Landgericht Bonn:
Urteil vom 18. Dezember 2000
Aktenzeichen: 3 0 251/00

(LG Bonn: Urteil v. 18.12.2000, Az.: 3 0 251/00)

Tenor

Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird der Beklagte bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, zu unterlassen, in Zeitungen / Druckerzeugnissen Inserate zu schalten, in denen "auf Wunsch Hausbesuche" angeboten werden.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.600,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die beiden Kläger sind als Rechtsanwälte in einer überörtlichen Sozietät mit Niederlassungen in S, das zum Landgerichtsbezirk L gehört, bzw. in F, das zum Landgerichtsbezirk D gehört, verbunden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt mit Niederlassung in C, das zum Landgerichtsbezirk D gehört

Der Beklagte hatte in der Zeitung "F Blatt" vom 24.05.2000 ein durch Doppellinie eingerahmtes neunzeiliges Inserat folgenden Wortlauts geschaltet:

Rechtsanwalt

P N

M-Straße ...a

......1 C

Tel. 0 ...... / ... ... ... . Fax 0 ...... / ... ... ...

Interessenschwerpunkte:

Strafrecht - Straßenverkehrsrecht

Familien- und Eherecht - Mietrecht - Kaufrecht

------------------------------------------

Auf Wunsch Hausbesuche

Die ersten beiden und die letzten vier Zeilen sind fettgedruckt, am größten die erste und vor allem die zweite Zeile. Die letzte Zeile ist "gesperrt" gedruckt. Wegen der genauen Aufmachung wird auf die Kopie BI. 5 d. A. verwiesen.

Die Kläger halten diese Werbung des Beklagten in folgendem Umfang für unzulässig:

Zum einen sei in dem Inserat mit sechs Tätigkeitsbereichen geworben, obwohl nach § 7 BORA nur mit drei Tätigkeits- und/oder Interessenschwerpunkten geworben werden dürfe; die Formulierung "Familien- und Eherecht" bezeichne nämlich zwei separat zu betrachtende Rechtsbereiche. Zum anderen verstoße das Anbieten von Hausbesuchen gegen das sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 BRAO ergebende grundsätzliche Verbot auswärtiger Sprechtage, und darüber hinaus sei dieses Anbieten, zumal es blickfangartig angeordnet und gesetzt und keineswegs etwa auf Einzelfälle bezogen sowie jedem beliebigem Wunsch des potentiellen Mandanten eröffnet sei, entgegen dem Verbot des § 43b BRAO auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet.

Die Kläger beantragen deshalb,

1.

den Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zeitungen / Druckerzeugnissen Inserate zu schalten, in denen berufliche Teilrechtsgebiete des Beklagten als Rechtsanwalt benannt werden, die die in §7 BORA vorgeschriebene Zahl überschreiten, wobei Familiensachen und Ehesachen als zwei separate Teilrechtsgebiete gelten;

2.

den Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zeitungen / Druckerzeugnissen Inserate zu schalten, in denen "auf Wunsch Hausbesuche" angeboten werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er sieht in der Formulierung und Gestaltung des Inserats nichts Unzulässiges. Er beruft sich insofern auch auf Auskünfte der Rechtsanwaltskammer L, von welcher (ebenso wie vom Deutschen Anwaltverein) die Angabe "Ehe- und Familienrecht" als bloß ein Interessenschwerpunkt im Sinne von § 7 BORA angesehen werde und von welcher auf Nachfrage ausdrücklich verneint worden sei, dass in dem Hinweis "auf Wunsch Hausbesuche" ein Verstoß gegen das grundsätzliche Zweigstellenverbot bzw. das grundsätzliche Verbot der Abhaltung von Sprechtagen im Sinne von § 28 Abs. 1 BRAO läge.

Gründe

1.

Soweit die Kläger den Beklagten auf eine Einschränkung der Werbung hinsichtlich der Anzahl der von ihm inseratsweise aufgeführten (und im Inserat auch lediglich als solche bezeichneten) Interessenschwerpunkte in Anspruch nehmen ist die Klage unbegründet.

Bei einer gegen § 7 BORA verstoßenden anwaltlichen Werbung des Beklagten käme zwar ein Unterlassungsanspruch der Kläger als seiner beruflichen Konkurrenten aus dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbs nach § 1 UWG in betracht (vgl. OLG Nürnberg NJW 2000, 1648; Henssler/Prütting, BRAO, § 43b, RN 57, 58).

Die Werbung des Beklagten ist jedoch, soweit es um die Anzahl der von ihm in seinem beanstandeten Inserat aufgeführten Interessenschwerpunkte geht, entgegen der Ansicht der Kläger unbedenklich.

