Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juni 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 195/02
(BPatG: Beschluss v. 04.06.2003, Az.: 28 W (pat) 195/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 6. Mai 1997 für Waren der Klasse 2, u.a. "Farben, Lacke"
eingetragene Wortmarke CRYSTALLIT ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 1 147 763 KRISTALL-ISOLIT die seit dem 12. Oktober 1989 für die Waren "Grundier- und Isoliermittel, Lacke" eingetragen ist.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, worauf die Widersprechende Unterlagen eingereicht hat, die eine Benutzung für einen speziellen Isolier- und Grundierlack glaubhaft machen sollen.
Die Markenstelle für Klasse 2 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei identischen Waren die Marken im Gesamteindruck einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, eine Verkürzung auf "Kristall" hingegen aus Rechtsgründen nicht in Frage komme.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die darauf verweist, dass sich identische bzw. hochgradig ähnliche Waren gegenüberständen und beide Marken sowohl im Wortanfang "kristall" wie im Wortende "lit" übereinstimmten. Insbesondere in klanglicher Hinsicht sei der zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderliche Zeichenabstand damit nicht mehr gewahrt.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Zeichenunterschiede im Gesamteindruck angesichts der nach der Registerlage auf dem beanspruchten Warengebiet bestehenden Kennzeichnungsschwäche des Begriffs "Kristall" in jeder Richtung für ausreichend.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt.
Was die Waren betrifft, hat die Widersprechende die Benutzung der Widerspruchsmarke für einen Isolier-/Grundierlack glaubhaft, und zwar in bezug auf beide nach § 43 MarkenG relevanten Zeiträume. Das ist von der Markeninhaberin im Laufe des Beschwerdeverfahrens auch nicht mehr in Frage gestellt worden. Da die angegriffene Marke ebenfalls für "Farben und Lacke" geschützt ist, können sich die Marken auf identischen Waren begegnen, so dass bei Berücksichtigung von durchschnittlich informierten Verbrauchern, auch wenn sie erfahrungsgemäß beim Kauf von Farben und Lacken eine gewisse gesteigerte Aufmerksamkeit an den Tag legen, an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken eher strengere Anforderungen zu stellen sind, denen die angegriffene Marke letztlich noch genügt.
Eine verwechslungsrelevante Annäherung der Marken wäre im Gesamteindruck allenfalls im klanglichen Bereich dann zu befürchten, wenn die Widerspruchsmarke in einer Weise ausgesprochen würde, dass beide Wortbestandteile miteinander verschleifen und dabei die Silben "iso" mehr oder weniger im Klangbild untergehen. Das ist indes nach Überzeugung des Senats schon deshalb nicht zu erwarten, weil zum einen dem Verkehr die Trennung der Widerspruchsmarke in 2 eigenständige Wörter durch den Bindestrich nahegebracht wird und zum anderen auch die völlig unterschiedlichen Begriffsinhalte eine Zäsur in der Sprechweise nach dem Wort "Kristall" hervorrufen. Bei dieser Sachlage sind dann aber Übereinstimmungen der Marken vor allem im flüchtigen Erinnerungsbild des Verkehrs allein noch darauf zurückzuführen, dass sich beide der Bezeichnung "Kristall" in abgewandelter Form bedienen, die sich in bezug auf die hier streitigen Waren als Sachangabe darstellt (als Hinweis auf die farblose Struktur der Waren bzw., die chemische Zusammensetzung der Dispersion) mit der Folge, dass Übereinstimmungen der Marken allein in diesem Punkt schon aus Rechtsgründen nicht zu einer Verwechslungsgefahr führen können, wie das auch die Markenstelle zutreffend erkannt hat. Vor diesem Hintergrund kommt dann den Unterschieden der Vergleichszeichen besondere Bedeutung zu, die vorliegend darin liegen, dass die Widerspruchsmarke einen weiteren Wortbestandteil enthält, der in keiner Richtung mit der angegriffenen Marke kollidieren kann.
Aus den aufgezeigten Gründen kommt damit aber auch eine gedankliche Verwechslungsgefahr nicht in Betracht. Die vorliegenden Gemeinsamkeiten erfüllen insbesondere nicht den Anwendungsfall der komplexen Verwechslungsgefahr, wenn sich - wie hier - eine gemeinsame begriffliche Aussage auf einen beschreibenden und damit nicht betriebskennzeichnenden Hinweis beschränkt Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen, wobei eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG nicht veranlasst war.
Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Na
BPatG:
Beschluss v. 04.06.2003
Az: 28 W (pat) 195/02
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