Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 11/00
(BPatG: Beschluss v. 07.08.2000, Az.: 30 W (pat) 11/00)
Tenor
Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Oktober 1999 wird aufgehoben, soweit er die Anmeldung zurückgewiesen hat.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung SOLAR für eine größere Anzahl von Waren der Klasse 9.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses und wegen fehlender Unterscheidungskraft für einen großen Teil der beanspruchten Waren zurückgewiesen, nämlich für:
"Wissenschaftliche Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien, Schiffahrts-, Vermessungs-, elektrische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); elektrische Apparate und Instrumente für die Starkstromtechnik, nämlich für Leitung, Umwandlung, Speicherung, Regelung und Steuerung; Apparate und Instrumente für die Schwachstromtechnik, nämlich für die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik; Kosumentenelektronik; photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; elektrische Lötkolben, elektrische Schweißgeräte, elektrische Bügeleisen, elektrisch beheizte Bekleidungsstücke, elektrische Zigarren- und Zigarettenanzünder für Kraftfahrzeuge, elektrische Reinigungsgeräte für den Haushalt, nämlich Staubsauger, Bohnermaschinen, elektrische Türschließer; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, Bandkassetten, Videofilme, Videospiele; Radio- und Fernsehgeräte, Videokameras und Videogeräte, Plattenspieler, CD-Plattenspieler; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computer-Peripheriegeräte, Geräte zur Dateneingabe, Geräte zur Datenausgabe, Geräte zur Datenspeicherung sowie Datenübertragungsgeräte; Buchungsmaschinen, Fakturiermaschinen; Computerprogramme und Computer-Datenbanken; Computerhard- und -software, einschließlich Computersoftware für die Anwendung im Bereich des Netzwerk- und Systemmanagements sowie für die Entwicklung weiterer Software; Computerhard- und -software, einschließlich Computersoftware zum Eingeben und Abrufen von Informationen im Internet und Worldwide WEB; Computerprogramme zum Benutzen des Internet und Worldwide WEB; Computerhard- und -software, insbesondere für den Zugang zu Internet-Systemen und für die Benutzung dieser Systeme; Computerhardware, nämlich Computer, Arbeitsplatzrechner, Laufwerke für Floppy-Disks, Computerdrucker, Computertastaturen, Computermäuse, Joysticks und deren Teile; Computerbildschirme, LCD-Anzeigegeräte, Sichtgeräte, Platinen, Modems, Zusatz-Schaltkarten für Computer, integrierte Schaltkreise, Computersoftware (soweit in Klasse 9 enthalten), insbesondere Computerbetriebssystem-Software; graphische Benutzerschnittstellenprogramme, graphische Benutzerschnittstellen für Computerschaltungen; auf Datenträgern gespeicherte Daten, Computer (CPU's), Videokameras und Mikrophone zur Anwendung bei Computerkommunikationssystemen und Videokonferenzsystemen; Halbleiterbauelemente, elektronische, magnetische und optische Speicher, Disketten, Magnetplatten, optische Platten, jeweils ohne oder auch mit darin aufgezeichneten Informationen; Datensicherungsgeräte; elektrische Schaltplatten mit Speicherbausteinen; Mikroprozessoren; Geräte, Verbindungskabel und -stecker zum Verbinden«oder Vernetzen von Datenverarbeitungsgeräten und Geräten der Nachrichtentechnik; Bildprojektoren; Vergrößerungsapparate; Photokopiergeräte und -maschinen, einschließlich elektrostatische und thermische; elektrische Kabel, Drähte, Leiter und Verbindungsarmaturen hierzu, sowie Schalter- und Verteilertafeln oder -schränke; Apparate und Instrumente für die Steuerung von Schiffen, insbesondere Apparate und Instrumente zum Messen und Übermitteln von Befehlen; elektrische Geräte zur Fernsteuerung industrieller Arbeitsvorgänge; Lochkartenbüromaschinen; auf maschinenlesbare Datenträger aufgebrachte Computerprogramme und Betriebssysteme; mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art; tragbare Computersysteme bestehend aus Betriebssystem, Netzwerk- und Dienstsoftware; Winkelmesser (Meßinstrumente); Zeitschalter (Schaltuhren), Unterhaltungsgeräte als Zusatzgeräte für einen Fernseher oder Computer; Münzspiel- und Unterhaltungsautomaten, Fahrkartenautomaten, Wägeautomaten, Bargeldautomaten, Automaten zum Selbstphotographieren, Teile der vorgenannten Waren; in digitaler Form abgespeicherte Bedienungs- und Benutzeranleitungen für Computer und Computersoftware, insbesondere auf Disketten oder CD-ROM".
