Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 30. April 2009
Aktenzeichen: 6 U 48/08
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 30.04.2009, Az.: 6 U 48/08)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.02.2008 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einen Verkaufswettbewerb für Reisebüros dergestalt anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder durchzuführen und/oder durchführen zu lassen, dass die zehn Reisebüros, die in einem konkret genannten Buchungszeitraum die meisten ...-Flüge buchen, jeweils einen Gewinn in Form eines Einkaufsgutscheins über 5.000,00 EUR erhalten,
wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet
[Anm. openJur: Abbildungen im veröffentlichten Urteil vom Gericht entfernt]
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 37.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte warb gegenüber Reisebüros mit der Durchführung eines Buchungswettbewerbs wie aus den im Tenor abgebildeten Anlagen K 2 und K 3 ersichtlich. Die Klägerin hält dies für wettbewerbswidrig, da die angesprochenen Reisebüros unsachlich beeinflusst und hierdurch in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt würden. Außerdem werde durch die Aktion eine Irreführung der Kunden der Reisebüros bewirkt.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien und der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 96 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Wettbewerbsverstoß liege nicht vor, weil zu berücksichtigen sei, dass der Kunde eines Reisebüros vernünftigerweise keine neutrale Beratung erwarte, sondern damit rechne, dass der Inhaber des Reisebüros diejenige Reise an den Mann zu bringen versuche, die ihm den größtmöglichen Gewinn bringe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zur Klarstellung und Konkretisierung ihres Unterlassungsbegehrens rückt sie von ihrem ursprünglichen Hauptantrag, der sich nur auf die Anlage K 2 bezog, ab und stellt jetzt allein den bereits in erster Instanz formulierten Hilfsantrag, der neben der Anlage K 2 auch die Anlage K 3 erfasst.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
einen Verkaufswettbewerb für Reisebüros dergestalt anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder durchzuführen und/oder durchführen zu lassen, dass die zehn Reisebüros, die in einem konkret genannten Buchungszeitraum die meisten €-Flüge buchen, jeweils einen Gewinn in Form eines Einkaufsgutscheins über 5.000,00 EUR erhalten,
wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 2 und K 3,
2. an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit (28.11.2007) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung im Einzelnen entgegen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. II. Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr.1, 8 I, III Nr.2 UWG zu.
Für den auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung im August 2007 und zusätzlich auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung am 30.04.2009 abzustellen. Das am 08.07.2004 in Kraft getretene Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004 (im Folgenden: UWG 2004) ist durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008, in Kraft getreten am 30.12.2008 (im Folgenden: UWG 2008), geändert worden.
Infolgedessen besteht der Unterlassungsanspruch nur dann, wenn sowohl nach dem UWG 2004 als auch nach dem UWG 2008 ein Wettbewerbsverstoß zu bejahen ist. Streitentscheidende Auswirkungen hat dies im vorliegenden Fall allerdings nicht, da sich durch die UWG-Novelle 2008 keine für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der hier streitgegenständlichen Werbung relevanten Änderungen ergeben haben.
Die in der Fachzeitschrift €fvw€ (Magazin für Touristik und Business Travel) erschienene Werbeanzeige stellte, wie die Beklagte selbst nicht in Zweifel zieht, eine Wettbewerbshandlung (UWG 2004) bzw. geschäftliche Handlung (UWG 2008) dar. Wenngleich die durch die Werbeanzeige angesprochenen Reisebüros als Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation der Beklagten einbezogen sind, liegt keine rein unternehmensinterne Handlung vor. Der erforderliche Marktbezug ergibt sich daraus, dass viele der angesprochenen Reisebüros zugleich auch für Mitbewerber der Beklagten tätig sind und in dieser Funktion unmittelbaren Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen.
Die beanstandete Werbung verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, da sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Marktteilnehmer unangemessen unsachlich zu beeinflussen.
