Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 1. August 2007
Aktenzeichen: III ZR 56/07
(BGH: Beschluss v. 01.08.2007, Az.: III ZR 56/07)
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Januar 2007 - 17 U 126/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 31.006,54 €
Gründe
I.
Der Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt. Die Beklagte erbringt als Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung an zahlreichen Standorten in der Bundesrepublik Rechtsanwaltsleistungen.
Die Parteien schlossen im Oktober 2003 eine Vereinbarung, wonach der Kläger für die Beklagte als freier Mitarbeiter tätig werden und die Beklagte dabei unterstützen sollte, so schnell wie möglich ein bundesweites Filialnetz von Anwaltskanzleien unter der Marke j. aufzubauen. Neben einer monatlichen festen Vergütung war eine als "Nachhaltigkeitsfaktor" bezeichnete umsatzabhängige Provision vereinbart, die sich prozentual am Umsatz der neu aufgenommenen Partner der Beklagten orientierte und für einen Zeitraum von fünf Jahren degressiv gestaltet war.
Nach eineinhalbjähriger Tätigkeit des Klägers beendeten die Parteien die Zusammenarbeit. Der Kläger machte unter anderem die umsatzabhängige Provision geltend. Die Beklagte wurde vom Landgericht antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung war im Wesentlichen erfolglos. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagte ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO)
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die streitentscheidende Rechtsfrage, ob die Tätigkeit des Klägers von § 27 Satz 2 BORA erfasst wird, nicht klärungsbedürftig ist.
Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist nur gegeben, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage noch nicht gerichtlich, nicht zwingend höchstrichterlich, geklärt ist (vgl. Hk-ZPO/Kayser, ZPO, 2. Aufl., § 543 Rn. 7; Musielak/Ball, ZPO, 5. Aufl., § 543 Rn. 5a; Münchener Kommentar ZPO/Wenzel, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rn. 7).
In der Literatur und der Rechtsprechung ist die Frage, ob die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes als freier Mitarbeiter von § 27 Satz 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) erfasst wird, soweit ersichtlich noch nicht erörtert worden. Die Frage ist jedoch klar und unzweifelhaft zu bejahen.
1. Die Tätigkeit des Klägers unterfällt schon vom Wortlaut her dem Anwendungsbereich des § 27 Satz 2 BORA.
Nach § 27 BORA dürfen Dritte, die mit dem Rechtsanwalt nicht zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbunden sind, am wirtschaftlichen Ergebnis anwaltlicher Tätigkeit nicht beteiligt sein. Das gilt nach Satz 2 der Vorschrift unter anderem nicht für Mitarbeitervergütungen. Der Wortlaut der Vorschrift erfasst die Tätigkeit des Klägers, da diese Vergütungen für Mitarbeiter von dem Anwendungsbereich des Satzes 1 der Vorschriften ausnimmt und hierbei nicht zwischen Angestellten und freien Mitarbeitern unterscheidet.
2. Auch unter systematischen Gesichtspunkten gehört der Kläger als freier Mitarbeiter zum Anwendungsbereich des § 27 Satz 2 BORA.
Die Rechtsgrundlage für den Erlass des § 27 BORA ist § 59b Abs. 2 Nr. 8, Nr. 1b BRAO. Danach können Berufspflichten im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Rechtsanwälten und der Ausbildung sowie Beschäftigung anderer Mitarbeiter in der Berufsordnung geregelt werden. Die §§ 24 bis 28 der Berufsordnung füllen diesen Rahmen aus (Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., S. 248).
