
Bett frei sei. Schon darin läge der Un- terschied zu einem
Hotelzimmer.
Die Beklagte vertritt ferner die Ansicht, es sei rechtlich
unerheblich, daß die Klägerin bereits Rundfunkgebühren bezahle.
Auch wenn die Sendean- stalten Teile der Gebühren an die
Verwertungsge- sellschaften abführten, handele es sich hierbei
nicht um die Vergütung für das Recht der Wiederga- be im Sinne von
§ 21 UrhG, sondern um eine Vergü- tung für das Senderecht nach § 20
UrhG. Senderecht und Wiedergaberecht seien jedoch zwei selbständige
Teile eines ausschließlich dem Urheber zustehenden Rechtes, für die
ihm jeweils eine eigene Vergütung zustehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im
Berufungsrechtszug wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.
Juli 1993 und den Schriftsatz vom 22. Oktober 1993 nebst der da- zu
überreichten Anlage Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ó N D E
Die Berufung ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, daß die von der
Klägerin erhobene Feststellungsklage unbegründet ist, da die
Klägerin gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG für die Wiedergabe von
Fernseh- sendungen in den 483 Zweibett-Zimmern ihrer medi-
zinischen Einrichtungen der Beklagten gegenüber vergütungspflichtig
ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin findet in den
Zweibett-Zimmern ihrer medizinischen Einrich- tungen eine
Wiedergabe von Rundfunk- und Fernseh- sendungen statt. Eine
"Wiedergabe" im Sinne von § 52 Abs. 1 Satz 1 UrhG liegt gemäß § 21
UrhG dann vor, wenn urheberrechtlich geschützte Werke wahr- nehmbar
gemacht werden. Für eine solche Wiedergabe ist es unerheblich, ob
diese durch eine zentrale Verteilung oder dadurch geschieht, daß
die einzel- nen Patienten das ihnen zur Verfügung gestellte
Óbertragungsgerät selbst einschalten und das Pro- gramm auswählen
können. Es kommt lediglich darauf an, daß die Werke unmittelbar mit
den menschlichen Sinnen erkennbar und erfahrbar gemacht werden
(Schricker/von Ungern-Sternberg UrhG, 1987 § 21 Rdn. 7).
Bei den streitgegenständlichen Wiedergaben von Sendungen in
Zweibett-Zimmern in den medizinischen Einrichtungen der Klägerin
handelt es sich auch um "öffentliche" Wiedergaben im Sinne von § 52
Abs. 1 Satz 1 UrhG. Gemäß § 15 Abs. 3 UrhG ist eine Wiedergabe
öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist,
es sei denn, daß der Kreis dieser Personen bestimmt abgegrenzt ist
und diese durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum
Veranstalter persönlich untereinan- der verbunden sind. Die
Fernsehgeräte in den Zwei- bett-Patienten-Zimmern sollen jeweils
zwei Perso- nen gleichzeitig den Empfang der Sendungen ermög-
lichen. Damit sind die Wiedergabegeräte dazu be- stimmt, sich an
eine Mehrzahl von Personen zu wen- den, da eine "Mehrzahl" bereits
bei zwei Personen vorliegt (Schricker/von Ungern-Sternberg, a.a.0.
§ 15 Rdn. 29). Diese Mehrzahl von Personen wird auch gleichzeitig
erreicht, da die Patienten in dem Zweibett-Zimmer Fernsehsendungen
nur jeweils gemeinsam sehen können; jedenfalls können sie nicht
gleichzeitig unterschiedliche Fernsehsendun- gen sehen. Hierbei ist
es unerheblich, daß die Fernsehsendungen lediglich über Kopfhörer
gehört werden können und eine Óbertragung durch Lautspre- cher
nicht möglich ist. Zwar steht es somit im Be- lieben des einzelnen
Patienten, ob er zusammen mit dem anderen Patienten die jeweilige
Fernsehsendung mitanhört oder nicht; entscheidend ist jedoch nicht,
ob die einzelne Wiedergabe des Werkes tat- sächlich von einer
Mehrzahl von Personen miterlebt wird, sondern es kommt nur darauf
an, daß eine Mehrzahl von Personen gleichzeitig erreicht werden
soll (Ulmer GRUR 1971, 297, 301).
Es liegt auch keine Ausnahme im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG vor.
Hierbei kann es dahinstehen, ob es sich bei den Patienten eines
konkreten Zweibett-Zimmers um einen bestimmten abgegrenzten
Personenkreis handelt, jedenfalls fehlt es an dem weiteren
Erfordernis des § 15 Abs. 3 UrhG, daß die Personen durch
gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter
persönlich miteinander verbunden sind. Zwar ist der Begriff der
"persön- lichen Verbundenheit" nicht beschränkt auf fami- liäre
oder freundschaftliche Beziehungen, sie wird jedoch nicht allein
schon dadurch hergestellt, daß die beiden Patienten notgedrungen
gemeinsam und gleichzeitig jeweils eine Sendung sehen können, da
nur ein Bildschirm vorhanden ist. Eine enge und persönliche
Verbundenheit ist grundsätzlich zwischen zwei Patienten, die in
demselben Zimmer untergebracht sind, zu verneinen. Typischerweise
wird der Patient zwangsweise und ohne eigene Ent-
scheidungsmöglichkeit in einem Krankenzimmer un- tergebracht, in
dem gerade ein Bett frei ist. Die beiden Zimmerbewohner schließen
sich somit nicht aus eigenem Willen oder einer schon vorher beste-
henden Verbundenheit zusammen, sondern bilden eine
Zufallsgemeinschaft. Auch wenn sich in einzelnen Fällen zwischen
den beiden Patienten, die in einem Zimmer untergebracht sind, ein
gewisses Zusammen- gehörigkeitsgefühl aufgrund der Tatsache entwik-
kelt, daß beide erkrankt sind, so reicht dies nicht zu einer
gemeinschaftsbildenden, Außenseiter ausschließenden Verbindung
aus.