Die Verknüpfung einer Gewinnspielteilnahme mit dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung ist allerdings nur im Wettbewerb gegenüber Verbrauchern generell unzulässig (§ 4 Nr. 6 UWG). Gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ist ein durch eine Gewinnspielteilnahme gesetzter Nachfrageanreiz grundsätzlich erlaubt und auch mit § 4 Nr. 1 UWG vereinbar, wenn die Anziehungskraft nicht derart stark ist, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt.
Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung kommt aber dann in Betracht, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat (vgl. BGH, GRUR 2008, 530, Tz. 14 € Nachlass bei Selbstbeteiligung; s.a. BGH, GRUR 2003, 624, 626 € Kleidersack; GRUR 2005, 1059, 1060 € Quersubventionierung von Laborgemeinschaften). Hierbei macht es nach der Auffassung des Senats keinen entscheidenden Unterschied, ob der angesprochene Marktteilnehmer die Nachfrageentscheidung selbst trifft oder ob er € wie hier € die letztlich von dem Dritten zu treffende Nachfrageentscheidung maßgeblich beeinflussen und steuern kann (vgl. auch Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rn 1.84 zur Werbung gegenüber drittverantwortlichen Personen und Rn 1.174b zum Einsatz von Unternehmern als Verkaufsförderer).
Die von der Werbung der Beklagten angesprochenen Reisebüros haben die Interessen des Kunden insofern zu wahren, als sie ihm gegenüber bis zu seiner Auswahlentscheidung eigenverantwortlich zu sorgfältiger und richtiger Beratung verpflichtet sind. Zwischen einem Reisebüro, das mehrere Veranstalter vertritt, und einem Kunden, der sich beraten lässt, kommt nach herrschender Meinung, die der Senat teilt, stillschweigend ein Reisevermittlungsvertrag zustande (vgl. MünchKomm/Tonner, BGB, 5. Aufl., § 651a Rn 43 ff.; Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., vor § 651a Rn 6 Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651a Rn 58; offengelassen in BGH, NJW 2006, 2321, 2322). Augrund dieses Vertrages schuldet das Reisebüro dem Kunden Beratung bei der Auswahl der Reise bzw. der einzelnen Reiseleistungen.
Stellt ein Anbieter von Reiseleistungen den zugleich für andere Anbieter tätigen Reisebüros für die erfolgreiche Vermittlung seiner Leistungen besondere Vorteile in Aussicht, so kann dies die Gefahr begründen, dass Reisebüros ihre Kunden unsachlich oder sogar irreführend beraten, nur um in den Genuss der in Aussicht gestellten Vergünstigung zu kommen. Denn die Beeinflussung durch die in Aussicht gestellten Vorteile wird durch das Eigeninteresse des Beworbenen und eine hierdurch veranlasste kritische Prüfung nicht korrigierend aufgefangen, wenn die etwaigen Nachteile seiner Dispositionen nicht den Beworbenen selbst, sondern einen Dritten treffen. Welche Voraussetzungen in derartigen Fällen der €Dreieckskopplung€ (vgl. Steinbeck, GRUR 2005, 15 ff.; Seichter in Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 4 Rn 113 ff.) im Einzelnen erfüllt sein müssen, um den Tatbestand einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung gemäß § 4 Nr. 1 UWG zu verwirklichen, erscheint allerdings noch nicht abschließend geklärt.
Nach der Auffassung des Senats kommt eine Unzulässigkeit der Gewährung besonderer Vorteile an drittverantwortliche Personen oder unternehmerisch handelnde Verkaufsförderer nicht nur dann in Betracht, wenn der Vorteilsempfänger aufgrund seiner besonderen beruflichen Stellung, etwa als Freiberufler, die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zu wahren hat und er deshalb zu einer objektiven und neutralen Entscheidung bzw. Beratung verpflichtet ist (vgl. aber Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, UWG, § 4 Rn 1.84). Soweit das OLG Köln in zwei neueren Entscheidungen (GRUR-RR 2007, 49; GRUR-RR 2008, 446) eine unzulässige Beeinflussung von Freiberuflern infolge der Kopplung des Absatzgeschäfts mit einer Gewinnspielteilnahme bejaht hat, kann aus diesen Entscheidungen nicht entnommen werden, dass eine derartige Beeinflussung ausschließlich gegenüber Freiberuflern unzulässig sei.
