Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 22. November 2012
Aktenzeichen: 31 Wx 421/12
(OLG München: Beschluss v. 22.11.2012, Az.: 31 Wx 421/12)
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 17.10.2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin strebt die Beseitigung ihrer am 13.9.2012 in das Handelsregister eingetragenen Löschung wegen Vermögenslosigkeit an.
Das Finanzamt F. beantragte unter dem 7.2.2012 die Amtslöschung der Beschwerdeführerin, weil "nach den Ermittlungen des Finanzamts ... die o. g. Firma vermögenslos" sei. Die unter Übersendung der Registerakte zur Frage der Amtslöschung gehörte Industrie- und Handelskammer teilte unter dem 19.3.2012 mit, sie könne keine Stellung zur Frage der Löschung nehmen. Eine zustellungsfähige Geschäftsraumanschrift der Firma oder des Vorstands sei nicht bekannt, ihr Schreiben sei als unzustellbar zurückgekommen.
Unter dem 27.3.2012 verfügte die Registerrichterin, den Vorstand der Beschwerdeführerin unter seiner dem Registergericht anlässlich seiner Bestellung zum Vorstand mitgeteilten Privatanschrift (L.-Straße in M.) über die Löschungsabsicht zu informieren. Ausweislich der Postzustellungsurkunde gelangte das an diesen "als gesetzlicher Vertreter" der Beschwerdeführerin unter der Anschrift L.-Straße in M. gerichtete Schreiben mit dem am 29.3.2012 unterzeichneten Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" erneut in den Gerichtseinlauf. Eine vom Amtsgericht daraufhin erholte Einwohnermeldeamtsauskunft ergab, dass der Vorstand der Beschwerdeführerin "verzogen" sei. Ferner wurde mitgeteilt "Wohnungen außerhalb der Gemeinde: Wegzugswohnung Vereinigtes Königsreich; Wegzugswohnung USA".
Daraufhin verfügte das Registergericht die Bekanntmachung der Löschungsankündigung im elektronischen IuK-System. Diese erfolgte am 9.5.2012. Schließlich verfügte die Registerrichterin am 12.9.2012 die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 13.9.2012.
Mit Schriftsatz vom 9.10.2012 beantragte die Beschwerdeführerin, ihre "Löschung von Amts wegen zu löschen". Das Amtsgericht habe schon ihre Vermögenslosigkeit nicht hinreichend geprüft, allein der Hinweis des Finanzamts reiche nicht aus, zumal das Registergericht sich damit begnügt habe, lediglich die Löschungsankündigung bekannt zu machen. Außerdem sei in der Mitteilung an die Gesellschaft bzw. ihren gesetzlichen Vertreter nicht angeführt gewesen, auf welche Tatsachen und Beweisergebnisse das Amtsgericht seine Überzeugung von der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft gestützt habe, eine solche Bekanntgabe sei aber jedenfalls unter Anwendung von § 37 Abs.2 FamFG erforderlich. Die Gesellschaft sei auch nicht vermögenslos, sie habe die dem Gericht vorgelegten Rechnungen gestellt und beabsichtige, diese beizutreiben.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.10.2012 die Beseitigung der Löschung der Gesellschaft abgelehnt. Insbesondere läge kein wesentlicher Verfahrensverstoß vor. Die Finanzbehörde habe von ihrem Antragsrecht aus § 394 FamFG Gebrauch gemacht. Anhaltspunkte, dass die Angaben des Finanzamts unzutreffend gewesen seien, hätten nicht vorgelegen. Der Vorstand sei unter seiner dem Gericht bekannten Anschrift angeschrieben worden, eine neue Anschrift habe nicht ermittelt werden können. Daraufhin sei die Löschungsankündigung gemäß § 394 Abs.2 Satz 2 FamFG veröffentlicht worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin ihr bereits angebrachtes Vorbringen vertieft hat.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.10.2012 nicht abgeholfen. Die Beschwerdeführerin hat insoweit mit Schriftsatz vom 9.11.2012 nochmals darauf verwiesen, dass dem Amtsgericht im Löschungsverfahren schwere Verfahrensfehler unterlaufen seien, weil es weder Internetrecherchen nach ihrem Vorstand angestellt habe, sich aber auch nicht an andere Kontaktpersonen wie ihre Aktionäre, ihre Aufsichtsratsmitglieder oder den ständig für sie tätigen Notar gewandt habe. Der Verfahrensfehler hinsichtlich der unvollständigen Mitteilung der Gründe der Löschungsankündigung sei durch deren Vollzug nicht geheilt worden. Mit Schriftsatz vom 14.11.2012 ließ die Beschwerdeführerin darauf verweisen, dass nach Aufgabe der Geschäftsräume in U. die Geschäftsadresse die L.-Straße in M. gewesen sei und zwar auch schon im März 2012. Zum Nachweis ihrer Erreichbarkeit hat sie am 15.11.2012 ein an die Beschwerdeführerin unter der Anschrift L.-Straße in M. gerichtetes Schreiben des Finanzamts F. vom 2.10.2012 vorgelegt, mit Schriftsatz vom 16.11.2012 ein solches vom 30.7.2012. Ergänzend hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, auch die Industrie- und Handelskammer habe keine ausreichenden Ermittlungen vorgenommen, so dass das Registergericht insoweit nicht entlastet sei.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil sich ein wesentlicher Verfahrensfehler des Amtsgerichts nicht feststellen lässt.
