Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 94/02
(BPatG: Beschluss v. 07.12.2004, Az.: 27 W (pat) 94/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wir der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 1997 aufgehoben.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 14. November 1997 unter Beanspruchung der Priorität aus der US-Anmeldung 74/677,934 vom 22. Mai 1995 die "Farbe Grün" (Pantone Nr. 3288U) als sonstige Markenform für die Waren
"Elektronische Bauteile, enthaltend integrierte Schaltkreise, insbesondere Prozessoren"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die der Anmeldung beigefügte Beschreibung lautet: "Beansprucht wird die Farbe Grün (Pantone Nr. 3288U), in der die Gehäuse der beanspruchten Waren ausgeführt sind".
Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin das Warenverzeichnis auf "Elektronische Bauteile, nämlich integrierte Schaltkreise, insbesondere Prozessoren" beschränkt.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamts hat die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dem angemeldeten abstrakten Farbzeichen sei die Markenfähigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 MarkenG abzusprechen; jedenfalls fehle ihm die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist durch Beschluss des 29. Senats vom 18. November 1998 zurückgewiesen worden (29 W (pat) 43/98). Zwar handele es sich nicht, wie von der Markenstelle angenommen, um eine konturlose abstrakte Farbmarke, sondern um eine im einzelnen präzisierte farbige Aufmachung der Ware, die dem Markenschutz grundsätzlich zugänglich und auch grafisch darstellbar sei. Auch ein konkretes Freihaltungsbedürfnis an der Farbe "Grün" für die Gehäuse integrierter Schaltungen erscheine letztlich zweifelhaft. Die angemeldete Marke sei aber jedenfalls wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen. Bei elektronischen Bauteilen sei die Einfärbung weit verbreitet, wobei die Farbe Grün insbesondere für Platinen und Fassungen integrierter Schaltkreise besonders beliebt sei. Daher seien an die Unterscheidungskraft der angemeldeten Gestaltung strenge Anforderungen zu stellen, denen die angemeldete Farbmarke nicht genüge. Die angesprochenen Verkehrskreise hätten keine Veranlassung, die grüne Gestaltung des Kunststoffgehäuses eines integrierten Schaltkreises von Haus aus als Mittel betrieblicher Zuordnung zu verstehen. Hinzu komme, dass der gewählte Farbton bei ungünstiger Beleuchtung schwer zu unterscheiden sei und Prozessoren ohnehin weniger auf Sicht gekauft würden, schon gar nicht anhand besonderer Farbstellungen.
Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 19. September 2001 (=GRUR 2002, 538 - grün eingefärbte Prozessorengehäuse) den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Zutreffend sei das Bundespatentgericht davon ausgegangen, dass der Gegenstand der Anmeldung grundsätzlich markenfähig (§ 3 Abs. 1 MarkenG) und grafisch darstellbar sei (§ 8 Abs. 1 MarkenG). Die Annahme, dass bei der Prüfung der Frage der Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) der angemeldeten Marke ein eher strenger Maßstab anzulegen sei, sei indes nicht frei von Rechtsfehlern. An Farben und sonstige durch das Markengesetz eingeführte neue Markenformen seien keine strengeren Anforderungen an die Unterscheidungskraft als an herkömmliche Markenformen zu stellen. Das Interesse an einer generellen Freihaltung von Farben dürfe im Rahmen der Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft keine Rolle spielen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die grüne Einfärbung von Prozessoren als genormte Farbcodierung eine Beschreibung bestimmter Eigenschaften darstelle und deshalb vom angesprochenen Verkehr nicht als Herkunftshinweis verstanden werde, seien vom Bundespatentgericht nicht festgestellt worden. Allein die Beliebtheit der Farbe Grün für Kunststoffteile besagte nichts über einen Mangel an Unterscheidungskraft für die hier allein in Betracht zu ziehenden Prozessoren. Prozessorengehäuse seien üblicherweise nicht in dekorativer Art farbig gestaltet, insbesondere werde nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts weder die Farbe grün noch - mit Ausnahme der sich aus technischen Gründen anbietenden Farben Grau und Schwarz - eine andere Farbe zur Einfärbung von Prozessorengehäusen verwendet, so dass die Annahme fern liege, der Verkehr werde in der angemeldeten Aufmachung eine bloß dekorative Gestaltung sehen. Das gelte umso mehr, als nach dem Vortrag der Anmelderin, von dem das Bundespatentgericht ausgegangen sei, der Verkehr ein bestimmtes Blau dem Unternehmen I... zurechne, mithin daran gewöhnt sei, in einer konkreten farblichen Aufmachung eines Prozessors einen Herkunftshinweis zu sehen. Auf die mangelnde Unterscheidbarkeit der bei besonders ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen in üblicher Weise grau wirkenden Einfärbung komme es nicht an. Auch sei es rechtlich unerheblich, dass Prozessoren weniger auf Sicht gekauft würden, denn die Identifizierungsfunktion einer Marke sei in jedem Stadium des Warenabsatzes beachtlich, von der Werbung bis zum Absatz und darüber hinaus auch noch in der Hand des Kunden und nach dem Einbau zum funktionellen Gebrauch. Zu der bisher nicht ausdrücklich entschiedenen Frage eines Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG habe das Bundespatentgericht über die geäußerten Zweifel an einem konkreten Freihaltungsbedürfnis hinausgehende Feststellungen zu treffen. Ansonsten werde es bei der Verneinung eines Freihaltungsbedürfnisses an der beanspruchten Gehäusefarbe bewenden müssen. Auch ein Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG hat der Bundesgerichtshof als derzeit nicht gegeben erachtet.
