Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 37/00

(BPatG: Beschluss v. 08.11.2000, Az.: 28 W (pat) 37/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren Nagelfeilen, Nagelknipser, Nagelscheren, Nagelzangen, Pinzetten; Armreifen, Halsketten, Ohrklips, Ringe, unechter Modeschmuck; Handspiegel, Rasierspiegel, Taschenspiegel; Badebürsten, Bürsten zur Körperpflege, Haarbürsten, Haarkämme, Mundspülbecher, Nagelbürsten, Seifendosen, Taschenspiegel; Badehauben, Duschhauben, Frisiernetze, Frisierschleier, Haarbänder, Haarnetze, Haartücher; Haarklipse; Haarklemmen, Haarnadeln, Haarschmuck, Haarspangen, Lockenwickler (unbeheizt)"

am 21. Februar 1996 eingetragene Marke 395 43 829 ELLE DUE ist Widerspruch erhoben ua aus der IR-Marke 546 813 ELLE eingetragen seit dem 10. Juli 1989 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen ua der Klassen 8, 25 und 26.

Die Markeninhaberin hat mit Schriftsatz vom 12. Juni 1997 die Nichtbenutzungseinrede erhoben.

Die Markenstelle hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit der Begründung zurückgewiesen, daß selbst im Bereich identischer Waren der von den Marken einzuhaltende Abstand dadurch gewährleistet werde, daß der Bestandteil "DUE" in der angegriffenen Marke im Gesamteindurck nicht vernachlässigt werden könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, es bestehe Verwechslungsgefahr, da hinsichtlich der einander gegenüberstehenden Waren weitgehend von Identität auszugehen sei und der übereinstimmende Bestandteil in "ELLE" die angegriffene Marke allein präge, denn das angefügte italienische Zahlwort "due" weise den Verkehr allein darauf hin, daß es sich hier um eine Variante der Widerspruchsmarke handele, die im übrigen als Titel einer Frauenzeitschrift hohe Bekanntheit besitze.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Für sie fehlt es sowohl an einer Warenähnlichkeit zwischen den Waren der Klassen 14 und 26 als auch an der Ähnlichkeit der Marken, da das kennzeichnungsschwache Element in "ELLE" die jüngere Marke nicht präge.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Ansicht des Senats besteht zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen nicht die Gefahr von Verwechslungen (§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Hierzu gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das angegriffene Zeichen zu ihr hervorrufen kann sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken und den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf deren Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher wirkt.

Maßgeblich für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im vorliegenden Fall ist die Registerlage, da die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin nicht greift. Ausweislich der Akten der Widerspruchsmarke IR-546 813 ist die Schlußmitteilung vom 19. Dezember 1996 dem Internationalen Büro am 24. Dezember 1996 zugegangen mit der Folge, daß mit diesem Datum die Fünfjahresfrist für die Aufnahme der Benutzung der Widerspruchsmarke im Inland (Art 5 Abs 2 MMA iVm §§ 116 Abs 1, 115 Abs 2, 124 MarkenG) beginnt. Demnach befindet sich die Widerspruchsmarke noch in der Benutzungsschonfrist.

Die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen sind übereinstimmend für Waren der Klasse 8 eingetragen, wobei der für die Widersprechende geschützte Warenoberbegriff zwanglos die Waren "Nagelfeilen, -knipser, -scheren, -zangen, Pinzetten" umfaßt. Deutliche Berührungspunkte ergeben sich auch zwischen einzelnen Waren der Klassen 25 und 26, so daß zugunsten der Widersprechenden von eher strengen Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand zu stellen sind.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist der älteren Kennzeichnung allerdings keine (kollisionsfördernde) gesteigerte Kennzeichnungskraft beizumessen. Es mag sein, daß die Widerspruchsmarke als Titel einer internationalen Frauenzeitschrift über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügt. Dies würde jedoch in erster Linie nur für die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Zeitschrift "Elle" gelten und könnte allenfalls noch auf eng verwandte Waren ausstrahlen, um mit wachsendem Warenabstand jedoch abzunehmen (vgl 24 W (pat) 145/97 vom 10. November 1998 - "POUR ELLE"). Eine Ausstrahlung der Bekanntheit auf die vorliegend in Rede stehenden Waren, insbesondere der Klassen 8, 14, 25 und 26 ist in keiner Weise dargetan, ganz abgesehen davon, daß die Markeninhaberin ohnehin eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestritten hat. Ob die Widerspruchsmarke - zumindest von einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs - als französisches Pronomen für die weibliche Einzahl (zu Deutsch "sie") verstanden wird und ihr insoweit von Haus aus eventuell sogar eher eine Kennzeichnungsschwäche attestiert werden müßte, kann vorliegend indes dahinstehen, da selbst bei einem als durchschnittlich anzusehenden Schutzumfang der Widerspruchsmarke und vor dem Hintergrund teilweiser identischer Waren eine Verwechslungsgefahr nicht in Betracht kommt, da die beiden Marken wenig Gemeinsamkeiten aufweisen.

Schon im Gesamteindruck unterscheiden sie sich klanglich wie schriftbildlich durch die jeweils unterschiedliche Zeichenlänge. Zwar ist in beiden Kennzeichnungen der identische bestandteil "ELLE" enthalten, der in der angegriffenen Marke auch am Wortanfang steht, dem erfahrungsgemäß vom Verkehr eine größere Beachtung geschenkt wird. Dennoch prägt das übereinstimmende Element nicht allein den Gesamteindruck der jüngeren Marke, da der weitere Bestandteil, insbesondere auch wegen der relativen Kürze und Übersichtlichkeit der Wortkombination als Ganzes, nicht vernachlässigt werden kann. Soweit die Widersprechende vorträgt, bei "DUE" handele es sich um das dem Verkehr geläufige italienische Zahlwort "zwei", müßte sich dies in gleicher Weise auf das französische Grundwort "elle" auswirken und könnte damit allenfalls eine Gleichwertigkeit der Markenbestandteile nach sich ziehen. Regelmäßig greift der Verkehr Kennzeichnungen jedoch so auf, wie sie ihm begegnen und analysiert sie nicht nach einem möglichen (fremd-)sprachlichen Aussagegehalt. Nach diesem Erfahrungssatz hat der Verkehr auch vorliegend keinen Anhalt, insbesondere die jüngere Marke auf einen möglichen Fremd- oder deutschsprachlichen Sinngehalt hin abzufragen, sondern nimmt sie so wahr, wie sie ihm entgegentritt, dh, in ihrer vollen Länge.

Auch für eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung liegen keine Anhaltspunkte vor. Die angegriffene Marke, - wie die Widersprechende meint - als Variante der älteren Kennzeichnung, quasi als "ELLE 2" anzusehen, setzt mehrere gedankliche Schritte voraus, die selbst diejenigen Verkehrskreise, die mit beiden Kennzeichnungen vertraut sind, nicht anstellen werden, zumal die jüngere Marke aus einer unterschiedlichen Sprachen angehörenden Wortkombination (Deutsch/Italienisch bzw Französisch/Italienisch) besteht.

Eine Verwechslungsgefahr kommt daher unter keinem rechtlich relevanten Gesichtspunkt in Betracht, so daß die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war, ohne daß Anlaß bestand, einem der Beteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Stoppel Martens Kunzebr/prö






BPatG:
Beschluss v. 08.11.2000
Az: 28 W (pat) 37/00


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