Von ausschlaggebender Bedeutung ist nach der Einschätzung des Senats neben der Intensität der Anreizwirkung, die von der Vergünstigung ausgeht, die Erwartungshaltung des Dritten, also des Endkunden (so im Grundsatz auch Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, UWG, § 4 Rn 1.174b; Steinbeck, GRUR 2005, 15, 18f.; Seichter in Ullmann jurisPK-UWG, § 4 Rn 115; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 117; s.a. auch das Urteil des Senats vom 17.08.2000, OLGR 2000, 308 f.). Für Unlauterkeit der Werbung spricht es, wenn der Endverbraucher durch die Gewährung der Prämie an den Verkaufsmittler in seiner Erwartung, der Verkaufsmittler werde ihn sachgerecht beraten, enttäuscht wird (Steinbeck a.a.O.). Dies setzt wiederum voraus, dass der Verbraucher mit der Gewährung einer Prämie in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht rechnet.
Der verständige Verbraucher zieht heute durchaus in Betracht, dass einem Händler oder Dienstleister von dem Hersteller bzw. Leistungsanbieter absatzbezogene Vorteile gewährt werden, und dass die dabei in Rede stehenden Einkaufskonditionen, Prämien oder Provisionen der einzelnen Leistungsanbieter unterschiedlich hoch sein können, so dass der Händler bzw. Dienstleister im eigenen Interesse geneigt sein kann, im Beratungsgespräch die Produkte eines Anbieters nachhaltiger anzupreisen als die Produkte anderer Anbieter (vgl. Hefermehl/ Köhler/ Bornkamm, UWG, § 4 Rn 1.174b; Seichter in Ullmann jurisPK-UWG, § 4 Rn 115). Das bedeutet aber nicht, dass jede Art der Beeinflussung des Absatzmittlers durch die Gewährung von Vorteilen noch im Rahmen dessen läge, was der Verbraucher, auch wenn er die Beratungskompetenz und die Interessenlage des Absatzmittlers kritisch einzuschätzen versteht, für möglich hält.
So kann eine unangemessene unsachliche Beeinflussung unternehmerischer Verkaufsförderer insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Zuwendungen nicht, wie im vorliegenden Fall, dem Händler bzw. Dienstleister selbst sondern € für den Endkunden unerwartet € seinen Mitarbeitern gewährt werden (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 117; Seichter in Ullmann jurisPK-UWG, § 4 Rn 115).
Demgegenüber erscheint die Gefahr, dass sich der Geschäftsinhaber selbst durch eine Prämie zu einer einseitigen Beratung verleiten lässt, geringer, weil für ihn die nachhaltige Zufriedenheit seiner Kunden im eigenen geschäftlichen Interesse eine wesentlich größere Bedeutung haben wird, als dies bei seinen Angestellten der Fall ist. Hieraus kann aber nach der Auffassung des Senats nicht geschlossen werden, dass die Gewährung einer Prämie an den Geschäftsinhaber stets zulässig sei (vgl. Steinbeck, GRUR 2005, 15, 20; a.A. wohl OLG Oldenburg, GRUR-RR 2004, 209 f.). Vielmehr kann je nach den Umständen des Falles auch die Gewährung einer Prämie an den Geschäftsinhaber dessen Verhalten unlauter beeinflussen, indem auf die Kundenberatung in einer Weise eingewirkt wird, mit der ein aufgeklärter Durchschnittsverbraucher nicht rechnet.