Im nunmehr vor dem erkennenden Senat anhängigen Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin ergänzend vorgetragen:
Bei den beanspruchten elektronischen Bauteilen, nämlich integrierten Schaltungen, insbesondere Prozessoren, würden die auf einer Halbleiterplatte hergestellten Schaltungsanordnungen nebst Leiterrahmen zu einem kleinen flachen Gehäuse aus isolierendem Material vergossen. Aufgrund der üblicherweise verwendeten Vergussmasse seien die so hergestellten Gehäuse seit mehr als 40 Jahren regelmäßig in den Farben Schwarz oder Anthrazitgrau hergestellt worden. Daher könne davon ausgegangen werden, dass die Wettbewerber die beanspruchte grüne Gestaltung auch weiterhin nicht benötigten.
Der Senat hat an das Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen in Erlangen sowie an den Fachverband Bauelemente der Elektronik im ZVEI und den VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., jeweils in Frankfurt am Main, die Anfrage gerichtet, ob es häufiger vorkomme, dass Gehäuse der fraglichen Art außer in grau oder schwarz auch in anderen Farben gehalten seien oder ob es sich um Einzelfälle handele; welche Farben ansonsten verwendet würden, und aus welchem Grunde auch andere Farben verwendet würden, etwa zur optisch ansprechenden Gestaltung, zum Hinweis auf bestimmte Eigenschaften oder auf den Hersteller.
Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Verbandsanfragen und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg. Der angemeldeten Marke steht nach den vom Senat im wieder eröffneten Beschwerdeverfahren getroffenen Feststellungen ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG nicht entgegen.
Nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs ist sowohl von der Markenfähigkeit (§ 3 Abs. 1 MarkenG) und der grafischen Darstellbarkeit (§ 8 Abs. 1 MarkenG) der beanspruchten Farbgestaltung als auch von ihrer Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) auszugehen. An diese rechtliche Beurteilung ist der Senat gemäß § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG gebunden, allerdings vorbehaltlich der Rechtssätze, die der EuGH in der später ergangenen "Libertel"-Entscheidung vom 6. Mai 2003 (GRUR 2003, 604) in Auslegung der Art. 2 und 3 Abs. 1 MRRL zur Eintragbarkeit einer Farbe als Marke aufgestellt hat. Diese Rechtssätze sind wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht auch in dem vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen (vgl zur Bindungswirkung von Vorabentscheidungen nach Art. 234 EG auch außerhalb des Ausgangsverfahrens: BVerfG NJW 1988, 2173 mwNachw; ferner BVerG MDR 1991, 685).
Eine von den Rechtssätzen des EuGH in der Libertel"-Entscheidung abweichende Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke durch den Bundesgerichtshof ist hier nicht zu erkennen. Die Markenfähigkeit und die grafische Darstellbarkeit der beanspruchten grünen Farbgebung von Gehäusen integrierter Schaltungen stehen ohnehin außer Frage. Was die Unterscheidungskraft betrifft, hat es der EuGH nur unter außergewöhnlichen Umständen als vorstellbar erachtet, dass einer Farbe als solcher unabhängig von ihrer Benutzung betriebliche Hinweisfunktion zukommt, weil eine Farbe nach den derzeitigen Gepflogenheiten des Handels grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird und die Verbraucher es daher nicht gewöhnt sind, aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung ohne grafische oder Wortelemente auf die Herkunft der Waren zu schließen (EuGH aaO, Rdn. 65, 66 - Libertel). Das Vorliegen solcher besonderer Umstände hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "grün eingefärbte Prozessorengehäuse" indessen im einzelnen dargelegt.