§ 26 BORA nimmt die gesetzliche Unterscheidung aus § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO auf und differenziert zwischen Rechtsanwälten und anderen Mitarbeitern. Unstreitig gehören zu den Rechtsanwälten im Sinne des § 26 BORA sowohl die angestellten Rechtsanwälte als auch diejenigen, die als freie Mitarbeiter beschäftigt werden (vgl. Nerlich, in: Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 26 BerufsO Rn. 65 ff). § 27 BORA nimmt hingegen diese Unterscheidung zwischen Rechtsanwälten (Angestellte und freie Mitarbeiter) und anderen Mitarbeitern nicht auf, sondern enthält allein den Begriff der Mitarbeitervergütung, ohne weiter zu differenzieren. Unter die Mitarbeitervergütung fallen aber nach der Literatur (vgl. Römermann, in: Hartung, aaO § 27 BerufsO Rn. 29) und nach Auffassung der Beschwerdeführerin die angestellten Anwälte. Systematisch ist kein Grund ersichtlich, die freien Mitarbeiter von der Formulierung in § 27 Satz 2 BORA auszunehmen, die ersichtlich an den Begriff der Rechtsanwälte und anderen Mitarbeiter aus § 26 BORA anknüpft.
3. Auch historisch gesehen ergibt sich kein Grund, den Kläger vom Anwendungsbereich des § 27 Satz 2 BORA auszuschließen. In den Richtlinien der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern in der britischen Zone war bestimmt, dass jede unmittelbare oder mittelbare Gewinnbeteiligung des Kanzleivorstehers und jede wirtschaftliche Abhängigkeit von Kanzleiangestellten unzulässig sei. Die Richtlinien der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern im Bundesgebiet von 1957 bestimmten in § 76, dass jede wirtschaftliche Abhängigkeit des Rechtsanwalts von seinen Kanzleiangestellten, insbesondere jede unmittelbare und mittelbare Gewinnbeteiligung des Kanzleivorstehers, unzulässig sei. In der nachfolgenden Fassung von 1963 war ebenfalls auf Kanzleiangestellte abgestellt worden. In § 86 der Richtlinien von 1973 war der Begriff Kanzleiangestellte durch Mitarbeiter bzw. nichtjuristische Mitarbeiter ausgetauscht worden (vgl. Eich in: Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich, Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl., § 86 Rn. 1 ff). In früheren Richtlinien waren die angestellten Mitarbeiter des Rechtsanwalts von einer Gewinnbeteiligung ausgeschlossen worden. Diese frühere Regelung für angestellte Mitarbeiter ist durch § 27 Satz 2 BORA aufgegeben worden. Es ist insofern kein Grund ersichtlich, den Rechtsanwalt, der als freier Mitarbeiter tätig ist und bei den bisherigen Richtlinien nicht im Blickpunkt stand, nunmehr von der neuen Zulässigkeit der finanziellen Beteiligung am Gewinn auszuschließen.
Ein weiteres systematisches Argument gegen die Ausgrenzung des Klägers als eines freiberuflichen Mitarbeiters von der Vorschrift des § 27 Satz 2 BORA ist aus der Natur des Dienstleistungsverhältnisses zwischen Auftraggeber und freiem Mitarbeiter abzuleiten. Die Gewinnbeteiligung des freien Mitarbeiters ist eines der Kriterien, mit denen zwischen einem Rechtsanwalt als Angestelltem und freiem Mitarbeiter differenziert wird (vgl. LSG NRW, Urteil vom 3. Mai 2007 - L 17 (14) R 159/06 - juris Rn. 40; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. März 2005 - L 7 KR 12/03 - juris Rn 41; BSG BB 1981, 1581; Jessnitzer/Blumberg, aaO. S. 238; Berghahn, Der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter, 1988, S. 67 f). Die Beteiligung am Gewinn bzw. Umsatz und damit das Tragen des Unternehmerrisikos als ein - wenn auch nicht alleiniges - Merkmal für die Unterscheidung zwischen einem Rechtsanwalt als Angestelltem oder freiem Mitarbeiter würde damit von § 27 Satz 1 BORA untersagt. Ein solcher Regelungszweck, der als ein inzidentes Verbot der freien Mitarbeitertätigkeit eines Rechtsanwalts gedeutet werden könnte, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen.
