Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 12. Juli 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 111/09

(BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az.: AnwZ (B) 111/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 7. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1983 als Rechtsanwalt zugelassen. Die Antragsgegnerin hatte bereits mit Bescheid vom 22. Februar 2006 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Nachdem sich eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers abgezeichnet hatte, wurde er am 24. Oktober 2007 wieder zur Anwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 24. Februar 2009 widerrief die Antragsgegnerin erneut seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO, § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers ist mit Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin gegeben.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, Tz. 5 m.w.N.). Zudem besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine gesetzliche Vermutung für den Eintritt eines Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in dem vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.

Der gesetzliche Vermutungstatbestand war bei Erlass des Widerrufsbescheids erfüllt. Die D. eG hat am 9. Januar 2008 beim Amtsgericht B. den Erlass eines Haftbefehls gegen den Antragsteller zur Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung erwirkt. Die durch diese Eintragung im Schuldnerverzeichnis begründete Vermutung für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht widerlegt.

Unabhängig davon belegen weitere Umstände den Vermögensverfall des Antragstellers. Unter anderem betreibt die D. eG bereits seit Jahren erfolglos die Zwangsvollstreckung aus mehreren Vollstreckungstiteln über eine Gesamtforderung von ca. 20.000 €.

b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2005, aaO, Tz. 8, und vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, Tz. 8 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht gegeben war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Die Gründe für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht - was zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150) - im Laufe des gerichtlichen Verfahrens weggefallen.

a) Die gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall des Antragstellers dauert an. Er ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Das Amtsgericht H. hat auf Betreiben des Finanzamts H. am 5. November 2009 einen weiteren Haftbefehl gegen den Antragsteller erlassen. Außerdem hat der Antragsteller am 11. Februar 2010 beim Amtsgericht B. die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Der Antragsteller hat weder die durch die genannten Eintragungen begründete gesetzliche Vermutung widerlegt noch die unabhängig davon für seinen Vermögensverfall sprechenden Beweisanzeichen entkräftet.

Er hat zwar vor dem Anwaltsgerichtshof geltend gemacht, die Forderungen seines ehemaligen Vermieters vollständig ausgeglichen und die bei der D. eG bestehenden Verbindlichkeiten bis auf 10.000 € zurückgeführt zu haben. Der Antragsteller hat aber nur punktuelle Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen gemacht und weder eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorgelegt noch im Einzelnen unter Vorlage von aussagekräftigen Belegen dargetan, welche Zahlungen er hierauf konkret erbracht hat und in welcher Weise er die noch bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 1991 - AnwZ (B) 40/91, juris, Tz. 6; vom 17. September 2007 - AnwZ (B) 75/06, AnwBl. 2008, 66, Tz. 4). Zudem ist erst durch die Mitteilung der Oberfinanzdirektion N. vom 11. Februar 2010 bekannt geworden, dass beim Finanzamt H. nach dessen Berechnung bereits zu Beginn des Jahres 2009 Steuerrückstände von mehr als 20.000 € bestanden, die sich zum 10. Februar 2010 auf rund 29.000 € erhöht haben. Soweit der Antragsteller angegeben hat, über unbelastetes Immobilienvermögen mit einem Verkehrswert von mindestens 367.000 € und über eine am 1. Dezember 2009 fällige Lebensversicherungsforderung in Höhe von mindestens 31.600 € zu verfügen, finden diese Vermögenswerte keine Erwähnung in der am 11. Februar 2010 vom Antragsteller abgegebenen eidesstattlichen Versicherung.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Antragsteller eine Konsolidierung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse weder hinreichend dargetan noch belegt. die von ihm eingereichten Unterlagen zeigen zwar, dass er Anstrengungen zur Schuldentilgung unternommen, nicht aber, dass er seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet hat.

b) Eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Mandanten lässt sich nach wie vor nicht ausschließen. Ein Ausnahmefall, in dem die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass der Antragsteller nach seinen Angaben derzeit als Rechtsanwalt keine Mandanten betreut und keine Geschäftskonten unterhält, räumt eine mögliche Gefahrenlage für potentielle Mandanten nicht aus. Es ist nicht gewährleistet, dass er sich bei der künftigen Betreuung von Mandanten jeglichen Umgangs mit Fremdgeldern enthält.

Tolksdorf Schmidt-Räntsch Fetzer Wüllrich Braeuer Vorinstanz:

AGH Celle, Entscheidung vom 07.09.2009 - AGH 10/09 -






BGH:
Beschluss v. 12.07.2010
Az: AnwZ (B) 111/09


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