Zusätzlich gestützt wird dies durch die vom Senat im Rahmen ergänzender Ermittlungen zur Frage eines Freihaltungsbedürfnisses der Mitbewerber an der beanspruchten grünen Farbgestaltung eingeholten Auskünfte bei drei Fachinstitutionen. Danach scheiden bei Gehäusen integrierter Schaltungen Farben als Mittel einer ästhetisch ansprechenden dekorativen Gestaltung aus. Das Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen hat ebenso wie der Fachverband Bauelemente der Elektronik im ZVEI und der VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. bestätigt, dass Gehäuse in anderen Farben als schwarz und grau bei Kunststoff und - materialbedingt - weiß bei Keramik sehr selten vorkommen. Als Grund hierfür ist angegeben worden, dass Farben abgesehen von den Zusatzkosten für die Einfärbung des Werkstoffs die Gefahr negativer (Langzeit-)Effekte hinsichtlich der thermischen oder elektrischen Eigenschaften der Halbleiter (Leitfähigkeit, Absorption, Wärmeabgabe) mit sich bringen.
Soweit der Vorsitzende des Arbeitskreises Umwelt/Verpackung in der FG Aktive Bauelemente des Fachverbands Bauelemente der Elektronik im ZVEI ausgeführt hat, dass ihm bisher nur blaue, ockerfarbige und grüne Plastiken als Angebot von Pressmassen einzelner Hersteller bekannt seien, wobei in dieser Farbgebung nach seiner Einschätzung neben einer optisch ansprechenden Gestaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch "Corporate Identity" stehe, beziehen sich die genannten Farben auf die bereits in dem Beschluss des 29. Senats erwähnten Hersteller IBM (Big Blue) und LaSprague (ocker bzw gold). Die Farbe "grün" betrifft die Produkte der Anmelderin selbst. Auch das Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen hat geantwortet, dass die farbige Gestaltung von Prozessoren im allgemeinen als Hinweis auf den Hersteller und als optisch ansprechende Gestaltung diene. Ein Fall, in dem sie als Hinweis auf sachliche Merkmale verwendet werde, sei nicht bekannt.
Das Ergebnis der vom Senat eingeholten Auskünfte lässt auch nicht die konkrete Feststellung zu, dass die beanspruchte grüne Farbgebung - ungeachtet ihrer derzeit unüblichen Verwendung für Gehäuse integrierten Schaltungen - in sonstiger Weise zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der Herstellung oder sonstiger Merkmale der Waren im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geeignet ist oder eine solche Eignung zumindest künftig zu erwarten sein könnte. Anders als bei den in die Gehäuse eingegossenen Schaltungsanordnungen (Platinen), die nach den Ermittlungen des Senats im Internet aus organischem Material von meist (materialbedingt) grüner, aber auch rotbrauner Farbe hergestellt sind, ist bei den Gehäusen selbst die Farbe grün nicht üblich.
Der Vorsitzende des Arbeitskreises Umwelt/Verpackung in der FG Aktive Bauelemente des Fachverbands Bauelemente der Elektronik im ZVEI hat zwar ausgeführt, es sei "im Bekanntenkreis von Fachleuten diskutiert worden, ob eine Farbe auf bestimmte Eigenschaften der Waren hinweise, zB die Farbe grün auf umweltfreundliche Herstellung der Bauelemente, weniger Energieverbrauch oder aber als Farbschlüssel als Aussage über die Empfindlichkeit der durchzuführenden Lötprozesse". Eine Aussage darüber, dass sich Gehäuse-Farben in nächster Zukunft als Indikatoren beschreibenden Inhalts herausbilden könnten, ist in der Stellungnahme aber nicht enthalten. Dort wird im Gegenteil - ebenso wie in den Antworten des VDE und des Fraunhofer-Instituts - abschließend betont, dass bei nicht schwarz oder grau eingefärbten Gehäusen immer wieder das Problem negativer Auswirkungen auf die elektrischen Eigenschaften auftauche. Schließlich rechtfertigt auch der Hinweis des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. - Geschäftsbereich DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE -, dass es bei Chip-Gehäusen sehr kleiner Bauform anwendungsspezifische Kennzeichnungsempfehlungen gebe, bei denen mitunter ganze Gehäuseflächen in einer bestimmten Art farblich gekennzeichnet würden, zB zur automatischen Positionierung der Bauteile im Bestückungsprozess, nicht die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses an der angemeldeten Marke. Der Verband hat nämlich gleichzeitig betont, dass mit den Kennzeichnungsempfehlungen die eigentliche Gehäusefarbe nicht vorgegeben sei. Nur diese bildet aber den Gegenstand der Anmeldung und des Schutzes der Marke.
Da die erneuten Ermittlungen des Senats auch keine Anhaltspunkte für ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ergeben haben, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Dr. Schermer Schwarz Dr. van Raden Na
BPatG:
Beschluss v. 07.12.2004
Az: 27 W (pat) 94/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/5ada9af1427e/BPatG_Beschluss_vom_7-Dezember-2004_Az_27-W-pat-94-02