Nach § 43b BRAO ist dem Anwalt Werbung erlaubt, wenn sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. In § 59 b Abs. . 2 Nr. 3 BRAO wurde der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer die Ermächtigung erteilt, die besonderen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung und Angaben über selbst ernannte Interessenschwerpunkte näher zu regeln. Von dieser Ermächtigung ist in § 7 Abs. 1 BORA dahingehend Gebrauch gemacht worden, dass Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden dürfen, allerdings nicht mehr als 5 Benennungen und davon höchstens drei Tätigkeitsschwerpunkte.

Die vom Beklagten in seinem Inserat aufgelisteten Interessenschwerpunkte übersteigen nicht den hiernach zulässigen Umfang von 5. Denn es erscheint sachgerecht, die in dem Inserat verwendete Formulierung "Familien- und Eherecht" als die Bezeichnung bloß eines einzigen Interessenschwerpunktes gelten zu lassen.

Die Zusammenfassung des Eherechts, also eines Untergebietes des Familienrechts, mit dem Familienrecht zu einem einheitlichen Interessengebiet im Sinne von § 7 BORA, wie sie gemäß der Mitteilung des Beklagten auch von dem Deutschen Anwaltverein und von der Rechtsanwaltskammer L. befürwortet worden ist, erscheint unbedingt zweckmäßig im Hinblick darauf, dass (sonstige) familienrechtliche Fragen gerade bei der Behandlung eherechtlicher Probleme in aller Regel miterledigt werden müssen: ab Anhängigwerden eines Scheidungsverfahrens zwingt das Gesetz sogar zum prozessualen Verbund mit einer Vielzahl sonstiger familienrechtlicher Sachen, mit den sogenannten "Folgesachen", vgl. §623 ZPO. Eine dem Anwalt für die Ehesache erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich schon von Gesetzes wegen auf die den sonstigen familienrechtlichen Bereich betreffenden Folgesachen, vgl. § 624 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Verfahrensverbundes liegen Eherecht und sonstiges Familienrecht in der praktischen Behandlung so nahe beieinander, dass sie für einen mit irgend welchen Angelegenheiten aus diesem Bereich befassten Rechtsanwalt in aller Regel auch einen einheitlichen Tätigkeitsbereich und deshalb auch einen einheitlichen Interessenschwerpunkt bilden werden. Dann aber ginge es an der Wirklichkeit vorbei, sie als interessenmässig getrennte Bereiche zu behandeln, und es hieße einen Anwalt, der außer Familien- und Eherecht mehrere weitere Interessenschwerpunkte hat, unzumutbar benachteiligen, wenn man Familien und Eherecht als doppelt zählenden Schwerpunktbereich bei nur insgesamt fünf möglichen Interessenangaben werten oder von ihm verlangen würde, von dem in aller Regel einheitlichen Interessengebiet Familien- und Eherecht einen Teilbereich zu verschweigen.

Die Kläger stützen ihre insoweit abweichende Ansicht zu Unrecht auf die Entscheidungen des Anwaltsgerichts Freiburg in Breisgau, NJW 2000, 1655, und des OLG Nürnberg, NJW 2000, 1648. Abgesehen davon, dass beide Entscheidungen abweichend vom vorliegenden Fall nicht die Beurteilung von "Interessen-", sondern von "Tätigkeitsschwerpunkten" im Sinne von § 7 BORA zum Gegenstand haben, sind die dort geprüften und jeweils als separate Schwerpunktbereiche gewerteten Verknüpfungen von mehreren Rechtsbereichen bzw. von rechtlichen Ober- und Unterbegriffen mit der hier erörterten Begriffsverknüpfung nicht vergleichbar. Die in der Entscheidung des Anwaltsgerichts Freiburg geprüften, begrifflich zusammengefassten Rechtsbereiche "Familien- und Erbrecht" sowie "Verkehrs- und Versicherungsrecht" überschneiden sich zwar prozessual auch gelegentlich, jedoch in weit geringerem Ausmaß als Ehe- und Familienrecht, wo die prozessuale Verbindung eher die Regel ist. Deshalb ist es gerechtfertigt, jene Bereiche als jeweils unterschiedliche interessen- bzw. Tätigkeitsschwerpunkte ggf. als unterschiedliche Schwerpunkte anzusehen, nicht jedoch die hier zur Beurteilung stehenden Punkte. Und die im Fall des OLG Nürnberg aufgelisteten über- und untergeordneten Teilbereiche ("Strafrechtliche Teilgebiete: Allgemeines Strafrecht - Straßenverkehrsstrafsachen - Ordnungswidrigkeitenverfahren Steuer- und Wirtschaftsrecht - Kapitalstrafverfahren - Betäubungsmittelstrafrecht - Jugendstrafrecht - Umweltstrafverfahren - Rechtsmittelverfahren, insbesondere Revision - Strafvollstreckung und -vollzug") sind anders als hier keineswegs besonders häufig miteinander im Einzelfall verknüpfte Rechtsbereiche, sondern weitgehend durchaus separat bevorzugte Spezialgebiete anwaltlicher Tätigkeit. Schon deshalb sind jene Rechtsbereiche zu Recht nicht als bloße Beschreibung desselben Tätigkeitsschwerpunkts zu bewerten.