Begründend ist insbesondere ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung weise insoweit lediglich beschreibend darauf hin, daß diese Waren in engem Zusammenhang mit der Gewinnung und Nutzung von Solarenergie stehen. Der von der Anmelderin angebotene Disclaimer "ausgenommen Waren für solartechnische Anwendungen" ermögliche nicht die Eintragung hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren, da er zur Täuschung führe. Der Aussagegehalt von "SOLAR" erwecke bei einem nicht völlig unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung, die Waren würden mit Solarenergie betrieben bzw zur Gewinnung und Nutzung von Solarenergie eingesetzt werden können.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält die angemeldete Bezeichnung mit näheren Ausführungen für schutzfähig, weil die Waren nicht als Solarprodukte ausgelegt seien.
Sie hat zuletzt (als Hauptantrag) das Warenverzeichnis durch den Zusatz eingeschränkt:
"ausgenommen Waren für solartechnische Anwendungen und/oder Waren, die mit Solarenergie betrieben werden".
Die Anmelderin beantragt, den Beschluß vom 8. Oktober 1999 insoweit aufzuheben, als in ihm die Anmeldung teilweise zurückgewiesen wurde.
Hilfsweise hat sie das Warenverzeichnis wie folgt beschränkt:
"Software, ausgenommen Software für Solarenergieanwendungen".
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt des patentamtlichen Beschlusses Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses ist die angemeldete Bezeichnung "SOLAR" weder nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG, noch nach § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG; es ist nicht ersichtlich, daß sie als konkrete unmittelbare Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müßte.
Das Wort "solar" bedeutet zwar, worauf die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat, "die Sonne betreffend" (vgl DUDEN Fremdwörterbuch) und weist in Wortzusammensetzungen vielfach auf die Gewinnung und/oder Nutzung von Solarenergie hin (Solarkollektor; Solarzelle). Damit bezeichnet dieser Begriff aber nicht (mehr) eine der in § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG im einzelnen aufgeführten Angaben oder sonstige Merkmale dieser Waren. Denn auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses wird die angemeldete Marke nicht mehr für Waren beansprucht, die für solartechnische Anwendungen bestimmt sind oder mit Solarenergie betrieben werden.
Der angemeldeten Marke kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG als die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (ständige Rechtsprechung zuletzt BGH WRP 2000, 739 - Unter Uns; WRP 2000, 741 - LOGO; vgl auch BGH MarkenR 1999; 349, 351 - YES). Die Unterscheidungskraft kann zum einen entfallen, wenn die Wortmarke einen für die fraglichen Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen; daß "SOLAR" keine konkrete Sachangabe enthält, wurde bereits bei der Prüfung des Freihaltebedürfnisses festgestellt. Zwar unterliegen die Eintragungshindernisse des Freihaltebedürfnisses und der Unterscheidungskraft unterschiedlichen Voraussetzungen; steht aber fest, daß eine in ihrem Aussagegehalt ohne weiteres verständliche Marke für die konkreten Waren als Sachangabe nicht freihaltebedürftig ist, so wird die Unterscheidungskraft, soweit das Vorliegen eines im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts geprüft wird, regelmäßig zu bejahen sein. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Marke daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Es sind auch keine anderen Umstände erkennbar, die gegen ihre Eignung zur Ausübung der Herkunftsfunktion sprechen.
Die angemeldete Marke ist auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 4 iVm § 37 Abs 3 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Denn die Eignung, das Publikum insbesondere über die Art oder die Beschaffenheit der Waren zu täuschen, ist nicht ersichtlich im Sinne von § 37 Abs 3 MarkenG.
In bezug auf die noch beanspruchten Waren kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Marke für einen nicht unerheblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise, auch wenn diese umsichtige und kritisch prüfende Verbraucher sind, als eine auf die Ware bezogene Aussage aufgefaßt wird. Durch den Zusatz "ausgenommen Waren für solartechnische Anwendungen und/oder Waren, die mit Solarenergie betrieben werden" sind solche Anwendungen und ein solcher Betrieb ausgeschlossen, so daß die Bezeichnung Solar zwar mißverstanden werden könnte. Die insoweit beanspruchten (allgemein gefaßten) Waren schließen jedoch jeweils auch solche Waren mit ein, bei denen nach ihrer Bauweise oder ihrem Verwendungsbereich ein Bezug zur Solartechnik derzeit und in überschaubarer Zukunft so fern liegt, daß er auch durch die Bezeichnung Solar dem angesprochenen Publikum nicht suggeriert wird. Deshalb werden diese Verkehrskreise nicht in Bezug auf jede einzelne mögliche Ware dem Irrtum unterliegen, die mit "SOLAR" gekennzeichneten Waren würden mit Solarenergie betrieben oder seien allein für solartechnische Anwendungen bestimmt. Ersichtlich täuschend i. S. von § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG ist ein Zeichen aber nur, wenn ein Fall nicht täuschender Verwendung nicht denkbar ist (vgl zB BPatG GRUR 1999, 746 Omeprazok).
Dr. Buchetmann Schramm Winter Wf
BPatG:
Beschluss v. 07.08.2000
Az: 30 W (pat) 11/00
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