Aus diesem Grund ist auch der Sachverhalt, der der Entscheidung
des Bundesgerichtshofes (BGHZ 36, 171 ff.) - auf die sich die
Klägerin beruft - zugrundelag, nicht mit dem vorliegenden Sach-
verhalt vergleichbar. Bei Hotelgästen ist davon auszugehen, daß sie
aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses sich ein Zimmer teilen, da
zwischen ihnen familiäre, freundschaftliche oder sonstige
Verbundenheit besteht. Dies ist gerade bei Pa- tienten eines
Zweibett-Zimmers in Krankenhäusern, nicht anzunehmen, da sich diese
dort zufällig begegnen. Diese Patienten sind sich in aller Regel
untereinander fremd und werden es angesichts der begrenzten Zeit,
in der sie das Zimmer miteinander teilen, zumeist auch bleiben. Das
Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung hierzu zu Recht
ausgeführt, daß darüber hinaus zu berücksichtigen ist, daß
Patienten infolge ihrer Erkrankung stark auf sich selbst
ausgerichtet sein dürften, so daß ein gemeinschaftliches Bewußtsein
nur unterge- ordnet Platz greifen wird. Schließlich ist auch dem
Hinweis des Landgerichts zuzustimmen, daß die unterschiedlichen
Erkrankungen, die verschiedenen Behandlungsarten und -zeiten sowie
die Tatsache, daß selbst bei einem längeren Krankenhausaufent- halt
ein wiederholter Wechsel des Mitbewohners des Krankenzimmers üblich
ist, dagegensprechen, daß sich zwischen den beiden Patienten in
einem ge- meinsamen Krankenzimmer eine Verbundenheit im Sin- ne des
§ 15 Abs. 3 UrhG ergibt.
Eine persönliche Verbundenheit der einzelnen Pa- tienten zu dem
Krankenhausträger als Veranstalter ist schon deshalb zu verneinen,
da die Beziehun- gen zwischen Patient und Krankenhausträger rein
rechtsgeschäftlicher und finanzieller Natur sind.
Da es sich somit bei der Wahrnehmbarmachung der einzelnen
Fernsehsendungen in den Zweibett-Zimmern der medizinischen
Einrichtungen der Klägerin um eine öffentliche Wiedergabe von
urheberrechtlich geschützten Werken handelt, ist die Klägerin gemäß
§ 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG zur Zahlung einer angemessenen
Vergütung verpflichtet.
Eine Inanspruchnahme der Klägerin auf Zahlung dieser Vergütung
widerspricht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht
dem Geset- zeszweck, weil sie - die Klägerin - bereits für jedes
Fernsehgerät und jede Hörstelle Gebühren an die Fernseh- und
Rundfunkanstalten zahlt. Die von ihr an die Rundfunkanstalten
gezahlten Gebühren dienen zwar auch dazu, Urheberrechte der
Künstler zu vergüten, denn von diesen Gebühren werden be- stimmte
Prozente an die Verwertungsgesellschaften abgeführt. Hierbei ist
jedoch zu berücksichtigen, daß den Urhebern verschiedene Rechte
zustehen. Während die Abgaben, die die Rundfunkanstalten an die
Verwertungsgesellschaften abführen, das Sen- derecht im Sinne von §
20 UrhG betreffen, werden die hier streitgegenständlichen Gebühren
erhoben, da das Recht an der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger
gemäß § 21 UrhG ebenfalls den Urhebern zusteht. Die Sendeanstalten
zahlen somit einen Betrag der von ihnen erhobenen Gebühren allein
für das Recht, urheberrechtlich geschützte Werke über- haupt durch
technische Einrichtungen wie Funk- und Fernsehübertragung der
Àffentlichkeit zugänglich zu machen. Die hier in Frage stehenden
Gebühren werden hingegen erhoben, weil die Klägerin die be- reits
durch Fernsehübertragung der Àffentlichkeit zugänglich gemachten
Sendungen in "unkörperlicher Form" öffentlich wiedergibt (§ 15 Abs.
2 UrhG). Da die Klägerin durch ihre Gebührenzahlung an die Fernseh-
und Rundfunkanstalten lediglich eine Ver- gütung für das Senderecht
im Sinne von § 20 UrhG gezahlt hat, liegt - entgegen der Auffassung
der Klägerin - in dem Begehren der Beklagten, einen Vertrag über
die Zahlung von Gebühren für das Recht der Wiedergabe durch Bild-
und Tonträger im Sinne von § 21 UrhG abzuschließen, nicht die For-
derung nach einer Doppelzahlung, da verschiedene Rechte betroffen
sind.
Eine Ausnahme von der Vergütungspflicht der Klä- gerin gemäß §
52 Abs. 1 Satz 1 und 2 UrhG ergibt sich auch nicht aus § 52 Abs. 1
Satz 3 UrhG, da die von ihr betriebenen Einrichtungen nicht zu den
in dieser Vorschrift einzeln aufgeführten privile- gierten
Einrichtungen zu zählen sind. Da sich die Klägerin auf eine solche
Privilegierung weder in ihrem erstinstanzlichen Vortrag noch in
ihrem Be- rufungsvorbringen berufen hat, wird insoweit gemäß § 543
Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Ausführungen in der angefochtenen
Entscheidung (Bl. 47 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck- barkeit ergeht
nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer für die
Klägerin entspricht dem Wert ihres Unter- liegens im
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 22.12.1993
Az: 6 U 75/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5a2a03477717/OLG-Koeln_Urteil_vom_22-Dezember-1993_Az_6-U-75-93