II.

Begründet ist die Klage gemäß § 1 UWG, soweit sie auf die Unterlassung anwaltlicher Inserate gerichtet ist, in denen "auf Wunsch Hausbesuche" angeboten werden.

In dem Angebot von Hausbesuche (und in deren Durchführung) liegt freilich noch nicht die nach § 28 Abs. 1 BRAO grundsätzlich verbotene Einrichtung einer Zweigstelle bzw. Abhaltung auswärtiger Sprechtage. Dem Beklagten ist auch darin zu folgen, dass ihm durchaus nicht grundsätzlich verwehrt ist, im Einzelfall einen Mandanten zu Hause aufzusuchen. Je nach Fallgestaltung, etwa bei von ortsabhängigen Umständen, Erkrankung des Mandanten oder zur Gewinnung eigenen Augenscheins kann dies sogar im Interesse einer sachgerechten Bearbeitung geboten sein.

Man wird auch nicht sagen können, es handle sich, wie die Kläger argumentieren, bei dem allgemein gehaltenen Angebot von Hausbesuchen bereits um einen auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Werbung, wie sie in § 43b BRAO ausdrücklich sanktioniert ist.

Anwaltliche Werbung mit dem generellen, uneingeschränkten Hinweis "Auf Wunsch Hausbesuche" erscheint jedoch, zumal angesichts der hier vorliegenden, auch äußerlichen Hervorhebung des Angebots durch Fettdruck und gesperrte Schrift, unvereinbar mit der geltenden Regelung des § 43b BRAO, dass Werbung, wenn sie erlaubt sein soll, in Form und Inhalt sachlich unterrichten muss. Eine der Form und dem Inhalt nach sachliche Unterrichtung ist dann nicht mehr gegeben, wenn ein reklamehaftes Anpreisen im Vordergrund steht (vgl. Anwaltsgericht Freiburg, NJW 2000, 1655, mit Bezug auf die Gesetzesmaterialien). Die Kläger beanstanden insofern mit Recht, dass das Angebot des Beklagten in seinem Inserat den Eindruck hervorruft, er brauche nur den Wunsch zu verlautbaren, der Anwalt möge ihn zu Hause aufsuchen, um ihn zu sich zitieren zu können. Eine solche Werbung erscheint als anlockend und anbiedernd, sie ist der Würde eines unabhängigen Organs der Rechtspflege (§ 1 BRAO) unangemessen. Sollte das Angebot so, wie es verstanden werden kann tatsächlich zu der mehr oder weniger ins Belieben des Mandanten gestellten Festlegung des jeweiligen Beratungsortes führen und würde der Beklagte sich danach verhalten, so könnte immerhin praktisch der Zustand eintreten, den § 28 BRAO mit dem grundsätzlichen Verbot der Einrichtung von anwaltlichen Zweigstellen und der Abhaltung von auswärtigen Sprechtagen verhindern will (vgl. Henssler/Prütting, BRAO, § 28 RN 3): dass nämlich keine grundsätzliche Gewähr mehr besteht, den zugelassenen Anwalt in der Regel an seinem Kanzleisitz zu erreichen.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Zugunsten der Kläger war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und zwar insoweit gegen Sicherheitsleistung gemäß §§ 709, 108 ZPO. Bzgl. des Beklagten fehlt es an einem vollstreckbaren Inhalt, da er die eigenen außergerichtlichen Kosten selber tragen muss und von ihm Gerichtskosten, die hätten anteilig erstattungsfähig sein können, nicht vorgelegt worden sind.

Streitwert:

Klageantrag zu 1): 10.000,00 DM;

Klageantrag zu 2): 10.000,00 DM;

Summe 20.000,00 DM; § 3 ZPO.

Die höhere Einschätzung des Streitwerts seitens der Kläger erscheint dem Gericht übersetzt.






LG Bonn:
Urteil v. 18.12.2000
Az: 3 0 251/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5a5a5dc76cbc/LG-Bonn_Urteil_vom_18-Dezember-2000_Az_3-0-251-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share