Die im vorliegenden Fall beanstandete Werbung ist darauf gerichtet, das Beratungsverhalten von Reisebüros zu beeinflussen. Hierbei geht es um eine Beratung derjenigen Endverbraucher, die ihre Reise nicht im Internet oder in anderer Weise eigenständig, sondern über ein Reisebüro buchen möchten. Denn nur solche Kunden können zu dem Erfolg eines Reisebüros beim Buchungswettbewerb der Beklagten beitragen.
Bei den Verbrauchern, die ein Reisebüro aufsuchen, um dort nach Beratung eine Reise zu buchen, sind die Erwartungen in eine objektive und dem Verbraucherinteresse gerecht werdende Beratung vergleichsweise hoch. Von solchen Verbrauchern wird die Beratungsleistung des Reisebüros in Anspruch genommen, um sich eigene Recherchen und eine eigene Sichtung der in Betracht kommenden Angebote, wie sie im Internet möglich wäre, zu ersparen. Dafür nimmt der aufgeklärte Verbraucher in Kauf, für die Reise insgesamt einen etwas höheren Preis zahlen zu müssen als den Preis, der bei einer eigenständigen Buchung unter Verzicht auf die Beratungsleistungen eines Reisebüros ggf. zu erzielen gewesen wäre.
Der Grundentscheidung, ein Reisebüro aufzusuchen, um eine anstehende Reise dort zu buchen, entspricht der verhältnismäßig große Beratungsbedarf der betreffenden Kunden. Der Beratungsbedarf ist besonders hoch, wenn es nicht nur um die Auswahl einer Pauschalreise, sondern € wie hier € um die Auswahl einzelner Reiseleistungen (wie die Buchung des Fluges) geht, die unter Mitwirkung des Reisebüros zu einer Reise kombiniert werden sollen. Gerade beim Vergleich derartiger Einzelleistungen nach Verfügbarkeit, Preiswürdigkeit und weiteren Kriterien wie der Zuverlässigkeit und Kundenfreundlichkeit der in Betracht kommenden Anbieter ist ein Kunde, der sich beraten lässt, weitgehend auf die Auskünfte des Reisebüros angewiesen. Er wird auch Einschätzungen und Wertungen des Reisebüros in der Regel als sachdienlich entgegennehmen und bei seiner Kaufentscheidung berücksichtigen. Schließlich wird er nicht annehmen, dass das Reisebüro ihm Alternativangebote, die seinen Interessen ersichtlich besser entsprechen, vorenthalten wird.
Bei alldem ist dem verständigen Durchschnittsverbraucher durchaus bewusst, dass der Inhaber eines Reisebüros eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt und sich in seinem Verhalten hierdurch beeinflussen lässt. Daher rechnet der Verbraucher ohne weiteres damit, dass das Reisebüro ihm im eigenen Provisionsinteresse im Zweifel eher zur Inanspruchnahme einer Leistung raten als hiervon abraten wird. Er wird auch damit rechnen, dass die Provision des Reisebüros je nach Auswahl des Reiseveranstalters bzw. Leistungserbringers unterschiedlich hoch sein kann; so wird er im Regelfall annehmen, dass dem Reisebüro die Vermittlung einer hochpreisigen Leistung mehr einbringt als die Vermittlung einer kostengünstigen Leistung.
Ein durchschnittlich aufmerksamer, informierter und verständiger Verbraucher zieht aber nach der Einschätzung des Senats nicht in Betracht, dass einzelne Leistungserbringer Anreize in der Form eines Buchungswettbewerbs setzen, wie es hier der Fall gewesen ist. Würde der Durchschnittsverbraucher mit einer derartigen Beeinflussung des Reisebüros rechnen, so würde er den Wert der Beratung nicht nur in der zuvor angesprochenen Weise relativieren, sondern ihn grundsätzlich in Frage stellen.