4. Auch vom Sinn und Zweck her ist § 27 Satz 2 BORA auf den Kläger anzuwenden.
Ziel der Satzungsbestimmung des § 27 BORA war es, sogenannte "Kryptosozietäten" zu verhindern. Es sollte mit der Regelung die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte gewahrt werden. Diese sah die Satzungsversammlung als gefährdet an, wenn z.B. eine Wirtschaftsprüfungs-GmbH am wirtschaftlichen Ergebnis einer Anwaltssozietät beteiligt würde, die aus führenden Juristen der Wirtschaftsprüfungs-GmbH bestehe, welche ihre Geschäftsräume in der jeweiligen Niederlassung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hätte (vgl. Römermann, in: Hartung, aaO § 27 Rn. 4). Hinzu kam die Befürchtung, dass Gewinn-Pools gebildet werden könnten. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aber auch größere Firmen, Versicherungen oder auch der ADAC könnten ihre Rechtsabteilung ausgliedern. Wenn die darin tätigen Mitarbeiter sich als Rechtsanwälte niederließen, so würden sie nach außen als unabhängige Rechtsanwälte in Erscheinung treten, durch die Gewinnabführung aber letztlich intern als abhängig Beschäftigte dastehen. Dies sei mit der für ein selbständiges Organ der Rechtspflege zu fordernden Unabhängigkeit nicht vereinbar. Mit dem Gewinnabführungsverbot sollte zugleich einer nicht durch § 59a BRAO gedeckten Zusammenarbeit vorgebeugt werden, die faktisch durch einen Gewinnabführungsvertrag hergestellt werden könnte (vgl. Römermann aaO Rn. 5 ff; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 27 BORA Rn. 1 f).
Bei der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beschwerdeführerin handelt es sich jedoch nicht um einen Gewinn-Pool oder eine nicht durch § 59a BRAO gedeckte Zusammenarbeit. Die Beschwerdeführerin behält auch ihre wirtschaftliche Selbständigkeit. Die Unabhängigkeit der bei der Beschwerdeführerin tätigen Rechtsanwälte wird in keiner Weise tangiert.
Vergeblich macht die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang geltend, der Kläger erbringe keine typisch anwaltliche Tätigkeit. Das Akquirieren von neuen Rechtsanwälten zum weiteren Ausbau der Sozietät gehört zum Berufsbild eines Rechtsanwalts. Insoweit handelt es sich um Tätigkeiten des Personalmanagements, die zwar keine Rechtsvertretung nach außen darstellen, aber zum Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts hinzukommen, der sein berufliches Umfeld so gestalten können muss, dass ihm eine optimale Rechtsberatung nach außen möglich ist.
Die Frage, ob die Tätigkeit sich auf eine unmittelbare Rechtsberatung nach außen bezieht oder nicht, ist für die Abgrenzung nach § 27 Satz 2 BORA nicht von maßgeblicher Bedeutung. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass § 86 Abs. 2 der Richtlinien alter Fassung (1973) nicht in die neue Berufsordnung übernommen wurde, wonach die finanzielle Beteiligung eines nicht juristischen Mitarbeiters unzulässig war. Dieses Verbot ist nicht in § 27 BORA aufrechterhalten worden, so dass die finanzielle Beteiligung eines nicht juristischen Mitarbeiters grundsätzlich nicht von § 27 BORA ausgeschlossen werden sollte.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kommt dem Umstand, dass die Vergütung für den Kläger auch noch nach Beendigung der vertraglichen Zusammenarbeit weitergezahlt werden muss, kein entscheidendes Gewicht zu. Letztlich ist die Fälligkeit der Vergütung hinausgeschoben, da der Berechnungsfaktor, nämlich der zukünftige Umsatz, vorher noch nicht feststand und im Übrigen für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit bestand, das Honorar erst durch den Einsatz der zusätzlich engagierten Rechtsanwälte zu verdienen. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit der bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Rechtsanwälte oder ihrer selbst ist deshalb nicht zu besorgen.
5. Auf die Frage, ob ein hier wegen § 27 Satz 2 BORA auszuschließender Verstoß gegen § 27 Satz 1 BORA nach § 134 BGB zur Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung führt, kommt es deshalb nicht an.
Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Schlick Wurm Dörr Wöstmann Harsdorf-Gebhardt Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 07.07.2006 - 3 O 111/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.01.2007 - 17 U 126/06 -
BGH:
Beschluss v. 01.08.2007
Az: III ZR 56/07
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