1. Die Amtslöschung wegen Vermögenslosigkeit wird gem. § 395 Abs.1 FamFG dann gelöscht, wenn sie unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt ist; ansonsten bleibt es bei der Möglichkeit, etwa noch vorhandene Ansprüche im Wege der Nachtragsliquidation geltend zu machen (vgl. dazu nur BayObLG, NJW-RR 1998, 613). Wegen der schwerwiegenden Folgen der Amtslöschung sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Vermögenslosigkeit besonders genau und gewissenhaft zu prüfen. Dabei müssen die erforderlichen Tatsachen von Amts ermittelt werden (vgl. dazu etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 903 [904] sub II 3.b aa). Gegen diese Pflicht hat das Amtsgericht aber nicht verstoßen.
Dem Amtsgericht lag infolge der Mitteilung des Finanzamts vom 7.2.2012 ein massiver Anhaltspunkt dafür vor, dass die Gesellschaft tatsächlich über keine Vermögenswerte mehr verfügte. Diesbezügliche Nachfragen beim Finanzamt erübrigten sich, weil dieses zwar nach § 394 Abs.1 Satz 1 FamFG berechtigt ist, einen Löschungsantrag zu stellen. Allerdings ist § 394 Abs.1 FamFG keine Vorschrift, die das Finanzamt berechtigen würde, entgegen § 30 Abs.1 AO das Steuergeheimnis zu verletzen. Vielmehr ist eine Offenbarung geschützter Daten nach § 30 Abs.4 Nr.2 AO nur dann zulässig, wenn diese gesetzlich zugelassen ist. Eine solche Vorschrift ist § 394 Abs 1 Satz 1 FamFG aber nicht, weil sie lediglich den Löschungsantrag des Finanzamts beim Registergericht ermöglicht, nicht jedoch die Offenbarung der im Besteuerungsverfahren erlangten Kenntnisse über die Verhältnisse des Steuerpflichtigen (vgl. dazu den Erlass des FM NRW betreffend die Auskunftserteilung an Registergerichte vom 16.11.2011 unter Nr. 2 [= BeckVerw 255509]).
Bei dieser Erkenntnislage war das Registergericht gehalten, etwa über die Anhörung des zuständigen berufsständischen Organs die Frage der Vermögenslosigkeit der Beschwerdeführerin weiter zu überprüfen. Dies ist hier unter Aktenübersendung geschehen. Wenn dann die Industrie- und Handelskammer mitteilte, dass ihr "eine zustellfähige Geschäftsraumanschrift der Firma oder des Vorstands nicht bekannt" sei, konnte das Amtsgericht davon ausgehen, dass die Gesellschaft nicht mehr existierte und sich weitere Nachforschungen nach etwa vorhandenen Vermögensgegenständen erübrigten.
Daran ändern die Einwände der Beschwerdeführerin nichts. Prüfungsgegenstand des Amtsgerichts war die Frage der Vermögenslosigkeit der Beschwerdeführerin. Es hatte also die Vermögensverhältnisse einer Aktiengesellschaft zu untersuchen, die als solche nach § 31 Abs.1 HGB verpflichtet ist, jede Änderung ihrer Geschäftsanschrift zum Handelsregister anzumelden (vgl. Leitzen, RNotZ 2011, 536 <538> m.w.N. und Arnd Arnold in Kölner Kommentar, 3.Aufl. 2011, Rdn. 34 zu § 37 AktG). Existierte eine solche nicht mehr, erübrigten sich mangels Erreichbarkeit der Gesellschaft weitere Ermittlungen. Angesichts dieser feststehenden und von der Beschwerdeführerin nunmehr selbst eingestandenen Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht ("Änderung der Geschäftsanschrift" nach Aufgabe der Geschäftsräume in U., Schriftsatz Beschwerdeführervertreter vom 14.11.2012, S.1/2) war das Registergericht mangels greifbarer Anhaltspunkte für die Erfolgsaussichten solcher Maßnahmen nicht gehalten, zu versuchen, über die Einsichtnahme in Datenbanken oder Internetrecherchen Kontakt mit der Beschwerdeführerin oder deren Vorstand aufzunehmen. Ebensowenig musste es den bei Registeranmeldungen vormals tätigen Notar ansprechen oder gar den früheren Vorstand der Beschwerdeführerin, deren Aktionäre, Aufsichtsräte oder die das Geschäftskonto führende Bank.