Die Anreizwirkung des von der Beklagten veranstalteten Buchungswettbewerbs ist besonders hoch; sie hat eine andere Qualität als marktgängige und den Endverbrauchern weitgehend bekannte Steuerungsmittel wie insbesondere die Vereinbarung unterschiedlich hoher Provisionssätze.
Die Beklagte hat ausweislich der Anlagen K 2 und K 3 zehn Hauptpreise im Wert von 5.000 EUR für die Reisebüros ausgelobt, die in der Zeit vom 01.08. bis 30.11.2007 für den Zeitraum vom 01.11.2007 bis 29.02.2008 (Abflugdatum) die meisten ... Kanarenflüge buchen. Weitere 50 Preise sollten unter den teilnehmenden Reisebüros ausgelost werden. Die teilnehmenden Reisebüros hatten sich bei der Beklagten anzumelden und sollten regelmäßig einen €Buchungs-Newsletter€ mit ihrem aktuellen Buchungsstand zugeschickt bekommen.
Diese Art des Buchungswettbewerbs, der auf ein überschaubares Angebotssegment konzentriert ist und lukrative Preise in Aussicht stellt, ist geeignet, das Beratungsverhalten der Reisebüros, die sich diesem Wettbewerb stellen, massiv zu beeinflussen. Er ist darauf ausgerichtet, einen €sportlichen Ehrgeiz€ zu wecken, der es den teilnehmenden Reisebüros nahelegt, möglichst jede einschlägige Buchungsgelegenheit, ggf. auch unter Hintanstellung der Kundeninteressen, wahrzunehmen, zumal schon wenige Buchungen den entscheidenden Unterschied machen und für den Gewinn eines Hauptpreises den Ausschlag geben können.
Der Gewinnanreiz, der auf die Reisebüroinhaber ausgeübt wird, wird durch deren Interesse an der Pflege des Kundenstamms nicht hinreichend kompensiert. Denn es ist bei der hier in Rede stehenden Beratungssituation zu berücksichtigen, dass der Kunde Beratungsmängel in der Regel auch im Nachhinein nicht bemerken wird. So wird ein Kunde, der sich gerade deshalb im Reisebüro beraten lässt, weil er sich eigene Nachforschungen ersparen möchte, nur in Ausnahmefällen in Erfahrung bringen, dass es preisgünstigere oder interessengerechtere Alternativen gegeben hätte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es € wie hier € nur um eine Komponente der Reise insgesamt geht und wenn andere Reisebüros, bei denen der Kunde ggf. ein zweites Angebot einholen könnte, der gleichen Beeinflussung durch die Beklagte ausgesetzt sind.
Danach bleibt festzuhalten, dass der Einfluss, den die Beklagte durch die Veranstaltung des angegriffenen Buchungswettbewerbs auf ihre Absatzmittler nimmt, eine Intensität aufweist, mit der ein Durchschnittsverbraucher bei verständiger Einschätzung der dem Beratungsgespräch zugrunde liegenden Interessenlage nicht ansatzweise rechnet. Auf dieser Grundlage ist eine unangemessene unsachliche Beeinflussung der angesprochenen Reisebüros durch die Werbeaktion der Beklagten zu bejahen. Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern mehr als nur unerheblich bzw. spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten steht der Klägerin in der geltend gemachten Höhe nach § 12 I 2 UWG zu.
Die Beklagte hat gemäß § 91 I 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist. Die Beschränkung der Klägerin auf den Hilfsantrag beinhaltete keine kostenrelevante teilweise Klagerücknahme, weil sich die Klägerin von Anfang an gegen den gleichen Buchungswettbewerb gewandt hatte, auch wenn über dessen konkrete Ausgestaltung zwischenzeitlich Unklarheiten bestanden haben mögen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil die hier angesprochene Frage, unter welchen Voraussetzungen im Falle einer €Dreieckskopplung€ eine unangemessene unsachliche Beeinflussung gemäß § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 II Nr. 1 ZPO).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 30.04.2009
Az: 6 U 48/08
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