Daran ändert der Umstand nichts, dass das Registergericht aufgrund des Schreibens der Industrie- und Handelskammer vom 19.3.2012 davon ausging, dass die Beschwerdeführerin unter der zuletzt angemeldeten Anschrift "F.-straße 6 in U." keine zustellungsfähige Geschäftsraumanschrift" unterhielt. Insoweit besteht zwar nach Aktenlage und dem von der Industrie- und Handelskammer übermittelten Anschreiben an die Privatanschrift des Vorstands der Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben Unklarheit über die Erkenntnisquelle der Industrie- und Handelskammer hinsichtlich der vormaligen Geschäftsanschrift der Beschwerdeführerin in U. Deshalb kann aber kein erheblicher Verfahrensfehler des Amtsgerichts angenommen werden. Denn die hinsichtlich der aktuell angeschriebenen Anschrift unpräzisen Angaben der Industrie- und Handelskammer waren zwar möglicherweise hinterfragbar. Allerdings war die erteilte Auskunft im mitgeteilten Ergebnis eindeutig - keine zustellungsfähige Anschrift der Beschwerdeführerin und ihres Vorstands. Das traf auch zu. Denn die Beschwerdeführerin war nach ihrem eigenen Vorbringen im bereits zitierten Schriftsatz vom 14.11.2012 unter ihrer im Handelsregister gemeldeten Geschäftsanschrift in U. im März 2012 nicht mehr erreichbar. In der L.-straße in M. war die Beschwerdeführerin bzw. ihr als solcher angeschriebener Vorstand nach der Postzustellungsurkunde am 29.3.2012 "unbekannt verzogen".
Unerheblich ist, dass die Beschwerdeführerin zu einem späteren Zeitpunkt (die zum Nachweis vorgelegten Finanzamtsschreiben stammen vom Juli bzw. Oktober 2012) in der L.-straße in M. eine dem Registergericht und der Industrie- und Handelskammer nicht gemeldete Geschäftsanschrift unterhalten haben mag, weil dies an der im März 2012 gegebenen Sachlage nichts ändert. Selbst wenn man der Beschwerdeführerin hinsichtlich der von ihr zuletzt geltend gemachten Ermittlungspflichten der Industrie- und Handelskammer folgen würde, würde sich hieraus nichts zu ihren Gunsten ergeben. Denn es steht fest, dass sie unter den von ihr selbst gemeldeten Anschrift nicht erreichbar war, so dass die Industrie- und Handelskammer zutreffend davon ausging, dass sie nicht erreichbar sei.
2. Auch im Übrigen ist dem Amtsgericht kein schwerer Verfahrensfehler unterlaufen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung des OLG Köln (Beck RS 2011, 07229 sub II.2.b) zu folgen ist, dass in die Löschungsankündigung sämtliche Tatsachen und Beweisergebnisse aufzunehmen sind, auf die das Registergericht seine Überzeugung von der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft stützt. Die Entscheidung des OLG Köln bezog sich auf einen Fall, in dem die schriftliche Löschungsankündigung tatsächlich an die Gesellschaft bzw. an den aus Sicht des Amtsgerichts als deren Vertreter fungierenden Gesellschafter gerichtet war und lediglich die Ankündigung der Löschung enthielt (vgl. aaO, sub I. und II.2.B). Die im vorliegenden Fall an den Vorstand der Beschwerdeführerin unter dem Datum 28.3.2012 gerichtete Löschungsankündigung lautete dagegen u.a." ... nach den durchgeführten Ermittlungen verfügt die Gesellschaft über kein Vermögen und kann daher auf Antrag oder von Amts wegen gelöscht werden. Der Löschungsantrag wurde gestellt durch das Finanzamt F. Die Industrie- und Handelskammer wurde gehört". Damit war über die Erkenntnisquellen des Amtsgerichts sowie das antragstellende Finanzamt informiert.
Wenn dann die vom Amtsgericht gem. § 394 Abs.2 S.2 FamFG in das elektronische IuK-System eingerückte, allgemein einsehbare Löschungsankündigung lediglich ausführte: "Das Registergericht beabsichtigt, die im Handelsregister eingetragene Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen nach § 394 FamFG zu löschen" begründet dies keinen erheblichen Verfahrensfehler des Registergerichts. Denn das Amtsgericht hat unter sachgerechter Ausübung des nach § 394 Abs.2 S.2 FamFG diesbezüglich bestehenden Ermessens ("kann"; vgl. zur Rechtslage nach dem LöschG, BayObLG NJW-RR 1995, 612 sub 1.a) über die Frage der Veröffentlichung im IuK-System entschieden. Dabei steht es ebenso im Ermessen des die Veröffentlichung anordnenden Gerichts, zu entscheiden, ob diese mit dem gleichen Inhalt zu erfolgen hat, wie die nur diesem zugängliche schriftliche Mitteilung an den gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft. Wenn es - wie hier - nur die Löschungsabsicht als solche, nicht aber die die Beschwerdeführerin betreffenden Details mitteilt, die für diese bei entsprechender Nachfrage jederzeit zugänglich gewesen wären, ist dies angesichts des zu unterstellenden Interesses der Beschwerdeführerin an der weitestmöglichen Wahrung ihrer Individualsphäre nicht zu beanstanden, geschweige denn ein erheblicher Verfahrensfehler.
Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren bemisst der Senat gemäß § 30 Abs. 2 KostO mit 3.000 €.
OLG München:
Beschluss v. 22.11.2012
Az: 31 Wx 421/12
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